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Sascha Lobo war im Fernsehen und ich habe ihn gesehen

Zu Beginn der Sendung wurden die Kombattanten vorgestellt. In der linken Ecke saßen der Chef von Europas größtem unabhängigen Finanzdienstleister, Carsten Maschmayer, Oswald Metzger, neoliberaler Alleinflügel der Grünen und Sascha Lobo als Vertreter von uns.

In der rechten Ecke stand Norbert Blüm, neben ihm saßen eine Frau, die auf irgendeine bizarre Art eine gewerkschaftlich organisierte Arbeitslose war, und das schönste Gesicht des Sozialismus neben, vor oder hinter Kati Witt: Sahra Wagenknecht.

Norbert Blüm erregte sich über die Kapitaldeckung des chinesischen Rentensystems, der Chef von Europas größtem Finanzdingens sagte, man könne ja auch und hatte einen Schnurrbart. Sascha Lobo, der einen anderen Schnurrbart hat, sagte, wir hätten nichts zu gewinnen. Niemand aus seiner, die auch unsere Generation ist, würde glauben, noch Rente zu beziehen. Da hat er Recht, wenn ich mal für uns alle sprechen darf.

Von Norbert Blüm hörte man zu jedem Wort von Sascha Lobo ein zustimmendes Schmatzen.
Sascha Lobo klatschte, als Norbert Blüm sagte, dass die Bildzeitung lügt.

Dann schrie Norbert Blüm den schnauzabhängigen Finanzdienstleister an und Sahra Wagenknecht sagte etwas hübsch Sozialistisches.

Oswald Metzger schmuste sich kurz an Norbert Blüm an, um gleich darauf von ihm angebrüllt zu werden.

Sascha Lobo schickte Oswald Metzger mit dem Satzeinschub „wie ihre Partei, die FDP, findet“ auf die Bretter und erntete Szenenapplaus.

Oswald Metzger maunzte Maybritt Illner, die demnächst Sabine Christiansen nachfolgt, an, er sei hier nicht als Sprecher der Initiative Freie Marktwirtschaft, für die er da war, sondern als Grüner.

Keiner schrie Sascha Lobo an, aber der Finanzschnauz wurde von einem Verteter der Stiftung Warentest ins Kreuzverhör genommen, ob seine Kunden Verkaufsgesprächsprotokolle bekämen.

Norbert Blüm wurde von Otzwald Mesker angebrüllt, schrie zurück ins Publikum, dass er das schon immer gewusst habe und wenn er nur mal 16 Jahre Minister gewesen wäre, dann hätte er auch dementsprechend gehandelt. Sahra Wagenknecht schrie mit.

Sascha Lobo sagte, dass für uns die Parteienstreitigkeiten nicht zielführend seien. Die auf irgendeine bizarre Weise gewerkschaftlich organisierte Arbeitslose unterbrach ihn, sagte mit arbeitsloser Mimik, man müsse aber auch mal und was das alles überhaupt solle.

Als ich dachte, jetzt gehe es los, war es vorbei.
Sieger durch technischen KO: Unser Mann in Mitte, Sascha Lobo.

63 Kommentare

  1. 01

    Und ich habs mir von einem Freund erzählen lassen: „Da war so ein Typ mit Spießergesicht und rotem Iro in dieser Talkshow. Ich glaube der ist Lobbyist für Kleinstunternehmer.“ Sowas. Ich häts gern gesehen.

    Danke für diese Zusammenfassung. Lobos Metzger Statement find ich komisch. Und passend.

  2. 02
    Malte

    Dann hat dein Freund aber zu diesem späten Zeitpunkt schon eindeutig zu viele Heimdrogen konsumiert. Welcher Kleinstunternehmerlobbyist würde sich schon für das bedingungslose Grundeinkommen aussprechen?

  3. 03
    gissi

    Viel interessanter fand ich ja Lobos Auftritt im Nachtcafé, v. a. wie er den (Frei?)Kirchen-Heino in Grund und Boden geredet hat. :-)

  4. 04

    Und wenn die Schnarchlappen vom ZDF ihre Mediethek mal ernst nehmen könnte ich es auch sehen. *grummel*

    Ich hab geträumt ich wäre Radler trinken mit Marky Mark.

  5. 05

    Viele. Das bedingungslose Grundeinkommen würde experimentelle Verdienstformen erheblich erleichtern.

  6. 06
    Malte

    @ batz
    Mit dem Dirk Diggler Marky MArk oder mit dem Funky Bunch Marky Mark?
    @ Petra
    Aber Lobbyisten haben es nicht so mit experimentellen Verdienstformen. Das wollte ich damit sagen.

  7. 07

    … Maybritt Illner, die demnächst Sabine Christiansen nachfolgt … dachte die Anne Will Nachfolgerin werden. Hab leider zu spät eingeschaltet und das meiste verpasst.

  8. 08

    mit dem Calvin Klein-Werbungs Cool Bunch Marky Mark natürlich!

    Ich möchte Teil einer Judenbewegung sein!

  9. 09

    Habe leider die Sendung verpasst und danke herzlich für die unterhaltsame Zusammenfassung. Hiernach kann ich gut auf die Mediathek verzichten.

    Jetzt hatte also auch Herr Lobo seinen großen Talkshowauftritt. Da nun alle Meinungen von allen potentiellen Gästen allen potentiellen Zuschauern bekannt sein dürften, können ja nun eigentlich auch alle Moderatoren in Rente gehen.

  10. 10

    Ich habe auch nur den Auftritt im Nachtcafé gesehen, und der war hammergeil.

  11. 11

    Hab’s zufällig auch gesehen. Lobo war cool. Merkwürdig auch, sich selbst auf der Seite eines Norbert Blüm, eines Kohlministers, wiederzufinden.

    Ob die Wagenknecht das schönste Gesicht des Sozialismus ist, naja, aber schade fand ich, daß ihr nicht erlaubt war, etwas zu sagen. Hätte mich interessiert. Weil sie trotzdem nicht ganz umsonst gekommen sein wollte, mußte sie schreien, aber weil gleichzeitig noch andere schrien und die Illner das ganze immer mit „Frau Wagenknecht … Frau Wagenknecht … Frau Wagenknecht …“ untermalte, konnte ich sie nicht verstehen und weiß nicht, was sie gesagt hat, weiß nur, daß sie geschrien hat.

    So bizarr finde ich es nicht, daß Erwerbslose eine Interessenvertretung bekommen, sondern längst überfällig. Und so lange es dazu keine Alternative gibt, bieten sich die Gewerkschaften (in diesem Fall ver.di) dafür an. Auch daß die Frau gegen Ende der Sendung noch einmal ohne überschrien zu werden sagen durfte, daß all das Diskutieren pro und contra staatliche versus private Altersvorsorge ziemlich zynisch an den Millionen vorbeigeht, die sich letztere eh nicht leisten können, schien mir nicht verkehrt.

    Auch daß die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft als Metzgers Stall überhaupt erwähnt wurde, gibt einen Pluspunkt für „Berlin Mitte“. Meistens werden deren Botschafter im Fernsehen einfach als „Experten“ vorgestellt.

  12. 12

    Der Blüm schnauzt so schön mit kräftiger Stimme an – das dies schon sitzt!
    Ach ja … die Geschichte mit dem Kapitalstock macht sich gut wenn die Währung sich hinweg Inflationiert.
    Außer dieser Erfahrung heraus wurde das Umlagesystem einst geschaffen.

    Besonders schön zu beobachten wie der weibliche Moderator nicht moderiert sondern ein stetiges einseitiges Element darstellt.

    Die rote Dora kann ich nicht wirklich leiden aber die penetranten Störungen waren sehr auffallend!

    Ob Grundeinkommen oder nicht – der Systemfehler liegt in der mathematischen Grundkonstruktion des Geldes – deshalb stehen wir wieder vor einem Weltkrieg!

    Es wiederholt sich ca. aller 50 bis 70 Jahre!

  13. 13

    Hab gestern per Zufall reingezappt und bin am roten Iro hängen geblieben, an den ich mich noch fern erinnern konnte (da war doch mal was zwischen Zigarettenrauch und Bier und Rotwein…). Die Diskussion war mir dann zu chaotisch, weshalb ich bald wieder in die Untiefen der deutschen Fernsehlandschaft abgetaucht bin…

  14. 14

    Och, das hätte ich auch gerne gesehen. Klingt witzig. Muss ich mir doch wieder nen Fernseher anschaffen?

    Ach ja, und apropos Grundeinkommen. Die baden-württembergischen Grünen starten morgen vor zwei Stunden ihre Debatte darüber – in einem Blog.

  15. 15
    Harm

    Sehe auch weder TV noch Mediathek, aber wenn die Wagenknecht genau so, hach, niemals alternd, so streng Rosa Luxemburg-mässig guckend, aussähe wie auf ihren Wahlplakaten, so plädiere ich für Lobo & Wagenknecht als Regentenpaar für Deutschland. Allein der Optik wegen. Das mit der Liebe kommt dann noch.

  16. 16
    apfelbaum

    Am schönsten war ja die Erfahrung, dass man, um Politiker zu werden, offensichtlich vor allem eines zu können braucht: Andere beim Sprechen unterbrechen, aber wenn man selbst unterbrochen wird, einfach weiterreden.
    (Und vielleicht ein ernstes Gesicht machen, wenn jemand, dessen Namen man sich nicht merken kann und den man ständig mit „wie sie schon gesagt hat“ anspricht, von seinen persönlichen Hartz IV-Erfahrungen berichtet.)
    Und als Moderatorin braucht man eigentlich nur ganz hübsch zu lächeln, und wenn die Politiker ins Reden kommen, einfach immer den Namen des Redenden reinrufen (Ja Herr Blüm, Frau Wagenknecht, Herr Blüm, aber Frau Wagenknecht, Herr Metzger, is ja gut Herr Blüm).
    Kakophonische Gesprächskultur.
    „Mit Realpolitik hab ich ja nicht so viel zu tun, und darüber bin ich auch ganz froh, wenn ich Sie hier so sehe.“ (Sascha Lobo, sinngemäß). Unterschrieben.

  17. 17

    ich hab mich auch gefreut, dass sascha lobo das bedingungslose grundeinkommen angesprochen hat. er kam eh am angenehmsten rüber.

    ansonsten hatte frau illner die runde null im griff, zumal ihre einseitigkeit einfach zu sehr auffiel.

    dass herr blüm mal kohlminister war, gehört zu seinen verfehlungen. dass er heute klügere sachen von sich gibt, zu seinen guten seiten. was das angeht, hatte sahra wagenknecht einfach keinen wind mehr in den segeln. dass sie außerdem von frau illner mehr als nur kurz gehalten wurde, machte die sache für sie nicht leichter. von daher blieben ihr leider nur ein paar gebrüllte plattitüden.

    der privatversicherungsvertreter sah dank des herrn von der stiftung warentest im verein mit herrn blüm zu recht völlig bescheuert aus der wäsche. ach ja, und dass der herr metzger als insm-scherge und wahrer fdpler geoutet wurde, fand ich toll.

    @#7: wenn frau illner nicht sonntags in der ard zu sehen sein wird, was mag uns dann der ausdruck „Maybritt Illner, die demnächst Sabine Christiansen nachfolgt“ wohl sagen wollen? *hoffnungsfroheslächeln*

  18. 18

    Sascha Lobo als Vertreter von uns

    Als wessen Vertreter war er denn dort?

  19. 19

    Hab’s verpasst und mich erst geärgert. Wenn ich das hier so lese: Hab nichts verpasst und brauch mich nicht ärgern. Gibt es eigentlich noch sehenswerte Talkshows?

  20. 20

    @Malte: „Aber Lobbyisten haben es nicht so mit experimentellen Verdienstformen. Das wollte ich damit sagen.“

    Wenn ihnen diese experimentellen Verdienstformen ermöglichen für eine Putzfrau statt 1000€ zu zahlen nur 100€ auf die 900€ draufzulegen die Vater Staat schon zahlt, sind Unternehmer und Lobbyisten erstaunlich experimentierfreudig ;D . Und wenn sie dafür nichts bezahlen sondern das Ganze per massiver Mehrwertsteuererhöhung direkt an den Verbraucher weitergereicht wird, sind wir da wo wir am Anfang waren, nur dass Unternehmen weniger für Arbeitskraft bezahlen (in obigem Beispiel 50 Cent pro Std).

    Problematisch, meint übrigens auch der Sascha: http://wirnennenesarbeit.de/index.html?nr=20061101134850

  21. 21

    @darkrond Maybritt will auch zu MSNBC wechseln? Hab ich was verpasst?

  22. 22
    Matthias

    > Oswald Metzger, neoliberaler Alleinflügel der Grünen

    Schön gesagt.

  23. 23
    Malte

    auf ntropie wird das spektakel so zusammen gefasst:

    Die weitere Rollenverteilung: Spreen (verschüchtert), Maschmeyer (Toupet, Gleitmittel), Wagenknecht (rot), Blüm (greis), Illner (sagte Kerner an.

  24. 24
    Gene October

    Also mein Vertreter war/ist dieser Sascha nicht. Ich nenne es nicht „Arbeit“, aber ich will auch kein Grundeinkommen. Sozialverträumter Loser, geh zum Frieseur und such dir einen Job.

    Mal ehrlich, die Leute die sich nicht öffentlich artikulieren können werden von den Saschas und Lilos dieser Welt nicht vertreten, diese vertreten sich ausschliesslich in eigner Sache. Nicht anders als Oskar „das soziale Gewissen“ Lafontaine, werden solche Leute immer wieder in Talkrunden eingeladen um denen soetwas wie „Authensität“ zu verleihen, ich glaube tatsächlich das in dieser Medienwelt wirklich keiner weiss wie es ist von Hartz 4 zu leben oder als Freiberufler seine ein bis zwei Tausend Euro im Monat zusammen zu bekommen. Wenn ich nur nachdenke wieviele Leute ich kenne die als z.B. Grafiker o.ä. und sich trotz 60 Stunden Wochen keine Krankenversicherung leisten können. Man-Oh-Man ist diese Talkwelt dämlich.

  25. 25

    „Spießergesicht und rotem Iro in dieser Talkshow. Ich glaube der ist Lobbyist für Kleinstunternehmer.“ find ich gut. Muss ich mir glatt merken

  26. 26
    Malte

    streift dich eigentlich manchmal der gedanke, dass du mit sowas menschen beleidigst, die wir zwar kennen, aber die du nicht kennst?

  27. 27

    Ich bin praktisch nicht zu beleidigen. Jedenfalls nicht von Leuten, die noch nicht mit mir geschlafen haben. Wir können hier aber gerne einen Wettbewerb im Sascha-Lobo-beleidigen abhalten. Einzige Bedingung: korrekte Rechtschreibung.

    Das wollte ich aber gar nicht schreiben, sondern was anderes, nämlich kritische Gedanken zu meiner Rolle in dieser Show. Wenn man wie ich in zwei Talkshows aufgetreten ist und eine Bunte-Homestory abgelehnt hat, weil die eigene Wohnung popelig ist und stinkt, dann darf man sich mit Fug und Recht „temporäre D- bis F-Prominenz“ nennen. Das ist natürlich vor allem deshalb super, weil man dann eine Art mediale Grundrente in Form von zukünftigen Dschungelcamp-Angeboten bekommen wird; vielleicht moderiert Dirk Bach auch irgendwann eine Tanzshow für Dicke. Das ist präzises Frisurenmarketing, ich muss mich an dieser Stelle selbst loben.

    In der Talkshow war ich als bunter Fleck eingeladen, drei, vier Äusserungen von mir hat man herausgeschnitten, zum Beispiel, als ich sagte, dass die Erbschaftssteuer massiv angehoben werden sollte, die ist in Deutschland nämlich im internationalen Vergleich extrem niedrig. Man bräuchte also eine Art Erneuerung des Generationenvertrages, der das riesige, riesige, riesenriesige Erbe auf mehr Köpfe verteilt als nur auf die verwandten. Rausgeschnitten wurden übrigens auch Norbert Blüms mehrfache Tiraden und Aufrufe über die Bildzeitung. Warum auch immer.

    Die drei Politiker der Runde haben unendliche Talkshow- und Medienerfahrung, und das merkt man vor allem an, Überraschung: ihrer Impertinenz und Lautstärke. Abgesehen davon, dass die Tontechniker die einzelnen Mikros sehr schnell und präzise steuern können, so dass im TV ein Zwischenruf nur zu hören ist, wenn sie das wollen, gilt in der direkten, medialen Konfrontation mit Politikern die 4L-Regel: Lauter lamentieren, länger labern. Dann wird man mehr beachtet, schreit so lange, bis alle anderen ruhig sind und kann dann seine Kernaussage bringen: „Ich hatte/habe/werde recht haben“ in allen Forben und Farmen, unterstützt durch Daten, Zahlen, die niemand spontan verfizieren kann.

    Wenn man wilde Gesten macht und sich hin- und herbewegt, richten sich die Kameras auf einen, die Bildregie findet das super und die Tontechniker richten sich danach. Man kann also ruhig Quatsch erzählen, wenn man das laut macht und mit den Armen wedelt.

    Vor der Kamera sind Metzger und Blüm halb explodiert, Blüm hat Maschmeyer der „Hochstapelei“ bezichtigt, Metzger hat Blüm Lügner genannt und Wagenknecht mit „Herr, wirf Hirn vom Himmel“ beschrieen. Wenige Minuten danach stiess man mit einem gediegenen Grauburgunder an und lächelte sich freundschaftlich an, besprach im Plauderton die nächsten gemeinsamen Mittagessen. Als ich Backstage Metzger weiterbeleidigen wollte, konnte er es nicht einordnenfand er das sogar noch lustig; kurz, die einzige echte Emotion in der Runde war die Angst von Frau Illner, zu lange zu überziehen. Alles andere, vor allem von Metzger und Blüm, war spontaner Emoschaum. Ein Schauspiel für’s Volk. Scheinkonfrontation. Politiker sollten Medienstuntmen genannt werden, vielleicht ist es das Bewusstsein, dass politische Lösungen sowieso hinter den Kulissen zurechtgekungelt werden müssen, die solche Blüten hervorbringen. Talkshows haben eher die Funktion eines emotionalen Charakterbeweises, schliesslich möchte man auf der nächsten Mitgliederversammlung gewählt werden, und das geht besser, wenn die Parteipeople einen schon in Talkshows haben ausrasten sehen.

    Der mit Abstand professionellste in der Runde: Maschmeyer. Er liess vorher von jedem Teilnehmer Meinungsprofile anlegen, antizipierte daraus Thesen und bereitete so seine Gegenthesen vor. Dass er nicht so recht zum Zuge kam, lag daran, dass er – bei allen Vorwürfen, die man einem Versicherungsvermittler machen kann – sich nicht auf die Schreivogelebene begeben wollte.

    Blüm hat bei mir den grossen Pluspunkt, dass er Rudi Carell mal einen Eimer Wasser über den Kopf gekippt hat. Er hat den monolithschen Minuspunkt mit goldenen Bommeln dran, dass er 16 Jahre Kohl überhaupt erst ermöglicht hat. Blüm ist hinter den Kulissen sympathisch und zugänglich, lebt aber in seiner eigenen Welt. Immerhin sagte er auf meine Nachfrage sofort zu, BildBlog medial helfen zu wollen.

    Würde Sahra Wagenknecht nicht aussehen wie meine Lektorin, dann hätte ich vermutlich Angst vor ihr gehabt. Gerade weil sie distanziert, aber äusserst höflich ist. Kommunistin kann aber natürlich nicht mehr ernsthaft sein, wenn man schon mal ausserhalb von Nordkorea gewohnt hat.

    Die ver.di-Erwerbslose trägt das schwere Schicksal mit sich herum, in mir auszulösen, sie beschimpfen zu wollen. Obwohl sie es nicht einmal verdient hat, vor allem, weil die unvorbereitete Konfrontation mit solchen Showpolitikern nicht leicht spontan zu verkraften ist. Ich konnte mir gerade noch verkneifen, sie „Profiarbeitslose“ zu nennen, das wäre auch gemein. Aber ihr meckeriger, anschuldigender Ton ist bei egal welchem Inhalt so schwer verdaulich wie ein kinderkopfgrosser Klumpen aus einem Steinmehl-Heizöl-Gemisch.

    Oswald Metzger ist Politikerdarsteller mit Leib und Leib. Seele hab‘ ich nicht entdecken können. Kann natürlich auch mein Fehler sein, ich aber Freund der Konsistenz vor und hinter der Kamera, da war er das stärkstmögliche Gegenteil davon. Positiv anzurechnen ist ihm, dass er meine Seitehiebe und späteren Beschimpfungen in der Halböffentlichkeit des Backstageraums locker weggesteckt hat; auf der anderen Seite deutet das auch auf komplette Beratungsresistenz hin.

    Maybrit Illner ist ebenfalls professionell, allerdings einer Schreihalsrunde nur bedingt gewachsen, weil sie mit intelligenten Stichen die Menschen aus der Reserve locken möchte („Daran erinnern wir uns doch beide, Herr Blüm?“). Funktioniert aber nicht, wenn drei Leute gleichzeitig schreien.

    Ich selbst hätte gern mehr zur Sache gesagt, aber eine dreiviertel Stunde für acht Personen (inkl. Moderation und Experte) plus zwei, drei Aussenaufnahmen – da ist klar, dass man als temporärer D-Promi maximal drei Minuten netto bekommt.

    Immerhin: die Quote war mit 20,7% (knapp über 3 Mio Zuschauer) die beste seit langer, langer Zeit, der Schnitt der Sendung liegt bei 14%. Da nicht auszuschliessen ist, dass auch hier das Frisurenmarketing eine Rolle spielt oder es zumindest so scheint und ich nach der Sendung ordentlich bei der Redaktion herumgeschleimt habe, ist nicht ausgeschlossen, dass ich nochmal eingeladen werde. Hin gehe ich aber nur, wenn weniger als zwei Politiker da sind.

  28. 28

    Huch, der Sascha Lobo ist dauernd im Fernsehen. Zum Glück habe ich ein Autogramm abgegriffen, bevor es nur noch für viele hunderte von Euro zu bekommen ist. Eigentlich haben wir sogar Widmungen getauscht, aber meine wird, dank mangelnder Medienpräsenz, sicherlich nie über €1,20 oder €1,30 im Wert hinauskommen.

    Auf jeden Fall vielen Dank für die Insider-Informationen. Ich habe mich schon manchmal gefragt, wie diese ewig gleichen Polittalks eigentlich produziert werden.

    Chris

  29. 29
    Gene October

    @Malte

    Wenn dich Kommentare stören dann mcht doch diesen Spreeblick nicht (halb)öffentlich. Hey ich dachte Web 2.0 oder wo wir gerade sind zeichnet sich durch Interaktion aus, durch die Kommunkation zwischen Menschen die sich noch nie begnet sind usw. usw.. Irgendwie wirkt das so als sollte Spreeblick eine „Happy Family“ sein. Dann macht das doch mit Password und Login und son Kram. Dann gibts aber auch keinen Grimme Preis.

  30. 30
    Holgi

    Kann man hier nicht irgenwas einbauen, das nur Standard-Forentrolle aussperrt? Dann kommen so Flachschippen wie Gene nicht rein und es gibt trotzdem Preise. Das fänd ich hübsch. Weil Preise finde ich hübsch.

  31. 31
    Gene October

    @Holgi

    Da muss man gar nix einbauen, man muss mir nur sagen das meine Meinung hier nicht interessiert und schon höre ich auf diese zu äussern. Diese elitäre Forengehabe finde ich ehrlich zum kotzen, ich dachte hier wäre es ein wenig anders als sonst im Netz.

  32. 32
    Malte

    @ gene:
    ich habe das auf den kommentar unter dir bezogen. „spießergesicht“ fällt in meiner wahrnehmung nicht mehr unter meinung. aber sascha sieht das selbst ja nicht so eng.
    @ sascha
    danke für den einblick. hätte mir das so nicht vorgestellt. die wette hast du aber nicht angenommen, oder?

  33. 33
    Gene October

    @Malte
    Mir ist schon klar das du das nicht auf mich bezogen hast, und „spießergesicht“ ist keine Meinung. Aber wöher zu Teufel soll man den jetzt immer wissen mit wem „ihr“ dicke seit? Ich will doch nicht jedes mal googeln bevor ich hier etwas schreibe.

  34. 34
    heidrun

    nachdenken reicht auch schon, so als grafiker in der „medienwelt“.

  35. 35

    @Malte, Holgi: Schon klar, wenn ich über meine Freunde schreibe, bin ich nicht besonders begeistert wenn dann in den Kommentaren über sie hergezogen wird. ABER, erstens sieht euer Freund das anscheinend gar nicht so eng, zweitens teilt Malte ja auch gern und gut aus (kein Grund also hier plötzlich die Samthandschuhe auszupacken) und drittens die Troll- Karte wirklich nur im Notfall zücken sonst wirkts peinlich.

    Edit: Könnten wir dann mal wieder zur Ursprungsdiskussion zurückkommen? Fand ich persönlich spannend.

  36. 36

    Gene, deine Kommentare sind hier ebenso willkommen wie die der anderen und es ist auch völlig egal ob wir jemanden persönlich kennen oder nicht, Malte ging es (in Bezug auf den anderen Kommentar) um ein Stück Mindestrespekt, den ich mit wachsender Blog-Leserschaft auch für immer wichtiger halte. Und den du im Übrigen immer hast, finde ich.

    Sascha, danke für die Einblicke, die mal wieder zeigen, wie einfach es ist, über Auftritte im TV zu mosern und wie schwer es ist, selbige als relativer Amateur unbeschadet zu überleben. Und dennoch: Lasst uns immer besser werden darin, einfach so lange üben, bis die Pappnasen-Sendezeit unsere ist. Dann müssen wir’s nur noch besser machen.

  37. 37

    hey sachsa, ich finds echt geil. du hast zwar nicht viel sagen können, aber du hast geredet, wie wir sind, ich mein wir, die von den alten säcken an den entscheidungsstellen in der gesellschaft betrogen werden. du hast auf mich sehr echt gewirkt im gegensatz zu all den anderen schauspielern. die echtheit hat deine ernsthaftigkeit in der sache verraten. ich wünschte mir, dich in allen talkshows. dann würde ich sie gucken. geil, das du sofort über das bürgergeld geredet hast. nur weil du das einfach nur erwähnst, redet man auch schon an der döhnerbude darüber. du hast deinen job getan.

  38. 38
    Malte

    @ majo
    Dann sind wir uns ja weitestgehend einig und des Samthandschuhetragens bin ich tatsächlich unverdächtig, obwohl ich immer häufiger damit liebäugele, sie mir überzustreifen.

    b2t:
    Wenn man sich die Reichweite (2 Millionen) anschaut, kann man wirklich nicht gut darauf verzichten, sich dort zu präsentieren. Aber ich würde komplett versagen. Ich war so ja schon nervös.

  39. 39
    heidrun

    @malte: saßt du im publikum und hast geklatscht? das kannst du doch schon ganz gut, kein grund zur nervosität.

  40. 40
    anfängerin

    sehr interessante zusammenfassung von sascha, aber das kommentar mit der rechtschreibung war einfach nur billig…

  41. 41

    Die Sendung hat mich in einem bestätigt: Die Entscheidung, den TV zu verbannen war absolut richtig.

    Die "Diskussion" war keine
    Die Moderatorin schein sich am besten darin gefallen zu haben, Leuten ins Wort zu fallen … und zwar egal von dem was dieses gerade ausführen wollten. Sie labberte IMMER dazwischen.
    Die Moderatorin hat es nicht geschafft, die Leute, die vom Thema kilometerweit abschweiften, zu unterbrechen (da wäre das angebracht gewesen) und zum Thema zurück zu bringen.
    Geredet haben fast nur die, die das von Berufswegen her eh tun.

    Und Herr Lobo?
    Er hat leider nicht sehr viel gesagt bzw sagen dürfen und das, was von interesse gewesen wäre, wurde dank Frau Illners Manie zur Redeflussunterdrückung schlicht abgewürgt.

    Nicht nur um die Altersversorgung scheint es schlecht zu stehen, auch das Niveau in politischen Diskussionssendungen ist am Abgrund.

    Peter Lustig meint: ABSCHALTEN!

  42. 42
    ejal wa?

    @Lobo: Super Zusammenfassung, danke. Ich dachte tatsächlich Metzger hätte Überzeugungen, aber er ist wohl einfach nur überzeugend – wenn man nicht neben ihm sitzt. @Autor dieses Beitrages: Wie kann man nur den medialen Unsinn vom „schönsten Gesicht des Sozialismus“ nachplappern? Das ist doch hier nicht einmal für eine Pointe gut.

  43. 43

    Oswald Metzger bloggt ja auch selbst. Und siehe da: Sehr selbstkritisch bloggt er auch über die Sendung bei Maybrit Illner.

    Ich finde ja ohnehin, dass er einer der umgänglichsten Abgeordneten ist. Zumindest, wenn man gerade nicht in einer öffentlichen, kontroversen Diskussion mit ihm ist.

    Ich bin mir auch sehr sicher, dass er Überzeugungstäter ist. Und man mag über seine Überzeugungen unterschiedlicher Meinung sein, doch welcher FDP-Politiker will sparen, um das Geld in die Bildung zu stecken?

  44. 44

    @ #48:

    Ich würde Oswald Metzger nicht als selbstkritisch bezeichnen, sondern eher als beliebig und wendehälsig. Er verbreitet das, was die INSM von ihm verbreitet wissen will, nicht mehr und nicht weniger. Immerhin wird er so für Vorträge beauftragt, die ihm pro Vortrag das Durchschnittsgehalts eines Arbeitnehmers sichern:

    Wir von [plusminus wollten es dann doch noch etwas genauer wissen – von Oswald Metzger. Der wird zwar von der Arbeitgeberlobby für Auftritte bezahlt, kann es aber gar nicht leiden, wenn man ihn darauf anspricht und reagiert unwirsch: Oswald Metzger: „žSind sie von Attac bezahlt? Ich will ihnen nur spiegeln, was sie hier machen. Also, ich finde das schon fast unverschämt.“

    Quelle

    Der sollte entweder in die FDP wechseln oder sein grünes Mandat abgeben. Das dient IMHO nämlich nur noch dazu, bei der INSM eine angebliche politische Ausgewogenheit vorzutäuschen, die nicht gegeben ist. Hauptberuflicher „Korrupti“ ist noch das Harmloseste, was mir zu Oswald Metzger einfällt.

    Gruß

    Alex

  45. 45
    Marcus

    Mittlerweile ist die Sendung in der Mediathek verfügbar, z.B. hier:

    http://www.zdf.de/ZDFmediathek/inhalt/16/0,4070,4360688-6-rv_dsl,00.html#

  46. 46

    @ marcus: guter link, nur hatte ich jetzt – durch lobos erzählung – das bild einer gängigen, leicht verlogenen und unfertigen, podiumsdiskussion vor mir. sich im nachhinein diesen „trash“ anzuschauen ist schlimmer als schlechte musik und bekräftigt meine meinung, „fernsehen macht dumm“. aufgepasst, denn ich gucke tv.

    was ich mir aus dieser diskussion mitnehme ist nur ein wort: medienstuntmen… den rest lass ich durch das sieb meines kurzzeitgedächtises rauschen…

  47. 47
    Lusiol

    Beim Anblick der Sendung musste ich sofort an Loriots Politiker-Sketche denken („Sie haben noch genau 3 Sekunden, um das Wahlkampfmotto ihrer Partei zu sagen!“ – „Freiheit und Sicherh..“ – „Hm, das war einen Tick zu lang. Jetzt bitte noch mal der Kandidat von der Gegenseite!“).
    Die Realität übertrifft manchmal die Satire.

    Es ist zum Totlachen und schlimm zugleich.

  48. 48

    @Alex (49)

    Ich bezog mich auf Oswalds Rückschau auf die Sendung in seinem Blog. Da war er selbstkritisch.

  49. 49

    @ Henning:

    Ich fand die Sendung wie üblich, wenn Politiker in Talkshows palavern: es wird geblökt, mit den Armen herumgewedelt und sich gegenseitig alles mögliche und unmögliche unterstellt. Das war auch dort so. Ansonsten stänkert Metzger nur gegen Blüm und Wagenknecht und bedauert wohl, dass er dort nicht Vollzeit eine Werbesendung für die kapitalgedeckte Rente und entsprechende Produkte seiner „Kunden“ sowie seinen Hauptauftraggeber INSM veranstalten konnte.

    Gruß

    Alex

  50. 50

    @Malte, Lobo, Gene:

    Wollt doch niemanden beleidigen, hab nur das erste Posting zitiert und fand die Aussage des Kumpels witzig. Also nich gleich in die Luft gehen, denn erstens stammt der Spruch nicht von mir, zweitens: was nach Spießer aussieht muss nicht unbedingt Spießer sein, drittens: http://digirev.de/seiten/311-01.htm .

  51. 51
    Tim

    Eben auch in der ZDFmediathek reingeschaut…

    Meiner Meinung nach sind Herr Maschmeyer und (mit Abstrichen) Metzger, sowie der Mensch aus dem Publikum (Stiftung Warentest/ Finanztest) die Einzigen, die

    a) die Problematik erfasst und

    b) erst einmal sinnvolle Alternativen aufzeigen.

    Frau Wagenknecht merkt nicht, dass sie mir ihrem sozialistischen Falschheiten (ich sag nur „Renditestreben der Kapitalmärkte“, „Verteilungsproblem“) einer weithin bekannten Utopie, aber eben nicht mehr nachhängt. Norbert Blüm verliert sich, wie schon gesagt, in seiner eigenen Welt, in der er immer richtige Entscheidungen getroffen hat und die arbeitslose Buchhändlerin ist einfach zu sehr in ihrer eigenen Situation gefangen, als dass man von ihr sinnvolle Beiträge zur Problemlösung erwarten kann.

    Wenn Sascha Lobo sagt, er sei „kein Sozialpolitiker“ und es ihm während der Diskussions zu sehr ins (Pseudo)Detail geht, so bin ich der Meinung, dass genau hier der Hase im Pfeffer liegt. Es geht weder um eine neue „Digitale Boheme“ (den diese gibt es lediglich in der Fantasie von Herrn Lobo und einigen Anderen), noch um Norbert Blüms verfehlte Sozialpolitik der vergangenen Jahre.

    Es geht darum, Eigenverantwortung zu stärken, Menschen für das eigene (Da)Sein verantwortlich zu machen und mit dem weithin überholten Begriff der sozialen Gerechtigkeit aufzuräumen. Ein umlagengestütztes Rentensystem kann, mit einigermaßen finanzmathematischen Grundwissen überdacht, bei gegebener Situation nicht funktionieren. Ein kapitalgedecktes bzw. ein Mischsystem sehr wohl. Was dazu benötigt wird, ist aber in erster Linie Eigenverantwortung und die Notwendigkeit, dass man sich als Individuum nicht der Illusion hingibt, ein irgendwie gearteter Wohlfahrtsstaat würde einem Entscheidungen abnehmen und für einem „sorgen“.

    Gleichzeitig sollte jedermann bewusst sein, das allein Leistung ein geeignetes Maß ist „Verteilung“ zu betreiben (im Gegensatz zur Verteilungsgerechtigkeit). Nämlich solche, die auf marktlichen Ergebnissen beruht.

    Wenn man diese beiden Punkte erst einmal verinnerlicht hat, dann ist man bereit vorurteilsfrei über eine Lösung nachzudenken.

    Und wenn man dann noch das Glück hätte mutige Politiker zu besitzen, dann könnte eine Lösung dabei herauskommen.

    Grüße Tim.

  52. 52
    Adrian

    @Tim
    Schoene liberale Schlagwoerter die du da absonderst. Ziemlich weit ab von den Realitaeten der heutigen Gesellschaft und unseres Wirtschaftssystems.
    „Eigenverantwortung“?
    Wer kann die schon noch wahrnehmen in einem Wirtschaftssytem welches einen von der Eigenverantwortung und besonders von der Einflussnahme auf dieses weitgehend abschottet. Erst gestern kam die Nachricht rein, das Daymler Chrysler bis zu 11 000 Stellen in den USA, wo ich mich gerade befinde, abbauen will. Erzaehl bitte diesen Leuten was von Eigenverantwortung, wenn du die balls hast.

    Reichtum wird schon lange nicht mehr nach „Leistung“ verteilt, wer noch immer an dieses Maerchen glaubt sollte dringend mal Urlaub auf Sylt machen und sich den reichen Poebel dort reinziehen um ein Bild davon zu bekommen wie „Verteilungsgerechtigkeit“ im kapitalistischem System funktioniert. Oder mal hierher nach Fort Lauderdale kommen, wenn man mal wirklich reiche Menschen sehen will. Es kann und wird nie eine Berechtigung dafuer geben, das manche Menschen das Einkommen eines mittelgrossen Staates haben und die Privilegien von Grossfuersten; soviel zu Demokratie und angeblich egalitaerer Gesellschaft in den USA.
    Um jetzt auch mal ein Schlagwort zu benutzen, vielleicht solltest du dir vergegenwaertigen das wir uns in der sogenannten „dritten industriellen Revolution“ befinden, Arbeit (so wie sie Marx definiert, nicht zur Lebenserhaltung sondern der Kapitalvermehrung dienend)dadurch in zunehmenden Masse (habe kein sz hier)obsolet wird und Kapitalvermehrung mittlerweile nur noch in den virtuellen Bereichen der Kapitalmaerkte verdient wird. Eine eingehende Beschreibung der Entwicklungsgeschichte der liberalen Philosophie (deren Anhaenger du mir zu sein scheinst) und wie sie unser Denken und Wirtschaftssytem beeinflusst hat findest du im „Schwarzbuch Kapitalismus“ von Robert Kurz. Ein sehr lohnenswertes Buch um die gaengigen Denkmuster unser heutigen Welt zu verstehen.

  53. 53
    Tim

    Hi Adrian,

    ja sicherlich – liberale Schlagworte… Erst einmal generell: ich bin weder ein total liberal eingestellter Mensch, noch besonders davon überzeugt, dass eine marktwirtschaftliche Ordnung DIE OPTIMALE Lösung ist. Vielmehr bin ich der Meinung, dass diese die EINZIG REALISTISCH funktionierende Ordnung ist, die auf Basis objektiver Kriterien (Preis als Knappheitsindikator, marktliche Leistung) Verteilung und Gerechtigkeit im weitesten Sinne umsetzen kann. Dazu gehören alle Vor- und Nachteile. Wenn ich Deine Argumente lese, sehe ich die negativen Elemente die du beschreibst und mit denen Du natürlich (teilweise) recht hast. Klar ist es schwer bzw. unmöglich einem langzeitarbeitslosen Mitfünfziger etwas von Eigenverantwortung zu erzählen, genauso wie es einem selbstständigen kleinunternehmenden Mitfünfziger wohl schwer zu erklären ist, warum er welche Sozialabgaben für das Gemeinwohl zu leisten hat. Du siehst, wenn man so argumentiert dreht man sich im Kreis.

    Ich bin schon der Meinung, dass Leistung und Gerechtigkeit auch heute noch in einem engen Verhältnis stehen. Nur darf man Leistung nicht in dem Sinne verstehen, dass man IRGENDETWAS leistet und dafür eine angemessene Entlohung zu erwarten hat. Nein, es muss eben eine Leistung sein, die in irgendeiner Form nützlich, im Sinne von brauchbar ist (Bedürfnisbefriedigung). Wenn ich das jetzt einmal auf DaimlerChrysler beziehe, könnte ich theoretisch betrachtet sagen: Die Leistung die Chrysler als Konzerntochter bringt ist einfach im Rahmen des Marktes nicht mit entsprechenden Bedürfnissen gedeckt. Soll heißen: die verkaufen zu wenig, um rentabel zu arbeiten und müssnen dagegen was tun. Punkt. Klar kann man jetzt mit der Kapitalismuskanone kommen und davon reden, dass doch das Renditestreben der Geld- und Kapitalmärkte, die Konzentration von Marktmacht, der „Reichtum“ der oberen Zehntausend die wirklichen Gründe für die Entlassung der Chryslermitarbeiter sind. Wenn man das tut, begibt man sich aber auf gefährliches Glatteis. Denn erstens hat man dann den Mechanismus einer volkswirtschaft (noch dazu einer globalen) als solche nicht richtig verstanden und andererseits fällt man einfach nur Pauschalurteile.

    Deine Aussage: „Reichtum wird schon lange nicht mehr nach „Leistung“ verteilt, wer noch immer an dieses Maerchen glaubt sollte dringend mal Urlaub auf Sylt machen und sich den reichen Poebel dort reinziehen um ein Bild davon zu bekommen wie „Verteilungsgerechtigkeit“ im kapitalistischem System funktioniert.“ tut genau das. Du differenzierst nicht und Du urteilst pauschal. Was ist der „reiche Pöbel“? Warum sind „die“ da so reich? Alles ererbt, ergaunert, erstunken und erlogen und einfach nur Glück gehabt und übermäßigen Egoismus zelebriert? Ich weiß nicht, aber das ist mir zu einfach.

    Thema Altersvorsorge (das war ja das eigentliche Thema): Wieso kann einem einfachen Arbeiter, genauso wie einem Angestellten, Beamten, einem Selbstständigen der Digitalen Boheme und jedem Anderen der regelmäßiges Einkommen bezieht nicht abverlängt werden, dass er sich Gedanken um seine Altersvorsorge macht und bei genügend vorhandenem Lohn entsprechende private Vorsorge betreibt? Das er/ sie als Individuum entscheidet, ob er (theoretisch gesprochen) seine Kaufkraft dafür nutzt heute einen gewünschten Lebensstandard zu erreichen oder wenigstens Teile in seinen zukünftigen Lebensstandard zu investieren gedenkt? Ich rede jetzt nicht von den 1Euro-Jobbern, oder den Leuten die auf 400Euro-Basis arbeiten und gerade genug für das tägliche Leben haben. Ich rede von der Allgemeinheit, nicht von der Ausnahme. Und dort ist Eigenverantwortung notwendig.

    Soweit dazu – Grüße Tim.

  54. 54

    Etwas verspaetet moechte auch ich meine Meinung zu dem Talkshow-Auftritt von Sascha Lobo aeussern, den ich wie die Mehrheit der Poster hier als positiv empfand. Denn jeder Beitrag der von den ueblichen, abgedroschenen Phrasen der Talshow-Prominenz abweicht tut Not. Selbst die Mehrheit der Bevoelkerung, die keinen intellektuellen Ansatz waehlen kann weiss schon lange, dass es im alten Trott nicht weiter geht. Und Sascha konnte zumindest kurz andeuten, dass in mutigen und kreativen Ideen viele Moeglichkeiten liegen koennten. Aber eins verstehe ich nicht, lieber Sascha. Warum nur musstest Du auch aeusserlich die Rolle des Paradiesvogel annehmen und dadurch einiges an Glaubwuerdigkeit dran geben?
    Die spontane Reaktion vieler Zuschauer war mit Sicherheit „Was ist denn das fuer einer?“ und die eigentliche Botschaft ist dann sekundaer. Jedoch muesstest Du aus dem Alter raus sein, in dem man durch so banale Provokationen sich selbst beweist, wie wenig sich die Mehrheit der Leute fuer Inhalte interessiert. Sehr schade.
    Ich habe ein zweites mal hingeschaut und dann auch zugehoert, weil ich zufaellig Dein Buch „Wir nennen es Arbeit“ kannte und ich somit wusste, dass Du weit mehr als ein Paradiesvogel bist und gehaltvolles zu sagen hast.
    Aber die Leute die auch einem _unbekannten_ Paradiesvogel aufmerksam zuhoeren haben sowieso ein differenziertes Bild von der Renten- und Arbeitsmarktsituation. Eine Chance haette es sein koennen auf Leute zu wirken, die Truebsal blasen weil sie ihre Meinung hauptsaechlich aus den Primaermedien beziehen. Und genau die muesste man meiner Meinung nach stimulieren, damit sie sich fuer neue Technologien und Lebensweisen oeffnen. Aber die reagieren eher in der Art „Ja so wie der Spinner mit den komischen Haaren will ich sowieso nicht sein!“
    Aber vielleicht verstehe ich auch einfach nicht, worum es Dir ging :)