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Zwerge an der Macht

gafron
Symbolbild © Electricinca

Oft wird mir im Zusammenhang mit meiner Einstellung gegenüber Mächtigen und anderen Autoritäten wahlweise Stammtischmentalität oder Arroganz vorgeworfen. Beides trifft nicht zu. Es sind stattdessen Enttäuschung, Hoffnungslosigkeit, Verzweiflung und Angst, die mich immer wieder zum Kopfschütteln über die Besetzung wichtiger und einflussreicher Positionen in Wirtschaft und Politik bringen.

Es ist nämlich eigentlich so: Ich mag große Menschen. Ich mag Leute, die etwas können, etwas wissen, an etwas glauben und die mit Leidenschaft ihre Ziele verfolgen. Ich mag Menschen mit Weitblick, mit Visionen, mit Ideen, mit Utopien, mit Wissbegier, mit Freiheit im Geiste.

In den letzten Jahren (mit meiner früheren Agentur oder auch jetzt mit Spreeblick), in denen ich immer wieder Präsentationen auch vor größeren Unternehmen beiwohnte, habe ich mich oft auf das Treffen von Vorständen oder Geschäftsführern oder Agentur-Chefs gefreut – in der Hoffnung große Menschen kennenzulernen, Menschen eben, von denen ich etwas lernen könnte. Meist wurde ich bitter enttäuscht. Nicht, dass es nicht gute Geschäftsführer gäbe. Die gibt es. Aber Visionen? Weitsicht? Mut zur Eigenständigkeit? Lust auf neue Horizonte?

Fehlanzeige.

Stattdessen, in den meisten Fällen: Volle Konzentration auf die Sicherung der eigenen Position, oft mit dem einzigen Ziel den Wert für den kommenden nächsten Job in die Höhe zu treiben. Priorisierung der eigenen, kurzfristigen, politischen Strategie statt sinnvoller Entscheidungen mit Zukunft. Ignoranz gegenüber den tatsächlichen Zielen oder gar einer Allgemeinheit, dafür das ganze Augenmerk auf eitle und egoistische Vorteile. Und vor allem die immer wieder zu beobachtende Unfähigkeit Fehler einzugestehen oder Inkompetenz in bestimmten, branchenfernen Bereichen einmal nicht als Schwäche, sondern als natürliche Tatsache anzusehen.

Ich kann das oft zwar nachvollziehen, aber nie akzeptieren. Nicht, dass ich mehr könnte als diese Herren (es sind fast ausschließlich Männer), ganz im Gegenteil, die Dinge, von denen ich behaupten würde, dass ich mich mit ihnen wirklich auskenne, kann ich an den Fingern einer Hand abzählen und ich brauche dabei nicht einmal meine Kaffeetasse abzustellen. Ich glaube aber sagen zu dürfen, dass ich noch nie vorgegeben habe etwas zu können, von dem ich definitiv überhaupt keinen Schimmer habe.

Okay, einmal zweimal.

Das bräuchte mich nun alles nicht zu kratzen, wäre da nicht der Umstand, dass solche Menschen nicht nur Etats, Arbeitsweisen und -resultate, sondern auch mein Leben bestimmen. Und aufgrund der oben erwähnten Erfahrungen schlägt dann die Enttäuschung schnell in Wut um.

Zum Beispiel im Fall von Georg Gafron. Erst Chef des Rechtsaußen-Senders Hundert,6, dann Chef des Rechtsaußen-Blattes B.Z., dann GF der auch nicht wirklich ausgewogenen Axel Springer Medien Service GmbH, die sich um die „Werbe-Sonderformate“ der Springer-Presse kümmerte, dann Berater von Leo Kirchs Unternehmen und nun also mit der GGMS („Ihr Thema ist unser Auftrag“) „Journalist“ für die Atomlobby (PDF der WamS- und FAS-Beilage, in der die zwei (!) Nachteile der Kernenergie mit „Geringe gesellschaftliche Akzeptanz in Deutschland (!!) sowie „Politisch (!!!) ungelöste Endlagerfrage“ zusammengefasst werden – die Ausfrufezeichen stammen von mir).

Ich habe mir vorgenommen, jetzt endlich mal viel Geld zu verdienen. Richtig viel. Mit einem Teil davon produziere ich dann mehrseitige Beilagen in allen großen Zeitungen dieses Landes, die aus Listen all derer bestehen, die ich für wirklich gefährlich für die Gesellschaft halte. Einfach nur so, aus Spaß und als Ausgleich für mein Gefühlsleben. Den Rest des Geldes verschwende ich für Blödsinn.

31 Kommentare

  1. 01

    beim blödsinn verschwenden helf ich dir, ja? (übrigens, bin gespannt wie lange es dauert, bis einer das „best-zitat“ zückt…ich tippe auf kommentar nummer 5, wette gilt?)

    ansonsten geht es mir ähnlich: ich denke immer vorher: die haben so viel erreicht, die müssen doch was ändern wollen! und wen man sie dann trifft oder erlebt…nun ja. gott sei dank habe ich zwei, drei ausnahmen treffen dürfen. es ist also noch nicht vorbei.

  2. 02

    Nach der ersten Enttäuschung, dass es kein Artikel über Table tops oder Warhammer ist, hab ich dann doch noch weitergelesen. Mich umtreibt die Frage, was eine politisch gelöste Endlagerfrage wäre? Kaufen wir einfach Andorra und verbuddeln den Kram da? Vielleicht wird ja durch bleiernes Denken die Strahlung abgeschirmt?

  3. 03

    komisch, bei der einleitung zu diesem beitrag bin ich ganz fest davon ausgegangen, dass der von malte geschrieben wurde. dass dann johnny am ende stand, hat mich überrascht…

    den gafron habe ich während meiner zeit als zivi hassen gelernt. dort lag immer nur die bz rum. und noch viel, viel schlimmer als die riesigen überschriften auf der ersten seite sind tatsächlich seine damaligen kolumnen auf seite 2 gewesen.

    johnny, wieviel brauchste denn noch, um deinen plan aus dem letzten absatz in die tat umzusetzen? würde glatt was spenden. also für die beilagen, nicht für den blödsinn… das kann ich selbst. =)

  4. 04

    Den Best könnten wir auch direkt rausholen, so schwer ist das ja nicht. :-) Ich würde mich aber gerne dabei anschließen, das Geld für Blödsinn rauszuwerfen.

    Das mit dem Wollen ist nicht so leicht wie es scheint, vielen reicht es anscheinend aus, sich auf den erarbeiteten Lorbeeren (aka dickes Bankkonto) auszuruhen. Gesellschaftliche Veränderungen oder Verbesserungen sind in Deutschland nicht das Ziel von Unternehmern (grobe Verallgemeinerung, ich weiß). In den USA ist das anders, da gibt es einige, die mit ihrem erarbeiteten Geld auch mal was Gutes tun wollen. Ob das allerdings eine generelle Einstellung dort ist oder man hier nur durch die bekannteren Beispiele und einige gelesene Artikel darüber etwas mehr sensibilisiert ist, das weiß ich leider nicht. Anybody else?

  5. 05

    Die politische Endlösung Lösung der Endlagerfrage wird weiter durchgeprügelt in Gorleben.

    Iiiih!

    Edit: der „durchgetrichen“ HTML code funktioniert nicht bei der Endlösung.

  6. 06

    Manche besonderen dreckigen Bereiche des Menschseins erfordern nun mal Leute, die besonders gewissenlos an den Schaltern drehen. So kommt man auch ohne Kompetenz an hohe Posten.

    Apropos: Eine Deiner abzählbaren Kompetenzen, war immer das Trackback-Podcast schneiden, wenn ich mich recht erinnere…

  7. 07

    wenn ich da mal was zitieren dürfte?!

    „Notiz an mich selbst: Nie wieder die Reichweite von Spreeblick unterschätzen.“

    warum den großen das geld in den rachen werfen und vor allem warten bis man es hat, wenn man auch direkt loslegen könnte?

    grüße aus friedrichshain rüber nach kreuzberg – jens

  8. 08

    Deutschland sollte sich endlich aufraffen und sich zu erneuerbaren Energien bekennen, auch wenn sie anfänglich noch teuer erscheinen. Es zahlt sich aus, vor allem für die Wirtschaft, wenn die Technik in Deutschland hergestellt wird.

  9. 09

    Schade nur, dass die andere Seite immer den grösseren Etat für sowas (Klassische Werbung/PR) haben wird. Dafür verstehen sie vom agieren im Netz meist nix. Also: begib dich nicht deren Terrain, mach lieber hier verstärkt weiter. Bansky, Adbusters, rebel:art, theyesmen … es gibt doch viele Beispiele für gelungene virale Aktionen

  10. 10
    westernworld

    johnny du bist nicht arrogant und du hast auch im eigentlichen sinne keine (linke) stammtischmentalität, könnte man manchmal meinen trift aber nicht zu.
    du bist nur eins- gnadenlos naiv.
    aber dagegen kann man etwas tun, heuere einfach so wie ich bei einem DAX-notierten unternehmen für ein paar jahre an und ich verspreche dir es wird dir gehen wie mir.

    du willst dich mit einem manager-gulag selbstständig machen.

  11. 11
    Frank

    Hundert, 6 und B.Z. rechtsaußen? Da hat wohl jemand nicht im Politik-Unterricht aufgepasst. Schade eigentlich um den Artikel, ich hatte mit einem Bericht über jemanden gerechnet, der sich als wirklich unfähig erwiesen hat, denn davon gibt es mehr als genug.

  12. 12
    danielj

    eine gewisse Naivität möchte man (ich) sich vielleicht auch bewahren, weil sie ansonstem gnadenlosen Zynsimus Platz machen müsste

  13. 13
  14. 14
    jochen

    seit einigen wochen vergeht kein tag an dem nicht mindestens ein umweltthema in den nachrichten ist. falsch ist das nicht. ziemlich toll sogar dass nun von vielen verschiedenen seiten versucht wird die bevoelkerung auf kohlendioxydbelastung, erderwaermung, umweltverschmutzung im allgemeinen, fossile brennstoffe, und all die ganzen zusammenhaenge usw. zu sensibilisieren.
    vielleicht ein wenig zu viel und man riskiert die abstumpfung der masse. aber besser so als zu wenig information.
    auffaellig dass aber seit dieser zeit auch immer oefter stimmen laut werden die versuchen diese aufruhr fuer die sache der kernenergie zu nutzen. wenn man co2 reduzieren moechte kann man natuerlich auf energiegewinnung aus uran (dieser gefaehrliche, begrenzt zur verfuegung stehende rohstoff) setzen.
    man kann aber auch die chance der stunde nutzen, die gestiegene oeffentliche einsicht (die sogar autobauer erfasst haben soll), das ganze umweltpolitische denken (das sich scheinbar veraendert hat). man kann die weichen stellen um zukuenftig eine unabhaengige stromversorgung zu gewaehrleisten. man kann sich unabhaengiger machen von erdoel- / gas- /kohle-/ uranlieferanten (man wird sie immer brauchen da man ja weiterhin heizen moechte und auch kunststoff ist nicht so ohne weiteres zu ersetzen) und die damit verbundenen problematiken der herkunftslaender.

    oder man versucht sich an die konservativen fossilen ressourcen zu klammern und (und wer gedacht hat was soll dieser ganze text hier in diesem artikel von johnny …. hier schliesst sich der kreis) laesst teure kampagnen schalten (weil man als entscheider nur hier und jetzt geld verdienen kann und nicht indem man weichen fuer eine zukunft stellt was sich erst jahre spaeter und nicht auf die aktuelle geldboerse auswirkt). dann braucht man sich auch nicht die muehe machen visionen zu entwickeln, altes loszulassen, neue wege zu betreten, vielleicht sogar umzudenken. alles bleibt schoen wie es ist.

  15. 15
    Diskordianer

    Zu einem großen Mann gehört es schonmal nicht zu verlieren um andere gewinnen zu lassen. Sondern immer die Win-Win Situation zu suchen. Anderenfalls – kein Geschäft –

    Sich von den Zwängen der Gesellschaft zu befreien ist vielleicht auch ganz hilfreich um zu „wachsen“. Das klappt mit dem Verzicht oder mit genug Kohle auf dem Konto.

    Und dann jeden Tag dieses Konzept ausprobieren und hoffen das der Erfolg eintritt. Das Gefühl beim Versuch ist aufjedenfall besser als das alte Gefühl

    Mehr zum Thäma:

    Stephen.R.Covey. – Die sieben Wege zur Effektivitaet

    rinnjehaun

  16. 16

    Das nennt man dann auch Office Politics.

    Recht interessanter Artikel dazu: Alpha males and their rituals of dominance.

    Da kann Covey noch so viel schreiben und irgendwelche Management-Gurus ihn predigen (siehe #15), ganz nach oben kommt man damit selten. Sondern wird hoechstens frustrierter Middle Manager der Manager-Magazin liest und Self Help Guides liest.

    Ob das so bleiben muss und wird will ich nicht beurteilen, siehe auch die „Diskussion“ in dem verlinkten Artikel.

  17. 17
    Diskordianer

    Hey, ich bin kein Jünger von Covey.

    Irgendwie muss man die Dinge anpacken. Und solange du keinen besseren Vorschlag hast, …..

  18. 18
    Acid

    Wie machsten das mit dem ganz viel Geld verdienen? Strebste eine steile Karriere an: „vom Stammtischfatzke zum Wirt in 23 Postings?“
    Cool – für 25% (steuerfrei!) von dem vielen Geld geb ich den Kellner. Ich zieh auch nach Berlin und lern euren drolligen Dialekt!

    Soll ich ’ne aussagekräftige Bewerbung faxen?
    *bettel*
    :)

  19. 19

    Bei diesem Vorhaben wirklich viel Erfolg. Daran sollte man sich eigentlich beteiligen.

  20. 20

    Du könntest Millionen haben und nicht eine einzige Werbeanzeige schalten können – alle Themen die das System – in einer Anderen als der gewohnten Perspektive erklären – haben dort keine Chance!

    Weitblick geht eben auch über die Blackbox heraus – solche Menschen haben es sehr schwer und können gar nicht die Leiter nach oben klettern – sie machen deshalb immer Revolutionen – auch wenn es Technische sind!

    Mach doch folgenden Versuch: Erst das Original lesen und dann merken wie das Thema behandelt wird!

    http://userpage.fu-berlin.de/~roehrigw/gesell/nwo/

    Ein einzigartiger Weitgeist – dann ergeben sich aber immer mehr und immer mehr Fragen und die Fragen bekommen zum Teil erlösende Antworten aber das Weltbild bleibt nicht mehr wie es ist!

    Den Namen des Autors plazierst du auf keiner Werbeseite von Spiegel Stern und Co!

    Da kannst du zehn Millionen auf den Tisch legen!

    Ich erfuhr in Bangkok von britischen Devisenhändlern aus Hong Kong von diesem Thema. Du kannst mit diesem Wissen dein Geld verdienen und sehen wie der Planet daran kaputt geht – aber auch die Weitgeister von Heute
    haben vor diesem Thema Angst – seltsam, den es ist durch und durch friedlich!

    Natürlich weis der Weitdenker dann auch warum wir eine blaue Polizei brauchen wenn die Anderen, Grün sein sollen – wenn die Massen anfangen aus zu rasten!

    Jedenfalls wird dieses wissen deine Spareinlagen etwas sicherer machen!

  21. 21

    Wer nun hier wem Naivität vorwirft ist mir egal. Aber: Wenn ich an das glauben würde, was man mir vor längerer Zeit mal im Gemeinschaftskundeunterricht erzählt hat, dann wäre ich ganz schön naiv. Oder vielleicht idealistisch. So bleibt mir bei Politik oft nur der Sarkasmus. Und am Ende denke ich nur noch an mich. Denn wenn jeder an sich denkt ist an alle gedacht. Und so funktioniert das heutzutage.

  22. 22
    zolip

    irgendwie ist das endzeitmäßig

    jeder nimmt noch was er kriegen kann

    hätten die Wirtschaftsunternehmen bereits vor 110 Jahren so gehandelt wie die zeitgenössischen, wir hätten weder Autos noch Telefone

  23. 23

    „jeder nimmt noch was er kriegen kann“

    Da fallen mir spontan mindestens zwei Gegenbeispiele ein.

    Edit: Fünf.

  24. 24
    mego

    da fällt sogar mir noch ein halbes gegenbeispiel ein – trotzdem hat zolip ja recht und hat das so gut zusammengefasst das es fast in konkurrenz zum artikel steht … – @ W.aus Ch : es hilft nicht gesell sondern nur post-gesellianismus… aber wahrscheinlich bin ich der einzige post-gesellianer hier –

  25. 25
    matze

    @24 Johnny geht es, glaube ich, nicht primär um Egoismus sondern um Visionslosigkeit.

    Es ist schwierig, in einer hierachichen Struktur fremde Ideen anzunehmen, al Chef, weiL. Wozu ist man dann Chef, wenn andere die besseren Ideen haben?

    Insofern: Stimmt chon, Zwerge an der Macht.

    UNd wohin das führt ieht man derzeit bei den Regionalzeitungen: Abo- und Umsatzverluste und erst jetzt kommen sie langsam dahinter, wie das so funktioniert, mit dem Internet…und so.

  26. 26
    daniel

    „Die Deutschen haben ein schwieriges Verhältnis zu Eliten. Aber: Was macht eine Elite überhaupt aus? Leistung? Moral? Eine Analyse des Philosophen Michael Großheim“

    http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/0,1518,463373,00.html

  27. 27

    Hab ich das jetzt richtig verstanden? Johnny möchte Geld mit Werbung verdienen, um dann Werbung zu schalten?

    In Anlehnung an Jens in Kommentar Nr. 7: Warum der Umweg?
    Ach ja, vielleicht wegen dem Geld für Blödsinn? ;-)

  28. 28
    shensche

    Johnny, ick mag dir imma noch!

    wie du weisst, bin ich auch kein visionaer, nur techie fusssoldat. n paar freunde von mir visionieren zur zeit ueber Adventure Economics. geeky!
    http://wiki.couchsurfing.com/en/Centre_for_Adventure_Economics

  29. 29

    shensche, ick dir ooch. :) Wollt ihr das nicht auf der re:publica vorstellen? Mail mir doch mal.