22

Obamas Haut

Die Färbung der Haut von Barack Obama, der auf Fotos deutlich blasser aussieht als Silvio Berlusconi, ist momentan Anlass für zahlreiche Mutproben. Um nur zwei Beispiele zu nennen: Das Berliner Stadtmagazin Zitty demonstriert souverän das Fehlen redaktioneller Betreuung durch die Titelschlagzeile „Ich bin schwarz – und das ist auch gut so“ und die taz langt mit „Onkel Obamas Hütte“ daneben.

Zur Rechtfertigung fantasiert taz-Auslandsredakteur Bernd Pickert dann:

Welchen größeren Kontrast könnte es geben als den vom unterdrückten, willfährigen Sklaven zum Kandidaten für das höchste Amt der USA?

Pickert, der es besser wissen müsste, macht aus dem Sohn eines aus Kenia stammenden Studenten einen unterdrückten, willfährigen Sklaven. Das ist zwar gut gemeint, aber deshalb nicht richtiger.
Nicht erst seit Obama gibt es in den USA beispielsweise die Debatte, wer von Affirmative Action profitieren dürfe. Jeder mit afrikanischen Wurzeln oder nicht nur jene, die tatsächlich Abkömmlinge von Sklaven sind?

Die Süddeutsche liegt schon richtiger, wenn sie als Obamas Hauptmerkmal die Milieulosigkeit bezeichnet.

Doch auch wenn die Fixierung auf Obamas Hautfarbe (die Artikel, in denen die Frage aufgeworfen wird, ob er nun zu schwarz oder nicht schwarz genug sei, sind Legion) übertrieben wirkt, sollte man als käsebleicher Liberaler in einer Gegenreaktion nicht so tun, als würde die Pigmentierung der Haut nicht die geringste Rolle spielen.

Es ist nämlich auch nicht nebensächlich, dass Angela Merkel Bundeskanzlerin werden konnte oder Wowereit als bekennender Schwuler Oberberliner.

Ob nun Haut, Geschlecht oder sexuelle Orientierung ein Symbol des gesellschaftlichen Wandels sind oder einfach nur besondere Merkmale dreier individueller Erfolgsgeschichten – es werden so oder so neue Vorbilder geschaffen. Man muss sich nicht mehr allein an 50 Cent, Verona Feldbusch und Udo Walz orientieren. Dass Obama, Merkel und Wowereit wiederum die größtmögliche Annäherung an das Rollenmuster weißer heterosexueller Mann mit stabiler Partnerschaft und soliden Werten darstellen, steht auf einem anderen Blatt.

Bevor ich jetzt auch noch behaupte, ich hätte einen Traum, lieber ein weiterer Aspekt:
Allerorten herrscht bei denen, die beschreiben möchten, dass Obama eher unfriesisch aussieht, Sprachverwirrung.
Das bemerkenswert gestartete Magazin Dummy wollte mit dem geplanten Titel „Neger“ eine Diskussion anstoßen (und Hefte verkaufen – warum übrigens nicht mit dem Titel „Bimbo“) und verkörpert damit eine gerade bei Linken verbreitete Haltung: Wir wissen ja, wo wir stehen, gleichzeitig sind wir schon sehr cool und über Spracheinzäunung, wie sie die politische Korrektheit gebietet, erhaben.
Neger geht einfach gar nicht mehr, auch wenn meine Mutter Neger gesagt hat und in dem Trivial Pursuit, das ich habe (von 1982) gefragt wird: Welcher Neger gewann als Erster eine olympische Goldmedaille im Hundertmeterlauf?
Die Bezeichnung Schwarzer wird in amerikanischen Serien immer mal wieder diskutiert und es scheint ok zu sein, von einem Schwarzen zu reden, wenn man sich kennt.

Afroamerikaner war die letzten Jahre lang der – wenn auch umständliche – Ausdruck, den man in der Öffentlichkeit verwenden sollte, aber vor Kurzem habe ich entdeckt, dass jemand, der in einem amerikanischen Blog von Afroamerikanern sprach, heftigst angefeindet wurde – People of Colour habe man nun zu sagen, wurde er belehrt.

Ich merke gerade, dass diese Aufzählung wirkt, als würde ich die Thematik ironisieren – das ist nicht der Fall. Es geht bei diesem Thema um eine verbale Rücksichtnahme, die aus unfassbar abstoßenden Verbrechen resultiert, die bis in die jüngste Vergangenheit anhielten. Afrikaner wurden versklavt, gelyncht und werden bis heute diskriminiert, Frauen wurden und werden kollektiv als Menschen zweiter Klasse behandelt, Homosexuelle werden heute noch in den meisten Ländern der Welt verfolgt. Als weißer, heterosexueller Mann hat man es sehr gut.

Da kann man sich schon einmal etwas um sprachliche Sensibilität bemühen, auch wenn es nicht ganz leicht ist.

Zum Schluss noch ein Rat an Zitty, Dummy und taz:
Wenn demnächst die große Zerknirschung einsetzt – die politisch korrekte Umschreibung von Barack Obamas Ethnie ist jedenfalls nicht: Er ist farblich herausgefordert.

Und – fast vergessen: Wer geht denn nun hin von euch?

22 Kommentare

  1. 01
    Felix

    Ich überleg noch.

    Eigentlich kann man sich so ein Spektakel ja nicht entgehen lassen.

    Ich geh hin, kost ja nix.

  2. 02
  3. 03

    „Dass Obama, Merkel und Wowereit wiederum die größtmögliche Annäherung an das Rollenmuster weißer heterosexueller Mann mit stabiler Partnerschaft und soliden Werten darstellen, steht auf einem anderen Blatt.“

    wie bitte?

  4. 04

    „Dass Obama, Merkel und Wowereit wiederum die größtmögliche Annäherung an das Rollenmuster weißer heterosexueller Mann mit stabiler Partnerschaft und soliden Werten darstellen, steht auf einem anderen Blatt.“

    mal wieder auf den Punkt gebracht. Alles Spießer!

    Ich guck hier:

    http://www.arte.tv/de/content/tv/02__Communities/C1-history_20and_20society/03-Dossier/2008__01__24__US/07__streaming/obama_20streaming/2134494.html

  5. 05

    Er ist farblich herausgefordert.

    Wie wär’s denn mit »andersbefarbt«?

    Der Braune Mob will übrigens, dass man »schwarz« sagt. Die können das auch erklären, vielleicht hilft’s dir ja weiter. ;)

  6. 06
  7. 07
    Viva Hammonia

    Ich fand´s amüsant, wie den selbsternannten Tugendwächtern der PK (taz) dieser Fauxpas unterlaufen konnte….
    Was Claudipiep oder Hans-Christian wohl in sozialistischer Empörung dazu zu sagen hatten ?? :))

  8. 08
    flippah

    Ich halte es so, wie es mir ein nigerianischer Mitbewohner im Studentenwohnheim gesagt hat: ich nutze das Wort Neger. Besagter Nigerianer bezeichnete sich selbst als solchen und meinte dazu nur: „Nigger ist ein Schimpfwort, Neger ist einfach nur die Bezeichnung eines Menschen mit dunkler Hautfarbe“

  9. 09
    Viva Hammonia

    Neger kommt von lat. „negrus“ zu deutsch „schwarz“
    Aber der Begriff ist dennoch negativ behaftet.
    Das sehe ja sogar ich ein, obwohl ich ein absoluter Gegner der political correctness bin.

    Ich sage Schwarzer.
    Die PK führt zu eigenartigen Konstruktionen.
    Neben den blöden „Farbigen“ tritt bisweilen der „Maximalpigmentierte“ als der ultimative politisch korrekte Begriff für einen Schwarzen.
    Wobei ich nicht ausschließe, dass der Begriff satirische Ursprünge hat…

    Beim Negerkuss bleibe ich dennoch !!
    Schließlich sagt man ja auch nicht Roma-und-Sinti-Schnitzel oder ? ;)

  10. 10
    Speravir

    @#683728:
    Das lateinische Wort zu „schwarz“ heißt „niger“ – was übrigens exakt so ausgesprochen wird wie das englische, natürlich ebenso davon abgeleitete „Nigger“.

  11. 11

    Ich finde Afroamerikaner diskriminierend, denn man meint ja nicht nur die Leute mit der Frisur.

  12. 12
  13. 13
    Thomas C

    Wie das Wort Neger im aktuellen deutschen Sprachgebrauch bewertet wird, kann jeder im Duden nachlesen.

    Das Wort Schwarzer ist im Falle Obamas, wie auch in meinem Fall, nicht unbedingt beleidigend aber einfach falsch und auch rassistsich motiviert: „Nur ein Tropfen nicht weissen Blutes macht den Menschen zu einem Schwarzen“. Die sogenannte „Ein Tropfen Regel“. Alles ausser die weisse Rasse ist unrein.

    Obama ist ein Mulatte mit brauner Hautfarbe. Wie ich. Und so möchte ich auch gern bezeichnet werden.

    Aber sicher zählt er sich zur „Black Community“ gehörig.

  14. 14

    @#683826:

    gerade mit dem wort mulatte setzt sich larry david in einer curb-your-enthusiasm-folge gehörig in die nesseln.
    bi-racial hieße es, wird er dort belehrt:)

  15. 15

    Vielleicht sollten wir Pantone- oder besser Hex-Werte für die Hautfarbe angeben. Das würde dann auch uns vermeintlich »Weiße « einbeziehen, und alle wären glücklich, zufrieden und wohlbenannt.

    Mal gucken, ich wäre… im Augenblick… C8A592-Deutscher.

  16. 16
    Thomas C

    @#683839: Genauso wird es in von Mulatten dominierten Regionen auch gemacht. In diesen Ländern gibt x-verschiedene Bezeichnungen für x-verschiedene Brauntöne. In Mitteleuropa müssten dann halt noch ein paar rosa- und weiß-Töne hinzukommen.

    @Malte: „Zahlreiche Mulatten selbst wählen diesen Begriff sehr bewusst, da er der einzige Ausdruck sei, der ihre afrikanisch-europäische Mischidentität beschreibe.“ (wikipedia)

  17. 17
    heidrun

    neulich wieder mal aufgefallen, dass pflaster ja so gut wie nur für weisse hergestellt werden (ich glaube, es gibt dunklere, aber nicht besonders häufig), als eins so leuchtend rosa auf einer schwarzen stirn prangte. ich glaub, solche dinge, und die ignoranz/den alltagsrassismus, der da durchkommt, finde ich viel schlimmer, als diesen ewigen sprach-kram um das n-wort. ich versteh ja, dass das schwierig ist, aber die diskussion ist doch immer dieselbe, und es melden sich auch stets erstaunlich wenig schwarze, halbschwarze oder whatever zu wort, wahrscheinlich weil sie die diskutiererei selber so satt haben…ich glaub, als schwarze würde ich lieber 10mal neger irgendwo lesen als einmal mit langsamen stummelsätzen angequatscht werden, weil wieder irgendwer denkt, ich könne kein deutsch.

  18. 18

    Da muss ich dir widersprechen, Heidrun. Dass sich so wenige Schwarze zu der Thematik melden, liegt schlicht daran, dass es so wenige in Deutschland gibt. Dominiert wird der Diskurs von Weißen. Schwarze kommen einfach nur sehr wenig zu Wort. Und die, die sich dann doch Gehör verschaffen, müssen sich unentwegt die gleiche Leier anhören, dass «Neger» doch gar keine Beleidigung sei, weil man es doch nicht so meine, oder weil es doch nur «schwarz» heiße. Dass dieses Wort aber durch und durch negativ konnotiert ist, wird einfach negiert — genau wie die Erfahrung vieler Schwarzer.

  19. 19
    Wolfgang

    Ich würde ja gerne jeden, der mich „Weißer“ nennt zum Augenarzt schicken. Ich bin garantiert nicht weiß. Das halte ich ebenso für diskriminierend. Aber gegen die Politpolizei in Deutschland kommt man ja eh nicht an. Ich frage mich sowieso, was so besonders daran ist, Menschen nach der Hautfarbe zu bewerten. Wieso nehmen wir nicht die Nase oder die Haare? Zumindest auf letzteres hat das Wesen noch Einfluss. Wenn wir schon den Menschen nicht anhand seines eigenen Verhaltens bewerten wollen.