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Der Weg zum ersten Roman

Ich habe Bov Bjerg gefragt, ob ich ihn im Einführungssatz als „Schriftsteller, der auch bloggt“ oder als „Blogger, der ein Buch geschrieben hat“ bezeichnen solle und er meinte, es sei ihm egal, solange ich nicht „Lesebühnenveteran“ schreibe.
So oder so: Bov Bjerg hat sein erstes Buch geschrieben, das am Freitag im Klub der Republik (Pappelallee 81, Eintritt ab 20:30, frei) vorgestellt wird. Und ich habe ihm ein paar Fragen gestellt, wie man denn überhaupt ein Buch an den Mann bringt.

Spreeblick: Wenn ich das richtig sehe, hast du schon ein paar Bücher veröffentlicht, aber noch keinen Roman.

Bov Bjerg: Ich habe noch kein Buch veröffentlicht. Deadline ist mein erstes. Ich habe bisher nur ein paar kürzere Texte zu verschiedenen Anthologien beigesteuert. (Die bekannteste ist vielleicht die mit dem etwas päderastesken Titel „Frische Goldjungs“, die Wladimir Kaminer mal herausgegeben hat).

Spreeblick: Ok. Ich habe das „Tonträger“ in den eckigen Klammern bei der Wikipedia übersehen. Wie kam es denn zu dem Roman? Also rein praktisch? Ist der Verlag auf dich zugekommen, hattest du schon das fertige Buch und hast es angeboten oder wie war das?

Bov Bjerg: Ich hab das fertige Buch zuerst einer großen Agentur angeboten, die mich in den letzten Jahren immer wieder mal nach Manuskripten gefragt hat. Die hat den Text dann ein paar Verlagen angeboten, die alle kein Interesse hatten. Das hat sich in einem Fall ein ganzes Jahr lang gezogen, bis der Verlag sich endlich zu einer Entscheidung bequemt hat. Er möge zur Hölle fahren.

Dann habe ich selbst Klinken geputzt. Am Ende waren es 15 oder 20 Verlage. Ein paar Mal war es so, dass die Lektorin das Buch gern gemacht hätte oder sogar unbedingt machen wollte, dass aber die kaufmännische Seite im Verlag gesagt hat, kommt nicht in die Tüte, viel zu sperrig. Dann musste ich die Lektorin trösten, dass ihr Verlag mein Buch nicht machen wollte.

Schließlich ist in der Zeitschrift Akzente ein Auszug erschienen. Ein kleiner Berliner Verlag hat daraufhin das ganze Manuskript angefordert und wollte den Roman unbedingt herausbringen. Zur gleichen Zeit las Sabine Franke, Lektorin beim Mitteldeutschen Verlag, das Manuskript, war sehr begeistert und wollte den Roman auch machen. Ich habe mich dann für den MDV entschieden.

Spreeblick: Warum hast du dich für den größeren Verlag entschieden?

Bov Bjerg: Es gab ein paar Kleinigkeiten, die mir da besser gefielen. Das wesentliche Argument aber: Bei so ganz kleinen Verlagen steht und fällt meistens alles mit einer einzigen Person. Ist die mal krank, überarbeitet, in Urlaub oder auch einfach nur doof, dann ist die Kacke am Dampfen. Dieses Risiko schien mir beim MDV geringer.

Spreeblick: Als es von Verlagsseite hieß, der Roman sei zu sperrig – hast du versucht, ihn geschmeidiger zu machen?

Bov Bjerg: Nein.

Spreeblick: Ist er dir überhaupt sperrig erschienen?

Bov Bjerg: Ich habe so geschrieben, dass es mich selbst bis zum Schluss interessiert hat. Die meisten Bücher, die sich gut verkaufen, finde ich sterbenslangweilig.
„Deadline“ ist kein Schmöker. Es ist ein ziemlich kurzer, sehr dichter Roman. Dass der nicht im Meterstapel bei Thalia liegen wird, das haben die Literaturbetriebswirte, die den Roman abgelehnt haben, völlig richtig eingeschätzt.

Spreeblick: Und hat deine Lektorin darauf geachtet, ihn weniger sperrig sein zu lassen?

Bov Bjerg: Nein. Sabine Franke war der Ansicht, dass das Manuskript praktisch druckfertig sei. Der Ansicht war ich auch. So etwas wie „Verkäuflichkeit“ hat in den Gesprächen mit ihr absolut keine Rolle gespielt.
Die Lektoratsarbeit betraf dann auch keine größeren Änderungen mehr. Es ging nur noch um mikroskopische Eingriffe. Widersprüche. Oder einzelne Begriffe, bei denen Sabine mich an Mitbedeutungen erinnerte, die ich übersehen hatte. Und die wir dann durch ein anderes Wort ersetzt oder gerade trotzdem drin gelassen haben. Eine ganz großartige Lektorin mit einem sehr scharfen Blick.
Diese Fein- und Fisselarbeit an einem Manuskript scheint heute ganz unüblich, wenn ich mir die Bücher so anschaue.

Spreeblick: Worum geht es in dem Buch?

Bov Bjerg: Im Sinne von Handlung? Wer Handlung will, soll Exposés lesen und keine Romane. Aber gut:
Die Ich-Erzählerin arbeitet als technische Übersetzerin in den USA. Sie fliegt zurück nach Deutschland, um das abgelaufene Grab ihres Vaters aufzulösen. Das ganze zieht sich hin, und statt weniger Tage muss sie etliche Monate in ihrem Elternhaus verbringen, wo inzwischen ihre Schwester mit Familie wohnt. Ein ziemlich morbider Ort, denn Haus und Garten sind gepflastert mit Grabsteinen von aufgelassenen Gräbern.

Es geht um Wachsleichen, ums Steinmetzen, um Hochseefischerei, um Wachsleichen, um Donuts und Donut-Holes, um Modelleisenbahnen, um Fry aus Futurama, um Geschirrspülmaschinen, um Schlaganfälle, um Suizid, um Wachsleichen, um Sex mit Dicken und um Dorfentwicklung. Aber im Wesentlichen geht es um Wachsleichen. Das war gar nicht so einfach, denn Wachsleichenbildung ist nichts, über das Friedhofsverwaltungen gerne sprechen. Noch weniger gern lassen sie dich bei einer Ausgrabung helfen.

Ja, das sind so in etwa Handlung und Inventar. Und dann hab ich mich gefragt, wat soll’n nun für’n Stil ran?

Eine Berufsmacke der Erzählerin führt dazu, dass sie dauernd nach dem treffendsten Ausdruck sucht. Sie wägt und reiht die Begriffe, ohne sich zu entscheiden. Sie benennt die Welt, wie die Kubisten sie gemalt haben. Unter anderem diese Eigenheit des Textes haben manche Verlage vermutlich als sperrig empfunden. Außerdem spielt, auch in der Sprache, das Netz eine große Rolle. Manches kann man wahrscheinlich gar nicht verstehen, wenn man mit dem Netz nicht vertraut ist.

Spreeblick: Ist es nicht ein unglaublich fetischistisch-befriedigendes Gefühl, so ein Buch geschaffen zu haben?

Bov Bjerg: Ich hab ja nur den Text geschrieben. Und der ist im Buch nicht anders als auf meinem Monitor. Bücher werden überschätzt, jedenfalls als Träger eines Textes. Handwerklich ist es aber ein sehr schönes Buch geworden. Gutes Material, gute Gestaltung.

Spreeblick: Na dann: viel Spaß noch.

Hier noch zwei Kapitel aus dem Hörbuch als mp3:

Kapitel 17

Kapitel 20

9 Kommentare

  1. 01

    bov bjerg? der mann, der lange von sich behauptet hat, er sei schuld am internet, hat ein buch geschrieben? das ist doch mal ne richtig gute nachricht!

  2. 02
    Wachsleiche von Fry aus Futurama

    „Bücher werden überschätzt, jedenfalls als Träger eines Textes.“ – Das nehme ich gerne auf und frage: wo kann ich denn das ebook kaufen?

  3. 03
    heidrun

    he he, schon entlarvend, wenn es verlagen „zu sperrig“ ist, wenn eine figur nach den treffendsten begriffen sucht… ansonsten: ein jahr ist doch noch recht wenig an wartezeit, wenn ich das recht überblicke? und feinarbeit an manuskripten: ja! mehr! bei manchen romanen fragt man sich, ob sie überhaupt lektoriert sind…
    „Ich hab ja nur den Text geschrieben. Und der ist im Buch nicht anders als auf meinem Monitor. Bücher werden überschätzt, jedenfalls als Träger eines Textes.“
    naja. ist das nicht ein bisschen kokett? man könnte den kram ja auch bloggen, aber ob da so viele einen roman lesen? mir ist es durchaus lieb, mit einem buch im bett zu hängen und dann nicht auf einen bildschirm zu starren. und so ein buch ist dann doch „abgeschlossen“ und dürfte befriedigender sein als irgendeine datei, oder?
    und dann ist da noch das geldverdienen…
    das buch klingt auf jeden fall gut! mal angucken…

  4. 04

    „Bücher werden überschätzt, jedenfalls als Träger eines Textes.“ Jeder wie er meint. Ich finde, Sie werden unterschätzt. Interessant ist das Interview aber trotzdem.

  5. 05
    moses

    Es hätte auch ruhig ungedruckt bleiben dürfen.

    Darin besteht in der Zukunft die Funktion des Buches – mehr denn je; eine kanonische Hervorhebung relevanter Literatur zu leisten, was leider noch nicht in den Verlagsführungen angekommen ist, während im freien Netz JEDER unverfänglich publizieren kann.

  6. 06

    Unglaublich, was Autoren immer noch auf sich nehmen, um „zum Buch zu kommen“! Es mag das tollste Buch aller Zeiten sein, aber dafür jahrelang warten, verhandeln, Klinken putzen, um dann zu erleben, dass ein kleiner Auszug reicht, dass sich Verlage von selber melden (um dann womöglich „alle Rechte“ für eine Miniauflage zu wollen, die in einem Jahr wieder aus der Welt ist) – also nö, da hätte ich keinen Bock drauf, sondern würde es zügig als BOD rausgeben.
    Aber trotzdem Glückwunsch zur Realisierung!

  7. 07
    bov

    @ steffi:
    Danke!

    @ Wachsleiche von Fry aus Futurama ;-):
    Der Mitteldeutsche Verlag macht schlichtweg keine ebooks, deshalb gibt es keins. Auch ebooks werden überschätzt – falls wir darunter das gleiche verstehen, nämlich eine DRM-geschützte Ware.

    @ heidrun:
    Der Aspekt der „Abgeschlossenheit“ ist ein sehr guter Punkt. Du hast auch sonst mit vielem Recht. Tatsächlich kommt aber für mich ein erheblicher Reiz eines Buches aus dem Material, aus der handwerklichen Qualität, mit der es gemacht ist.

    @ nilsn:
    Danke für das groß geschriebene „Sie“ ;-)

    @ moses:
    Die Hoffnung auf den Buchmarkt, dass er eine „kanonische Hervorhebung relevanter Literatur“ schaffen solle, ist kurios. Genauso gut könnte man darauf hoffen, dass RTL 2 ganz plötzlich vom Tittitainment abkommt und nur noch zukünftige Fernsehklassiker ausstrahlt.
    An der Behauptung, dass „im freien Netz JEDER unverfänglich publizieren kann“, ist so ziemlich jedes Wort falsch. Oder ist auch das eine Hoffnung für die Zukunft? (Ich verstehe leider nicht, wie dieser Nebensatz mit dem davor geschriebenen verknüpft ist.)

    @ Claudia:
    Ich habe zum Glück einen sehr guten Vertrag, ohne irgendwelche Abtretungen für die Ewigkeit usw.
    Mein Vertrag entspricht in den meisten Punkten dem, was die Gewerkschaft vorschlägt. In manchen Punkten ist er sogar günstiger für mich. Es ist ja ein bisschen peinlich, aber ich muss den MDV wirklich preisen, jedenfalls bisher.
    Das Hörbuch z. B. konnte ich selbst mit einem befreundeten Label produzieren, ohne dass der Verlag irgendwelche horrenden Lizenzgebühren dafür haben will. Diese Betriebsblindheit mancher – großer! – Verlage hat schon dafür gesorgt, dass andere Kollegen eben gar kein Hörbuch machen konnten. Weil die kleinen Labels, die diese Hörbücher als einzige hätten machen wollen, eben die Lizenzgebühren nicht vorschießen konnten. Der Literaturbetrieb ist ja in weiten Teilen ein Literaturverhinderungsbetrieb.
    Die Begeisterung für BoD verstehe ich nicht. Außer man hat irgend einen guten Weg, es zu bewerben und zu vertreiben. Die Chancen, dass ein BOD-Buch außerhalb des Bekanntenkreises wahrgenommen wird oder auch nur mal in einer Buchhandlung vorrätig ist, sind noch kleiner als bei einem Kleinverlag.
    Dazu kommt: Ich habe noch kein BOD gesehen, das ich handwerklich überzeugend fand. Papier, „Druck“, Heftung, Umschlaggestaltung: meistens mäßig bis miserabel.

  8. 08
    heidrun

    @ bov: ja, klar,keine frage! ich lese tatsächlich meistens bücher, die mich auch optisch ansprechen. wenn schon das cover blöd ist, stört das, aber wenn der text nicht ordentlich gesetzt ist, macht es schlicht keinen spaß. (ähnliches gilt aber für mich persönlich fürs lesen am monitor. das mach ich nicht lange, und wenn der designer sich noch so reinhängt.)
    daher sind wir uns auch in der BoD-frage sehr einig. das ist eh quatsch.

  9. 09
    RC

    Sperrig? Hat es etwa mehr Seiten als ein typisches Werk von Ayn Rand mit 950 pro Buch? Andernfalls…