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Schönheit

Ich habe eben einige Tests auf faceresearch.org gemacht und die Ergebnisse sind in der Tat verblüffend.

Eine Reihe von Bildern wurde gezeigt, die jeweils denselben Menschen abbildeten, jedoch mit kleinen, teilweise kaum merklichen Unterschieden zwischen den Bildern. Und das Resultat: Mein Geschmack ist vollkommen durchschnittlich.

On average, people preferred the more feminine women 83% of the time and the more feminine men 62% of the time. You preferred the more feminine women 88% of the time and the more feminine men 63% of the time.

Ich finde das interessant, aber gleichzeitig sagt es auch verdammt wenig über Attraktivität aus. Wären wir zweidimensional, stumm und darüber hinaus körperlos, wären diese Tests für unser Lebensglück wichtiger als die Abiturprüfung, aber das ist ja nunmal nicht der Fall.

Solche Studien werden leider immer wieder dazu genutzt, einen Vulgärdarwinismus unter das Volk zu bringen, der am Ende tatsächlich dazu führt, dass sogar das SZ-Magazin sich für Schönheitsoperationen ausspricht.

Hinter der Kritik steht eine kulturkonservative Ideologie. Sie schreibt das Wahre, Gute und Schöne nicht dem Körper zu, sondern dem Geist oder der Seele, also: dem Innern. Dabei war Schönheit schon bei den alten Griechen auch an die äußere Form gebunden. Um dem durchtrainierten Männerkörper eines griechischen Athleten nahezukommen, bräuchte es tägliches Kieser-Training. Seit der Antike gilt als schön, was wohlproportioniert ist: das richtige Verhältnis der Körperglieder zueinander, symmetrische Gesichtszüge. Man legte mit einem Kanon fest, was vollkommen ist; der perfekte Körper wurde sogar mathematisch berechnet.

Äh, ja: Dann bin ich wohl kulturkonservativ, wenn ich das püppchenhübsche Gesichtchen von Fußballerfrau Sylvie van der Vaart nicht allein danach bewerte, dass es unfassbar symmetrisch ist, sondern auch darauf höre, was aus dem sagenhaft an der richtigen Stelle sitzenden Mund kommt.

(Ich habe Sylvie van der Vaart am Samstag einige Minuten bei Wetten, dass… gesehen und mich gefragt, ob Gleichberechtigung nicht erst erreicht ist, wenn es endlich Männer gibt, die dafür berühmt sind, dass sie mit einer Sportlerin verheiratet sind, sich chronisch unterbekleiden, dafür aber grinsen, als hätten sie einen Clown, der mit Kicherbsen großgezogen wurde, verspeist. Wenn so ein Mann dann dafür gefeiert wird, dass es ihm gelingt, anstrengende Friseurbesuche UND Kindererziehung zu verbinden, brauchen wir keine Frauenquoten mehr).

Zu diesem debilen Vulgärdarwinismus gehört auch die Mär, Frauen würden an ihren fruchtbaren Tagen andere Männer bevorzugen als an den sonstigen, die Pille würde Frauen zum falschen Partner führen oder Ehen würden am geringer werdenden Oxytocin-Ausstoß zugrunde gehen.

Liebe mag eine Erfindung sein, aber sie ist eine gute. Und diese Erfindung basiert nicht auf Zentimetern, Hormonen, Düften und goldenen Schnitten. Sondern auf all diesem kulturkonservativen Quatsch, den niemand so schön auf den Punkt gebracht hat wie ein französischer Kinderbuchautor:

„Zähmen, das ist eine in Vergessenheit geratene Sache“, sagte der Fuchs. „Es bedeutet, sich ‚vertraut machen‘.“

„Vertraut machen?“

„Gewiß“, sagte der Fuchs. „Noch bist du für mich nichts als ein kleiner Junge, der hunderttausend kleinen Jungen völlig gleicht. Ich brauche dich nicht, und du brauchst mich ebensowenig. Ich bin für dich nur ein Fuchs, der hunderttausend Füchsen gleicht. Aber wenn du mich zähmst, werden wir einander brauchen. Du wirst für mich einzig sein in der Welt. Ich werde für dich einzig sein in der Welt …“

30 Kommentare

  1. 01
    Hendrik

    Ah non, pas le p’tit prince s’ilvous-plait ;)
    Die Mär von der hormonoell Unterschiedlichen Anziehungskraft ist allerdings keine – nur offenbahrt sich jeder, der den Gesamterfolg/Misserfolg einer Beziehung auf derartiges zurückführt, als Primitivling.
    Leugnen würde ich den Einfluss derartiger Sachen nicht – aber allein die Existenz funktionierender (!) Ehen die sich in Onlinespielen gebildet haben – d.h. ohne Gestik,Mimik,Geruch (und die damit verbundenen großartigen Hormonsignale),Bilder etc. beweist: So primitiv sind wir (zum Glück) nicht mehr.
    Die meisten zumindest.

  2. 02

    zur wirkung von schönheit hat ulrich renz ein angeblich gutes buch verfasst. ich habe es nicht gelesen, doch ich habe das interview mit ihm nachts bei news&stories gesehen.

    http://www.amazon.de/Sch%C3%B6nheit-Eine-Wissenschaft-f%C3%BCr-sich/dp/3833305045/ref=sr_1_1?ie=UTF8&s=books&qid=1223309099&sr=8-1

  3. 03

    Wow. Ungewohnt undistinktives aus Deinem Mund: kokettieren mit Kulturkonservativismus + Pathos + kleiner Prinz? What’s next? Coldplay gut finden? ;)

  4. 04

    @#692289:
    um solchen vorwürfen (ist das überhaupt ein vorwurf? undistinktiv? das ist nicht einmal ein wort) aus dem weg zu gehen, sollte ich wohl eher für genmanipulationen und pheromon-deos eintreten – aber ich arbeite ja nicht bei galileo oder dem sz-magazin.

  5. 05

    @#692290: Nee, kein Vorwurf. Eine Beobachtung, die mich kichernd machte.

    Aber zum Thema: Schönheitsideale hin, Kulturkonservativismus her. Ich persönlich würd mich – trotz sicherlich vorhandenen Bedarfs – auch nicht unter das Messer legen. Aber ich kann die SZ verstehen, wenn Ihnen das andauernde lautstarke Verurteilen dessen auf die Nerven geht. Schönheit war noch nie natürlich!

    Also: Jeder wie er mag. Ich muss das Resultat ja nicht beschlafen.

  6. 06

    Eine ähnliche Studie gibt es übrigens auch hier: http://tinyurl.com/3rcncc
    von der Uni St. Gallen.

    … und gerade weil es das SZ MAGAZIN ist, spricht es sich FÜR Schönheitsoperationen aus. Verwunderlicher wäre es – meiner Meinung nach – wenn der Feuilleton mit einer solchen Aussage aufliefe. „Vulgärdarwinismus“ ist übrigens ein schönes Wort. Das kannte ich noch nicht. ;)

  7. 07
    handzon

    Ich find die alle nicht so richtig attraktiv.
    Aber ich bin komischer bzw interessanterweise „unter“ dem Durchschnitt.

  8. 08

    @mspro: „Schönheit war noch nie natürlich!“
    Verstehe ich nicht.
    „Schönheit ist heutzutage oft nicht mehr natürlich“ und
    ähnliches wären ja verständliche Aussagen, aber „noch nie“? „¦ Warum?

  9. 09
  10. 10

    ich sag mal im Mittelalter waren dickere Frauen beliebter,
    weil es halt den Wohlstand des Menschen signalisiert hat.

  11. 11
    Gange

    „Du bist zeitlebens für das verantwortlich, was du dir vertraut gemacht hast.“ – Der kleine Prinz, Kapitel XXI

    Besser kann man einen Artikel über Schönheit und Liebe wohl nicht beenden…

  12. 12
    westernworld

    „¦ ich kann nicht glauben das dieser artikel tatsächlich mit /reflektionen/ getagt ist.

  13. 13

    @#692340:
    was wäre denn bei der auswahl deine idee?

  14. 14
    westernworld

    @#692343: ich wollte nur andeuten das ich den text eher für schnell dahingemeint als besonders reflektiert halte „¦

    ein so komplexes thema wie die wechselwirkung von körperlicher attraktivität, sexualität, persönlichkeitsbildung durch soziales feedback und emotionaler bindungsfähigkeit derart unterkomplex um nicht zu sagen stumpf zu dichotomisieren in wahre liebe, und zu belächelnde äußerlichkeit finde ich eine schwache leistung.

    mit der du nebenbei bemerkt der sz ins offene skalpell läufst.

    denn in dem angeführten artikel, korrigiere mich sollte ich etwas überlesen oder missverstanden haben, geht es um körperliche schönheit und ihre rolle und funktion und eben nicht um romantische liebe und was diese voraussetzt oder dauerhaft macht „¦

    „¦wäre dem so hieße es nicht attraktivität, sondern durablität

    „¦und der arme saint-exupéry hat besseres verdient als immer wieder zur illustration didlmausetot gerittener sozialpädagogenrethorik herangezogen zu werden.

    alldieweil die frage welcher art der oder die ringe sind die vor gott und den menschen beliebt machen zu den spannendsten überhaupt gehört.

    nix für ungut, es werden andere texte von dir kommen die ich lieben werde, wie schon gesagt ich finde deine literarisch/satirischen texte meist sehr viel besser“¦

  15. 15

    @#692356:

    es ist ja zumindest denkbar, dass du kein privat-tv konsumierst und auch nicht den spiegel liest. solltest du es doch tun, dann wüsstest du, dass genau dieser zusammenhang hergestellt wird.

  16. 16
    corax

    @#692362: Ich empfehle dir mal ganz dringend diese Lektüre. Und eine Entschuldigung, und die Befolgung von wedge`s Rat aus #18

  17. 17
    Georg_

    So SCHÖN!
    Malte, ich liebe Deine Texte!

  18. 18

    @#692368:

    ich weiß nicht, ob du wedges kommentar, der von der länge her eher ein eigener text war, gelesen hast. für mich eine mischung aus persönlichem angriff und eugenik, die nicht dadurch schöner wird, dass man sie nachts um drei liest.
    ich entschuldige mich, da ich mich im ton vergriffen habe, nur kurz zur erläuterung, wie so ein vergreifen zustande kommt: dass texte von mir zum anlass genommen werden, mich virtuell auf die couch zu legen, erlebe ich oft genug, bringt alle beteiligten nicht weiter, aber schwamm drüber. dass texte zum anlass genommen werden, mich persönlich anzugreifen, auch ok (wenn es nicht immer und in jedem kommentar ausschließlich nur um diesen persönlichen angriff geht).
    wenn aber die komponenten anonymität, eugenik, persönlicher angriff auf mich und spekulation über meine freundin zusammen kommen, dann kann es sein, dass um drei uhr nachts meine wortwahl verrutscht.
    ich bitte das zu verzeihen.

  19. 19
    corax

    @#692381: Ja ich weiß wie sowas passiert, aber es darf halt nicht, eigentlich, irgendwie, und so. ;-)
    Den ziemlich verquasten Text hab ich gelesen und fand ihn nicht direkt auf dich gemünzt, auch wenn du angesprochen wurdest, kann man natürlich auch anders sehen.
    Und ich krieg schon mit was sich die Autoren hier teilweise anhören müssen, auch an persönlichen Anfeindungen, und ich weiß nicht ob ich mir das antun würde.

    Vielleicht solltest du nachts um drei keine Kommentare lesen.

    Ich konnts bloß nicht unwidersprochen stehen lassen.
    Für mich ist die Sache hiermit erledigt.
    Schlage vor du löschst #16,18,19

    Schönen Tag noch.

  20. 20
    Jolka

    Eugenik in Wedges Text? Kann ich nicht zustimmen. Ich bin froh darüber mir den Text vor einer halben Stunde kopiert zu haben. Und was den angeblichen Angriff auf deine Freundin betrifft – für mich als Leser der über deine persönlichen Verhältnisse keine Kenntnis besitzt, war das eher rein rhetorisch gesprochen / gelesen.

  21. 21

    @#692387:

    er wollte ihn gelöscht haben.

    die passagen über meine freundin lese ich jetzt – beim zweiten lesen auch anders.
    „Ein Kind, das von Tritten gepeinigt auf dem Schulhof liegen bleibt, wurde nicht deswegen angegangen, weil es die falschen inneren Werte besaß. Die Gründe dafür sind primitiv und tatsächlich vulgär: er oder sie sah einfach falsch aus. Und das ist auch gut so.

    Denn Menschen mit schlechten Genen können sich keine Attraktivität leisten.
    Tu dir selbst einen Gefallen und lese dich selbst in das Thema Attraktivität und Partnerwahl ein, mit Kreuzvergleichen zu Genexpression und Wirtschaftlichkeit dieser.“

    darin lese ich genau die plumpe übertragung von biologie auf unsere kultur, die ich in dem text angreife.

    natürlich gibt es biologische faktoren in unserem leben: aber man muss doch nur die augen aufmachen, um zu sehen, dass sie unser leben nicht dominieren.
    dass aber gleichzeitig so getan wird, als könne man vermeintliche biologische nachteile ausgleichen, indem man sich operieren lässt, entsprechende produkte kauft, gesundheitsbewusst einkauft.

    wenn schon biologismus, dann darf man auch die ortsgebundenheit nicht vergessen. das heißt, dass der mensch sich zwar von körperlicher attraktivität angezogen fühlen mag, es aber reicht, wenn der partner relativ, das heißt im vergleich zu den anderen zur verfügung stehenden partnern, attraktiv ist. das streben nach absoluter schönheit ist, solange man nicht gerade sein geld auf dem laufsteg verdienen möchte, überflüssig.

  22. 22
    Piraat

    Den ganzen Hype um das Aussehen finde ich schon immer überbewertet und manchmal frage ich mich, wie es wohl wäre, wenn wir alle gleich aussehen und uns nur durch unser Inneres unterscheiden würden.

  23. 23
    Jan(TM)

    die Pille würde Frauen zum falschen Partner führen

    Die Pille verändert die Geruchswahrnehmung, hab ich mal gehört. Leute die man sonst nicht riechen kann – könnten möglicherweise dann angenehm gerochen werden. Bin zwar keine Frau, aber hab doch Erfahrungen mit starken Hormonveränderungen und da ändert sich die Wahrnehmung der Welt schon deutlich. Debiler Vulgärdarwinismus ist höchstens der Versuch Leuten einzureden das sie mit bestimmten Sprays tonnenweise Weiber abschleppen könnten.

  24. 24

    @#692497:

    schau mal hier, bei stefan niggemeier: klick

  25. 25
    Jan(TM)

    @#692500: Danke

  26. 26

    @#692489: ich gäbe dir genau eine halbe stunde, bis du wahnsinnig werden würdest.

  27. 27

    Ontopic:
    Was ich ein wenig vermisst habe, sowohl im Post, als auch in den Kommentaren ist der Hinweis auf die Gesichtssymmetrie. Ich glaube man konnte das recht gut in dieser Doku Reihe „Die Sexualität des Menschen“ nachvollziehen, lief auf Phoenix glaube ich. Je symmetrischer das Gesicht, desto attraktiver. Recht einfache Formel. 2 Proben: 1x Heidi Klum und 1x Der Glöckner von Notre Dame. Während Heidis Gesicht sehr symmetrisch ist, Beispiel hier: http://www.promiblogger.com/wp-content/uploads/2007/10/heidi-klum.jpg
    ist das Gesicht des Glöckners recht asymmetrisch, Beispiel hier: http://www.welt.de/multimedia/archive/00198/gloeckner_DW_Wissen_198949g.jpg
    Selbstverständlich ein ziemlich banaler Vergleich, jedoch kann man erkennen um was es bei dem Phänomen geht.
    Erinnert mich auch an die Zukunftsvision aus Starship Troopers. Ich beziehe mich jetzt nur auf die pervertierte Darstellung des „schönen“ Menschen in einer komplett technisierten Umwelt. Beispiel Denise Richards: http://galerie.farlion.com/albums/userpics/10002/normal_deniserichards4.jpg
    oder auch Caspar von Dien, der von der Frauenwelt ebenso vergöttert wird als umgekehrt Denise Richards: http://eur.i1.yimg.com/eur.yimg.com/xp/premiere_photo/20050831/11/1868673662.jpg
    Zweifelsfrei ist für mich die Erkenntnis, dass das „Schöne“ in der Menschenästhetik etwas mit der Symmetrie zu tun hat. Jetzt müsste man von einem Biologen mal hören wie diese Symmetrie genetisch bedingt wird.

    Offtopic:
    @Malte, ich denke du hast schon genügend geistige Barrieren aufgebaut, um zu wissen das sehr viele Leute die Spreeblick Kommentare gut und unterhaltend finden. Das es immer wieder Neider und Gesocks gibt sollte klar sein. „Jeder ist selbst verantwortlich für die Beschaffenheit seiner Gedanken“ :)
    In dem Sinne:
    Write on my dear…!

  28. 28
    Martin

    @#692593:

    Jetzt müsste man von einem Biologen mal hören wie diese Symmetrie genetisch bedingt wird.

    Dafür werden die Hedgehog-Gene verantwortlich gemacht.