20

Kevin

Kevin Kuranyi ist aus der deutschen Fußballnationalmannschaft rausgeworfen worden, weil er das Team während des Spiels gegen Russland (für die, die es nicht gesehen haben: erste Halbzeit wie gegen Portugal, zweite wie gegen Kroatien) verlassen hat. „Während er gespielt hat?“, fragte meine Lieblingslektorin. „Nein, von der Tribüne ist er gegangen.“
„So schlecht war das Spiel doch gar nicht.“

Kevin Kuranyi war, dazu muss man kein Psychologe sein, tief verletzt. Bei der WM 2006 nicht berücksichtigt zugunsten des fußlich herausgeforderten Mike Hanke, zur EM wieder dabei und doch nicht so richtig und jetzt auf der Tribüne – das ist keine reine Freude.

Gleichzeitig ist die Fähigkeit zur Selbstverleugnung die wichtigste Charaktereigenschaft eines Fußballers.
Da kann man sechs Tore geschossen haben, man muss auf Reporterfragen nach der eigenen Leistung sagen, dass die egal sei, im Vordergrund stehe die Mannschaftsleistung. Dabei weiß jeder, dass zur gleichen Zeit der Berater des Spielers mit Inter Mailand telefoniert.

Es werden im Fußball die Werte hochgehalten und im selben Atemzug an die nächste Biermarke meistbietend versteigert.
Keine Macht den Drogen, klar, aber danach ein frisches Becks. Kinder werden fit mit Nutella, beweglich mit Mercedes und gesund durch all die guten Schmerzmittel, die Fußballer zu sich nehmen (als bekannt wurde, dass der Bremer Mannschaftsarzt die Nierenerkrankung von Ivan Klanic übersehen hatte, hieß es in diesem Zusammenhang, dass Fußballer regelmäßig vor den Spielen acht Aspirin einwerfen – das ist die zulässige Tageshöchstdosis, darüber schwappt die Magensäure aus dem Mund heraus. Und nochmal: vor dem Spiel).

In diesem Klima der allumfassenden Verlogenheit kommt nichts so schlecht an wie Ehrlichkeit. Als Toni Schumacher in seinem Buch Anpfiff über Doping im Fußball schrieb, wurde er aus der Nationalmannschaft entfernt und auch sein Vertrag mit dem 1.FC Köln wurde gekündigt. Als Stefan Effenberg pöbelnden Fans den Mittelfinger zeigte, wurde er während der WM 1994 aus dem Kader geworfen.

Jeder weiß, dass Fußballer dopen, jeder weiß, dass Fans manchmal zum Mob werden und die Pest sein können. Aber man darf es nicht zum Ausdruck bringen.

Elf Geschäftspartner sollt ihr sein und über allem Business ist Ruh´.

Um kein Missverständnis aufkommen zu lassen: Man braucht Regeln, um das hochkomplizierte Miteinander im Mannschaftssport zu gewährleisten. Und diese Regeln hat Kuranyi verletzt. Wenn man die Szene, in der er Mirko Slomka nach seiner Auswechslung im Europapokal den Handschlag verweigerte, dazunimmt, sogar schon zum zweiten Mal.

Aber ich bin kein Freund von Rauswürfen auf Fehler hin. Wir reden hier von jungen Männern, die in der Unterhaltungsindustrie arbeiten. Wenn man diesen jungen Männern alle öffentlich ausgelebten Egoismen austreiben will (Trainer von der geistigen Spannkraft eines Felix Magath erregen sich ja nicht nur über die Frisuren von Spielern – über die sowieso – von Magath ist überliefert, dass er einen Fußballer nicht verpflichtet hat, weil der bei einem Schnee-Spiel Handschuhe trug), jedes Diventum verteufelt – dann hat man am Ende elf Hitzlspergers. Aber keinen Arschawin. Für den wäre so etwas wie die Tribünenflucht Kuranyis eine Nummer aus dem Kindergarten.

Streit ist etwas sehr Gutes, jetzt ist Anlass für Streit da, nicht für einen Rauswurf.

20 Kommentare

  1. 01
  2. 02
    dré

    ahh … schon wieder auf dem fußball rumhacken?! pöse, pöse!

  3. 03
    bunki

    alles kleine Kinder. Daher laufen die auch so oft in kurzen Hosen rum. Leider überbezahlte Kinder …

    Und wenn der Herr K. mal so kicken tuen täte wie der besagte Herr A. aus R., hätte er auch nicht den Nestflüchter von der Tribüne geben müssen. Das positive daran: So bleibt uns wenigstens ein weiterer von den unsäglichen Nutella-Spots erspart. Denn wie sagte weiland der Herr Becker mit feiner Selbstironie: dadurch spiele ich auch nicht besser, bin aber viel besser drauf!

  4. 04
    bb

    @#693090: ich will dir ja nicht die hoffnung nehmen, aber nach dem ‚ableben‘ eines gewissen spielers ‚hinkel‘ aus der nati lief besagter nutella-spot _mit_ hinkel trotzdem weiter! :-)

  5. 05
    bunki

    @bb (4)

    jetzt bin ich deprimiert ;-)

  6. 06

    Wirklich hübsch bigott. Da geht’s um Leidenschaft und dann darf man sich nicht mal ärgern. Kann man sich denn von einer Mannschaft unterlaubt entfernen, zu der man gar nicht gehört? Armes Kevin.

  7. 07
  8. 08

    malte, danke. damit hast du mir die mühe eines eigenen beitrags abgenommen. ergänzend würde ich hinzufügen, dass diese dfb-disziplin – nur wer lieb ist, darf für die nationalmannschaft spielen für mich in deslbe reihe gehört wie andere „regeln“ des nationalen und internationalen fussballs, wie zum beispiel gelbe karte für ausufernden torjubel (trikot blank ziehen, tartanbahn verlassen) oder auch die coaching-zone mit benimm-regeln. fussball ohne emotionen ist wie fernsehpreis ohne MRR.

  9. 09

    Mit Kevin kann es keinen Streit geben, hat er gerade selber gesagt. Das ist seine Natur…oder so. Immer Nett, der Kevin. Und dann auch lieber nicht reden, sondern heimlich davon laufen und sich im stillen Kämmerlein seinen Nutellabart nachmalen. Morgen ist ja PK.

    Nee, im Ernst: Als Protest ist mir das zu kindisch!

  10. 10
    Frédéric Valin

    Aus rein fußballerischen Erwägungen ist Kuranyis Verlust gar keiner. Dass mit Kuranyi eine unerträgliche Zicke gegangen worden ist, ist unter Unterhaltungsaspekten natürlich tragisch.
    (Und ich hatte noch drei Tonnen Frisurenwitze, will sie jemand kaufen, bevor sie übermorgen abgelaufen sind?)

  11. 11
    antifalten

    der dfb ist ein verlogener harmonie-haufen, der sich dann aber wundert, warum es hierzulande keine „spieler-persönlichkeiten“ mehr gibt.

    kreativität und spielfreude wird den spielern ja schon vorher ausgetrieben. kann mich noch an sammer als bvb-trainer erinnern, der „seinen“ brasilianern das tanzen nach einem erzielten tor verbieten wollte…

  12. 12
    Nanuk

    Wenn ich in Gelsenkirchen wohnen würde und in Dortmund im Manschaftshotel schlafen sollte würde ich mich auch an den Kopf fassen…
    Das ist 10 Minuten Autobahn!!!

  13. 13

    Wenn ihr dem Massen-Fußball ab jetzt hier huldigt, könnte fooligan dann nicht – anstatt zu versauern- zur 2.- und vielleicht sogar 3. Ligabühne werden?
    Auch wegen Hansa und so.

  14. 14

    @#693087:
    Das Ist Gut

    Mal schauen:
    http://www.kevin-kuranyi.de/

    Auch in der Zeit, als er bei VFB- Stuttgart aktiv war,
    gab es immer mal wieder ‚Dissonanzen‘ bzgl. seiner
    Einstellung zum Verein u. sonstiger Eskapaden.

    [Alles Nachzulesen]

    Der Kerl verdient ein Schweinegeld, selbst wenn er nur
    am Spielfeldrand, oder auf der Tribühne sitzt

    Da werden gestandene Erwachsene zu Kindern.
    ‚Ääääh, ich will will will.‘

    Ist nur meine besch. Meinung.

  15. 15
    martin

    tschuldigung, aber „das nutella“ ist einfach nur eine heulsuse…
    andere wurden ebenfalls lange nicht berücksichtigt (z.b. wiese), obwohl sie es verdient hätten. und in dieser saison war kuranyi bisher auch nicht wirklich überzeugend (vom wolfsburg-spiel mal abgesehen).
    soll er wegbleiben, so eine träne braucht kein mensch.

  16. 16

    Wenn Herr K. so Fußball spielen würde wie er seinen Bart trimmt, dann hätte er – von mir aus – gerne bleiben können. In der Nationalelf (oder 18) wird er nicht fehlen… .

    Ich finde es weiterhin amüsant, dass der „Ranicki-Eklat“ beim Fernsehpreis den „Kuranyi-Eklat“ bei den Qualispielen medial um Längen übertrumpft. Kuranyis Trotzreaktion war weniger zu erwarten und hatte deshalb m.A.n einen höheren Newswert. Der MRRsche Ausfallschritt ist bei solchen Veranstaltungen ja immer vorprogrammiert. Mich wundert ehrlich, dass man sich darüber noch wundern kann.

  17. 17

    Die ganze Kevin-Farce basiert meiner Meinung auf seiner schlechten Spielleistung bei der EM diesen Jahres.
    Klar wäre er im Kader gewesen, hätte er nicht beleidigt sein müssen, weil er nicht im Kader war, wäre er nicht abgehauen, wäre er deshalb nicht entlassen worden, hätte er nicht so miserabel gespielt.
    Sein zickiges Verhalten zum Aufhänger für den Rauswurf zu nehmen war vielleicht einfach die elegantere Variante zu „Du hast scheiße gespielt deshalb fliegst“ (Im Sinne von: „Wir beleidigen ihn, der wirft sich schon selbst raus“)

  18. 18

    Warum hacken alle auf Kevin rum?!

    Bitte komm zurück! –> http://www.boehlersworld.de

  19. 19

    @#693325:
    Das hat auch das ÖR-Hörfunkprogramm
    [www.SWR.de] bereits durchgenudelt.

    Wer bist denn Du?
    Und wer liest das?

    http://www.tinyurl.com/5qh257

  20. 20

    @christoph kratistos (13) hervorragender gedanke! da bin ich auch sehr dafür!