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Honduras und die FDP – Freunde der Putschisten


Es gibt einige Gründe, den immer wahrscheinlicher werdenden Einzug Westerwelles ins Außenministerium mit Skepsis und Widerwillen zu betrachten. Die aktuellen Äußerungen seiner Parteifreunde zum Thema Honduras jedenfalls geben Grund zur Sorge.

In Honduras hat kürzlich ein Putsch stattgefunden. Präsident José Manuel Zelaya hatte einen Volksentscheid darüber abhalten wollen, ob man ein zweites Mal für die Präsidentschaft kandidieren dürfe, wenn man bereits eine Legislaturperiode dem Staat vorgestanden hat. Dabei ging es nicht darum, dass Zelaya seine Wiederwahl ermöglichen wollte: er hätte für die nächste Wahl selbst dann nicht kandidieren dürfen, wenn der Volksentscheid erfolgreich gewesen wäre. Allerdings hätte ihm diese Verfassungsänderung erlaubt, zu einem späteren Zeitpunkt erneut zu kandidieren.

Der oberste Gerichtshof verhinderte durch einige Urteile die Durchführung der verfassungswidrigen Volksbefragung, und das Militär putschte gegen den Präsidenten, der zwangsweise nach Costa Rica ausgeflogen wurde. Dieser Putsch ist in der Welt überwiegend verurteilt worden, obwohl beispielsweise die USA alles andere als ein geneigter Busenfreund Zelayas sind. Zelaya forderte 2008 einen sozialen und sozialistischen Liberalismus* und trat 2008 mit seinem Land der ALBA bei – ist also kein ausgewiesener Freund des Westens.

Die FDP hat sich angesichts der Entwicklungen in Honduras zu einigen Äußerungen hinreißen lassen; vielleicht, um sowas wie ein aussenpolitisches Profil zu entwickeln. FDP-Aussenexperte und stellvertretender Fraktionsvorsitzender Werner Hoyer beispielsweise schrieb einen Gastkommentar für die Welt, und man weiß nicht so recht, ob es Ahnungslosigkeit oder Dreistigkeit ist, die ihn zu folgenden Zeilen inspiriert haben mag:

Zelaya wollte sich durch Verfassungsbruch zum Caudillo machen. Weil die Verfassung ihm eine zweite Amtszeit verwehrt und darüber kein Referendum erlaubt, hatten ihn Parlament und Gericht in die Schranken verwiesen. Als er das von ihm geplante Referendum mit Gewalt durchsetzen wollte, ließen ihn Gericht und Parlament außer Landes bringen, anstatt ein rechtsstaatskonformes Verfahren einzuleiten.

An diesen Zeilen ist so gut wie nichts wahr. Erstens waren es keinesfalls Gericht und Parlament, die Zelaya außer Landes brachten, sondern das Militär. Zweitens ging es Zelaya nicht um eine sofortige Wiederwahl. Das Bild eines machtgeilen kleinen Diktators, das Hoyer da entwirft, ist falsch. Tatsächlich sollte das Referndum gleichzeitig mit den Präsidentschaftswahlen stattfinden und erst im nächsten Jahr, sofern erfolgreich, ratifiziert werden. Für eine erneute Kandidatur Zelayas im November fehlen also so oder so die rechtlichen Grundlagen. Und selbst wenn er eine spätere Wiederwahl angestrebt hat – vor der UN-Versammlung versicherte Zelaya, von derartigem Ansinnen Abstand zu nehmen und sich nach dem Ende seiner Amtszeit am 27. Januar 2010 zur Ruhe zu setzen.

Hoyer beklagt, ein im Pyjama ausgeflogener Präsident würde wie ein Opfer aussehen. Blöd auch, dass das Wort Militärputsch so schnell in Umlauf geraten ist, denn das ist ja negativ behaftet und verdeckt das Ansinnen der, nunja, Militärs, das laut Hoyer ja durchaus ein rechtmäßiges ist. Vorsicht rät er an, denn es

sollte zu denken geben, dass Zelayas Vorbilder und Freunde wie Chávez, Ortega, Castro und Morales ebenso die Sektkorken knallen lassen wie Gysi und Lafontaine. Für sie ist das törichte Vorgehen der neuen Regierung in Tegucigalpa eine willkommene Chance, einen weiteren Mosaikstein in ihr linkspopulistisch-autoritäres Lateinamerikabild einzusetzen.

Das Vorgehen der Militärs nennt Hoyer „töricht“, freut sich aber darüber, dass der Rechtsstaat dank eines Militärputsches wieder eingesetzt worden ist. Das schreibt Hoyer einer Regierung auf die Fahnen, die sich in diesem Moment massive Menschenrechtsverletzungen zuschulden kommen lässt und die einen Folterer und Mörder, Billy Joya, zum beratenden Minister erhoben hat. Das alles vor dem Hintergrund, dass nach wie vor die Straffreiheit in Honduras zu den dringlichsten Problemen gehört.

Marina Schuster, MdB und Fachsprecherin der FDP für Globalisierungspolitik, springt Hoyer hilfreich zur Seite und referiert über die Lage in Honduras, dieses (Zitat) „eigentlich kleine Land“. (Am Rande, Frau Schuster, und uneigentlich? Ist Honduras im Grunde so groß wie Kanada, versteckt sich die meiste Zeit nur besonders gut und hat sich jetzt erst voll entfaltet?)

Besonders gut hat mir diese Passage gefallen:

Zu Beginn seiner Regierungszeit hatte Zelaya daher auch die Unterstützung der Liberalen in Deutschland. Allerdings wandelte sich der Regierungsstil bereits nach kurzer Zeit von einer liberalen zu einer linksorientierten Politik. Der Präsident versuchte anfangs mit Ländern wie den USA zu kooperieren, wandte sich aber immer stärker seinen lateinamerikanischen linksregierten Nachbarn zu.

Kurz gesagt: Er ist kein Drecksack, aber er ist nicht von den unseren. Die FDP nennt das rechtsstaatliche Prinzipien. Angesichts der Tatsache, dass die FDP intensiv Kontakt mit den Putschisten pflegt, wäre zynischer Opportunismus weit angebrachter.

Wie ein sozialer und sozialistischer Liberalismus gehen soll, muss mir mal jemand beim Tee erklären.

42 Kommentare

  1. 01

    Ich hab zwar keinen Tee zur Hand, gehe aber mal davon aus, dass der Liberalismus sich dann eben nur auf die Gebiete bezieht, die den Sozialismus nicht stören. Liberalismus im Sinne von Handlungsfreiheit im privaten Bereich und keine Zensur, Sozialismus in der Wirtschaftsordnung. Man darf also gleichgeschlechtlich heiraten und schlimme Bücher lesen, aber man darf kein Unternehmen gründen. Klingt für mich plausibel.

  2. 02
    cjs

    Das perverseste an der fdp ist ja, dass es ihr gelungen ist, dass man in Deutschland einen sozialen Liberalismus für eine contradictio in adjecto hält. Diese Partei (bzw. ihr politisches Personal) ist mittlerweile leider ein Haufen von Sozialdarwinisten deren Weltbild den Komplexitätsgrad des Sprichworts „jeder ist seines Glückes Schmied“ nicht übersteigt. Mit einem modernen Liberalismus hat das nichts zu tun. Zeitgenössische liberale Philosophen wie Ronald Dworkin oder John Rawls vertreten eine Position, die auf der relativ trivialen Erkenntnis beruht, dass die gleiche Freiheit aller Bürger nur möglich ist, wenn gleiche Rechte auch im gleichen Umfang wahrgenommen werden können. Zur Wahrung einer nicht nur formal verstandenen Chancengleichheit bedarf es deswegen materieller Ressourcen (Umverteilung), staatlicher Regulierung und öffentlicher Dienstleistungen. Sozial und liberal ist in dieser Lesart kein Gegensatz, sondern bedingen sich gegenseitig.

  3. 03
    Ju

    Verstehe ich irgendetwas nicht?
    Honduras ist laut Wikipedia mit 112.090 km² wesentlich kleiner als Kanada mit 9.984.670 km².

  4. 04

    @#721223: Ich verstehe das „eigentlich“ in dem Satz nicht. ;)

  5. 05

    Wer lange sucht, wird meistens fündig…

    Würde gern das Referat über dieses „eigentlich kleine Land“ lesen. Gibt es da eine Quelle? Übrigens ist Honduras mit seinen 7.639.327 Einwohnern eigentlich klein. Wie kommt es nur, daß Du diese Aussage ausgerechnet auf das beziehst, was Dir in den Kram paßt? Hättest Du den Artikel überschrieben mit: Ich mag die FDP nicht, weil mir alles lieber ist, wo links draufsteht, hätte ich vor Dir den Hut gezogen, so kann ich ihn nur abnehmen, um mir die Haare zu raufen.

    Auf uns bezogen: Ein sozialer Liberalismus ist durchaus möglich. Ein sozialistischer nicht, weil sozialistisch eben nicht freiheitlich ist, was die Geschichte jedes „sozialistischen Landes“ belegt. Und wenn ich so in die Geschichtsbücher schaue, frage ich mich, welches System einen gut funktionierenden Sozialismus zustande gebracht hat.

    Auf Zelaya bezogen: Ich glaube, er weiß selbst nicht, was sozialistisch und Sozialismus ist. Und von Liberalismus versteht er wohl auch nicht so viel. Oder meint er neoliberal?

    Freiheit und Sozialismus haben sich in der Geschichte immer ausgeschlossen. Gegenbeweise nehme ich gern entgegen.

  6. 06
    Frédéric Valin

    @#721226: Ups, link vergessen. Is nachgetragen unter Marina Schuster.

    Ich mag die FDP nicht, geschenkt. Das hat aber nichts mit dem Artikel zu tun. Ich mag auch niemanden, der sich gemein macht mit Putschisten und nur deswegen, weil die Naumannstiftung in Honduras so stark vertreten ist, behauptet, es handle sich nicht um einen Putsch. Bleib beim Thema.

  7. 07
    herbert

    [off topic]:
    Darf man fragen welches Plugin ihr zum einbinden der Flickr Bilder benutzt bzw womit ihr dieses schöne cc Zeichen einblendet?

  8. 08
    fpk

    Ein bischen Perspektive.

    So wie ich es verstehe, wollte Mr. Präsident ein Referendum ansetzten, was qua Verfassung gar nicht in seiner Macht liegt, sondern in der des Kongresses. Das Verfassungsgericht urteilte gegen ihn.
    Er ließ Wahlzettel aus Venezuela anliefern und als das Militär sich weigerte sie auszuliefern, ganz der Entscheidung des Verfassungsgerichts folgend, entließ er den Chef des Militärs. Das Verfassungsgericht urteilte auch gegen diese Entscheidung. Worum sich Zelaya wiederum nicht scherte.
    Darufhin stürmte Zelaya mit Anhängern die Kaserne in der die Stimmzettel lagerten um sie selbst zu verteilen.
    Daraufhin kam es zum Putsch. Ein wenig putschig kann einem, was Mr. Zelaya da angezettelt hat aber auch vorkommen, oder?

    Frage, die sich stellt, ist, wies weitergeht. Hat das Militär geputscht, um demokratische Institutionen zu schützen, oder haben sie was anderes im Sinn und die Gelgenheit nur beim Schopf ergriffen. Wenn die Berichte über Verhaftungen und Gewelt gegen Opositionelle stimmen, ist das sicherlich eine schlimme Entwicklung, die nichts Gutes ahnen lässt. Und was wird Chavez machen? Hat ja schon angekündigt Truppen zu schicken.

  9. 09
    natascha

    @#721218: DANKE für „Haufen von Sozialdarwinisten, deren Weltbild den Komplexitätsgrad des Sprichworts „jeder ist seines Glückes Schmied“ nicht übersteigt“ –> darf ich dich zitieren? :)

  10. 10
    Frédéric Valin

    @#721230: Das ist das, was die FDP verlautbaren lässt. Richtig ist, dass es sich nicht um ein Referndum handelt, sondern um eine Volksbefragung, ob dieses Referendum erwünscht sei oder nicht. Eine Volksbefragung darf der Präsident meines Wissens durchführen. Seine absetzung war übrigens auch verfassungswidrig, aber das nur am Rande.

    Das Verfassungsgericht entschied gegen ihn, was obskur ist. Ohne verschwörungstheoretisch großartig ausufernd zu werden, lässt sich doch feststellen, dass Zelaya gegen das politische Establishment mehr direkte Demokratie wagen wollte. Das ist verhindert worden, u.a. vom Verfassungsgericht. Dass er nicht aus Eigeninteresse gehandelt hat, finde ich erwiesen. Dass seine politischen Gegner nicht aus Eigeninteresse handeln, dass können sie beweisen, indem sie, nachdem er vor der UN seine Bereitschaft erklärt hat, nie wieder für das Amt zu kandidieren, ihn zurückkehren lassen, wie es die Verfassung (die sie ja angeblich schützen) vorsieht.

  11. 11
    Jan(TM)

    Immerhin wäre Westerwelle der erste bekennende schwule Außenminister Deutschlands und das ist eine verdammt mutige Aktion. Kann mir das aber noch gar nicht richtig vorstellen.

  12. 12

    Gaydo disqualifiziert sich für’s Äußere doch ohnehin, da man „sowas wie dem“ in morgenländischen Kulturkreisen nicht die Hand gibt (es sei denn, man will, dass sie abgehackt wird).
    Oder wir wollen uns international unmöglich machen.

  13. 13
    cjs

    Ich hab (wie wahrscheinlich die meisten die hier was dazu schreiben) keine Ahnung von dem tatsächlichen Hergang der Ereignisse, den Intentionen der Akteure und den feinen Fragen die hondurianische Verfassung betreffend. Ich weiß aber, dass in einem präsidentiellen politischen System etwas gründlich schief läuft, wenn der Präsident gegen den Willen des Parlaments Volksbefragungen und Referenden durchführt. Diese dienen nämlich dazu sich am Parlament vorbei legislative Legitimation zu besorgen und damit das ganze System zur Farce zu machen. Das ganze als eine selbstlose Übung in direkter Demokratie zu verklären ist auf jeden Fall sehr naiv oder sehr perfide. Von der Exekutive angesetzte Volksbefragungen dienen in aller Regel dazu, das Parlament oder die Verfassung zu umgehen, damit erhöhen sie die Macht der Regierenden und Beschädigen die Institutionen, die sie kontrollieren sollen. Ich fänds zum Beispiel im höchsten Maße merkwürdig, wenn Angela Merkel jedesmal eine Volksbefragung (mit Hilfe der Bundeswehr) durchführen würde, wenn sie sich im Parlament nicht durchsetzen konnte oder die Verfassung gegen ihre Ideen spricht. Im übrigen gibts für unverbindliche Stimmungsbilder Demoskopen, Wahlzettel brauch man nur für verbindliche Entscheidungen.

    Btw: Die Beschränkung von Amtszeiten gehört im übrigen aus politikwissenschaftlicher Sicht (und hier trifft sie wundersam mit dem gesunden Menschenverstand zusammen) zu den essentiellen Merkmalen eines präsidentiellen Regierungssystems: Keine Person sollte auf unbeschränkte Dauer soviel Macht haben, wie sie ein Präsident in einem solchen System hat. Das gefällt Präsidenten zwar in der Regel nicht (ich sag nur Putin) scheint mir aber ganz pfiffig.

  14. 14

    @#721242:

    Im übrigen gibts für unverbindliche Stimmungsbilder Demoskopen, Wahlzettel brauch man nur für verbindliche Entscheidungen.

    Lies doch bitte nochmal die Quellen.

    Was Deine sonstigen Einlassungen betrifft, wäre ich mit Dir völlig d’accord, wenn es sich nicht um ein politisches System handeln würde, das sich seit Ende der Dikatur im Grunde ständig selbst fortpflanzt und bestätigt, und wenn nicht diejenigen die Machthaber wären, die auch über die wirtschaftliche Macht im Land verfügen. Du hast da eine sehr europäische Sicht auf die Ereignisse, die berechtigt wäre, wenn der Präsident Putin oder Berlusconi heißt. Aber es handelt sich um Honduras.

  15. 15

    Schön, dass der Spreeblick dieses Thema aufgreift. Zu Hintergründen und Einschätzungen aus Lateinamerika in deutscher Sprache geht es hier:
    http://www.ila-web.de/artikel/ila327/honduras_putsch_vorgeschichte.htm
    SEhr gutes Interview zur Politik von Zelaya und warum es zum finalen Kräftemessen mit den „de facto Mächten“ in Honduras kam, gibt es hier:
    http://www.ila-web.de/artikel/ila327/honduras_putsch_hintergrund.htm
    Als ich am Tag nach dem Putsch die Äußerungen der FDP-nahen Stiftung (FNS) gelesen habe (vermutlich die Stichwortgeber für Hoyer und Schuster), bin ich fast vom Stuhl gefallen. Hatte Lüth, der Stiftungsvertreter, das schon in der Schublade? http://www.freiheit.org/files/62/N_44_Honduras-Mehr-Taeter-als-Opfer.pdf
    Zelaya sei irgendwie selbst Schuld am Putsch, gewiss – nicht schön, so ein Militärputsch, aber irgendwie doch sinnvoll. Der Zweck heiligt noch jede Peinlichkeit an „politischer Analyse!“
    Oder ist das einfach nur die etwas kindische (dennoch politisch desaströse) Reaktion einer gekränkten FNS, die noch vor wenigen Jahren in Zelaya einen der Ihren sah und sich nun offenbar nicht mehr zurechtfindet? Kein Wunder! Wer so schnell politisch komplexe Prozesse „analysiert“, dem muss der Überblick verloren gehen.

  16. 16

    und noch eine Link, aktueller Artikel von Klaus Ehringfeld:
    http://www.fr-online.de/fr/in_und_ausland/politik/aktuell/?em_cnt=1821753&em_loc=1231
    „So genau wie mit der Verfassung nehmen es die neuen Machthaber mit den Bürgerrechten nicht. Oppositionelle Radio- und Fernsehsender sind geschlossen. Gegen Demonstranten ging die Polizei mit Tränengas und scharfer Munition vor. Oppositionelle wurden außer Landes geschafft, wie der Zeitungskarikaturist Alan McDonald. Er wurde nachts aus seinem Haus verschleppt und nach Nicaragua deportiert.“ Die Putschregierung (also irgendwie die Opfer) und die Bürgerrechte! Schade, dass Herr Lüth von der liberalen Friedrich Naumann Stiftung nicht dazu ein Papier in der Schublade hat. Das hätte mich wirklich mal interessiert.

  17. 17

    @#721227:

    hast du heute morgen junge welt gelesen und gedacht „was die koennen kann ich auch!“?

  18. 18
    Caritas

    „Unter Linken“, Jan Fleischhauer.
    Lesen und die linke Theologie verstehen.

  19. 19
    Michael

    Also ich bezweifel, dass wir die ganze Komplexität der dortigen Politik schon sehen.
    Für mich wirkt es so, als hätte tatsächlich das Militär – vermutlich nicht uneigennützig – die Demokratie des Landes verteidigt. Das wäre allerdings bloß ein Vorgang, der in dem heißgeliebten EU-Beitritts-Land Türkei schon häufiger geschehen ist.
    Da allerdings Honduras weder eine strategische , noch eine besondere wirtschaftliche Bedeutung für uns hat, ist es an der Zeit, auf unseren Ansichten zu beharren und die unserer Meinung nach richtige Auffassung der wichtigen Prinzipien durchzusetzen.
    Liege ich damit jetzt ganz falsch?
    MfG

  20. 20
    no

    @#721255: Das Militär als Retter der Demokratie? Die muss ich entschieden widersprechen. Durch seinen Beitritt zur ALBA hat Honduras schon eine gewisse wirtschaftliche Bedeutung; die strategische Relevanz von Mittelamerika im Allgemeinen ist – zumindest für die USA- unbestreitbar. Zelaya steht, nachdem er sich gewandelt hat, für ein anderes Demokratiemodell und für eine andere Wirtschaftsordnung. Auch in anderen lateinamerikanischen Staaten haben Präsidenten mit Hilfe von Plebisziten und der großen Untersützung, die sie vor allem seitens der ärmeren Bevölkerung erfahren, Bewegung in erstarrte Verfassungsstrukturen gebracht, womit letztlich eine ungerechte Machtverteilung teilweise korrigiert wird. Damit hat sich Zelaya mit dem Establishment angelegt. Erwähnenswert ist auch, dass 192 UN-Mitgliedsstaaten den Putsch verurteilt haben und die Rückkehr von Zelaya gefordert haben.

  21. 21
    no

    Kleine Ergänzung: Die Konrad-Adenauer-Stiftung der CDU schlägt, wenn auch etwas moderater als die FNS, in die gleiche Kerbe. In einem Länderbericht vom 29.6 wird dem aus dem Amt geputschten Präsidenten die Hauptschuld an der Situation gegeben. Es wird genau der Eindruck erweckt, den auch Michael (19) angedeutet hat und den ich für grob falsch halte. Indirekt hofft die KAS auf die Anerkennung der neuen Regierung: „Von Bedeutung für die neue Regierung Micheletti wird sein, ob sie es schafft die internationale Gemeinschaft von der Rechtmäßigkeit ihrer Machterlangung zu überzeugen.“ http://www.kas.de/proj/home/pub/55/1/-/dokument_id-16948/index.html

  22. 22
    quasi

    entschuldigt meine unwissenheit – das militär hat wegen eines volksentscheids geputscht, der eine zweite amtszeit des eventuell erneut gewählten staatsoberhauptes möglich macht, was aber bei der nächsten wahl für den aktuellen staatschef gar keine rolle spielt – und das glaubt echt jemand ernsthaft, diesen billigen vorwand die macht an sich zu reißen?

  23. 23
    Frédéric Valin

    @#721263: „das militär hat wegen eines volksentscheids geputscht, der eine zweite amtszeit des eventuell erneut gewählten staatsoberhauptes möglich macht, was aber bei der nächsten wahl für den aktuellen staatschef gar keine rolle spielt“

    Falsch. Das Militär hat wegen einer Volksbefragung geputscht, aus der hervorgehen sollte, ob das Volk einen Volksentscheid zu einer zweiten Amtszeit egal welchen zukünftigen Präsidenten wünscht. Der jetzige Präsident könnte so oder so nicht nochmal gewählt werden, weil der Volksentscheid mit den Wahlen zur Präsidentschaft stattfinden würde.

    Steht so alles im Artikel.

  24. 24
    Tim

    Honduraskenner unter sich?

    Ändert nichts an der Tatsache, dass Westerwelle Außenminister wird. Wetten dass?


    Nebenbei. Man merkt kaum, dass in 10 Wochen eine wichtige Wahl ansteht. Sommerferien as usually. Für die CDU/FDP läuft es gut und die SPD erstarrt in ihrer eigenen Angst (siehe auch die Sache mit der Wahlgesetzänderung). Ab Mitte August wird es 4 Wochen Standard-Wahlkampf geben, bei dem sich die SPD bemühen wird, nicht mit unbedachten Äusserungen noch mehr Wähler zu vergraulen. Angst fressen Seele auf.

  25. 25
  26. 26
    Frédéric Valin

    @#721285: Ui, danke.

  27. 27
    Hobbyputschist

    Kann mir mal jemand erklären, warum das ein Putsch ist, wenn

    – Das Verfassungsgericht entscheidet, daß der Präsident die Verfassung bricht
    – und das Militär die verfassungsgemäße Ordnung wieder herstellt?

    Wenn Sch****e hier die Verfassung außer Kraft setzen würde, und ihn das Militär vom Hof treibt, würde ich das auch nicht als Putsch bezeichnen.

  28. 28

    @#721306:

    ganz einfach,
    fuer viel gilt folgende faustformel:

    militaer = boese, linke oder solche die sich so nennen = gut, egal was sie machen.

    er gibt aber auch ernstzunehmende unparteiische berichterstattung ueber die sache:
    „Mr Zelaya, a businessman, alienated his own party and his country“™s political establishment by his decision last year to forge an alliance with Mr Chávez, joining the Venezuelan“™s anti-American block. In return, he got aid and political advice. Mr Zelaya felt emboldened to organise a referendum on convening a constituent assembly“”the very device Mr Chávez used to establish an autocracy. Since such an exercise violated the constitution and both Congress and the courts were firmly opposed to it, this unleashed a conflict of powers.

    Oddly, the Honduran constitution contains no provision for impeachment. Even so, kicking Mr Zelaya out was wholly the wrong way to try to resolve the dispute. It was stupid, too: Mr Zelaya was fairly unpopular and unlikely to get his way. That it happened regardless shows the deep fear of Mr Chávez among political establishments across Latin America. He is a particular ogre in the small, mainly poor and unstable countries of Central America, which are also beset by drug traffickers. Venezuela“™s boss is mistrusted both for his meddling and for the example he has set of coming to power democratically and then stacking the rules in his favour. One of his allies, Daniel Ortega of Nicaragua, next-door to Honduras, stole a municipal election last November, for instance.“

    http://www.economist.com/opinion/displaystory.cfm?story_id=13944740

  29. 29
    Frédéric Valin

    @#721308: Es ist nicht gut, das eigene Scchwarz-Weiß-Bild 1:1 auf den anderen zu übertragen.

    „Mr Zelaya felt emboldened to organise a referendum on convening a constituent assembly“”the very device Mr Chávez used to establish an autocracy. Since such an exercise violated the constitution and both Congress and the courts were firmly opposed to it, this unleashed a conflict of powers.“

    Ernstzunehmende Berichterstattung? Vage Vermutung.

    @#721306: Das Militär hat nicht die verfassungsgemäße Ordnung wiederhergestellt. Ein Putsch steht nicht in der Konstitution Honduras‘ als geeignetes Mittel. Die Menschenrechtsverletzungen, die jetzt auch alles andere als linke Organisationen wie die Caritas feststellen, sind nicht verfassungsmäßig abgedeckt.

    Zweitens ist die Situation nicht 1:1 auf Deutschland übertragbar. Honduras befand sich bis 1982 unter einer Militärdiktatur. Die jetzige Verfassung ist sehr repressiv. Zelaya war als Liberaler zur Wahl angetreten und hat sich im Laufe der Zeit zu einem Sozialisten gewandelt: seine (nicht immer ehrenwerten Absichten, in diesem einen Fall aber schon) gingen dahin, dem Volk mehr Stimmrecht zu geben. Das hätte, sofern es zu einem Referendum gekommen wäre, gegen die Verfassung verstoßen. Soweit ich weiß, ist eine Volksbefragung aber nicht verfassungsunkonform. Im Gegensatz zum von @#721308: verlinkten Artikel sind sich die meisten Beobachter einig, dass Zelaya eine Menge Kredit verspielt hat und nicht mehr fest im politischen Establishment verankert ist. Dass er eine Autokratie erreichten will, widerspricht dem gesunden Menschenverstand. Wie im Artikel angesprochen, wäre er selbst überhaupt nicht zur Wiederwahl angetreten, weil dafür die verfassungsrechtliche Grundlage fehlt. Was er wußte.

    Wie man gleichzeitig abtreten und eine Autokratie begründen kann, das ist ein Geheimnis, dass @#721308: aufzuklären haben wird.

  30. 30
    fpk

    @ Frederic

    „Richtig ist, dass es sich nicht um ein Referndum handelt, sondern um eine Volksbefragung, ob dieses Referendum erwünscht sei oder nicht.“

    was war noch mal der unterschied zw. volksbefragung und referendum?

    und woher nimmst du die gewissheit er habe nicht aus eigeninteresse gehandelt? Weil ers gesagt hat?

  31. 31

    @#721444: Zwischen einem Referendum und einer Volksbefragung gibt es keinen Unterschied, beides sind Instrumente der halbdirekten Demokratie und werden (normalerweise) von einem legislativen oder exekutiven Organ an das Volk überwiesen. Nicht zu verwechseln z.B. mit einem Volksbegehren.

  32. 32
    Fréderic

    @#721444: Der Unterschied in diesem Fall ist, dass es eine Volksbefragung geben sollte, um festzustellen, ob ein Referendum von Seiten des Volkes erwünscht ist. Die Volksbefragung hätte keinerlei rechtliche, sehr wohl aber eine politische Konsequenz.

    Woraus hätte sein Eigeninteresse bestehen sollen?

  33. 33
    alfons

    Zum Thema „sozialistischer Liberalismus“ (auch, wenn es nicht ganz zutrifft) sei hierauf verwiesen: http://www.amazon.de/Das-Versagen-Wirtschaftsliberalismus-neoliberale-Projekt/dp/3895183490

    Nach bzw. während dem Krieg hat man sich wohl (so stelle ich es mir jedenfalls vor) intensiv mit Kapitalismus und Kommunismus auseinandergesetzt.

  34. 34

    „Sozialistischer Liberalismus“

    Hierzulande schwer vorstellbar – aber wohl schlicht ein Kompromiss aus Sozialismus und Liberalismus. Wie dieser Kompromiss aussieht, das ist noch einmal eine andere Frage.

    Vorschläge:

    Variante Erhardt: Dieser hielt das Modell der sozialen Marktwirtschaft für eine Form eines „sozialistischen Liberalismus“. Echt wahr – und von Herzen kam sein: „Wohlstand für alle“. Man könnte sagen: Das wäre der Versuch, eine teil-sozialistische, teils egalitäre Ordnung zu errichten, mit den Mitteln des Liberalismus.

    Variante Chavez: Hier geht es – das wird manchmal verkannt – durchaus auch um das Thema Freiheit, vor allem um die Freiheit und den Wohlstand von Unterprivilegierten. Tja, und durchgesetzt werden sollen diese Werte mit sozialistischen Mitteln.

    Variante Linksliberalismus 2.0: Ausgeprägte Orientierung auf Bürgerrechte und Bürgerfreiheiten, Vermeidung eines bürokratisierten aufgeblähten Staates bei gleichzeitiger Orientierung der Politik auf die Belange von Normalbürgern und Unterprivilegierten.

    Variante Sozialdemokratie: Das ist im Grunde genommen – und seit nunmehr über hundert Jahren – eine Variante eines „sozialistischen Liberalismus“, ähem, und zugleich ein Beispiel für die Widersprüche und Spannungen, die ein derartiges Ansinnen haben kann.

    Liebes Spreeblick-Team: Und nächste Woche fragen wir uns, was ein „Moderner Konservatismus“ wohl für ein Getier sein könnte. Dazu laden wir uns die Büroleiterin von Frau Merkel ins Büro und lassen sie solange reden, bis uns die Antwort überzeugt.

    Moral von der Geschichte: Wortkombinationen politischer Begriffe können schon toll sein. Und zugleich wenig aussagekräftig.

    The devil is in the details.

  35. 35
    Tired

    [Edit: wegen Homophobie gelöscht.]

  36. 36
    Kalolo

    Dieses „Gericht“, welches im Artikel und in den Kommentaren hier als „Verfassungsgericht“ bezeichnet wird, ist ein _Wahlgericht_. Dort sitzen keine Verfassungsrichter, die die Verfassung hüten. Dieses Wahlgericht wird von der Oppositon kontrolliert und die „Richter“ dort werden von diesen Parteien hineingewählt.

  37. 37
    Olaf

    Die Rückkehr zur verfassungsmäßigen Ordnung ist nicht geschehen. Das mache ich jetzt mal nicht an der Einschränkung von Pressefreiheit, Ausgangssperren und toten Demonstranten fest. Sondern schlichtweg daran, dass vom Parlament ein „Präsident“ eingesetzt wurde, der garnicht vom Parlament gewählt wird, sondern in einer Volksabstimmung.
    Die verfassungsmäßige Ordnung bleibt unter Micheletti also dauerhaft verletzt.

  38. 38
    Friesenfunke

    Einen ausführlichen Artikel zur Rolle der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung findet man unter: http://www.derfunke.de/content/view/795/75/

  39. 39
    WasSollDas

    „Erstens waren es keinesfalls Gericht und Parlament, die Zelaya außer Landes brachten, sondern das Militär.“

    Gericht und Parlament haben es angeordnet. Natürlich haben nicht die Richter persönlich den Präsidentensitz getrürmt. Natürlich werden Urteile nicht von den Richtern persönlich vollstreckt. Was ist ist das für ein absurde Versuch, die Tatsachen zu leugnen.

  40. 40
    WasSollDas

    „Erstens waren es keinesfalls Gericht und Parlament, die Zelaya außer Landes brachten, sondern das Militär.“

    Gericht und Parlament haben es angeordnet. Natürlich haben nicht die Richter persönlich den Präsidentensitz gestürmt. Natürlich werden Urteile nicht von den Richtern persönlich vollstreckt. Was ist ist das für ein absurde Versuch, die Tatsachen zu leugnen.