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Bundesliga 31

Tränen liegen schwer im Trend gerade: Stanilawski tropfte ein wenig Wasser über seine Lachfalten, Dede kullerten ein paar Tropfen aus den Augen, als er sich von den Fans verabschiedete, und Manuel Neuer verschluckte sich während seiner Abschiedspressekonferenz an seinen Emotionen. Es wurde die letzten Tage mehr Sekret geflossen als in einer herkömmlichen DSDS-Folge.

Welchen evolutionären Sinn Weinen hat, darüber sind sich Biologen noch nicht einig geworden: jedenfalls soll es ein zutiefst menschliches Phänomen sein. Niemand außer dem Homo sapiens weint emotional bedingt. Warum, weiß keiner, denn Tränen können keiner bestimmten Emotion zugeordnet werden. Ob Manuel Neuer sich aus Trauer, Schmerz oder Ärger über die teils heftigen Reaktionen der Fans verschluckte, weiß man nicht und kann man nicht wissen.

Dass überhaupt Männer öffentlich weinen dürfen, ohne mit Spott und Häme überschüttet zu werden, gilt vielen bereits als hoffnungsvoller Hinweis darauf, dass die starren Geschlechterrollen immer mehr aufweichen. Wenn es Männern erlaubt ist, öffentlich auch Gefühle der Trauer und des Schmerzes zu zeigen, ist das ein erster Schritt zu einem empathischeren Männerbild.

Das ist sehr optimistisch. Tatsächlich haben weder Dede, Stanislawski noch Neuer tatsächlich geweint. Sie haben nur Tränen zerdrückt. Wirkliches Weinen werden wir erst dann sehen, wenn die Absteiger feststehen und sich völlig erschöpfte Spieler von Krämpfen geschüttelt auf dem Rasen wälzen. Dede, Stanislawski und Neuer, das war fernsehkonform. Nach Vingerhoets ist Weinen „meant to be heard and tears are designed to be seen.“ Was wir bei den drei genannten tatsächlich gesehen haben, ist ein Ringen um Fassung, also eine Unterdrückung der Emotion.

Man hat daraus oft geschlossen, dass Weinen manipulativ sei und nach Heuchelei schmecke: als ob Oliver Bierhoff, als er während einer Pressekonferenz über Robert Enke zu tränen begann, sich das vorher als angemessene Reaktion überlegt hätte. Aber es ist nicht der Weinende, der hier manipuliert: es ist das Fernsehen.

Das gute Weinen im Fernsehen funktioniert so: authentisch, spontan, aber nicht überraschend und vor allem nicht grenzüberschreitend. Das Fernseh-Weinen darf kein Hilferuf sein, man darf sich nicht in Tränen auflösen, es hat distanziert zu sein, damit es sympathisch wirkt. Man zeigt lieber das Unterdrücken von Weinen als den Tränenausbruch selbst: da findet das Fernsehen als große Zivilisierugsmaschine wieder ganz zu sich.

Rührend, aber nicht traurig: das ist die perfekte Mischung. Und das ist das Lustige, Irrwitzige an diesen Medium: es behauptet fortwährend, ganz nah dran zu sein an den Gefühlen, während es sie fortwährend gefällig schleift.

Mirko Vucinic kanns nicht.

(Vorgestern gelernt, dass es in den meisten Sprachen keine Entsprechung zum Deutschen „Schadenfreude“ gibt. Konnte ich anfangs fast nicht glauben.)

In Tadschikistan soll Parvis Tursonov nicht mehr spielen dürfen. Grund: er trägt einen Bart.

3 Kommentare

  1. 01
    Simon

    Tja, mit Gekas gegen Bremen oder Bayern hätte man so ein Video auch ganz gut machen können…

  2. 02

    Danke Fred für den Artikel. ;-)

    Bei ‚Sekret‘ reagiert mein Kopf anders als mein Körper.
    Ausscheidungen, das bietet sich an, werden nicht auf
    dem Feld, sondern sehr privat abgearbeitet.
    Um Calli zu zitieren, der sowas niemals gesagt hätte.

  3. 03

    Interessant: Man erwartet einen lustigen, flapsigen Spieltagspost wie sonst so oft und findet einen nachdenklichen Eintrag, der sich mit der Männerrolle in der Gesellschaft und Emotionen im Fernsehen befasst. Dafür ein Flattr.