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Welches Chaos?

„Athen versank im Chaos“, schreibt die FAZ, und auch der Berliner Tagesspiegel nennt die Protestierenden in Griechenland „Chaoten“.

Diejenigen, welche eine Stadt in Brand setzen, einfach nur „Demonstranten“ zu nennen, wäre wahrscheinlich auch etwas untertrieben, und sicher sind brennende Cafés kein Aufenthaltsort für einen gemütlichen Touristen-Nachmittag. Doch wenn das, was gerade auf Athens Straßen passiert, nun das Chaos ist:

Was bitte ist dann das, was die Unruhen ausgelöst hat? Wie nennt man es, wenn Regierungen ihr Land in den Ruin wirtschaften und das Volk dafür bezahlen lassen? Wie nennt man Massenentlassungen, Steuererhöhungen und Mindestlohnkürzungen? Wie nennt man die nächsten Krisentreffen zum neuen Schulden-Desaster, wie nennt man das anscheinend endlose Hin- und Herschieben von Milliardensummen, welches Staatsinsolvenzen offenbar kaum verhindern kann? Wie nennt man es, wenn das Finanzsystem und der Spekulationswahnsinn vor dem Kollaps stehen?

Politik?

Ha.

Das Chaos wütet nicht nur auf den Straßen von Athen, sondern auch in den Sälen von Straßburg, Brüssel, Paris, Berlin.

39 Kommentare

  1. 01

    Gut gebrüllt, Löwe. Danke! :)

  2. 02
    realschmendrik

    wow. toll formuliert. finde ich auch alles gut und richtig… hat mich aber gerade ne runde depressiv gemacht. :(

  3. 03

    Mensch Johnny, du hast es immer noch nicht kapiert. Das nennt man: alternativlos.

  4. 04

    Ich finde das BVerfG lässt die Leine für unsere Regierung ziemlich locker. So wie unser Grundgesetz mittels des nationalen Zustimmungsgesetzes untergraben und neuerdings sogar ausgehöhlt wird, ist es meiner Ansicht nach nur eine Frage der Zeit, bis wir ähnliche Zustände in unseren Straßen haben. Das BVerfG hat bereits im Hinblick auf Finanzhilfen erste Grenzen angedeutet. Dahingehend bleibt noch Hoffnung auf den großen Riegel, den das BVerfG unserer Regierung endlich vorschieben muss. Bezüglich unserer Grundrechte sehe ich auf lange Sicht einfach Schwarz. Das BVerfG hat mit den Urteilen Solange I meiner Meinung nach die einzig vernünftigen Grenzen festgelegt. Nämlich die Überprüfung deS EU-Rechts an DEUTSCHEN Grundrechten auf ihre Rechtmäßigkeit. Mit Solange II wurde dann plötzlich ein bestehen eines adäquaten Grundrechts auf europäischer Ebene festgestellt. Da frage ich mich, wie beknackt man nur sein kann. Damals hat es gar keine festgeschriebenen Grundrechte im Europarecht gegeben. Es wurde also nur vermutet, dass die Rechtsprechung des EuGH in eine Richtung geht, die mit den deutschen Grundrechten vereinbar sei. Mit dem Maastricht-Urteil wurde die Sache auch noch besiegelt. Auf der einen Seite behält sich das BVerfG das Recht vor, grundsätzlich einen Grundrechtsschutz zu gewähren und auf der anderen Seite sagt es, dass der EuGH in allen Einzelfällen für eine Gewährleistung der Grundrechte zuständig sei und erhöht damit auch noch die Hürden für den deutschen Bürger, sich gegen EU-Recht zu wehren. Das ist doch faktisch unmöglich geworden, eine Verfassungsbeschwerde gegen diesen „Grundrechtsraub“ durchzubringen. In den letzten Jahren wahren Professoren, die seit Jahrzehnten nichts anderes tun als sich mit EG/EU-Recht zu beschäftigen, an der Formulierung von Verfassungsbeschwerden hauptsächlich beteiligt. Nichtmal die schafften es, gegen die hohen Hürden anzukommen. Wie soll das noch der „normale“ Bürger? Der Bürger der für dieses „Chaos“ zahlen muss.

    Ich bin keiner der bei Demos direkt das Pflaster aufbricht, dennoch kann ich es gut nachvollziehen, dass ein Volk sich irgendwann nur noch so ausdrücken kann bzw. ausdrücken will. Wir haben mit der EU nicht schlechthin ein Monster geschaffen. Wir brauchen halt nur eine Regierung, die verantwortungsvoll mit dem Thema EU und dem damit verbundenen Abtretungen von Hoheitsrechten umgehen kann. Von diesen vermeintlichen „Chaoten“ in Athen und unseren Regierungsvertretern unterscheidet sich nicht viel. Unsere „Chaoten“ tragen ebend bei ihrem Schlachtzug einen Anzug. Von Steuergeldern bezahlt, versteht sich. Der Legitimationskette, die EU-Recht und Wähler miteinander verbinden soll, fehlen einige Glieder. Ich sehe hier nicht dieses „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus“.

  5. 05
    FriedrichWSchelling

    So brave.

  6. 06

    Nö, das nennt mant „Big Governemnt“.

  7. 07
    Elblette

    Wenn mir diese Maßnahmen zugemutet werden (Kürzung aller Gehälter, Privatisierung des Staatsbesitzes) dann hätte ich für die Steineschmeißer mindestens Verständnis. Nichts davon scheint irgendwie auf kurze oder lange Sicht sinnvoll. Ein interessantes Interview in diesem Zusammenhang:
    http://www.brandeins.de/magazin/gut-boese/das-land-retten-nicht-die-glaeubiger.html

  8. 08
    S. Schwarzmeister

    m(

  9. 09

    Ich habe von ein paar Jahren mal „Die Schock-Strategie“ von Naomi Klein gelesen und schon das erste mal, wo die „Schuldenkrise“ aufgeploppt ist, war mir klar, was folgen würde. Und so wars dann auch: Lohnverzicht, Einsparungen im Sozialbereich, verscherbeln des Tafelsilbers weit unter Wert unter dem Deckmäntelchen der „Privatisierung“ mit den üblichen Folgen.

    Erst Schock durch Krieg oder Katastrophe […] Während die Menschen noch gelähmt von der Katastrophe sind, werden sie einer weiteren, diesmal ökonomischen Schock-Behandlung nach den neo-liberalen Vorstellungen unterzogen. Existenzen werden durch den Ausverkauf an westliche Konzerne vernichtet, es herrscht Wild-West-Kapitalismus der reinsten Sorte.

  10. 10

    Danke Johnny Häusler. Erst schenktest du uns das spanische Manifest auf deutsch und hast damit zur Entstehung der EMPÖRTEN in Deutschland beigetragen, jetzt dieser tolle Artikel! Danke.

    EMPÖRT EUCH!

  11. 11

    Danke für dieses Statement, Johnny! Das Choas ist allerorten, nur die Brandstifter in den Finanzzentren läßt das kalt. Die Politik hat doch längst die Zügel der Regulation aus der Hand gegeben und hechelt einem Hund gleich dem Chaos des Raubtierkapitalismus hinterher. Der Bürger ist da nur noch nebensächlich und was bleibt ist die Ohnmacht und Wut!

    Der Musiker Maximnoise hat die sozialen Kontroversen in einem Song versucht darzustellen (nichtkommerzieller Link) –
    http://goodnewstoday.de/gute_nachrichten/2010/12/02/freundlichkeit-ist-keine-frage-des-geldes/

  12. 12
    daniel

    „Wie nennt man es, wenn Regierungen ihr Land in den Ruin wirtschaften und das Volk dafür bezahlen lassen? Wie nennt man Massenentlassungen, Steuererhöhungen und Mindestlohnkürzungen? Wie nennt man die nächsten Krisentreffen zum neuen Schulden-Desaster, wie nennt man das anscheinend endlose Hin- und Herschieben von Milliardensummen, welches Staatsinsolvenzen offenbar kaum verhindern kann?“

    Das nennt man: Wer von Politik und Staat die Lösung aller Probleme und die Versicherung aller Lebensrisiken verlangt, darf sich nicht wundern, daß der Staat sich hoffnungslos übernimmt und hernach Heulen und Zähneklappern verordnen muß.

    Oder, wie der kürzlich verstorbene Roland Baader bereits vor Jahren trefflich formulierte: „Was wir in den letzten Jahrzehnten im Kreditrausch vorausgefressen haben, werden wir in den nächsten Jahrzehnten nachhungern müssen. Es wird furchtbar werden.“

  13. 13

    @#800492: Klar, „das Volk“ sollte bei Steuersenkungen und bei Lohnerhöhungen, mit denen man es als Wähler ködert, lieber Einhalt fordern und ablehnen und fragen, ob wir uns das auch leisten können. Und wenn die Bank einen dieser Kredite vergibt, die man an jeder Ecke hinterher geschmissen bekommt, dann muss man auch ablehnen, schließlich weiß doch jeder, dass ein neuer Flatscreen nicht glücklich macht. Und auf keinen Fall sollte man erwarten, dass man am Ende seiner Arbeitszeit das jahrzehntelang eingezahlte Geld zurück bekommt oder dass die Krankenversicherung dazu da ist, dass man im Krankheitsfall nicht arm wird.

    Im Ernst: Dass der Sozialstaat, wie ihn die Älteren unter uns noch kennen, nicht mehr funktioniert, haben wohl alle verstanden. Was schlägst du vor?

  14. 14
    maddes

    @#800496: Ich glaube nicht, dass alle es verstanden haben – vor allem nicht in Griechenland.
    Da sind die Iren und Spanier irgendwie weiter…

  15. 15

    Allen, die gerne sehen wollen, was am Sonntag in Athen wirklich passiert ist, sei der Youtube-Channel von „athen12022012“ ans Herz gelegt. Dort kann man sehen, wie zehntausende Athener friedlich demonstrieren und zum Dank von der Polizei mit Tränengas eingenebelt werden:

    youtube.com/user/athen12022012

    PS: Feuer stellt übrigens eine wirkungsvolle Maßnahme gegen Tränengas dar. Wenn Häuser brennen, ist das eine Sauerei. Kleinere Feuer werden hingegen von den Athener Demonstranten angezündet, um sich gegen das Tränengas zu schützen.

    Fazit: Nicht alles, was uns derzeit als grundlose Randale verkauft wird, ist auch welche.

  16. 16
    Martin

    „Wie nennt man es, wenn Regierungen ihr Land in den Ruin wirtschaften und das Volk dafür bezahlen lassen?“

    @#800496: die Frage ist polemisch (ok, Überraschung ;-)), und einfach nur irreführend. Du machst Dir die „kleine Leute“ Argumentation zu eigen. „Die da oben haben sich in die Taschen gescheffelt, wir müssen jetzt zahlen“. Das stimmt aber einfach nicht; in Griechenland ist Steuerhinterziehung Volks- und Breitensport, das Rentenalter bei 55, und der Staat offensichtlich einfach nur zerrüttet.

    Es bekommt nicht unbedingt jedes Volk die Regierung, die es verdient, aber wenn über Jahrzehnte bekanntermaßen Misswirtschaft herrscht und trotzdem alles wie gewohnt weitergeht, kann man sich schon fragen, was die griechischen Wähler und Öffentlichkeit da verzapft haben.

    Von diesem System haben alle profitiert, auch die, die jetzt Steine schmeißen. Der Fingerzeig auf „die anderen“, die immer Schuld sind, hilft einfach nicht weiter.

    Problematisch finde ich, dass niemand auch nur versucht, Griechenland eine Perspektive aufzuzeigen, allerdings wäre auch das wieder ein Job der griechischen Regierung. Wie wäre es denn mit einem Programm à la 30% Sparen in bestimmten Bereichen, aber gleichzeitig in zukunftsträchtige Bereiche investieren?

  17. 17

    Chaos herrscht bei den politischen Entscheidern, glaube ich, nicht. Die schichten sehr geordnet Geld um.

  18. 18
    Kokus Nuss

    Und das umschichten des ganzen faulen Salates geschieht natürlich wie immer bei geschlossener Küchentür. So fand der European Banking Congress in Frankfurt am 18.11.11 statt, selbstredend ohne die Berichte in der Mainstreampresse zu bekommen die so ein Treffen verdient gehabt hätte. So sagte der Hr Schäuble zb dies http://www.youtube.com/watch?feature=player_embedded&v=2IRnDOtu1z8#!
    (Für die Quelle würde ich nicht meinen Kochlöffel für ins Feuer packen und es gibt an der Gruppe(?) genug zu kritisieren, in Ermangelung an Mitschnitten und wegen der Brisanz der Aussagen fällt mir jedoch keine Alternative ein. Jedoch spricht das Gesagte für sich.) Zumindest lässt sich daraus der oft bemühte braune Soßenvergleich der griechischen Presse in Bezug auf die doitsche Politik nur schwer überbacken.
    Und wer sich ein wenig mit den Lissabon u ESM-Vertrag auseinander setzt, schmeckt sowieso das da mit ganz ungesunden Dingen gekocht wird. Griechenland ist der Vorgeschmack. Bleibt mir nur zu sagen: Lasst den ekligen Fertigfras und bildet Kochgruppen.

    Guten Hunger

  19. 19
    philipp

    Ich nenn das Irrsinn.

    Die Griechen haben Bastiats Ausspruch, der Staat sei die große Fiktion, nach der sich jedermann bemüht, auf Kosten jedermanns zu leben, als Aufforderung verstanden, und ihren Staat als große Melkkuh behandelt. Jeder durfte mal ran. Die Kleinen ein bisschen weniger, die Großen ein bisschen mehr, aber jeder nach seinen Möglichkeiten. Und niemand hat was gesehen.

    So was wird normalerweise schnell umöglich, weil niemand mehr Geld leiht. Es sei denn man ist Mitglied in der Eurozone. Dann kann das etwas länger dauern. Die Rechnung ist umso größer, wenn sie schließlich kommt.

    Aber das ist nicht das Hauptproblem. Europa ist einfach kein einheitlicher Wirtschaftsraum, die einzelnen Länder sind in jedem relevanten Aspekt viel zu unterschiedlich, als das der Euro auf lange Zeit hätte funktionieren können.

    Die Südländer haben derzeit einen Produktivitätsdefizit von 30% zum Norden, und damit eine viel zu teure Währung. Um das auszugleichen gibt es nur zwei Wege. Entweder interne Abwertung, also Lohnkürzungen, um wieder wettbewerbsfähig zu werden.

    Das sehen wir gerade. Es wird Griechenland an den Rand einer Revolution bringen. Es säht Zwietracht in Europa, weil Diktat aus Brüssel und Berlin. Und es bleibt sehr fraglich, ob die griechische Krise dadurch zu bewältigen ist, die Wirtschaft also in absehbarer Zeit wieder anspringt.

    Oder, als zweite Möglichkeit, externe Abwertung der Währung, die aber wegen des Euros nicht möglich ist.

    Griechenland sollte aus dem Euro austrete. Die Idee Europa wird das überleben. Fraglich ist ob sie den Euro überlebt, wenn man weiter versucht ihn mit einem Brüsseler Spardiktator in Athen am Leben zu erhalten.

    Irrsinn, Irrsinn im Namen einer politischen Idee namens Euro, die durch die Wirklichkeit falsifiziert wurde, und droht die Idee Europa zu zerstören.

  20. 20
    Mister T

    @#800496: Die demokratische Idee ist, dass ein Volk seine Herrscher wählt. Sollte es über die nötige Kompetenz verfügen, diese zu beurteilen und sich zu leicht blenden lassen, muss man sich vielleicht einfach damit abfinden, dass das Volk keine Demokratie kann. Dann scheitert die aber nicht nur an „denen da oben“ sondern am Volk selbst. Gilt nicht nur für Griechenland – in der Regel ist es immer so, dass Regierungen für ihre Reformen bestraft werden (siehe Schröder), während Stillstand gerne immer wiedergewählt wird (siehe Kohl und 2013 dann Merkel). Vielleicht sind wir einfach als Kollektiv zu dumm, um nicht ausgenommen zu werden, und sollten uns daher besser daran gewöhnen.

  21. 21
    daniel

    @#800496: „Im Ernst: Dass der Sozialstaat, wie ihn die Älteren unter uns noch kennen, nicht mehr funktioniert, haben wohl alle verstanden. Was schlägst du vor?“

    Hm, natürlich habe ich keine Fingerschnipp-Lösung für das Sozialstaatsproblem. Aber immerhin bin ich – gemeinsam mit einer wachsenden Zahl meiner Zeitgenossen – bereit, die dramatische Entwicklung in Griechenland zum Anlaß zu nehmen, das alte Argument, wonach an der verfahrenen Situation lediglich eine mangelhafte bzw. in die falsche Richtung laufende Umverteilung schuld sei, hinter mir zu lassen. Wir können uns nicht mehr davor drücken, genauer hinzuschauen und unser gesamtes Gesellschaftssystem einer gründlichen Kritik zu unterziehen. Deine Einlassungen bleiben aber – wie so oft – in der platten Empört-Euch-Rhetorik stecken, die uns keinen Schritt weiterbringt.

    Was ich vorschlage? Eine Rückbesinnung auf die Idee von Freiheit, Verantwortung und Subsidiarität. Es geht ja die Mär, daß der böse Neoliberalismus schuld sei an beinahe allen Übeln dieser Welt. Aber nichts könnte falscher sein als dieses beliebte Vorurteil. Wie kann man Gesellschaften, die ihren öffentlichen Finanzbedarf trotz einer pervers hohen Staatsquote von plusminus 50% nicht annähernd decken können und deshalb jährlich steigende Schuldenbeträge aufnehmen müssen, ernsthaft als Opfer neoliberaler Ideen ansehen? Ich sage: Nichts brauchen wir dringender als ein auf Basis der vielgeschmähten liberalen Grundsätze erneuertes Gesellschaftsbild.

    Und wenn wir uns der Einsicht verschließen, daß die Zeit der Großen Verantwortungslosigkeit dem Ende entgegengeht, werden uns die ökonomischen Tatsachen schon eines besseren belehren. Auf diese Weise ist bereits meine alte Heimat DDR friedlich dahingeschieden :-).

  22. 22
    daniel

    @#800558: „Die demokratische Idee ist, dass ein Volk seine Herrscher wählt.“

    Das stimmt, ist aber nicht vollständig. Die alte (bei den Griechen kultivierte!) Demokratie-Idee enthielt einen wichtigen Aspekt, der heute gern vergessen wird: Demokratie läßt sich nicht beliebig skalieren und ist deshalb für die politische Willensbildung von Gesellschaften mit mehreren Millionen Menschen schlicht ungeeignet. Demokratie funktioniert nur dort, wo sie kleinräumig angelegt ist. Die alten Griechen wußten, daß die Polis, also das Gemeinwesen, in dessen Grenzen politische Entscheidungen getroffen werden, nicht größer sein darf, als das vom Versammlungshügel zu überblickende Gebiet. Mal abgesehen davon, daß sich diese Forderung nicht unter allen geografischen Bedingungen umsetzen läßt, sollte doch klar sein, worauf sie zielt: Politik sollte nur das entscheiden, was sie überblickt, versteht und im Ernstfall verantworten kann.

    Wir haben uns jedoch ein System geschaffen, das man als eine große Verantwortungsvernichtungsmaschine beschreiben kann. Wähler entledigen sich ihrer individuellen Verantwortung, indem sie von Zeit zu Zeit ein Kreuz malen. Politiker ihrerseits verweisen auf den Wählerwillen, sobald ihre verantwortungslose Politik unerwünschte Effekte zeitigt. Und als ob der auf Ebene großer Nationalstaaten zu besichtigende Verantwortungsschwund nicht schon genug wäre, geht die Tendenz zu immer größeren, mittlerweile supranationalen, politischen Institutionen, in denen die Idee von individueller Verantwortung noch nie gehört wurde.

    Mehr zum antiken Demokratieverständnis findest Du hier:
    http://wertewirtschaft.org/analysen/Demokratie.pdf

  23. 23

    Hm, viel Input (Danke!) und natürlich sehe ich die Sache im Detail nicht ganz so polemisch wie oben beschrieben, dennoch macht es mich immer wieder wütend, wenn ich den Eindruck bekomme, dass die Zahlung der Rechnung ungerecht verteilt wird – und diesen Eindruck habe ich.

    Mag sein, @#800559, dass dein Vorschlag funktionieren könnte (er ist ja wie viele andere Ideen auch nicht ganz Utopie-frei), gleichermaßen wäre aber eine Besinnung auf (Achtung, Shitstorm-tauglicher Begriff!) sozialistische Werte denkbar. Braucht irgend jemand wirklich 38 verschiedene Zahnpasta-Marken und kann ein „Markt“, der das Streben nach Gewinnmaximierung eingebaut hat, wirklich soziale Fragen beantworten?

    Es sind am Ende immer die Menschen, egal ob in der Wirtschaft oder im Privaten, die das gerechte Zusammenleben zwar wollen, aber es auch gleichzeitig erschweren, eine Gesellschaft besteht ja nicht aus fremden Maschinen, die uns Vorschriften machen. Der Finanzmarkt jedoch ist dicht an einer solchen Maschine dran, finde ich.

    Ein „fairer Kapitalismus“ wäre vermutlich ebenso okay wie ein „individueller Sozialismus“ oder wie immer man diese Mischformen nennen mag. Aber sind sie möglich ohne Einmischung eines Staates, ohne Reglementierung, und kann man einzelne Habgier tatsächlich völlig vermeiden, kann man weitgehendes „Handeln im Sinne der Allgemeinheit“ voraussetzen, oder muss man es erzwingen?

  24. 24

    @#800568: ich glaube die Debatte Sozialismus vs Kapitalismus oder über Gesellschaftssysteme geht am Problem vorbei. Auch sozialistische Gesellschaften können über ihre Verhältnisse leben und sich ruinieren (-> DDR).

    Egal welches System, Griechenland hat einfach extrem schlecht gewirtschaftet, das wäre auch im Sozialismus an die Wand gegangen. Die eigentliche Frage ist warum es dazu kommen konnte, das ein ganzes Land den Staat nur noch als Selbstbedienungstheke gesehen hat, und wie man es wieder hingebogen bekommt.

  25. 25
    philipp

    @Johnny

    „Braucht irgend jemand wirklich 38 verschiedene Zahnpasta-Marken …“

    Die 38 Marken wären nicht da, wenn sie niemand kaufen würde. Der Markt, das sind wir alle. Wir stimmen über diese Frage jedes Mal mit unserem Geldbeutel ab, wenn wir eine Tube kaufen. Und wer weiß besser als du was du brauchst, und was nicht?
    Würdest du wirklich gern in einem Land leben, in dem irgendein Bürokrat oder Politiker darüber entscheidet was du brauchst und was unnötig ist?

  26. 26
    daniel

    @#800568: Jetzt beginnst Du, beinahe richtige Fragen zu stellen, schön.

    „Braucht irgend jemand wirklich 38 verschiedene Zahnpasta-Marken“

    Nein, jemand braucht sie nicht. Aber die Gesellschaft besteht aus vielen Jemanden, und deshalb könnten 38 Zahnpasta-Sorten sogar knapp bemessen sein, wenn es darum geht, alle individuellen Bedürfnisse möglichst gut zu befriedigen. Wichtig ist aber vor allem, die sozialistische Alternative zu bedenken: Wer soll entscheiden, wie viele Zahnpasta-Sorten es geben darf? Wer darf bestimmen, daß Elmex nicht unter den drei verbleibenden Sorten ist? Und wer legt fest, welche Unternehmer berechtigt sind, die gemeinwohldienlichen Sorten herzustellen? Merkst Du, daß Deine Fragestellung schon mit einem Bein im Totalitarismus steht?

    „kann ein “Markt”, der das Streben nach Gewinnmaximierung eingebaut hat, wirklich soziale Fragen beantworten?“

    Kommt darauf an, ob man sich den „Markt“ als eine Verschwörung finsterer Gesellen vorstellt, die sich die Marktkräfte zunutze machen, um immer nur ihre eigenen Taschen zu füllen, oder ob man den Markt schlicht als die Summe der (Tausch-)Handlungen aller Menschen einer Gesellschaft betrachtet. Faszinierend an freiwilligen(!) Tauschhandlungen ist ja, daß beide Tauschpartner durch ihren Handel bessergestellt werden. So gesehen beantwortet der wirklich freie Markt viele drängende soziale Probleme ganz von selbst. Ich sage nicht, daß die Marktkräfte in der Lage sind, ein irdisches Paradies zu erschaffen, aber wir müssen ja immerhin zur Kenntnis nehmen, daß unser gegenwärtiges Wirtschaftssystem nur noch am Rande einem freien Markt gleicht, da es von einem undurchdringbaren Dschungel an Subventionen, Konjunkturmaßnahmen, Preisfestsetzungen, Regulierungen und Marktzugangsbeschränkungen überlagert wird, der ein freies und verantwortliches Agieren sowohl der Unternehmer als auch der Konsumenten kaum mehr ermöglicht. Gekrönt werden all diese an sich schon bedauerlichen Marktbehinderungen durch ein grundlegend krankes Geldsystem, in welchem Geld nicht mehr Gegenwert eines konkreten Gutes ist, sondern eine quasi beliebig manipulierbare Größe darstellt, die zum Gefallen der meisten Menschen (und aller Staaten/Regierungen) Anleihen an der Zukunft nehmen kann und uns bereits heute die Lebensarbeitsleistung meiner Kinder verfrühstücken läßt.

    „Es sind am Ende immer die Menschen, egal ob in der Wirtschaft oder im Privaten, die das gerechte Zusammenleben zwar wollen, aber es auch gleichzeitig erschweren“

    Richtig. Und diese Erschwernis wird umso ausgeprägter, je deutlicher sich der Einzelne von seiner Verantwortung verabschiedet und diese an Staat und Gemeinwesen abtritt.

    “individueller Sozialismus”

    Hm, der Sozialismus ist eine im Kern kollektivistische Idee und wird niemals die Rechte und Bedürfnisse von Individuen ausreichend berücksichtigen können, selbst wenn Du Dir das aufrichtig wünschst, was ich gern glaube. Denn wie Du richtigerweise fragst:

    „kann man weitgehendes “Handeln im Sinne der Allgemeinheit” voraussetzen, oder muss man es erzwingen?“

    Wie oben beschrieben, scheitert Dein hehres Unterfangen bereits an der Zahnpastafrage. Wir sind schon angesichts einer solch banalen Angelegenheit nicht in der Lage, das Allgemeinwohl zu definieren (wie viele Sorten, und welche?). Also sollten wir uns dieses Versuch erst recht enthalten, wenn es um wichtigere Probleme geht. Alles andere führt immer direkt in die Tyrannei. Etwas mehr Vertrauen in die Summer der Entscheidungen freier Individuen erscheint mir wesentlich ungefährlicher als die sanfteste Diktatur von Weltverbesserern.

  27. 27

    @#800568: @#800574:

    Braucht jemand 38 Brotsorten? Braucht jemand 38 Biermarken? Braucht jemand 38 unterschiedliche Computerspiele?

    Diese (rhetorische) Frage kann man endlos weiterspinnen. Ich glaube nicht dass eine Diskussion darueber viel Klaerung bringen wird.

  28. 28
    Edgar allan poe

    Hallo
    zuerst einmal an alle die meinen sie wüssten wie faul,korrupt, etc. die Griechen (die Portugiesen,Italiener usw.)sind. Hier handelt es sich um nicht belegbare Vorurteile von Bild etc. Ebenfalls folgt aus der Tatsache,dass jemand korrupte Griechen kennt nicht das alle Griechen korrupt sind (sonst müssten alle Berliner regelmässig Bordelle besuchen). Statt Vorurteile mehr Hirn und Fakten wäre super

  29. 29

    @#800638: es geht nicht um platte Vorurteile über Faulheit o.ä., es geht um systematische, und nachweisbare, Probleme in der griechischen Gesellschaft. Der Anteil der Schattenwirtschaft wird auf 25% geschätzt, bei Näherem Nachsehen stellt sich heraus, das es ganze erfundene Behörden gibt, deren Mitarbeiter Gehälter beziehen.

    Das ist wohl eher die eigentliche Ursache der griechischen Finanzkrise, eine jahrzehtenlange unverantwortliche Ausbeutung des Staates.

    Siehe zB:
    http://de.wikipedia.org/wiki/Griechische_Finanzkrise#Bek.C3.A4mpfung_der_Korruption_und_Schattenwirtschaft
    http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/griechenland-herkules-versus-verwaltung-1.975855

  30. 30
    toha

    Aha, vor allem @ daniel, aber auch Martin

    Kann mir dann jemand erklären, was Lohnsenkungen und Privatisierung mit z.B. – weiß ich nicht so genau, von mir aus – notwendigen Reformen beim Eintreiben von Steuern zu tun haben?
    Privatisierung ist in Berlin ja zuletzt immer toll gelaufen: S-Bahn, Berliner Wasser… parallelerweise ist Berlin auch hochverschuldet. Was natürlich an den faulen, konsumgeilen und steuerrückständigen Berlinern lag und nicht u.a. an einer mit Immobilien spekulierenden Bank. Und Steuerreformen sahen in letzter Zeit in Deutschland auch eher Entlastungen vor. Besonders für denjenigen Teil der Bevölkerung der in seiner persönlichen Freiheitsliebe gerne FDP (ge-)wählt (hat) und selten am Hungertuch nagt.
    Ohne Beantwortung dieser Frage finde ich eine Diskussion über die Wut der Griechen und ihre Gründe eine Frechheit den Griechen gegenüber.

    Ich werf abschließend noch (Welt-)Finanzkrise statt Schuldenkrise als Ursache ein. Abgesehen davon braucht es mehr „sanfte“ Weltverbesserer und weniger „liberale“ Egoisten, in Griechenland und in Deutschland!

  31. 31
    Martin

    @#800673: Lohnsenkungen dienen dazu, das Gehaltsniveau an die tatsächlichen Wirtschaftsleistung anzupassen, Privatisierungen sind eine Notation um einen Staat kurz vor der Pleite zwischenzufinanzieren.

    Noch Fragen? Ansonsten werfe ich abschließend noch ein dreifache Hallali ein.

  32. 32
    nef

    „Ha.
    Das Chaos wütet nicht nur auf den Straßen von Athen, sondern auch in den Sälen von Straßburg, Brüssel, Paris, Berlin.“

    Und um den Kreis vollständig zu schließen, stellt sich die Frage, ob man bei der Saalbrut auch von Chaoten sprechen darf.
    Oder wie nennt man die sog. Repräsentanten derer, die „Chaoten“ genannt werden?

  33. 33
    inathen

    Schon interessant wie Leute wie „philipp“ Absolutismen absondern können und als Informationsgrundlage doch nur die zensurgesteuerte Propagandasuppe der deutschen Presse haben. „Jeder durfte mal ran.“ Ach wirklich? Woher will er das denn wissen? Es stand in der Zeitung, also muss es ja wohl war sein? „Das weiss man doch“?

    Jede Demonstration hier in Athen gibt mir Hoffnung – und das geht vielen anderen Menschen hier genauso. Das sollte auch den Deutschen genauso gehen, denn wir gehen auch für die Deutschen auf die Strasse. Die wichtigsten Forderungen der Menschen sind die Direkte Demokratie, die rechtliche Verfolgung der korrupten Politiker, die rechtliche Untersuchung der Verursachung der Schulden… und dann natürlich dass nicht die ärmsten und schwächsten die Krise bezahlen sollen. Wann hat denn über diese Forderungen schon mal was in der deutschen Presse gestanden?

    Die FAZ setzt Übertitel wie „Griechenland-Hilfe“, aber in Wirklichkeit geht es nur darum, dass Banken und Finanz-Spekulanten jetzt noch so viel wie möglich abzocken können bevor man das Land verbrennen lässt. Wie wäre es mit „Hilfe für die Deutsche Exportwirtschaft“? Soll doch Siemens die mit Bestechung erwirtschafteten Milliarden zurückgeben. Oder: „Hilfe für die Kredithaie, die sich an Risikozinsen dumm und dämlich verdienten“ und die jetzt gerne das Risiko auf andere abschieben wollen? Aber die Deutschen essen brav ihre Propagandasuppe und beten alles nach. Jeder darf mal ran und die anderen als „faul“ bezeichnen.

  34. 34
    toha

    @ Martin
    Zu Lohn und Wirtschaftsleistung: Das kann man drehen wie man will, z.B um in ein paar Jahren wieder Arbeitnehmer aus Griechenland gegen jene in Deutschland auszuspielen, „Haltet euch bei den Tarifverhandlungen zurück, in Griechenland können wir viel günstiger produzieren“? Oder es zieht die südländische Arbeitskraft in hiesige Landen. Gelockt durch den großen Gehaltsunterschied. Als Marktteilnehmer kennt natürlich jeder seinen Wert. Und ein Teil der deutschen Presse/Politik warnt dann ganz überrascht wieder vor Wirtschaftsflüchtlingen.

    Meine Vorstellung einer europäischen Gemeinschaft ist das halt nicht.

    P.S. Privatisierung als „Zwischenlösung“, also z.B. Hafengesellschaften zu einer Zeit verkaufen, wo sie aufgrund des grad dort boomenden Handels besonders viel einbringen? Und nach dem Zwischen, verstaatlichen?

  35. 35
    Martin

    @#800739: Eigentlich sollte es ganz einfach sein ™. Gehälter hängen von der Produktivität des Arbeiters ab, minus dem Anteil, den der Besitzer der Firma gerne als Rendite sehen würde. Da sieht’s in Griechenland momentan nicht gut aus, und es liegt nicht an überzogenen Renditevorstellungen. Schlagartig die Produktivität steigern wird schwierig, also bleibt kurzfristig nur weniger Gehalt.

    Das finde ich übrigens auch nicht weiter schlimm, eine europäische Gemeinschaft könnte auch so funktionieren, dass man bei einander gegenseitig abguckt, wie man Arbeit, Gesellschaft, Schulen, Sozialwesen etc. besser organisiert, um mehr rauszuholen, für Arbeiter/Angestellte wie auch für Unternehmenseigner. Wirtschaft ist ja kein Nullsummenspiel.

    Zwischenlösung – angenommen die Käufer sind einigermaßen klug wird das wohl so einfach nichts.

  36. 36
    toha

    @martin: danke für den schnellen BWL-Grundkurs. Aber die Produktiviät des griechischen Arbeiters hat sich seit 2009 doch gar nicht tatsächlich gesenkt.
    Und VWL-mäßig z.B. im Außenhandel ist Wirtschaft natürlich ein Nullsummenspiel: Des Einen Außenhandelsüberschusses (Deutschland, Niederlande etc.) ist das Defizit eines Anderen (Griechenland u.a.). Nun ist der Export Griechenlands 2010 wohl schon gestiegen, d.h. führen Maßnahmen wie Lohnsenkungen letztendlich zu einer Abwärtspirale innerhalb der EU! Bloß darauf wollt ich hinweisen.

  37. 37
    max

    also was das senen des mindestlohns, wofür sich nicht mal die griechischen arbeitgeber ausgesprochen haben (die haben dem laut deutsclandfunk sogar explizit widersprochen), mit einer verbesserung der griechischen wirtschaftsverhältnisse zu tun hat, will mir einfach nicht einleuchten. wenn man die staatsbedienstetengehälter kürzt, um staatsausgaben zu sparen, versteht jeder noch den zusammenhang. wenn die privaten gehälter von staats wegen gesenkt werden, dann frage ich mich, warum die wunderbare hand des (arbeits)marktes hier plötzlich keinen wert mehr haben soll.
    im übrigen: toha hat alles wichtige und richtige dazu bereits gesagt.

  38. 38
    philipp

    @inathen

    Schon interessant wie Leute wie “philipp” Absolutismen absondern können und als Informationsgrundlage doch nur die zensurgesteuerte Propagandasuppe der deutschen Presse haben. “Jeder durfte mal ran.” Ach wirklich? Woher will er das denn wissen? Es stand in der Zeitung, also muss es ja wohl war sein? “Das weiss man doch”?

    Ich les noch ein bischen mehr als die deutsche Presse. Und wenn jemand bei der deutschen Presse von Zensur anfängt, schwant mir Böses. Pass auf mit den „Absolutismen“.

    Jede Demonstration hier in Athen gibt mir Hoffnung – und das geht vielen anderen Menschen hier genauso. Das sollte auch den Deutschen genauso gehen, denn wir gehen auch für die Deutschen auf die Strasse. Die wichtigsten Forderungen der Menschen sind die Direkte Demokratie, die rechtliche Verfolgung der korrupten Politiker, die rechtliche Untersuchung der Verursachung der Schulden… und dann natürlich dass nicht die ärmsten und schwächsten die Krise bezahlen sollen. Wann hat denn über diese Forderungen schon mal was in der deutschen Presse gestanden?

    Das glaubst du wirklich? Die bösen korrupten Politiker haben all diese Schulden gemacht und das unschuldige, ahnungslose Volk ins Unglück gestützt. Und niemand hat was mitbekommen?

    Niemand hat mitbekommen, selbst die Gewerkschaften nicht, dass sich die Lohnkosten im öffentlichen Sektor in den zwölf Jahren vor der Krise verdoppelt haben? Niemand hat mitbekommen, dass Jobs im öffentlichen Dienst vor der Krise durchschnittlich dreimal so viel einbrachten wie vergleichbare Jobs im privaten Sektor. Niemand hat mitbekommen, dass z.B. ein durchschnittlicher Angestellter bei der Bahn 65000 Euro im Jahr verdient hat. Die Bahn allein 400 Mio Euro an Lohnkosten zahlen musste, aber nur 100 Mio im Jahr einnahm?
    Niemand hat mitbekommen, dass das griechische Schulsystem zwar mit die schlechtesten Noten in Europa bekommt, aber viermal so viele Lehrer beschäftigte wie die Nummer eins, das finnische?
    Und das alle mit einer vollkommen dysfunktionalen Steuerbehörde.

    Ich kann deine Empörung ja verstehen. Was derzeit mit Griechenland gemacht wird ist ein Skandal. Es ist ein Jammer mit anzuschauen, wie das Land kaputtgespart wird, ohne eine reale Chance zu haben, dass die Wirtschaft wieder anspringt, weil man im Korsett des Euros bleiben muss.
    Und es ist unglaublich, wenn sich deutsche Politiker anmassen, den Griechen zu sagen, wann und wie sie die Regierung ihres Landes zu wählen haben.

    Es ist aber einfach auch so, dass Griechenland vor der Krise massiv über seine Verhältnisse gelebt hat. Das hat nichts mit Propaganda zu tun, sondern ist schlicht Fakt. 160% Schulden zum BIP kriegt man nicht durch ein paar korrupte Politiker. Da müssen schon ein paar mehr mitmachen.