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Unser Netzgemüse-Rant, vorgetragen auf der re:publica 2013

Die Zukunft gehört der Jugend?

In einem Land, das Klopapier mit Blüten bedruckt,
es „Danke“ und „Happy End“ nennt,
schließen wir Jugendheime,
bauen eingezäunte und Kamera-überwachte Spielplätze,
Kamera-überwachte Schulen
kümmern uns um gerade Zähne, damit alle gleich aussehen.

Und wir empfehlen werdenden Müttern
die Einnahme einer unscheinbaren Pille,
wenn die pränatale Untersuchung meint,
dass das Ungeborene eventuell nicht der aktuellen gesellschaftlichen Norm entsprechen könnte.

Bedenken Sie die familiäre Belastung, mit einem behinderten Kind,
ihr Leben wird nicht mehr sein, was es war.

Und wenn wir sie nicht wegmachen lassen,
dann lassen wir den Staat unsere Kinder
ganztags betreuen,
was wir ganztags bereuen.

Statt darauf zu bestehen,
mehr Zeit für unsere Kinder haben zu können,
akzeptieren wir die Tatsache,
dass ein Gehalt nicht ausreicht,
um eine Familie zu ernähren,
und schicken die, die wir zu uns eingeladen haben,
gleich wieder fort.

Früherziehung heißt das.
Von Profis.
Nicht von Eltern.
Staatliches Sorgerecht.

100 Jahre Schulsystem können sich nicht irren,
100 Jahre Schulsystem voller Irren,
das Kind ist unruhig, kann der nicht mal still sitzen?
Zur Strafe muss er still sitzen,
Und schließlich sitzenbleiben.

Eine Therapie würde ihm sicher gut tun,
wir haben auch sehr gute Erfahrungen mit Ritalin gemacht.

Vor allem aber:
Haltet eure Kinder von Monitoren fern!
Sie verderben die Jugend und machen aus ihr
gewaltbereite, adipöse Erwachsene.
Für ersteres gibt es keinen einzigen Beleg.
Für letzteres schon eher.
Nur:
Wo verbringen denn unsere Kinder die meiste Zeit bewegungslos sitzend?

Genau:
In der Schule.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts überlegte man noch,
den kindlichen Bewegungsdrang zu respektieren.
Man baute beturnbare Schulmöbel,
deren Sitzflächen flexibel schaukelnd und wie die ergonomisch angeschrägten Tische höhenverstellbar waren.

Über hundert Jahre später sitzen Kinder länger denn je
an einheitlichem Billigmobiliar
eine Bildungsreform nach der anderen ab.
Und wer unruhig ist,
bekommt Pausenhofverbot.

An dem Ort, an dem man für’s Leben lernt,
der kaum Zeit für’s Leben lässt,
erklärt der Ethiklehrer das Miteinander:
Liebe, Toleranz, Respekt.
Gerechtigkeit die Jahrgangskonferenz:
Eintrag, Tadel, Ausschluss.

Was früher ein Freundeskreis war,
Heißt heute „Soziales Umfeld“.
Was wir einmal Familie nannten,
heißt heute „Soziale Herkunft“.
Und es meint:
schwierig,
bildungsfern,
desintegriert,
desinteressiert.

Wann fing das an,
dass man „sozial“ sagt
und „asozial“ meint?

Das Elternhaus ist schwierig!
Arbeiten beide, verschludert das Kind,
arbeitet keiner, verhartzt es.
Alleinerziehende Mutter? Fehlende Vaterfigur!
Alleinerziehender Vater? Fehlende Wärme.
Großfamilie? Asozial.
Einzelkind? Verhätschelt.
Nichtdeutscher Herkunft? Pffft!

Mit spitzen Fingern zupft man Kinder dort heraus,
integriert sie ins System, macht sie passend für diese Gesellschaft.

Chancengleichheit ist das erklärte Ziel,
Chancenungleichheit das erwiesene Ergebnis.

Die Zukunft gehört der Jugend?

Für ein Land, das von Rentnern dominiert wird, bedeutet Zukunft:
13 Milliarden Bildungsetat gegen 80 Milliarden Rentenzuschüsse.

Nur ein Sechstel der Wahlberechtigten ist heute unter 30 Jahren alt.
Nur die Hälfte der bis 24-Jährigen geht wählen.

Dieser Staat ist wie sein Fernsehprogramm:
Von Alten für Alte gemacht.

Mit erhöhten Bildungsausgaben gewinnt man keine Wahl,
wenn die Wähler seit 50 Jahren
keine Schule mehr von Innen gesehen haben,
und die Stimmen derer, die drin sitzen, nicht zählen.

Wenn es auch keine Stimmen von dort gibt,
weil man nicht wählen darf,
weil der Bachelor wichtiger ist,
weil die Zeit fehlt,
weil man sich nicht traut, laut zu sein.
Oder sich nicht mehr erinnert, wie das geht.
Laut sein.

Weil man still ist, schon mit sechs.
Ein Gong gemahnt zur Ruhe.
Sagt: sei stumm, sonst bleibst du dumm
Denn mit dreißig anderen drumrum
Redet nur der, der gefragt wird.

Die Jugend wird effizient gemacht.
Werdet schnell
professionell.
Keine Experimente,
wir brauchen die Rente.
Zum Abi reichen deswegen jetzt acht
Jahre.
Junge Jahre.
Unjugendliche Jahre.
In geordneten Bahnen.

Das Bildungssystem von heute
basiert auf dem der industriellen Revolution:
Als man so viele Fakten wie möglich
in den kindlichen Kopf schüttete,
weil man nach dem Verlassen der Schule
kaum noch Zugang zu Wissen und Kultur hatte
und deshalb ein Leben lang von dem zehren musste,
was einem der Lehrer eingetrichtert hatte.

Doch wir leben im Zeitalter der digitalen Revolution.
Wissen ist ständig verfügbar.
Wir brauchen unsere Kinder nicht mit Fakten zuzustopfen,
sondern wir müssen sie lehren,
sich in gigantischen Wissensarchiven zurecht zu finden
und sich zu vernetzen,
damit sie selbst noch gefunden werden.

Wie oft hat es uns zuletzt genützt, zu wissen,
wo die Hypothenuse verläuft,
wann die Nebenflüsse des Amazonas entsprangen,
welcher Hugenotte den Siebdruck erfand,
wer das Universum vertonte?

Null. Mal.
Vielleicht bauchen wir nur dafür die Quizshows im Fernsehen:
Damit wir nicht an der Tatsache verzweifeln,
dass wir etliche Jahre damit verschwendet haben
uns Wissen anzueignen
das wir danach nie wieder brauchten.

Schule muss heute lehren,
Informationen richtig einordnen
und Zusammenhänge erkennen zu können.
Sie muss die Fähigkeit zu kreativem, analytischem Denken,
flexiblem Umdenken, kollaborativem Handeln fördern
in einer vernetzten Welt,
die kaum Prognosen auf die Arbeitswelt von morgen zulässt.

Stattdessen:
36 Wochenstunden geballte Faktenfütterung
in überfüllten Räumen,
20 Minuten Pause für Zerkochtes aus der Kelle.
Endlich zuhause: Hausaufgaben,
Am Wochenende: Lernen für Klausuren, üben für Referate.

Nennt mir nur eine Gewerkschaft, die das dulden würde!
Zeigt mir nur einen Schüler, der erfolgreich aufbegehrt!
Der fordert, was ihm zusteht:
Zeit für Jugend.

Wir könnten viel Zeit sparen, würden wir das Bildungssystem von Heute
den Anforderungen des 21. Jahrhunderts anpassen.

Doch der öffentliche Fokus liegt hartnäckig
auf den Gefahren des Kulturraums Internet
und vereitelt den optimistischen Blick
auf die Chancen die er eröffnet.
Statt Netzkultur als Bereicherung zu begrüßen,
leitet man kulturellen Verfall von ihm ab
und warnt vor Gefahren
besonders für die Kinder!

Solange Kinder und Jugendliche als Opfer neuer Medien dargestellt werden,
können wir sie nicht zu Helden der neuen Technologien machen.
Die sie sind.
Und die sie sein müssen.

Engagierte, mutige Lehrerinnen und Lehrer,
die den Schritt ins Neue wagen für großartige Projekte in Eigenregie
bewirken wenig,
solange die Vermittlung von fächerübergreifender Medienkompetenz
nicht verpflichtend ins Curriculum aufgenommen wird.

Wer traut sich?
In einem Land, in dem jeder zweite Lehrer über 50 ist?

Die Zukunft
gehört der Jugend?

Den Alten gehören die Parlamente,
die Gesetze,
das Geld
und die Macht.

Sie stimmen für Vergangenheit,
vielleicht noch für ihre Gegenwart.
Aber nicht für eine Zukunft,
die sie selbst nicht mehr erleben werden.

Die Zukunft gehört der Jugend,
doch sie bekommt sie nicht.
Darum muss sie sich holen, was ihr zusteht.
Und muss zehnmal so laut sein wie die Alten,
die schwerhörig geworden sind.

Die sich sorgen
um Kinder, die zu viele Games spielen.
Um Kinder.
Die zuviel.
Spielen.

Die sich sorgen
um Jugendliche an Smartphones,
die die ganze Zeit mit ihren Freunden plaudern.
Um Jugendliche.
Die mit ihren Freunden plaudern.

Sorgen
um die Jugend im Netz,
die dort mehr lernt und weiß als wir.

Gebt zu:
Was euch eigentlich sorgt,
ist der Kontrollverlust
bei dieser Jugend,
die nichts auf der Straße,
nichts in den Kneipen,
nichts in den Parlamenten,
nichts in den Firmen,
nichts in der Zeitung,
nichts im Fernsehen,
nichts an der Wahlurne
die nichts in der Öffentlichkeit zu suchen hat.

Nur dort, wo es kindgerecht ist
darf sie sein.
Man will sie behüten
und schließt sie doch aus.

Die Jugend in Deutschland ist so behütet
wie in kaum einem anderen Land.
Doch kaum eine andere Jugend ist so unglücklich
wie die in unserem Land.

Trotzdem sie so dringend gebraucht wird,
fühlt sie sich
nutzlos,
ausgeschlossen,
kontrolliert,
unerhört.

Diese Jugend.
Mehr geduldet,
denn erwünscht.

Diese Jugend wünscht sich
Par-ti-zi-pa-tion.

Und sie hätte viel zu bieten,
würde die Öffentlichkeit erkennen:
Das, wofür sie brennen,
ist sinnvoll erspieltes Können.

Par-ti-zi-pa-tion
Für die digitale Generation.
Ein Kinderspiel!

Lasst sie!
Lasst sie
Die Keller der Alten entrümpeln auf Ebay,
die Website der Kirchengemeinde bauen,
die Geschichte ihres Dorfes im Netz archivieren,
Opas Erinnerung auf YouTube raushaun,
bittet um ihre Hilfe, wenn der Schulserver streikt
und der Lehrer die Präse am Smartboard vergeigt,
zeigt, dass wir sie brauchen
und ihr technisches Können.
Lasst sie teilhaben, teilnehmen.

Aber lasst sie in Ruh.

Lasst ihr die Freiheit,
selbst zu erkennen.

Dass Freiheit die Freiheit des Anderen meint.
Dass Freundschaft Zeit braucht, die Facebook stiehlt.
Dass Liebe nicht das ist, was man in Pornos zeigt.
Dass Games nur Spiele sind, wenn man sie spielt.

Lasst ihr die Freiheit im Netz.

Wenn ihr sonst keinen Ort zu bieten habt,
an dem Jugend unter sich sein kann,
wenn ihr Freizeitheime, Skaterhallen, Sportplätze, Jugendclubs
verhökert an den Meistbietenden,
wenn die Schulzeit die Freizeit verdrängt,
dann müsst ihr verstehen,
dass die letzten Abenteuerspielplätze
Facebook, whatsApp, YouTube, Minecraft, Piratebay, Instagram, Google
heißen.
Und das Internet ihr Lebensraum ist.

Die Jugend braucht tatsächlich Schutz
Schutz vor einem Staat,
der ihre Zeit, ihre Lebens- und Kulturräume nimmt
Schutz vor einem System, das sie erst dann braucht,
wenn sie Steuern und Rentenbeiträge zahlt.

Kinder brauchen Wahlrecht!

Damit ihre Stimme Gewicht und Einfluss bekommt.

Sie braucht auch von denen, die keine eignen Kinder haben,
die Erkenntnis, dass Fürsorge und Schutz der Jüngsten
gesellschaftliche Aufgaben sind.
Überlassen wir sie dem Staat, überlassen wir ihm die Zukunft.
Und überlassen uns und unsere Kinder
der Willkür, den Verboten und den Gesetzen alter Männer.

Und wir?
Wir brauchen ein offenes Auge,
ein offenes Ohr
für diese Jugend,
die gebraucht werden will
und die gebraucht wird.

Und wir brauchen vor allem:
Mehr Mut.
Mehr Empathie.

Mehr Kinder.

Die Generation der digital Aufwachsenden
Ist die erste Generation,
die vielleicht unbewusst,
aber völlig selbständig
die Zeichen der Zeit erkennt
und die Zügel in die Hand nimmt.
Die sich selbst ausbildet.
Freiwillig.
In ihrer Freizeit.
Ohne die Hilfe und sogar gegen den Widerstand derer,
die sie auf ihr zukünftiges Leben vorbereiten sollen.
Die sagen:
Dieser Generation fehlt die Tugend.

Wir sagen:
Applaus für diese Jugend!

103 Kommentare

  1. 01
    bloomymoolb

    Ich habe Tränen in den Augen. Danke, dass Ihr es mal (wieder) sagt!

  2. 02
    Tobias

    Applaus! Johnny, Applaus… aus meiner Seele gesprochen!

  3. 03
    HCL

    tja, macht alles sinn,
    vieles unterschreibbares drin.
    aber war das so gewollt?
    so als rant ist es ja doch nur getrollt.
    provoziert »genauso ist es«
    wie auch »ja schon, aber…«
    das ist letzten endes nur makaber.
    wenn, dann … müsste es was ändern.

  4. 04
    Bisigs

    Oh ja! und dass die Jugend nur gefragt ist, wenn sie konsumieren soll, auf Teufel komm raus!

  5. 05
    Lena

    Danke <3 Das ist wunderschön treffend gesagt!

  6. 06
    darby crash

    ganz schön arme säue, wenn das internetz deren lebensraum sein soll. solln ditte werden ?

  7. 07

    Mein Sohn ist jetzt neun Jahre. Und kommt nächstes Jahr in Bayern aufs Gymnasium. Kein Zwang. Passt einfach. Aber ich habe Angst. Dass die Zeit fürs Fußballspielen und Harry-Potter-Lesen immer weniger wird.

    Ich musste ständig heftig nicken bei Eurer Performance. Vielen Dank für die vielen guten und leider nur allzu wahren Worte.
    Danke!

  8. 08

    GÄNSEHAUT!

    DANKE FÜR DIESEN RANT!

  9. 09
    Beate

    Danke, danke, danke!!!

  10. 10
    Papa

    Bleibt zu hoffen, dass sich unter den Besuchern der re:publica jetzt oder zukünftig genügend finden, die Lust auf Kinder haben. Sonst war es ein Rant – aber die Generation, von der hier gesprochen wird, existiert vielleicht gar nicht mehr lange… (ein Besucher der re:publica, der demnächst zum zweiten mal Vater wird).

  11. 11
    Philip

    Die Diagnose des Zwangs, der Kontrolle, der Überflüssigmachung, des Zurechtstutzens aufs Funktionieren mag ja zutreffen, aber nicht nur für „die Jugend“.

    Die Diagnose ist gesamtgesellschaftlich gültig.

    Aus dieser Gesamtgesellschaftlichkeit konstruiert ihr leider einen Konflikt jung/alt, genauso wie zur Begründung von Rentenkürzungen ein Konflikt jung/alt konstruiert wird.
    Diese Konfliktkonstruierung ist brandgefährlich, zumal wenn sie von Leuten durchgefürt wird, die anscheinend beste Absichten haben. Mit diesen guten Absichten leistet ihr allerdings dem gesamtgesellschaftlichen Verfall nur weiter Vorschub.
    Wie reagieren „junge“, wenn sie lesen, wie ihnen „die alten“ das Leben verbauen? Wird es noch eine Person über 40 geben, der sie nicht mit Verachtung begegnen? Der sie etwas von dem glauben, was ihnen über Werte, Kultur, Gesellschaft, Politik erzählt wird? Wird ihr Verständnis von Geschichte weiter als bis zum letzten neuen iPhone-Release reichen? Unwahrscheinlich. Dabei wäre es so wichtig, gemeinsam aus der Substanzlosigkeit der modernen Kultur auszubrechen, aus den spiegelnden Oberflächen ohne Inhalt. Aus dem „Lebensraum Internet“. Und zur Abwechslung mal wieder was zu bewegen.
    Mit gegenseitigem Aufhetzen wird das nichts.

    (Ich zähle mich mit 25 übrigens auch noch knapp zur Jugend.)

  12. 12
    Christa Wels

    Bin Oma von drei Enkeln (9, 13 und 15 Jahre alt), Habe ihnen schon vor Jahren einen Laptop geschenkt. Ich denke auch, diese Schule ist nix für unsere Kids.

  13. 13

    @#812418: Zunächst: Es ist eine Polemik, also alles sehr überspitzt.

    Und ich denke, da wir selbst die Alten sind und am Ende für Applaus plädieren, ist das kein Aufhetzen.

    Man kann den Text endlos auseinander nehmen, na klar. Für differenzierte Betrachtungen braucht es mehr als einen Rant.

  14. 14
    Thomas

    „Und wir empfehlen werdenden Müttern
    die Einnahme einer unscheinbaren Pille,
    wenn die pränatale Untersuchung meint,
    dass das Ungeborene eventuell nicht der aktuellen gesellschaftlichen Norm entsprechen könnte.“

    Sorry, aber da hab ich aufgehört zu lesen. Wer allen ernstes dagegen ist, heilbare Krankheiten & Behinderungen zu heilen weil das eine Unterwerfung unter „gesellschaftliche Normen“ sei, der hat doch nicht mehr alle Tassen im Schrank. Der Autor hält wahrscheinlich auch die Krebs- und HIV-Forschung für gesellschaftliche Modeerscheinungen?!

  15. 15
    Philip

    @#812420: Diese Relativierungen reichen nicht. Auf die Frage, wie die richtig dargestellen Tendenzen angegangen werden, gibt der Text meiner Meinung nach nicht nur nicht sinnvolle, sondern gefährliche Antworten:
    1. „Lebensraum Internet“ ist ok.
    2. „Alte“ sind verachtenswert.

    Ich bitte darum, das zu bedenken. Gerade weil die Finger ansonsten auf den richtigen Wunden sind.

  16. 16

    Das Ganze hat System: Viele Hunderte gegen diese gesellschaftlichen Verhältnisse demonstrierende Jugendliche auf der Straße, können zwar von der Polizei niedergeknüppelt werden, doch ihr Protest wäre ein Politikum. Ebenso viele Protest-Mails, Einträge auf Twitter usw. dieser Jugendlichen können kurzerhand gelöscht werden oder in der Fülle sich ständig aktualisierender Informationen im Netz überschrieben werden, ohne dass dies bemerkt werden würde. Die Vernetzung von Lebenswelten durch elektronische Hardware birgt die Gefahr der Belanglosigkeit von Protest gegen gesellschaftliche Zustände in sich. Selbst wenn die traditionellen Medien das Thema aufnehmen, wenige Tage später wird eine neue Sau durchs Dorf gejagt. Medienkompetenz bedeutet immer Kompetenz die eigenen Interessen darstellen zu können. Überlässt man diese Darstellung den Medien, hat man schon verloren.

  17. 17
    Isa

    @#812421: Wo war da bitte von „heilen“ die Rede?!

  18. 18

    „Zeigt mir nur einen Schüler, der erfolgreich aufbegehrt!
    Der fordert, was ihm zusteht:
    Zeit für Jugend.“

    Ich vermute, dass unter den 500.000 Schulverweigerern in ganz Deutschland ein nicht zu unterschätzender Anteil von Schülern ist, die alles andere als „doof“ oder „die zukünftigen Hartz-4-Langzeitempfänger“ sind – und damit in euer „Suchprofil“ passen.

    Die um die 1000 „Freilerner“ – soweit die offizielle Zahl, plus „Dunkelziffer“ ;-) – zumindest sind es: erfolgreiche Aufbegehrer, die sich mit großer Begeisterung selbst bilden. Spielend. Und das im doppelten Sinne!

    Während die Erwachsenen sich nen Wolf diskutieren, handeln die Kids schon längst. Was für eine starke Jugend – ich freu mich sehr darüber!

    Herzliche Grüße, Ulrike (Mutter eines 13jährigen)

  19. 19

    Ja. Ja. Ja. Genau. Genau so!

  20. 20
    Wigger

    Schön. Trotz allem aber, der Blick aus dieser Berlin-Journalisten-Blogger Mischpoke in die Welt mal wieder. Es gibt eine grosse Gruppe die mit einem Gehalt klar kommt, bei denen die Kindererziehung keine Probleme bereitet usw. Die wohnen vielleicht in einer Kleinstadt im Reihenhaus und schauen RTL. Aber genau diese Leute, die man irl nicht akzeptiert, bekommen das fast alle hin. Das Problem ist wohl eher das die Intelektuellen nicht mehr die klügsten Köpfe sind. Aber mutig war es.

  21. 21

    Es ist so wahr. Und Der Staat sind wir alle. Warum nur fühlt es sich nie so an?

  22. 22

    @#812421: Du hast etwas anderes verstanden. Weißt du, dass Müttern, die vielleicht ein behindertes Kind bekommen könnten, die Abtreibung inzwischen vehement angeraten wird? Darum geht es. Nicht um Heilung. Es wäre ja irrsinnig, dagegen zu sein. Es geht darum, dass mittlerweile schon vor der Geburt aussortiert werden soll, wer in diese Gesellschaft passt und wer nicht.

  23. 23
    Gondor

    Ein schöner, sehr schöner Rant. Danke dafür… allerdings..
    …mit einer (sehr) optimistischen Sichtweise auf „die Jugend“.
    Wie „die Jugend“ in ihrer Mehrheit tickt oder eher getickt wird hat Georg Schramm schon vor längerer Zeit auf den Punkt gebracht https://www.youtube.com/watch?v=RkNddCXSLvM

    Ein Rant über Macht und Ohnmacht hätte es meiner Ansicht nach aber eher „getroffen“. Denn der „Konflikt“ besteht gesamtgesellchaftlich (sogar global) eher zwischen den Mächtigen und Ohnmächtigen. Vor wenigen Dekaden hätte man die Mächtigen nur in der Politik verortet. Heutzutage sind es diejenigen die „die Medien“ und v.a. den Zugang zu Informationen (im Netz) kontrollieren.

    Die Macht eine alternativlose Parteienlandschaft entstehen zu lassen die einem keine Wahl mehr lässt.
    Die Ohnmacht als Eltern durch Geldbeschaffung nicht mehr genügend Zeit für die Kinder zu haben und sie in ein Ausbildungs“system“ schicken zu müssen, statt sie durch Bildung! zu selbstständig denkenden Menschen erziehen zu können.

    Schade das ich nicht zur re:publica kommen kann/konnte. Ich war baff als ich hörte dass ihr die gleichen „Mächtigen“ zur Intervention bei der Telekom aufgerufen habt die erst kürzlich das Telekommunikationsgesetz verabschiedeten. Guter Witz. Zynisch, aber gut.

  24. 24
    ber

    Inhaltlich gehe ich vollkommen d’accord – aber die Präsentation habe ich leider nur wenige Minuten ausgehalten. Ich dachte zwischendurch kommt gleich ein „Dädäää“ wie beim Karneval.

  25. 25
    Eike

    Das alles bleiben fromme Wünsche. Den neuen Menschen gibt es weder in Deutschland noch als Importschlager. Und erzählt mir bloß nicht, ihr liebt nicht das durchstrukturierte Leben mit Freitags um 14 h das Auto waschen und Eurem Kleingarten (natürlich nicht made by Peter Lustig). Und wehe Fußball bekommt einen anderen Sendeplatz. Dann und auch nur dann wären tatsächlich Aufstände auch in Deutschland möglich.

  26. 26
    Muehsam

    Das funktioniert leider nur bei Alpha und Nerd Kindern mit dem selbstständig lernen.

  27. 27

    Sehr beeindruckender Rant, der mir eine Menge Denkanstöße gibt. Zwar bin ich nicht mit jedem Detail einverstanden, aber schließlich ist ein Rant eine Schimpftirade und kein ausgewogener Essay.
    Als Bloggerin, Mutter von zwei Mädels (davon schon eins im Netzgemüse-Alter) und vollzeit-berufstätiger Teil eines Ehepaars, dass sich bewusst für das Auskommen mit einem „geregelten Einkommen“ entschieden hat, fühle ich auch die Wut über die Ökonomisierung des Kinderlebens, über detailverliebtes Bulimie-Lernen in der Schule und über starre, auscschließende Machtverhältnisse. Ich versuche, in meiner Familie dagegen zu steuern. Der Rant hat mir mal wieder deutlich gemacht, dass das richtig, aber nicht genug ist.
    Warum kommen nur immer wieder so viele Stimmen, die behaupten, wir könnten an den Verhältnissen nichts ändern. Die Verhältnisse ändern sich ständig, überall. Nur tun sie das meist in kleinen, evolutiven, kaum wahrnehmbaren Schritten. Wenn viele Junge und Alte die Veränderungen vorleben und einfordern, können wir vielleicht auf Fast Forward drücken.

  28. 28

    Vor etwa einem Monat gingen mir ähnliche Dinge durch den Kopf. Ausgelöst durch die Gedanken eines Mannes, der jenes von Euch beschriebene Schuldilemma bereits vor 100 Jahren ändern wollte: John Dewey.

    Hier mein Artikel dazu: http://lauterbautzner.blog.de/2013/04/13/reform-schule-oeffentliche-diskussion-gebracht-zeit-setzt-woche-philosophen-david-precht-15752396/

  29. 29
    Craggan (@Ojweh)

    Liebe Tanja, lieber Johnny,

    als Vater (Jahrgang ’64) zweier Kids (13 und 15) habe ich heute euer Rant gesehen und mein Zustand befindet sich immer noch irgendwo zwischen erschüttert und elektrisiert.

    Ihr habt all das, was mir nicht erst seit G8 so durch den Kopf ging, in gänsehauterzeugender Art und Weise auf den Punkt gebracht.

    Wenn ich bedenke, dass meine Frau hier mittlerweile ein Nachhilfestudio aufmachen könnte, so viel wie sie mit den Beiden für die Schule lernt – und zwar Fächer, die sie früher nicht mit dem Arsch angesehen hätte. Wenn ich mitbekomme, dass mein Großer sich die Zeit fürs Gitarre spielen aus den Rippen schneiden muss, weil er irgendwelche Alkanoide auswendig lernen muss, wenn ich mir dann noch anhöre „naja, Papa, du bist damals in Berlin zur Schule gegangen, das ist hier in Bayern schon strenger“ und mich daran erinnere, was ich seinerzeit noch für Freiräume hatte (vom Freibad bis zum Schülercafé) und sehe, dass derlei heute schlicht nicht mehr möglich wäre, könnte ich auch im Quadrat kotzen.

    All dies dann noch in Verbindung mit dem bis zur Unkenntichkeit etablierten Freundeskreis („also ich verstehe nicht, wie Du Deinen Kindern das gestatten kannst, sich so unkontrolliert im Internet zu bewegen“) – die gleichen Typen übrigens, die mich mit 16 gefragt haben, ob man nicht noch einen drehen will – das treibt einen tendenziell schon komplett in den Wahnsinn!

    So pointiert, wie ihr das heute vorgetragen habt, habe ich es in den vergangenen Jahren nie hinbekommen, die Argumente ebenso emotional wie überzeugend aneinanderzureihen (Ausnahme: die Ehefrau hat mich irgendwann verstanden; aber deswegen habe ich sie ja auch geheiratet).

    Hut ab – ganz groß. Danke!!!

  30. 30
    Thekla Fery

    Wer Probleme hat, sucht Schuldige.
    Also hat die Schule, nein das ganze Schulsystem Schuld.
    Ein Schulsystem, welches zwar auch als Bildungsinstitution, aber eben auch als soziale Eingliederungseinrichtung gedacht ist.
    Daher ein System mit vielen Fehlern, vielen Zwängen und enttäuschten Erwartungen – nicht nur bei den Kindern.
    Die Gesellschaft ist schuld.
    Eine Gesellschaft, in der Ressourcen, Möglichkeiten, Moneten ungleich verteilt sind. Und während manche ihre Kinder mit Privatschule, Nachhilfeinstitut, Sprachferien, Auslandsaufenthalt für die Privatuni fit machen, bleiben die anderen den überlasteten verbeamteten Lehrern überlassen.
    Die überaltete Gesellschaft ist schuld, deren Rentner sich breit machen und über Lärm, Dreck, verrohende Sitten und verlotterte Familien beschweren. Denen kaum noch jemand einen Platz in der Bahn anbietet, da müssen sie schon selbst drum bitten.
    Nicht Schuld ist: man selbst, die eigenen Kinder und das Internet.
    Aber woran eigentlich Schuld? Über welche Probleme reden wir nicht?
    Unlust – Verunsicherung – Verlogenheit – Angst – Einsamkeit – Hilflosigkeit – Verzweifelung – Wut – Ohnmächtigkeit – Depression – Sucht – Spielsucht ???

  31. 31
    Max Borka

    Why are these speakers so old?

  32. 32

    @#812446: Because they were born a long time ago. :)

  33. 33

    @#812436: Eieiei, das ist ja eine fiese Vorstellung. :) Ich finde, es wird nach dem ersten Drittel besser, nachdem wir etwas weniger nervös waren.

  34. 34
    Peter

    grossartig, das war befreiend!

  35. 35

    Vielen Dank für diesen wunderbaren und toll, weil passend vorgetragen Vortrag.

    Nachdem ich selbst das bayrische Schulsystem mehr schlecht als recht überlebt habe, ich letztendlich es doch noch zu einem ordentlichen Hochschulabschluss geschafft habe (hat etwas länger gedauert), sehe ich nun, wie meine 3 Kinder durch dieses System gehen müssen.

    In der Grundschule hatten wir bisher sehr viel Glück(!!!). Glück deshalb, da wir sehr gute Lehrerinnen hatten für die ersten beiden (Nr. 3 startet im Sommer): Offen, interessiert, vielfältig, fördernd und fordernd, musisch, Bewegungs-tolerant, partnerschaftlich mit den Eltern usw. Ach ich könnt noch weiter schwärmen.

    Die Eltern der jeweiligen Parallelklassen werden das garantiert nicht behaupten. Wer Glück hat mit den vorne stehenden Persönlichkeiten, hat – egal wie dumm und veraltet das System ist – viel gewonnen.

    Ich weiß dafür keine Lösung, wie alle Kinder tolle Lehrer bekommen. Ich weiß nur, dass der Mensch, die Person, die da vorne steht, sehr sehr wichtig ist. in der „Zeit“ war mal ein Interview mit einem „klassischen“ Lateinlehrer alter Schule und einem jung dynamischen, hippen ???-Lehrer. Beide haben sehr gute Beurteilungen von ihren Schülern erhalten. Beide waren etwas besonderes für ihre Schüler. Und auch ich habe es so erlebt: Guter Lehrer + doofes Fach = trotzdem einigermaßen gute Leistungen (andere Kombinationen bitte als Hausaufgabe selber aufmalen)

    Was ich damit sagen will: Wir reden immer so viel über Formen und Strukturen. Diese sind wichtig. Aber aus meiner Sicht noch wichtiger sind die Menschen, denen wir unsere Kinder anvertrauen. Diese guten, positiven, offenen Lehrertypen müssen gefunden, gefördert und unterstützt werden.

    Ich kann fast alles in Eurer Rede unterschreiben. Ich versuche immer wieder aufs Neue, meinen Kindern die Möglichkeiten zu geben, die sie für ihre Entwicklung brauchen. Auch wenn es mir/uns das Umfeld, Freunde und Bekannte (nicht vergessen: auch da sitzen viele permanent, umfassend extrem behütenden, komplett vororganisierende, allwissende DauertaxifahrerInnen), Schule, Gesellschaft und der eigene innere Schweinehund einem nicht immer leicht machen.

  36. 36
    Katja

    Ich habe jetzt noch eine Gänsehaut, so genau habt Ihr auf den Punkt gebracht, was auch mir schon lange unter den Nägeln brennt. Als Mutter zweier Kinder erlebe ich täglich, wie wenig es der Schule gelingt, dem Wissens- und Forschungsdrang unserer Kinder einen Ort zu geben – und wie sehr sie sie statt dessen mit immer den gleichen stupiden Aufgaben langweilt, ihnen buchstäblich Lebenszeit stiehlt und ihnen die Freude am Lernen nimmt.

    Der einzige Punkt, an dem ich nicht ganz einverstanden bin, ist die Zuspitzung (ich weiß, es war ein Rant und jede Zuspitzung sei erlaubt :-) ) auf die Altersfrage. Ich habe mir den Rant gemeinsam mit meiner Mutter angesehen, die ihr Leben lang Lehrerin war und sich heute mit 70 Jahren um einiges mehr Gedanken über die adäquate Ausbildung unserer Kinder macht als so manche meiner 30-something-jährigen Freunde. Sie könnte jedes Wort von Euch unterschreiben (mit Ausnahme vielleicht der Altersfrage :-) ). Aber wie gesagt: Rant -> Zuspitzung -> Polemik -> ok! :-)

    Was ich mich nur immer wieder frage: Was tun wir gegen diese unsägliche Stagnation und gegen den Diebstahl der Jugend unserer Kinder? Wie Tanja im Interview sagte: G8 und Ganztagsschule lassen unseren Kindern kaum noch Zeit zum Leben und uns als Eltern bei allen guten Vorsätzen kaum noch Möglichkeit, das, was in der Schule schiefläuft, auszugleichen. Wie kommen wir also da raus???
    Strategien hierfür zu entwickeln, muss unser aller nächstes Ziel sein – danke an Euch, dass Ihr die Ausgangslage für die bitter nötigen Veränderungen so präzise und treffend formuliert habt!!!

  37. 37
    corvin

    dicken applaus und dafuer aufstehen… es scheint soweit zu sein. immer mehr leute erheben ihre stimme, egal ueber welchen kanal. fuer mich ist es keine frage des alters – das kommt aber erst mit dem alter. fuer die einen ist jungend jung und die alten alt. ok. ich habs auchmal so gesehen. manchmal sehne ich mich danach zurueck, meine realitaet hat mich nun schon woandershin getragen. ich WILL wieder verstehen und bin wieder neugierig geworden. es gibt so viel interessantes. mely, cain, precht, schirrmacher … zeigen viele vorgaenge und bitten zum diskurs darueber – wahr oder falsch ist dabei scheissegal. wissen gibt es nicht im regal oder im internet. wissen wird erarbeitet und rinnt mir auch schon wieder durch die finger – auch ein positives sissyfussbild. insofern gibt es nicht DIE loesung fuer DAS schulproblem. wer so denkt ist fuer mich in der zeit haengengeblieben. die natur probiert auch vieles aus damit es weiter geht. und so ist es nun fuer uns, unsere jungen und unsere alten zeit, irgendwie gemeinsam weiterzuziehen … raumschiff enterprise und die lederstrumpferzaehlungen praegten meine zukunft. was bei euch? und warum!

  38. 38

    IHR BEIDE…

    seid eine Inspiration. Ein Vorbild. Eine Bereicherung!
    Danke! Danke, dass ich euch kennenlernen durfte und, dass ihr existiert.

    Amy aka DiamondOfTears

  39. 39
    Jan!

    Ich (selbst Papa) finde den Rant auch gut und ziemlich treffend, aber das schimpfen auf OGS und G8 kann ich einfach nicht nachvollziehen.
    Klar haben die Kinder in der OGS nicht die Freiheit der Kinder von früher, aber nach dem die Hausaufgaben erledigt sind, haben sie Zeit mit ihren Freunden zu spielen und die Angebote der OGS wahrzunehmen. Da ist keine Pflicht dahinter.
    Dass das Schulsystem reformiert werden müsste steht ja außer Frage, bereits vor 15 Jahren war es schon veraltet.
    Ich sehe das wie Joachim Haydecker, es hängt verdammt viel vom Lehrer ab, ein guter Lehrer kann auch einen verstaubten Lehrplan neues Leben einhauchen.
    G8, klar die Zeit fürs Abi ist kürzer, aber in Sachsen gibt es schon immer das G8 und ich denke es ist in allen Bundesländern machbar. Aber dazu muss die Struktur bis zum Abi angepasst und verbessert werdern. Die Lehrpläne verschlankt und auf den aktuellen Stand gebracht werden, kein Schüler muss z.B. das Periodensystem (PSE) auswändig lernen. Wenn er weiss wie er es lesen muss und wo es steht sollte es reichen.
    In den Lehrpläne muss mehr Wissen fürs Leben und nicht Wissen für die Leistungskontrolle rein.
    Gebt den Kids mehr Freiräume und Zeit.

    Zum ganzen Thema passt ganz gut der Text, der bekannt sein sollte: http://www.nikola-hahn.com/niemandschuld.htm – Ist nicht von mir.

  40. 40

    Danke für diesen wunderbaren und lückenlosen Zustandsbericht mit der Extraportion Unterhaltungswert.
    Ich bin ganz bei Precht, der meint, dass sich die bildungspolitische Steinzeit trotz Reformstaus und förderalem Bildungssystem ganz von selbst und – gemessen am Aufwand zügig – auflösen wird, schon allein weil – (das funktioniert ja glücklicherweise immer) wirtschaftliche Bedürfnisse das erfordern.
    Allein uns jetzigen Eltern bleibt wohl der Frust, dass unsere Kinder davon selbst nicht mehr viel haben werden…

  41. 41

    „Utopie oder überfälliges Konzept?“ (Video zur Sendung ttt – titel thesen temperamente – 21.04.2013) http://j.mp/10p5SoY

  42. 42

    Vielen Dank für diese treffenden und den ein oder anderen (hoffentlich) alarmierenden Zeilen. Besonders in Großstädten ist es mittlerweile unerträglich Kind zu sein.

  43. 43

    Liebe alle,

    vielen Dank für das grandiose Feedback, die Zustimmung und auch die Kritik.

    Ich weiß, der Rant klingt an einigen Stellen nach Vorwürfen gegen „die Alten“ (er spricht aber viel, viel mehr Punkte an, also bitte nicht nur auf wenige Zeilen achten), doch es sind keine allgemeinen Vorwürfe gegen eine ganze Generation, die schließlich nichts dafür kann, dass sie in der Mehrheit ist und zu der wir beide eben mit knapp 50 Jahren auch oder sehr bald gehören. Unsere Vorwürfe richten sich nicht gegen eine Alterklasse (sooo polemisch wollten wir dann doch nicht sein), sondern gegen altes Denken, wir wünschen uns ein modernes, zeitgemäßes Mitdenken der Alten für die Jungen in deren Sinne.

    Es geht auch nicht um Schuldzuweisung. Wir wissen, dass gesellschaftliche Herausforderungen komplex sind, alles miteinander verstrickt ist und es keine leichten Antworten gibt. Dennoch: Diese Gesellschaft *ist* alt und wird immer älter (also müssen wir den Jungen mehr Chancen auf Beteiligung geben) und viele Teile dieses Rants in Sachen Bildungssystem wurden heute morgen auf der re:publica von „Mr. PISA“, Andreas Schleicher von der OECD, im weltweiten Vergleich bestätigt.

    Bei aller Kritik an einzelnen Punkten dieses Textes (ist ja klar, dass man nicht in allem einer Meinung ist), bitte ich auf die Kernaussage zu achten: Die junge Generation sieht sich nicht nur einer Ausbildung gegenüber, die sie nicht genug auf ihre Zukunft vorbereitet, sondern auch dauernden Vorwürfen, was ihre Lebens- und Kulturräume angeht (die selbstredend nicht ausschließlich digital sind oder sein sollen/müssen). Gleichzeitig hat sie wenig Möglichkeiten zur Partizipation, was sich in aktuellen Studien (bspw. UNICEF-Studie) in der großen Unglücklichkeit dieser eigentlich so behüteten Generation zeigt.

    Darum geht es in erster Linie in diesem Text, was die Abschluss-Absätze ja auch deutlich sagen.

    Was mich überrascht, ist, dass vieles an diesem Text diskutiert wird, aber selten die klaren Forderungen. Wie zum Beispiel die Forderung nach einem Wahlrecht für Kinder.

    Was mich aber sehr freut, ist, dass der Rant ein wenig das erreicht hat, was wir erreichen wollten: Die öffentliche Debatte darüber, wie wir mit den ganzen Herausforderungen umgehen wollen. Manchmal geht das besser mit einer zehnminütigen Polemik als mit einem einstündigen Vortrag. Da es diese aber auch und in sehr hoher Qualität auf der re:publica gibt, haben wir dieses Format brechen wollen. Ja, um Aufmerksamkeit zu generieren, natürlich. Was denn sonst?

    Noch mal: Danke für die vielen Reaktionen!

  44. 44

    Bisschen viel „unser Land“, aber ansonsten natürlich alles richtig.

    Was die Schule angeht. Es geht übrigens auch anders: http://www.freie-alternativschulen.de/cms/jml/

  45. 45
    Jan!

    Wahlrecht für Kinder? Nehmen wir an, das würde es geben, wen würden die Kinder denn wählen? Die gleichen Parteien wie die „Großen“? Aber vielleicht würde sich wirklich was ändern, denn die Parteien müssten sich mehr mit den jungen Wählern beschäftigen. Aber ohne es zu probieren, werden wir es nicht erfahren. Es muss ja nicht gleich bei einer Bundestagswahl sein, im Kleinen (Gemeinden) kann man damit ja anfangen. Wahlrecht ab 12 Jahre.
    Wer darf sich dann wählen lassen, auch 12-Jährige?

  46. 46

    @ Johnny: „Gleichzeitig hat sie (die junge Generation) wenig Möglichkeiten zur Partizipation“.

    Johnny, das gilt für alle Minderheiten und es gilt sogar für die „schweigende“ Mehrheit, wo sie sich im Altersspektrum der Generationen verortet.
    Gesellschaftliche Partizipation ist abhängig vom „Haben“ Saldo des Bankkontos, für die einfachen Leute reduziert auf den Inhalt ihrer Geldbörse.
    Und da ist generationenübergreifend nicht mehr viel Spielraum. Menschen müssen die Gelegenheit erhalten aus ihren Fehlern zu lernen, das gilt für junge Menschen und zählt man die Lebensjahre der älteren hinzu, für diese Gruppe umso mehr. Idealtypisch sollte dies ein kollektiver Prozess im Werden und Vergehen der Generationen sein. Doch solang es immer eine Frage des Geldes ist, von dem jeder individuell soviel für sich wie möglich abzuzweigen bestrebt ist, solang werden wir die Probleme in den realen, wie den virtuellen Sozialräumen kaum lösen können.

  47. 47

    Viel Richtiges, viel Falsches. Klischees und Perspektiven. Niedergeschrieben zeigt es deutlich seine Schwächen.

  48. 48

    An der Form liegt es also: ein „Rant“.
    In einem Rant können dann wahre Fakten als Truismen aneinandergereiht, um einen Gänsehaut-Effekt zu erreichen.
    Gut, das kenne ich. Das machen veraltete Politiker schon ewig, Demagogie nennt man das.

    Schade, denn Sie erwähnen viel Richtiges.
    Die Schulreformen sind unvollkommen, Lehrer und Schüler haben zu wenig Zeit und zu wenig Möglichkeiten, fächerübergreifend und kritisch zu lernen – egal ob mit alten oder mit neuen Medien.
    Sollen dafür alle Menschen, die sich für die staatliche Schule engagieren respektlos, undankbar und undistanziert diskreditiert werden?

    Woran soll man „partizipieren“ wenn nicht an der Schule und am Staat?
    Die Freiheit sowie der Umgang mit den neuen Medien werden nicht „von allein“ gelernt. Wer so was glaubt, glaubt an die unsichtbare Hand von Adam Smith, glaubt an die Fähigkeit des Ultraliberalismus, Fließwasser und W-lan in jedem Favela-Haushalt zu bringen – dies ist noch nicht passiert, wird also nie passieren.
    Sondern der Staat und seinem altmodischen Sorgerecht muss dazu beitragen. Fliesswasser und Internetanschluss hat jede Ganztagschule in Deutschland, nicht jeder Haushalt. Was wir daraus machen obliegt Lehrer, Schüler, Eltern und Staat.

    Eins würde mich noch interessieren, auch wenn es nur zur Form gehört: wer sammelt hinterher die A4-Blätter, die so ästhetisch in die Luft geworfen werden?

  49. 49
    bloomymoolb

    In meinem Medienpädagogik-Seminar an der HAW Hamburg (in dem wie üblich schwer eine „lebhafte“ Diskussion zustande kommt), zeigte ich Euren Vortrag. Das werde ich jetzt immer machen! Die TeinehmerInnen applaudierten und wir haben Gesprächsstoff galore! Nochmals vielen Dank für Euer Engagement und überhaupt! <3

  50. 50

    Zitat:
    „Als man so viele Fakten wie möglich in den kindlichen Kopf schüttete,
    weil man nach dem Verlassen der Schule kaum noch Zugang zu Wissen
    und Kultur hatte und deshalb ein Leben lang von dem zehren musste,
    was einem der Lehrer eingetrichtert hatte.“

    Will hiermit nicht an den Pädagogen herumkritisieren, die sich redliche
    Mühe geben, den kleinen Rackern ihr bisschen an Wissen zu vermitteln.

  51. 51
    VRkW

    @#812418: Leider sehe ich inzwischen schon einen gewissen Konflikt zwischen jung und alt. Ich finde, dass dieser Artikel die Problematik für unsere jüngere Generation ziemlich umfassend darstellt: http://www.zeit.de/2013/17/demografie-babyboomer/komplettansicht

  52. 52

    Unter welchem schweren Stein habt ihr eigentlich die letzten Jahre verbracht? Ich hab‘ drei Kinder, das erste jetzt im ersten Jahr in der Schule, einer ganz normalen Kölner Grundschule. Sie sitzt im Schülerparlament, sie kennt kaum Frontalunterricht und führt ihre Leseliste online. Sind das die Defizite, von denen Ihr sprecht? Ich bin wirklich kein großer Freund des deutschen Lehrpersonals, vielleicht weil mein Vater selber einer war, aber ich werde mich über diese Schule nicht beschweren. Über Euch vielleicht schon eher, denn Euer Rant ist reflexhaft und unreflektiert. Liegt aber wohl auch in der Natur eines solchen.

  53. 53

    @#812509: Aber das ist doch toll, wenn es an euren Schulen gut und anders läuft. Es ist leider noch nicht die Regel oder auch nur die Mehrzahl. Verlink doch bitte gerne mal die Schule(n) als Tipp!

  54. 54

    Wahre Worte, sehr schön geschrieben und ganz toll vorgetragen!
    DANKE!

    Gruß
    Markus

  55. 55

    In seiner Kernbotschaft ziemlich gut, auch wenn man über einzelne Stellen sicher länger diskutieren könnte als das gewählte Format zulässt. Schade, dass ich da grade wo anders unterwegs war.

    Wie war denn der Altersdurchschnitt der re:publica Speaker? Können nach meinem Eindruck die nächsten Jahre ruhig noch ein paar digital natives mehr auf die Bühne. Die beiden sessions mit wirklich jungen Leuten auf der Bühne, die ich mitbekommen habe, waren nämlich mehr als super (YouTube mit Johnny, Bildung mit Tanja)

  56. 56

    Sehr gut und bedenkenswert! Absoluter Premium-Content…

  57. 57
    Jakob

    Einfach nur Zustimmung!

  58. 58
    Gerhard

    Liebe Tanja , lieber Johnny,

    glücklicherweise fand ich in der Freien Presse ( auflagenstärkste regionale Tageszeitung der bevölkerungsreichen Chemnitzer Region) vom heutigen Tag eine gekürzte Fassung Eurer Positionen zum Thema Jugend und Netz.
    Euer Rant ist einfach nur treffend und anregend, es ist an sich schon schlimm genug, dass man dafür das Stilmittel einer Wutrede verwenden muss, oder?
    Ich glaube auch, dass das gewisse Maß an Provokation notwendig ist, damit überhaupt nachgedacht wird. Als Mittfünfziger und Vater zweier Söhne ( 27 und 15 Jahre) gehe ich voll mit, wohl auch deshalb, weil selbst die eigenen Kinder schon so unterschiedlich in ihren Chancen und Möglichkeiten groß wurden bzw. werden. Das eigene Erleben und der Altersunterschied meiner Söhne führt mir täglich vor Augen, dass der 27-jährige eigentlich auch schon fast „alt“ ist. Ich weiß aber, was er alles anders/besser machen wird, falls er selbst einmal Vater ist – – das ist schon mal ein Anfang.
    Schwierig wird es, wenn Ihr nach Konsequenzen bzw. konkreten Vorschlägen fragt – – sicher sollte Euer Rant mit Unterstützung aller Blogger auch erst mal dahin gehen, wo er auch hin muss – – – an die, die entscheiden , nicht nur die , die betroffen sind, die kümmern sich sowieso —– also rein in die Legislative, die Landesparlamente, denn immer noch ist Bildung Ländersache und das Netz global — ein Widerspruch in sich –.
    Ein Anschreiben der Exekutive ist nahezu sinnlos, zu stark ist der Hang nach Macht-/Systemerhaltung und es wäre vergebene Mühe, wie will man jemandem Veränderungen abringen, dessen vorrangige Aufgabe die Systemerhaltung und Mangelverwaltung ist. Selbst die gewählten Landesvertreter sind problematisch, vor allem auch in Sachsen, denn es sitzen Mandatsträger über unsere Jugend zu Stuhle, die a) durchaus „alt“ sind , b) gar nicht aus Sachsen kommen und c) über Zukunft gar nicht weiter nachdenken, als es ein schuldenfreier Zukunftshaushalt notwendig macht. Dass Kinder Geld kosten, aber auch ein überaus interessantes „Investitionsziel“ darstellen, begreifen Eltern — aber Politiker???

    Man könnte immer weiter argumentieren und polemisieren, aber bei Euch und den vorstehenden Meinungen rennt man offensichtlich offene Türen ein, also sorgt alle dafür, dass die Adressaten, die nicht bloggen oder nur das lesen, was passt, alles auf den Tisch bekommen.

  59. 59

    sehr schön gesagt :)

  60. 60

    #59

    Mag ich nicht leiden.

  61. 61
    Katja

    Wie sensationell ich Euren Rant fand, habe ich Euch schon vor zwei Wochen gesagt. In eine ähnliche Richtung, wenn auch mit einem anderen Schwerpunkt, geht dieser Beitrag von Ken Robinson über die Frage, ob die Schule die Kreativität unserer Kinder „verschluckt“. Vermutlich kennt Ihr diesen Beitrag schon, denn er ist schon 7 Jahre alt, hat aber leider kein bisschen an Aktualität verloren: http://www.youtube.com/watch?v=iG9CE55wbtY. Bin gerade eben darüber gestolpert und habe Tränen gelacht – auch wenn man über das Thema an sich eigentlich eher weinen kann… Wer es noch nicht kennt und sich für die Thematik interessiert, dem möchte ich die 20 Minuten wärmstens empfehlen… Nicht nur pointiert auf den Punkt gebracht, sondern auch äußerst amüsant :-).

  62. 62
    Thomas

    Jede Verpflichtung, auch die süßeste, bedrückt die Jugend. Erst die Lebenserfahrung bringt uns zur Einsicht, dass Joch und Arbeit notwendig sind.
    (Honore de Balzac)

  63. 63
    katharina

    Jajaja. Danke. In meinem Studium sehe ich soviel Resultate davon: Neugier, die man wecken könnten, die aber auch einschläft. Engagement, das man wecken kann, aber auch systematisch mit Arbeit (Workload) einschläfert…ach danke

  64. 64

    Vielen Dank für viele gute Reflektionen, aber seht es mir nach:
    Was werden diese Worte allein ändern oder gar verbessern?
    Wo sind „konstruktive Ansätze“, die besonders Junge so dringend benötigen?

  65. 65

    Einfach genial und so blicke ich hoffnungsvoll in die Zukunft!
    Als Mama 3 starker Söhne weiß ich, dass die Jugend es voll drauf hat. :)
    Wir sind an eurer Seite und freuen uns, wenn ihr eure gewaltige jugendliche Kraft frei lasst!

  66. 66

    Und: @Alexander: Zuerst ist da das Wort, so wird es immer bleiben. ;)Die Denker weisen die Wege, auch wenn nicht gleich alle „mitwandern“ wollen oder können.

  67. 67

    @#812642: Oh, da sind doch viele konstruktive Ansätze dabei:
    Lasst sie
    Die Keller der Alten entrümpeln auf Ebay,
    die Website der Kirchengemeinde bauen,
    die Geschichte ihres Dorfes im Netz archivieren,
    Opas Erinnerung auf YouTube raushaun,
    bittet um ihre Hilfe, wenn der Schulserver streikt
    und der Lehrer die Präse am Smartboard vergeigt,
    zeigt, dass wir sie brauchen
    und ihr technisches Können.
    Lasst sie teilhaben, teilnehmen.

    Dazu: Lehre ändern, im Zuge dessen: Verkürzung der Unterrichtszeit, Wahlrecht,…
    Das ist im Übrigen alles gar nicht so neu und ungewöhnlich, aber gesellschaftlich eben längst noch nicht etabliert.