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Und das ist nicht gut so

Lieber Bürgermeister Klaus Wowereit, Du (ich bin mal so jovial) warst ja auch beim Karneval der Kulturen. Und wirst heute vom Tagesspiegel (über das neue Print Layout verliere ich hier absichtlich keine Worte) mit den Worten zitiert: „Der Umzug spiegelt die kulturelle Vielfalt Berlins wider“.

Wow.
WOW!
WOWereit!

Selten habe ich eine derart klare, durchdachte und vor allem den Kern treffende Analyse in einem Satz gehört.

Doch! Da fällt es mir wieder ein:

Kürzlich warst Du auf RadioEins zu hören, da warst Du bei der Premiere von „Troja“ dabei (Premierenfeiern sollen in Berlin ja inzwischen nach Deinem Terminkalender gerichtet sein, damit Du auch bei allen dabei sein kannst) und hast Deine Eindrücke mit den Worten „Brat Pitt hat einen netten Hintern und ist auch sonst ganz sexy“ oder ähnlich zusammengefasst. Das war auch sehr groß formuliert.

Die böse Presse, lieber Klaus (ich bleib‘ mal beim Du, du), vermutlich zitieren sie Dich mal wieder falsch. Sicher hast Du auch noch gesagt „Nun, ich finde, dass sich Wolfgang Petersen durchaus mehr an den überlieferten historischen Tatsachen hätte orientieren können“, aber das wurde natürlich wieder rausgeschnitten. Oder warst Du in Wirklichkeit gar nicht bei der Premiere, sondern hast Dir stattdessen im Rathaus die Nacht um die Ohren geschlagen und überlegt, wie man die Probleme dieser Stadt in den Griff bekommen könnte?

Im Ernst, Klausi … na, nun wollen wir mal nicht übertreiben, also noch einmal:

Im Ernst, Herr Wowereit (denn in Wahrheit finde ich, ein Bürgermeister gehört gesiezt), nicht, dass ich es nicht auch schön finde, dass wir einen BM haben, der sich sehen lassen kann und das auch tut. Das ist schon okay.

Ich würde nur mal gerne andere Fotos von Ihnen sehen, als die, auf denen sie wahlweise bei politischen Pflichtveranstaltungen in dritter Reihe hinter irgendwelchen wichtigeren Personen bemüht sind, ernst auszusehen oder auf denen Sie in irgendeiner VIP Lounge der vielen Veranstaltungen Berlins so vor sich her loungen.

Und vor allem würde mir ihre Präsenz in der Presse viel mehr Spaß machen, Herr Wowereit, wenn ich dadurch den Eindruck bekommen würde, sie würden sich um diese Stadt kümmern. Es ist nämlich so, dass es hier ein bisschen was zu tun gibt. Kinderläden, Schulen, öffentliche Einrichtungen, Unternehmer und Familien und sicher viele mehr können Ihnen einen Teil der Probleme näher bringen, falls sie Ihnen nicht geläufig sind (man bekommt ja Nachts nicht so viel mit), und wenn das alles erledigt ist, können wir uns ja mal mit Netzaktivisten treffen und die Themen „E-Government“ und „freie Netze“ durchsprechen.

Ja, es gibt eigentlich eine Menge zu tun für einen Bürgermeister, hier in Berlin.

„Manchmal ist das Leben in Berlin gar nicht so einfach“, stellen Sie am 29.5.2004 völlig richtig fest in Ihrer Kolumne im Berliner Kurier, der Tageszeitung für den intellektuellen Bildungsbürger. Und fahren dann fort: „In Berlin ist einfach zu viel los für leichte Entscheidungen. Neben attraktiven Ausstellungen, interessanten Theateraufführungen und Konzerten locken auch noch der Karneval der Kulturen und König Fußball mit dem DFB-Pokalfinale.“

Und dann muss ja auch noch regiert werden, verdammter Mist, wie soll man das denn alles schaffen? Und als wäre das nicht stressig genug, muss man sich ja auch noch um die eigene Website kümmern, übrigens die einzige mir bekannte, bei der man das Intro überspringen kann, obwohl es zumindest für Mac User gar keines gibt. Innovativer Ansatz, alle Achtung!

Die Kochrezepte könnte man allerdings mal wieder überarbeiten, der Link auf der Startseite zu Ihrer oben erwähnten Kolumne ist falsch, und beim „Webspot“ wird mir gar nichts angezeigt, außer, dass ich Flash 5 brauche. Soll ich das bei mir installierte Flash 7 jetzt lieber wegschmeißen? Sind da Viren drin?

Ich bin mir sicher, dass ich Ihnen Unrecht tue. Ich beobachte bestimmt zu oberflächlich. Schließlich gibt es ja auch Radiowowereit, und da geht’s knallhart zur Sache. Da wird kein Blatt vor den Mund genommen. Da wird Klartext gesprochen. Da erfährt man zum Beispiel ihr beachtliches Konzept gegen Gewalt an Schulen: Bestrafen, pädagogisch darauf hinweisen, dass Gewalt nicht so gut ist und letztendlich immer daran denken, dass die Schule ja nur einen Teil der Erziehung übernimmt, die Anderen müssen den Kindern auch beibringen, was richtig und falsch ist. Die Anderen, das sind Eltern und Sportvereine. Die meisten Eltern, die ich kenne, sind vermutlich zu beschäftigt damit, zu arbeiten, um sich die teuren Sportvereine für die lieben Kleinen leisten zu können und daher prügeln sich ihre Kinder. Aber das hört ja bald auf, wenn auch die letzten Sporteinrichtungen pleite sind. Und alles wird sowieso besser, denn genau wie Sie, Herr Wowereit, bin ich der Meinung, dass in Berlin in 10 Jahren sicher alles „ganz toll“ sein wird.

Ach, diese Statement sind aus dem Jahr 2001 und somit gar nicht mehr aktuell? Konnte ich nicht wissen, sorry, die Dateien auf der Seite sind allesamt ohne Jahreszahl datiert worden (sic!). Das erklärt dann auch, warum der Link auf den Livestream von Radiowowereit nicht funktioniert, denn Cyberchannel gibt es ja nun wohl schon lange nicht mehr. Ich hoffe doch, der Umzug nach Berlin damals fand nicht wie bei Universal mit Berliner Geldern statt? Sonst wären die womöglich noch Schuld an unserer finanziellen Notlage!

Vielleicht erwarte ich einfach zu viel von einem Bürgermeister. Vielleicht ist es ja so, dass alle tatsächlichen Aktivitäten ausschließlich vom Senat ausgehen müssen, dem Sie zwar vorstehen, den Sie aber natürlich nicht beeinflussen können, da Ihre Rolle viel mehr eine repräsentative ist?

In diesem Fall, Herr Wowereit, hätte ich dann doch lieber eine echte Königin.

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