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mem Köln

mem? Sagt Euch noch nichts? Macht noch nix.

Die mem (music entertainment media) fand im Rahmen der c/o pop vor zwei Wochen statt und gilt als Kölner Nachfolger der ja nun in Berlin stationierten PopKomm.

Nachdem die PopKomm in den letzten Jahren durch diverse Einflüsse zumindest für Besucher wie mich (irgendwie Branche, irgendwie Konsument, irgendwie engagiert und interessiert) uninteressant geworden war, überraschte mich die mem sehr positiv.

Ein überschaubarer, dafür aber sehr kommunikationshungriger und kompetenter Teilnehmerkreis (schätzungsweise 600 Menschen) sorgte dafür, dass „man“ sich traf und kennenlernte. Dazu hat sicher nicht nur der Kongress selbst beigetragen, seine entspannte, professionelle und vor allem sehr unprätentiöse Organisation, sondern sicher auch die derzeitige Marktsituation:

Der gordische Knoten des Online Musikmarktes ist endlich geplatzt, Apple und (wenn auch bisher lange nicht so gut und erfolgreich) andere beweisen, dass der Online-Musikmarkt funktionieren kann. Das, was sich viele Nutzer seit Jahren wünschen, hat also endlich begonnen, selbst wenn es noch lange nicht in der Form vorliegt, wie wir es uns vorstellen können.

Wohin es gehen kann und soll und was dabei im Wege steht, das war in etwa das Thema des Panels, zu dem ich freundlicherweise eingeladen war. Genauer gesagt hieß das Panel „Links and Rights“ und fragte im Untertitel „Wie können die Arbeitsprozesse zwischen Technologieanbietern und Rechteinhabern Rechtssicherheit gewähren, ohne die Wertschöpfung zu behindern?“, aber diskutiert wurden letztendlich (wie in einigen anderen Panels später auch) die üblichen Fragen zu den Themen Digital Rights Management (DRM) und zur Wahrnehmung diverser Rechte.

Da jeder Panel Teilnehmer sich und seinen Standpunkt in einem kurzen Vortrag vorstellen sollte, hatte ich brav eine unspektakuläre Keynote-Präsentation vorbereitet, da ich aber der einzige Teilnehmer dieses einen Panels war, der das getan hatte, verzichtete ich auf den Einsatz meines PowerBooks und referierte frei. Für die ganz nerdigen unter Euch gibt es hier eine langweilige PDF-Version der Keynote Datei.

Eine meiner Hauptforderungen ist, wie LeserInnen wissen, das komplette Einstellen von DRM. Als sich nach mir Thorsten Schliesche von T-Online/Musicload vorstellte, erwartete ich naturgemäß eine Retourkutsche bzgl. dieser meiner äußerungen und wurde enorm überrascht:

Nach den bisherigen Erfahrungen, so Herr Schliesche sehr diplomatisch und vorsichtig, sollte man zumindest prüfen und überlegen, ob diese Forderung nicht berechtigt sei. DRM verschlucke enorme finanzielle und andere Ressourcen und biete (böte?) dabei tatsächlich keinen echten Schutz.

Ich war ziemlich baff, aber erfreut ob dieser Aussage. Findet hier etwa gerade ein Lernprozess statt?

Herr Schliesche wirkte ohnehin kompetent und gelassen, allerdings auch etwas frustriert. Geld verdienen könne man derzeit mit legalen Downloads nicht, betonte er mehrfach, obwohl Musicload mit bis zu 1,49 EUR pro Song teurer als bspw. Apple sei. Die Anzahl der Mitverdiener sei zu hoch und lasse keinen finanziellen Spielraum für redaktionelle Arbeit oder Marketing, man befinde sich in einer Experimentierphase. Schliesche verwies darauf, dass Apple, dessen iTunes Music Store übrigens von insgesamt acht (!!) Mitarbeitern in den USA betrieben wird, den Store über iPod Verkäufe finanziere.

Dies bekräftigte meine Theorie, dass mit dem Verkauf reiner Musikdaten einfach kein Geschäft zu machen ist, sondern nur in Kombination mit Dienstleistungen oder anderen Produkten.

Dieser Tatsache mochten einige Besucher noch nicht ins Auge schauen und warfen in einem weiteren Panel selbst den legalen Download-Anbietern vor, sich ungerechtfertigter Weise zu bereichern. Als hätte ein „normaler“ Plattenladen jemals aktiv Künstler gefördert, forderte ein Panelbesucher von den Plattformbetreibern, sich doch selbst um Künstlerentwicklung zu kümmern, statt diese Arbeit den Labels zu überlassen, die dafür angeblich keine finanzielle Grundlage mehr sehen würden.

Selbstverständlich wiesen die Plattformbetreiber diese absurde Forderung zurück, man habe Kernkompetenzen im technischen Bereich und wolle nicht anfangen, die Arbeit von Plattenfirmen zu übernehmen.

Glücklicherweise kam Kritik an solchen äußerungen jedoch nicht nur von der Bühne, sondern auch von kompetenten BesucherInnen, die darauf verwiesen, dass die Branche, zu der sie selbst gehörten, bis vor kurzer Zeit noch unglaubliche Gewinnmargen gehabt hätte (von denen Künstler nur hätten träumen können), und dass diese Gewinne jahrelang für Spesen, obszöne Gehälter und unnötige Posten verprasst worden wären. Wie gesagt: Diese Sätze kamen von derzeitigen und ehemaligen Angestellten großer Plattenfirmen.

Vo allen Seiten bemängelt wurde zu Recht die Unbeweglichkeit von GEMA und IFPI in den Bereichen der neuen Medien, die so neu gar nicht mehr sind. Besonders die GEMA als Quasimonopolist scheint Entscheidungen bzgl. der Urhebervergütungen und Onlinetarife aussitzen zu wollen und hemmt mit streckenweise absurd überhöhten Pauschalen z.B. für Netzradios Innovation und Fortschritt.

Nachdem ich auf „meinem“ Panel noch über die Unbenutzbarkeit einiger bestehender Downloadplattformen hergezogen bin und deren Einstellung innerhalb kürzester Zeit prognostiziert hatte, sprach mich nach der Diskussion direkt ein verantwortlicher Mitarbeiter von Sony an und wollte gerne mehr über meine Kritik an Connect hören.

Im abendlichen Gespräch mit Ihm kam dann das alte Problem der Mega-Konzerne wieder zum Vorschein, denn kaum ein Argument meinerseits gegen die Vorgehensweise von Sony konnte wirklich ausgehebelt werden. Das eine könne man nicht machen, weil die Japaner es nicht zuließen, das andere nicht, weil die Amis, dann die großen Kommunikationswege… usw.

Man erkennt, dass der Ball eigentlich wieder einmal bei den kleinen flexiblen Firmen liegt, dass die Zeit für Spezialisierung, wie sie z.B. finetunes (die man leider auch nicht komplett kritiklos klasse finden kann, die aber immerhin an Linux und Mac User denken und teilweise ohne DRM arbeiten) betreibt, reif ist.

Die weitgehende rechtliche Grundlage dafür müssen jedoch die Verlage und Labels sowie deren Vertreter und Interessensverbände schaffen, damit eine bunte Vielfalt an großen und kleinen Onlinevertrieben, Radios und Communities möglich ist.

Die treibende Kraft für diese Grundlagen können jedoch nur die Autoren und Künstler selbst sein, und vielleicht gilt ihnen meine derzeitige größte Kritik. Nicht nur die Labels verschlafen die Zeichen der Zeit, sondern auch die Künstler. Es ist sicher leicht für einen unbekannten Newcomer, seine Songs ohne DRM ins Netz zu stellen- das hierzu stattfindende NetLabel-Panel zeigte, dass viele der Künstler dies nur tun, um einen „echten“ Plattenvertrag zu ergattern. Was jedoch wirklich nötig ist, sind erfolgreiche Künstler, die sich äußern und engagieren, die ihre Rechte einfordern, die laut fragen, wieso sie den kleineren Pozentsatz der Einnahmen aus Plattenverkäufen erhalten und nicht den größeren, die ihren Labels kündigen und den Vertrieb selbst in die Hand nehmen.

Erst wenn die Grönemeyers, ärzte und Toten Hosen dieser Branche Zeichen setzen, werden diese auch erkannt werden.

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