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Weiter denken

Sehr, sehr gute Fragen, die mir allesamt in den letzten Tagen auch so oder ähnlich durch den Kopf gehen, stellt MEX u.a. zum Thema Blogs und ihre möglichen Auswirkungen.

Die Befürchtung liegt nahe, dass auch Blogs – wie so viele Bereiche der Netzkultur – früher oder später „aufgefressen“ werden und sowohl ihre Glaubwürdigkeit als auch ihre ursprüngliche Funktion verlieren. Die Hoffnung liegt jedoch noch näher – wie in ebenso vielen Bereichen der Netzkultur – dass dies neue Kreativität, Software und Stimmen hervorbringen wird.

11 Kommentare

  1. 01

    Mein Blog ist absoluter Selbstzweck. Ich habe mir auch schon oft die Frage gestellt, ob es Sinn macht, gewagtere Kommentare zu vertreten. Für mich macht es keinen: Ich habe das Geld gar nicht, meine Meinung zu verteidigen; im Prinzip kann jeder daherkommen und mich auf Fantasiesummen verklagen. Ob er damit Erfolg haben würde, ist irrelevant, weil ich nicht mal einen Rechtsanwalt bezahlen kann, der mich vertritt – ich scheitere also schon im Vorfeld.

    So sind viele Kommentare wieder rausgeflogen, nach einer Lebenszeit von maximal vier Stunden. Ich bringe nur noch das, was ich absolut belegen kann, und ich bringe Kommentare optisch separiert. Denn eine Meinungsäußerung steht per se nicht unter Strafe.

    Eingriff in einen Geschäftsbetrieb – Gott behüte. Vade retro, Satanas! Wenn sich die Gelegenheit ergibt, ein Fakt-Meldung geeignet zu kommentieren, versuche ich es, vielleicht. Wenn überhaupt: Keine Namen, oder erfundene Bezeichnungen an deren Stelle, wie das eben ein guter Journalist macht, der seinen Job nicht verlieren möchte…

  2. 02

    Ich bin mir nicht sicher, ob Blogs zu getarnter Propaganda für bestimmte Produkte gut geeignet sind. Ich vermute, dass Werbebanner und Fernsehwerbung mehr erreichen. Man müsste es wohl kombinieren: Mit klassischer Werbung Aufmerksamkeit erregen und dann bestellte Blogbeiträge „zufällig“ bereitstellen. Aber wie bei allen Internetsites muss man diese dann erstmal finden. Und wenn ein Blog in schöner Regelmäßigkeit Produkte lobend erwähnt, fällt das bestimmt auch irgendwie auf.

    Anfälliger für Schleichwerbung scheinen mir da eher Sites mit Verbraucher- oder Testberichten.

  3. 03

    Wenn kalkulierte Subtilität eingesetzt wird, kann ein Blog sehr viel erreichen. „Guerilla“ Kampagnen per E-Mail funktionieren ja auch teilweise schon ganz gut (wobei die meist nicht subtil sind) und ich kann mir „gesponsorte“ Blogs ziemlich schnell vorstellen.

    Yanestra: Solange du deine eigene Meinung als solche kennzeichnest und keine Rechte anderer dabei verletzt, darfst du diese Meinung auch ungestraft äußern, gibt’s gratis beim Demokratie-Abo dazu. :) Und ansonsten gilt natürlich, dass sorgsame Recherche auch außerhalb des Netzes immer Sinn macht.

  4. 04

    @johnny: Könnte man solch gesponserte Blog nicht doch schnell erkennen? Denn wenn allzuoft Produkte gelobt oder gedisst werden fällt das doch auf. Wenn man zig verschiedene Blogs aufzieht oder „einzukauft“ läuft man Gefahr, dass einer plaudert. Und wenn man damit Stimmung machen will muss man doch auch ein gewisses Renommée in der Szene haben oder interessantes Zeug bloggen, sonst wird man doch nicht verlinkt.

    Da ich mich beim Blog Who-is-who nicht auskenne und interessiert (den SWR habe ich nur mal kurz angeschaut) und höchsten zufällig bei der Blog-„Elite“ vorbeischaue wäre ich vielleicht anfällig für solche Marketingmethoden, aber von einmal was lesen auf einer Site, die mir nichts sagt, mache ich doch keine Entscheidung abhängig. Ich würde dann rumgoogeln und weitere Infos finden. Und damit die auch alle Propaganda schreiben muss man schon viel zu viele miteinbeziehen. Und „Schläfer“ als Blogger einzukaufen, die man dann einmal im halben Jahr was schreiben lässt, naja, erscheint mir nicht lohnend.

    Ich hatte mal für eine Info-Site zur „Grünen Gentechnik“ geschrieben. Das Projekt war von der Industrie gesponsert und die hoffen durch Aufklärung die ablehnende Stimmung zu brechen. Für die Site wurde nie normale Werbung gemacht, also wurden nur interessierte Gruppen erreicht, die aber von Haus aus kritisch sind. Die Industrie-Jungs träumten natürlich von einer meinungsmachenden Site, die zig Verbraucher erreicht, aber das hat nicht geklappt. Die Site läuft nicht mehr, ein Konkurrenzprojekt gibt es noch. Aber wer kennt biosicherheit.de? Aber Greenpeace kennt hingegen jeder.

  5. 05

    Das ist auch meine Hoffnung, dass jede Äußerung genau so anfällig für Zustimmung wie für Ablehnung ist. Die schnelle Unkontrollierbarkeit ist ein Manko, aber auch ein Plus. Der Jamba Artikel hätte Schelte von allen Seiten bekommen, wäre er nicht „sauber“ gewesen. Vielleicht ist das der Grund, warum so viele Links zum Artikel gekommen sind: Er ist sehr sorgfältig recherchiert, er war seit einer ganzen Weile in Planung. Kein Schnellschuss, kein dummes, schnelles „Mal eben über eine Firma herziehen“.

    Ich kenne übrigens die „Blog Elite“ auch nicht. Gerade deshalb hat mich die Masse der Reaktionen umgehauen. Na klar hat es mich gefreut, aber ganz ehrlich auch etwas erschrocken. Glücklicher Weise waren die meisten Reaktionen recht sachlich.

    Aber: Was wäre, wenn ich Geld von Zed bekommen hätte? Die sogar noch in den Kommentaren ihr Fett abbekommen? Hätte das jemand bemerken können?

  6. 06

    Und selbst wenn – wäre das schlimm?
    Blogs sind kein Journalismus, egal was manche Starblogger sagen. Sie sind personal publishing.
    Wer immer sich mit PR und Blogs beschäftigt, wird nach dreimal Nachdenken Abstand nehmen von der Idee, bezahlte Blogger in so einer Weise einzusetzen. Auch der Marqui-Fall war im Grunde Event-PR (es genügt doch schon, drüber zu reden, um den Effekt zu erzielen, der gewünscht war).
    Etwas anderes ist es, Blogger mit Renomee zu identifizieren, die mir als Unternehmen positiv gesonnen sind – und sie wie andere Multiplikatoren auch in meinen Kommunikationsplan einzubeziehen.
    Auch du, Johnny, wirst durch diese Sache jetzt mit Sicherheit in der Fokus von Unternehmen kommen, die glauben, dass deine Themen mit ihren Produkten eine Überschneidung haben.
    Schlimm? Oder nett?

  7. 07

    Warum kann ein Blogger kein Journalist sein? Wo liegt der Unterschied? Klar ist ein Blog-Eintrag je nach Tonalität eher mit einer Glosse oder einem Kommentar oder einer Kolumne eines „klassischen“ Mediums vergleichbar, aber auch die werden von Journalisten geschrieben. Die auch nicht immer Geld dafür bekommen.

    Falls Unternehmen sich für Spreeblick oder andere Blogs interessieren, ist das allein nicht schlimm, wobei ich das in meinem Fall ob der inhaltlichen Inkonsistenz für eher unwahrscheinlich halte. In jedem Fall genügt ja aber ein gewisses Maß an Transparenz in der Selbstdarstellung eines jeden Blogs. So habe ich z.B. schon oft über Gastblogger auf Spreeblick nachgedacht – wenn das so käme, würde es eben kommuniziert werden. Und wenn Spreeblick gesponsort werden würde, eben auch. Fraglich bleibt, ob die inhaltliche Freiheit, die Egozentrik eines persönlichen Blogs erhalten bleiben könnte, wenn das Interesse von Unternehmen über ein sichtbares Sponsoring hinaus ginge.

    Schlimm ist das alles aber natürlich nicht. Blog-basierte, gesponsorte und auch kommerziell erfolgreiche Online Magazine wie gizmodo.com zeigen ja, dass es eine Mischform gibt, die zwar noch immer „personal“ sind, aber sicher als journalistisch zu betrachten sind.

    Man bräuchte hier langsam doch ein Forum, da wir bald zur Frage kommen, ob Blogs in manchen Bereichen die Antwort auf die Situation des Journalismus sein können (Redigierung der Texte, niedrige Löhne, vorgebene Themen etc.).

  8. 08

    Klar gibt es Mischformen und klar gibt es Journalisten, die bloggen. Ich bilde mir meine Meinung heute auch eher über Blogs und längerzyklische Medien als über tagesaktuelle.
    Vielleicht bin ich naiv, aber ich kann urzeit nicht erkennen, wie Unternehmen ernsthaft Blogs „kapern“ könnten. Entweder sie machen es blöd und halbtransparent wie das WienLog (siehe bei Martin Röll) oder so offen, dass jedem sofort klar ist, dass dieses Blog zu einem Unternehmen gehört. Die Business-Blog-Diskussion halt.
    Immerhin hast du aber, so wie es aussieht und wie ich viele Reaktionen aus der PR-Szene erlebe, einen unschätzbaren Beitrag dazu geleistet, dass Blogs auf einmal in den Fokus von PR geraten :-)

  9. 09

    Nee, an ein glaubhaftes „Kapern“ glaube ich auch nicht, aber allein das Einmischen könnte so störend sein, dass es keinen Spaß mehr macht. Man stelle sich vor, die betreffenden Kommentare zum Jamba Artikel wären klüger rübergekommen und nicht so offensichtlich gewesen…

    Das mit den Auswirkungen war ja nicht wirklich ich. Das waren ja eher die Comments. :)

  10. 10

    Was unterscheidet denn Blogs von der nicht-virtuellen Welt? Wie gekapert war die Computerzeitschrift Chip, für die es jahrelang nur Microsoft gegeben hat?

    Mein Blog bin ich, und wenn man mich dafür bezahlt, dass ich eine Firma gut finde (und das auch tue), dann ist das immer noch ich. Ich schreibe sicherlich für die Leser, aber deswegen bin ich keine demokratische Institution.

    Einige Blogger sind gekauft worden – arbeiten jetzt im Dienste eines Verlagshauses – und deswegen formal nicht schlechter geworden. Nur ihre Kritik ist weniger ätzend.

    @johnny: Deine Vorstellungen bezüglich Demokratie empfinde ich als belustigend naiv.

  11. 11

    Yanestra, die Unterschiede zwischen einem Blog und einer Verlagshaus-Printpublikation muss man doch nicht wirklich auflisten, oder? Das geht mit den weit auseinander liegenden wirtschaftlichen Zwängen und Bedingungen los, geht mit der komplett anderen Personalstruktur weiter, blah fasel.

    Ein Blog ist keine demokratische Institution, aber natürlich ein Kind der Demokratie. Und daher sind deine Bemerkungen im ersten Comment auch etwas falsch, du brauchst kein Geld, um deine Meinung zu verteidigen und es kann dich auch nicht einfach jeder verklagen, weil du diese äußerst. Wenn du dich also tatsächlich aus diesen Gründen nicht traust, gewagtere Kommentare (was immer das sein mag) zu veröffentlichen, dann bist du falsch informiert.

    Siehe hierzu ganz frisch:
    http://klauseck.typepad.com/prblogger/2004/12/2_nachgebloggt_.html

    Hach, und das mit der Naivität… Ob es realistisch ist, zu glauben, jemand würde dich dafür bezahlen, dass du gut über eine Firma schreibst, wenn du das ohnehin schon tust, wage ich zu bezweifeln. Die meisten Menschen werden leider bezahlt, um Dinge zu tun, die sie ansonsten nicht tun würden. :)