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Wenn das Leben Werbung imitiert

Vor ein paar Jahren wollte ich eine Foto-Sammelserie zum Thema „Beckerfaust“ starten. Denn in jeder Werbung, die wahlweise mit versprochenem beruflichem Erfolg, einer DSL-Anbindung oder dem Internet in irgendeiner anderen Form oder dem erfolgreichen Erwerb einer sinnlosen Ware zu tun hatte, musste man Bilder von verzerrt grinsenden Menschen Wesen ertragen, die eine oder beide Fäuste zum Himmel reckten. Meist sprangen sie dabei gerade auch noch hoch.

Ich habe die Arbeit an diesem Kunstprojekt (klar…) nie aufgenommen, weil ich immer beim Betrachten der Bilder brechen musste. Hätte ich sie aufgenommen (die Arbeit, nicht die Bilder), hätte sie jetzt mit diesem Foto einen würdigen Abschluss gefunden.

faust

Das Bild aus einer Beilage der Werber-Zeitung HORIZONT zeigt v.l.n.r. Rudolf Gröger (CEO O2/Vorstandsmitglied MMO2), Karen Heumann (Vorstandsmitglied Jung von Matt) und Michael Grabner (stellv. Vorsitzender Verlagsgruppe Holtzbrinck).

Sie sind die „Männer und Frauen 2004“, und Frau 2004 Heumann beweist in der Mitte des Bildes, dass es gar nicht gut ist, wenn man sich jahrelang zu viele Stock-Fotografien ansieht. Man hält die darauf abgebildeten Posen nämlich irgendwann für echt total emotional und äfft sie nach.

Aber ich will das Bild nicht überbewerten, ich kenne die bestimmt herzensgute Frau ohne Hemdberater schließlich nicht, es gibt auch gute Werbung von J.v.M. (wobei ich den Begriff „gute Werbung“ langsam für ein Absurdum halte, vgl. auch: „gerechter Krieg“) und man kann sich ja auch mal etwas daneben benehmen, wenn man sich ganz dolle freut. Dann beschreibt man den eigenen Beruf auch schonmal mit den Worten:

Man beschäftigt sich nicht nur mit Sehnsüchten, Images und Träumen, sondern auch mit der Frage, warum bestimmte Knödel gegessen werden und andere nicht.

Stattdessen bereite ich mich mental auf die HORIZONT Multimedia Awards 2008 (Kategorie: Blogs) vor. Denn ich beschäftige mich nicht nur mit Inhalten, Pingbacks und Meinungen, sondern auch mit der Frage, warum bestimmte Dinge ungenießbar sind und andere nicht.

13 Kommentare

  1. 01
    domnik

    Für mich sieht’s eher so aus, als wollte Frau Heumann ihrem männlichen Beiwerk gleichzeitig zwei Kinnhaken verpassen…

  2. 02
    Bow

    mhhh knödel… ;)

  3. 03
    neolith

    Stock-Fotos sollten eh verboten werden.

  4. 04

    @ dominik
    Oder mit viel Phantasie könnte man meinen, dass sie die beiden Typen an der Leine (Krawatte) hält…

  5. 05

    Johnny du darfst nicht vergessen das Personen wie den dort unterabgelichteten der „Stock“ im A**** oftmals das Rückgrad ersetzt das Menschen mit Anstand und Würde ihre Aufrichtigkeit gibt.

    Sowas existiert leider in der Werbewelt nicht wer .. das wird mit Klingeltönen und Jeanette Biedermann-Musik weggezüchtet.

  6. 06

    Meine erste Reaktion war auch die, die Timo beschreibt. Und Stockphotos sind zum Heulen.

  7. 07
    panzi

    Also immer wenn ich was als gute Werbung bezeichne, ist’s eigentlich mehr Filmisch gut bzw. ein guter Schertz oder so. Ob’s wircklich auch gut im Sinne von werbewirksam oder so ist, darüber hab ich mir bei Werbungen bis jetzt nur dann Gedanken gemacht, wenn es offensichtlicher Weiße nicht der Fall war.

    Also eine gute Werbung ist somit für mich das:
    http://pecret.busythumbs.com/entry_id/70376/action/viewentry/

    Is die ne gute Werbung? Hmm sie wirbt für ein Auto. Welche Marke: keine Ahnung. Also ist sie _eigentlich_ eine schlechte Werbung, ich find nur die Story/Umsetzung/Computergrafiken gut. ;)

  8. 08

    Warum bekomme ich bei solchen Bildern immer eine Gänsehaut?!
    Das ist so peinlich…

  9. 09
    tanja

    Und mich hätte in diesem Zusammenhang noch interessiert, warum online Banking im speziellen und Internet Benutzung im allgemeinen immer als eine Tätigkeit kommuniziert wird, die man (Frau zumeist!) auf dem Flokati liegend, am Laptop vollzieht.
    Dabei scheint es unabdingbar, die Beine in eine angewinkelte Position zu bringen und die Füße zuvor in kuschelige Socken gemummelt zu haben.

  10. 10
    Frank

    @ tanja
    Nicht zu vergessen die Kaffeetasse, die malerisch neben dem Laptop drapiert wird…

  11. 11

    Glücklicherweise wirbt der Autor nicht für seinen spreeblick-shop, das wäre dann ja Werbung.

  12. 12

    Gordon: Pop-Ups, Pop-Unders, Skyscraper Banner und Flash-Animationen sind in Vorbereitung.

    Im Ernst: Meine Abneigung gegen „Werbung“ richtet sich vornehmlich gegen ihre Besetzung des öffentlichen Raums und die Unvermeidbarkeit. Wenn dich etwas an Spreeblick stört, ist es leicht, die Site zu meiden. Wenn jedoch jeder Blick durch deine Stadt von Werbung begleitet bzw. durch sie verhindert wird, ist das eine andere Geschichte.

  13. 13
    Gordon

    Hochhauswerbung wäre doch cool! Verstehe aber was du meinst, ja.