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Liebe SMS,

weißt du noch?

Als wir uns kennenlernten? Vor ziemlich genau 11 Jahren?

Du warst mein kleines Geheimnis.

Du warst der Grund für den nervösen Unmut der anderen Tischgäste, wenn mein Blick zu lang nach unten gerichtet blieb. Der Auslöser des Zorns einer weiblichen Verabredung, die ihre Chancen mit jedem doch so subtilen Empfangshinweis, der mich jedes Mal lächelnd aus dem Gespräch mit ihr riss, schwinden sah.

Du warst ausschlaggebend für die ersten neidischen Blicke der moralisch motivierten Mobiltelefongegner im Bekanntenkreis. Du warst nach meinem Mac die häufigste Ursache für die Frage:

„Was machst du da?“

Aus dem tiefsten Schlaf konnte mich dein sachtes, kurzes, fast zärtliches „Bipp“ erwecken und die von dir damit annoncierten Zeichen, viel leiser als ein Flüstern und ebenso intim, verwandelten das banale Sprechgerät in eine Schatztruhe voller privater Botschaften und Pläne, in einen vertraulichen Boten, in einen schweigenden Mitwisser. Diese ungelenken, grob gepixelten Zeichen, die kaltem Kunststoff eine Idee von Emotionen einhauchen konnten.

Du warst schnell.

Und du warst frei.

Doch selbst als ich für dich bezahlen musste, sah ich keinen Grund, dich zu verlassen. Zu sehr warst du mir ans Herz gewachsen, warst längst der Ersatz für durch überflüssige Floskeln künstlich verlängerte Telefonate geworden. Du warst wie der mit einer Botschaft bekritzelte Papierflieger, der im Moment der Unaufmerksamkeit des Lehrers lautlos durch den Raum glitt, du warst die Sekunde der stillen Verbundenheit von Sender und Empfänger – „Gedankenübertragung“ habe ich dich gern genannt.

Und heute?

Heute wirst du, ohnehin schon knapp bestückt mit Freiraum, absichtlich kurz gehalten oder brutal überfordert. Voller Abkürzungen, Codes und Chiffres versucht man dich als Jugendstil zu verkaufen und tritt deine klassischen Qualitäten dabei mit Füßen. Du musst dich mühen, mit den Großen spielen zu dürfen, tauchst neben E-Mails auf und sollst ihnen dabei sogar ähnlich sehen, wirst mit kleinen Stiften oder Tastaturen auf farbige Bildschirme getrieben und wenn du dem größenwahnsinnigen und zur Selbstbeschränkung unfähigen Sender nicht genügst, kettet er dich an eine zweite deiner Art. Ob du willst, oder nicht.

Während ich damals der Faszination deiner monochromen Simplizität erlag, kann ich dich heute ob deines traurigen Schicksals nur noch bemitleiden.

Und selbst, wenn dein baldiger Tod ebenso wenig in deiner persönlichen Verantwortung liegt wie dein ruhmreicher Aufstieg: Unsere Wege werden sich trennen müssen. Zu unterschiedlich sind unsere Ansprüche geworden. Wir haben uns auseinandergelebt.

Doch ich werde mich immer an dich erinnern. Du warst toll.
Johnny

P.S.: Wenn’s endlich ’ne GPRS-Flatrate gibt, läuft das eh alles über mobiles Instant Messenging.

17 Kommentare

  1. 01

    sorry, aber ich kann der sms keinen kult abgewinnen und auch nichts nostalgisches, damals als sie noch „ganz toll neu“ war. Klassische Qualitäten bei SMS kann ich mir auch kaum vorstellen. Warum heisst es Short Message System? Damit man Romane damit schreibt?

    übrigens könnte man ja auch hingehen und seinen abgesang auf was weiss ich halten. Schokoladenkekse, die jetzt jeder isst, oder Alcopops, die jetzt jeder trinkt, oder Band XYZ die jetzt jeder hört. Telekommunikationsmittel sind einfach nunmal dafür da, dass sie jeder nutzen sollte und kann. umso mehr umso besser… :)

  2. 02

    Ach mensch Benny! Der Johnny hat doch einfach nur eine kleine nette Allegorie schreiben wollen. „Beziehung“ als abstraktes Konzept wird durch eine beinahe schon banal wirkende Alltagstechnologie versinnbildlicht. Also, was ich sagen möchte ist:
    Mir hat’s gefallen.

  3. 03

    Ich würde gerne einen Abgesang auf Geschlechtsverkehr halten, aber ich kann mich nicht mehr daran erinnern :'(

  4. 04

    Catweasel: Ja Sorry, dann ist irgendwie der Gegenstand komisch gewählt. Oder ich bin eifnach zu geschafft um sowas hohes in meinen Kopf reinzukriegen :)

  5. 05

    Benny: Jep, der Freitag schafft wohl die meisten. Aber mal was ganz anderes…Rhein in Flammen war doch klasse! Es gab Zeiten, da dauerte das Feuerwerk übrigens noch ganze 45 Minuten. War ne schöne Zeit, damals in Bonn, als die Kühlschränke noch nach innen aufgingen…

  6. 06

    hehe, 20 minuten hat es dieses jahr gedauert. und bis auf drei vier herzen die da gezaubert wurden (leider keine fotos davon) ist nichts großartiges dabei rumgekommen. kalt wars auch, und matschig. :(

    Nach innen aufgehende Kühlschränke hab ich hier leider nicht, in Bonn, wo gibts die zu kaufen?

  7. 07
    Els

    die sms hat noch ein paar tage. wird so schnell nicht vom messenger abgelöst – schliesslich gibts auch heute noch genug leute, denen man lieber ne email aufdrückt als sich tatsächlich mit ihnen per chat/messenger auseinander zu setzen. ne email ist geschrieben und abgeschickt und abgehakt. Ein chat erfordert viel mehr floskeln und herumgerede und begrüßungen und verabschiedungen die sich hinziehen. Also auch mit GPRS-Flatrate lebt die sms weiter.

  8. 08

    ich habe in meinem leben bisher eine einzige sms geschrieben. nein. zwei. eine zum testen, ob es funktioniert, und eine zum testen, ob die antwortfunktion funktioniert.

    hat beides geklappt.

  9. 09

    Kurz nachdem ich und SMS uns kennengelernt haben, entwischte mein Mobiltelefon in die Donau und wir (SMS et moi) haben uns erst viel später wie der neu kennengelernt. Meistens stand das Biest aber unter dem schlechten Einfluss neurotischer Mädchen. Dafür nicht Danke und jetze nur noch Adlatendienste. Niedrigsten Ranges. Jawohl.

  10. 10
    Katharina

    Hm, Allegorie…? Neurotisch hin, Mädchen her – ich mag simsen. Ich geb das auch offen zu. Find’s praktisch. Und eine gut geschriebene (!) sms ist was richtig Feines.

  11. 11

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  12. 12

    Ich mochte SMS noch nie und fand und finde es eher lästig wenn ich eine bekomme. Umso mehr, wenn ich darum gebeten werde zurückzuschreiben. Meistens rufe ich dann einfach kurz an. Das ist nicht nur schneller, sondern meist auch noch günstiger.

    Trotzdem: sehr herzerweichend formuliert. :)

  13. 13

    tja catweasel ich bin nicht der einzige, der es auf den ersten blick nicht richtig rafft oder missinterpretiert. jaja, irgendwas muss also am konzept schon einfach falsch sein ;) *hüstel, rausred*

  14. 14

    Offene Texte neigen zu Polarisierungen und ich finde das völlig in Ordnung so. Wie man sieht fördern sie den Diskurs und besitzen allein deshalb schon Klasse.

    Jetzt hör ich aber mal auf mit der Spreeschleimerei hier. Dein Blog ist übrigens auch nicht zu verachten, Benny.

    Zurück ins Funkhaus.

  15. 15
    sek

    „spree6″…
    „spree6″…

    Blödes Mist…

    „spree6“
    „spreeeeee6“!

    Toll, wieder nur Abzocke :(

  16. 16

    o2 hat seit einiger seit eine gprs flat für 4,95… icq, email usw. funktionieren damit tadellos….