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Mund-Propaganda

In der Praxis meiner Zahnärztin gibt es auch eine Prophylaxe-Expertin, die sich gut mit Spucke auskennt, diese analysieren kann und mir regelmäßige Reinigungstermine empfohlen hat. Für die Zähne, nicht für den Speichel.

Das ist erstmal prima. Vorbeugen macht ja Sinn. Auffallend ist jedoch trotzdem, dass die verstärkte Prophylaxe aktueller Trend zu sein scheint, denn auch im Bekanntenkreis gibt es eine erhöhte Empfehlungsquote im Zahnreinigungsbereich. Und jetzt auch noch das hier.

Grund genug also, meine Zahnärztin zu fragen, woher dieser Trend kommt. Denn es überrascht ein wenig, dass die eigentlich logische Schlussfolgerung „Besser vorbeugen gleich weniger Reparaturen“ meinen diversen Zahnärzten in den vergangenen 30 Jahre nie in den Sinn gekommen war. Meine bisherigen Zahnärzte haben immer repariert und nie vorbeugend beraten oder gehandelt.

Die ehrliche Antwort meiner Zahnärztin weiß ich zu schätzen, selbst wenn sie mich nicht überrascht hat. Prophylaxe habe nie Geld in die Kasse gebracht. Beratung auch nicht. Geld haben Zahnärzte in der Vergangenheit allein mit Reparaturen verdient, besonders Kronen waren sehr beliebt. Was auch erklärt, warum sich meine früheren Zahnärzte beim Erstbesuch immer wie KFZ-Mechaniker angehört haben: „Eieieieiei, wer hat ihnen denn die eingebaut? Die müssen raus. Da müssen dringend neue rein. Lassen sie sich mal vorne 72 Termine geben.“

Es habe sich mit der Gesundheitsreform vieles für die Ärzte geändert, sagt meine Zahnärztin, die ihre frühere Einstellung zu ihren Patienten als „arrogant“ bezeichnet und vor einigen Monaten einen „Praxis-Coach“ engagiert hatte, der ihr zu einer neuen Haltung gegenüber den Kunden verholfen hat. Zum Wohle der Patienten, betont sie, und zur Minimierung der in der Vergangenheit „ungeheuren Kosten“, die auch durch das Verhalten ihrer KollegInnen entstanden seien.

Und so liegt man auf dem Behandlungsstuhl, starrt in die strahlende Siemens-Lampe, freut sich über eine offene und ehrliche Ärztin und fragt sich:

Sollte ich nach diesen Erkenntnissen nicht noch misstrauischer sein?
Oder… hat sich tatsächlich etwas getan? Etwas, das unter Umständen keine vier Monate mehr Zeit haben wird, sich weiter zu entwickeln?

Ich weiß es nicht. Aber in meinen Ohren klingt vorbeugen immer besser als reparieren.

10 Kommentare

  1. 01
    Olli

    Gibt es eigentlich einen noch ungeschickteren Platz seinen Firmennamen zu platzieren als die Zahnarztlampe? Scheint ja auch überall von Siemens zu sein. Es wundert mich, dass wir trotzdem in der Lage sind ohne Phantomschmerzen Siemens-Geräte zu kaufen.

  2. 02

    Mir ist das gestern zum ersten Mal aufgefallen. Aber meine Gedanken waren genau wie deine. :)

  3. 03

    Vielleicht hat man in der Vergangenheit kein Geld mit Prophylaxe verdient, aber jetzt schon. Denn es ist keine Kassenleistung…

  4. 04

    Das stimmt. Aber die Zuzahlungen sind in anderen Bereichen weit höher. Also entscheidet man sich eher für…?

  5. 05

    Siemens auf Zahnarztlampen (Osram liefert die Lichtquellen) und Geräten der Röntgendiagnostik, Mitsubishi auf bildgebenden Geräten der Ultraschalldiagnostik (der dazugehörige spezielle Thermo-Drucker wird von Canon hergestellt) Mercedes auf Kriegsgerät – oops, den Stern verkneift sich Mercedes allerdings bei Waffen als Teil der Zieleinrichtung, AEG auf Geräten der bildgebenden Tomographie, SEL, früher als Hersteller von Unterhaltungselektronik bekannt, hat auch Funken für die Bundeswehr hergestellt (z.B. SEM 25/35). Will damit sagen, dass Konzerne überall da mitgemischt haben und noch mitmischen, wo sie ihre Produkte für gutes Geld vermarkten können. Und ob das Siemens-Logo oder das Logo von Zeiss auf einer Zahnarztlampe prangt, ist mir ehrlich gesagt schietegal, solange ich nicht weiss, wer der Hersteller des druckluftbetriebenen und wassergekühlten Bohrers ist, vor dem ich soviel Schiss habe. Der Hersteller der Papiertücher, mit deren Hilfe mir die Arzthelferin den Angsschweiß von der Stirn rubbelt, ist jedenfalls Kimberly-Clark, die das schweißsaugende Produkt KLEENEX WISCH- U.PFLEGETUECHER 32 X 38 CM KLEENEX 7505 nennt ;-)

  6. 06

    Meine Schwägerin ist deswegen auch ganz glücklich. Sie hat das gelernt und darf das innerhalb der Zahnarztpraxis selbständig machen. Das ist ihr lieber als zureichen. Sie musste ihre Zahnärztin aber erst überzeugen. Jetzt läuft das Geschäft… ;-)

  7. 07
    ChrisTian

    Inzwischen wird Vorsorge nach der Gebührenordnung besser bezahlt als früher, deshalb wird auch mehr gemacht.
    Aber möglich wäre noch viel mehr: In Bekannter meiner Eltern hat am Ende seines Kassenarzt-Lebens noch kurz als Schulzahnarzt gewirkt. Dabei hat er festgestellt, dass Fluortabletten zur Kariesprophylaxe eine tolle Idee sind und sie in seinem Bezirk eingeführt. Innerhalb von drei Jahren hat sich die Zahl der Kariesfälle bei den regelmäßigen Schuluntersuchungen auf 30% (oder so) reduziert. In anderen Bezirken, wo in Kindergärten Fluortabletten verteilt werden sagt niemand den Eltern, dass sie die Tabletten danach selbst kaufen sollten. Denn damit wären zukünftig 2/3 aller Zahnärzte arbeitslos.

  8. 08

    muss man denn gesagt bekommen, dass vernünftige prophylaxe zukünftige behandlungen verhindern kann? also eigentlich sollte das doch jedem halbwegs aufgeklärten menschen klar sein – auch ohne erwähnung des zahnarztes…oder?

  9. 09

    pirre: Es besteht schon ein Unterschied zwischen der zahnärztlichen Propyhlaxe und dem heimischen Zäheputzen und dem Kampf mit der Zahnseide. Und: Ich habe in der Vergangenheit mehrere Zahnärzte um eine Grundreinigung gebeten – immer erfolglos. Da gab’s dann wichtigeres.

  10. 10

    ahso, das meinst du im speziellen. an da haste natürlich recht. wobei meines wissens auch da wiedermal gilt: 5 experten, 10 meinungen…