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Ich kann wieder stehen!

Diejenigen, die mich gestern Nacht noch erleben durften mussten, dürfte die Überschrift überraschen.

Ja, ich war sehr nervös, ja, mir ist eine Last von den Schultern gefallen, als „es“ endlich raus war und nein, ich habe noch nicht alle Reaktionen außerhalb von Spreeblick gelesen.

Aber ich kann schon jetzt sagen: Danke für die vielen Glückwünsche und die wohlwollenden oder auch ernsthaft kritischen Worte! Ich hab’s ehrlich gesagt viel schlimmer erwartet und freue mich sehr darüber, dass die meisten LeserInnen intelligent genug sind, sich von dem kleinen Hype-Rummel, den wir in den letzten Tagen innerhalb unserer sehr begrenzten Online-Welt starten konnten und der hoffentlich euch genauso viel Spaß gemacht hat wie uns, nicht irritieren lassen. Denn eines ist doch wohl klar:

Wir alle lesen (nicht nur Blogs), weil wir die jeweiligen AutorInnen und ihre Artikel mögen. Und nicht, weil Werbung stattfindet oder eben nicht.

Im Folgenden versuche ich, auf einige Fragen rund um den Verlag, die neuen Blogs und Spreeblick einzugehen.

Was aber zuvor noch klargestellt werden sollte, da es scheinbar in meinem vorigen Eintrag nicht richtig rübergekommen ist: Spreeblick bleibt als Blog, abgesehen von der Werbung und dem neuen Design, unverändert. Der Verlag ist ein Dach, kein Ersatz.

Michael fragte mich in einer Mail: Was, wenn ihr scheitert? Meine Antwort: Na und? At least we tried!

Beim Thema „Werbung auf Spreeblick“ halte ich mich kurz und spreche dabei natürlich nur für Spreeblick, kann mir aber vorstellen, dass einige der anderen Autoren es ähnlich sehen: Ich selbst (und niemand sonst) entscheide, wie ich arbeiten und Geld verdienen möchte. Das ist ein Luxus, den ich mir herausnehme, seitdem ich die Schule verlassen habe und den ich seit dieser Zeit konsequent eingehalten habe.

Nachdem Tanja und ich im Herbst letzten Jahres (ja, richtig gelesen) begonnen hatten, darüber nachzudenken, ob und wie man vom Publizieren im Internet existieren könnte, verbrachten wir teilweise Wochen mit bestimmten Modellen: Spreeblick als Blog-Service (wie blogg.de, twoday.net o.ä.), Spreeblick als E-Mail-Service, Spreeblick als Text-Quelle für andere Publikationen… lauter im Nachhinein für uns persönlich als absurd zu bezeichnende Ideen, die wir aber für eine Zeit intensiv verfolgten. Wie das eben so ist, wenn man sich Gedanken macht.

Dann, im Dezember 2004/ Januar 2005 passierte die bekannte Jamba-Geschichte. Und obwohl wir damals finanziell gesehen dringend etwas hätten tun müssen, da wir einen wichtigen Kunden aufgrund von Spreeblick verloren hatten, haben wir die auf den Jamba-Hype massiv folgenden Werbe-Angebote für Spreeblick zurückgewiesen, denn der Schritt wäre uns zu diesem Zeitpunkt billig und falsch vorgekommen. Und: Wir mussten uns beweisen, dass wir eine Leserschaft „nach Jamba“ haben.

Ich und meine große Klappe sind in diesem Artikel vom 12. Januar 2005 weiterhin davon ausgegangen, dass wir eine Idee haben würden, die mit Werbung auf Spreeblick nichts zu tun haben würde. Denn der Entschluss, Spreeblick irgendwie in unserem Sinne (!) „kommerzieller“ zu betreiben, war längst getroffen. Das „wie“ und das „wann“ stand jedoch noch offen.

Die folgenden Wochen und die weitere Beschäftigung mit dem Thema „Publizieren“ machten aber schnell klar, dass es nur zwei Wege gibt: Entweder die Leser zahlen, oder diejenigen, die sich den Lesern präsentieren wollen. Da das Erste schnell flach fiel (obwohl wir eine Weile sogar über Spreeblick als Verein nachgedacht haben), war klar, dass es nur über Werbepartner gehen könnte. Und nur in einem Netzwerk, das Werbepartnern mehr Möglichkeiten bietet, als ein einzelnes Blog.

Meine Äußerung im oben verlinkten Artikel war für mich persönlich tatsächlich der Grund, warum unser Schritt nicht schon viel früher passierte, denn natürlich widerspreche auch ich mir nur sehr ungern. Ich suchte also weiter nach anderen Möglichkeiten, landete jedoch immer wieder dort, wo wir jetzt sind. Es gibt Schöneres, als Aussagen revidieren zu müssen, doch es ist, wie es ist: The times, they are a-changing.

Und ehrlich: Haltet den Ball flach und vertraut und ein bisschen. Wir finden Pop-Ups und blinkende Banner etc. genauso fies wie ihr (und zudem noch extrem ineffizient für den Kunden) und wer „Sell-Out!“ schreit, hat noch nie ein Shirt bei uns bestellt und war noch nie auf einer FUTURA BOLD. Und hat dort vermutlich auch nichts zu suchen.

Wer sich übrigens Sorgen um die inhaltliche Unabhängigkeit von Artikeln macht: Das sehe ich nicht als Problem an, sonst würde ich keine Zeitung mehr kaufen. Viel schwieriger finde ich es, euch gerecht zu werden, damit niemand beim nächsten Mal, wenn ich einen auf boingboing gefundenen Link zu einem Flash-Game poste, das evtl. von einem Unternehmen finanziert wurde, in „Kommerz!“-Schreierei ausbricht. Aber wir pendeln uns da schon ein. Alle zusammen.

(In diesem Zusammenhang: Wenn euch ein Artikel hier auffällt, bei dem Werbung z.B. aus Pietätsgründen unpassend ist, freuen wir uns über einen Hinweis per Mail. Bei einigen Artikeln haben wir die Ads schon ausgeschaltet, wir brauchen aber eine Zeit, bis wir das für alle Postings geprüft haben.)

Der Spreeblick Verlag ist ein Independent-Label. Es gibt keine Geldgeber, es gibt keine Konspiration. Es gibt sehr viel Leidenschaft, sehr viel Mut und sehr viel Lust auf Neues. Wenn ihr dabei sein wollt, freuen wir uns sehr, wenn ihr das blöd findet, gibt es viele Alternativen. Das Internet ist groß genug für alles und alle und es gibt Millionen lesenwerter Blogs, mit und ohne Werbung, mit und ohne Netzwerk, mit und ohne Spreeblick. Checkt die neuen Blogs aus, sie sind klasse und werden in den kommenden Wochen noch besser. Verlinkt sie, wenn sie gut sind, basht sie, wenn sie schlecht sind. Also wie immer.

Wir werden als Verlag in den kommenden Monaten noch viel mehr machen, als Weblogs zu veröffentlichen. Freut euch drauf, denn wir tun es auch!

Ich bin noch völlig im Arsch von gestern, aber ich kann nicht abschließen, ohne etwas Neues zu versprechen. Denn eines werdet ihr auf Spreeblick garantiert nie finden:

Kriegserklärungen.

24 Kommentare

  1. 01

    hab“™s gestern leider nicht mehr zu euch geschafft. finde das konzept erst mal prima. viel glück!

  2. 02

    Wenn der Indie Label Gedanke bestehen bleibt, dann wird alles gut.
    Und dass D-frag bei „euch“ erscheint bringt locker schon mal 5 Coolheitspunkte.

  3. 03

    was mich ja mal interessieren würde: in wie weit ist spreeblick.com eigentlich „wir“ in Bezug auf „ihr = Johnny und Tanja“? Also ab und zu taucht ja ein Beitrag auf wo dabei steht „hat Tanja gefunden“ etc. Aber sonst hab ich eigentlich meist Johnny mit Spreeblick assoziiert. Und mit dieser Frage meine ich eher die Zeit vor „Spreeblick KG“ – jetzt wurde sie ja schon als Geschäftsführerin und so erwähnt, da ist klar dass ihr da alle zusammenarbeitet, aber welchen Teil hatte sie „vorher“ an Spreeblick? Und das ganze ist nicht als Indiskretion gemeint, sondern halt vielmehr weil ich eigentlich für alles bei spreeblick johnny „verantwortlich gehlten hab“ und vielleicht war das ja unberechtigt? ;o)

  4. 04
    Peter Merbitz

    Moin

    Bitte folgendes mit Humor sehen.

    Zitat: „žDenn eines werdet ihr auf Spreeblick garantiert nie finden: Kriegserklärungen.“

    Erinnert mich an das angesprochene Zitat bzgl. Werbung: „žUnd bei mir geht der Trend zu Nixdamitwerbungschalten. Auch in 2005.“

    Bleibt zu hoffen, dass es knapp 5 Monaten hier keine Kriegserklärung ausgesprochen wird!

    Viel Spaß noch beim erholen.
    Und bitte reduziert Versprechungen, die am Ende mit „žThe times are changing“ entschuldigt werden, auf Minimum. Danke.

    MfG Peter Merbitz

  5. 05

    Glückwunsch zum optisch gelungenen Auftritt. Gefällt mir gut, schaut recht harmonisch aus. Über Sinn und Zweck dieses „Labels“ kann man nun nachdenken und unterschiedlicher Meinung sein, ich persönlich weiß noch nicht, was ich davon halten soll. Jedenfalls ist es eine interessante Idee, bei der ich Euch viel Glück wünsche. Bin gespannt, was Ihr Euch alles ausdenken werdet.

    Eine Sache habe ich jedoch anzumerken, und zwar geht es um die Ads. Ihr habt Euch dafür entschieden, aber die Platzierung in den Beiträgen halte ich für ungeeignet. Dafür ist in der Seitenleiste auch mehr als genügend Platz. Weniger Klicks wird die Werbung dort auch nicht bringen. Die momentane Platzierung mitten im Eintrag wirkt sehr störend auf den Lesefluss.

    Mist, war klar, dass das Gemecker wieder länger wurde als das Lob…dabei handelt es sich nur um einen Punkt..

    Viele Grüße aus Peking!
    Falco

  6. 06

    Moin Johnny,

    hatte bis jetzt noch keine Zeit meinen Senf (der ja nicht allzuoft kommt) abzugeben.
    Ich halte alleine die Idee für sehr „abenteuerlich“ und finde es schön, dass Ihr es trotz zT widriger Umstände gewagt habt.
    Was die Kritiker von Kommerz angeht:
    Vergesst nicht, dass es auch schon vor der Verlags-Idee den Kommerz auf Spreeblick gab. Oder wie erklärt Ihr Euch sonst den T-Shirt-Verkauf? Jeder muss sein Brot verdienen und wenn es so subtil geschieht, dann sollte man das als I-Net Nutzer, der ja am besten alles umsonst haben will, auch in Kauf nehmen können. Wir haben keine Pop-Ups und keine Layer-Werbung, sondern nur eine (kleine) Ad-Anzeige die auch nicht mitten in einem Beitrag steht, sondern erst an dessen Ende.

    Wie gesagt. Ich wünsche Dir und natürlich auch den anderen viel Erfolg mit dieser Idee, werde aber weiterhin nur diesen Blog in meiner viel zu knapp bemessenen Freizeit lesen.

    Gruß
    Hong-An

  7. 07

    Wenn Du einen Eintrag öffnest, ist das Google-Ad mitten im Text. Das stört einfach und ginge auch anders, ohne an „Werbekraft“ zu verlieren.

  8. 08
    jabl

    Zum Beispiel bei Heise oder bei tausend anderen Online-Publikationen befindet sich Werbung auch an dieser Stelle mitten im Text und man schaut sehr kurz auf die Werbung und liest dann weiter.
    Stell Dir vor, an der Stelle der Werbung befände sich ein Bild, das würde den Lesefluß gleichermaßen hemmen. Und was, wäre es ein Bild einer nackten Frau (oder eines nackten Mann!), dann hättest Du sicher nicht viel dagegen, Deine Aufmerksamkeit für den Text wäre aber mit Sicherheit zeitweilig verflogen, mehr auf jeden Fall, als das durch diesen kleinen Werbeblock geschehen kann.

    Ich bin mir sicher, daß jeder zweite von Euch, der die Werbung auf Spreeblick und den angeschlossenen Schreibstuben verflucht, der erste wäre, auch auf seiner kleinen Homepage Werbung zu schalten, wenn er sich nur genügend davon erhoffen könnte.

  9. 09

    Manchmal gibt es Zeiten in denen es klug sein kann sich zu widersprechen. Ob das hier der Fall war – man wird sehen.

    Das Layout ist (bis auf den Footer) auf jeden Fall fein und die Google-Ads kann man zur Not mit diversen Extensions ausblenden.

    Ich bin gespannt wie es weitergeht.

  10. 10

    Ja, der Footer ist schlimm. Eigentlich schließt der auch unten glatt ab (so wie der Header), das war eine Notlösung in letzter Sekunde für Seiten, deren Länge keine 400 Pixel erreicht. Wird geändert.

    Was die Werbeblöcke im Fließtext angeht: An einigen Stellen müssen sie raus, bei längeren Texten werden sie voerst bleiben, denn dort funktionieren sie (ja, bereits jetzt). Aber mal sehen, alles muss erst noch getestet werden, alles kann korrigiert werden.

  11. 11

    Unter Safari sieht die Seite ziemlich zerhackt aus.

  12. 12

    Els, für die Artikel hier zeichne ich allein verantwortlich, wenn nicht anders angemerkt. Doch es gibt ja vieles, das nicht direkt mit dem Schreiben zu tun hat: Ideen entwickeln, Shirts gestalten und herstellen lassen, FB veranstalten, für Themen recherchieren, usw. usf. – das alles machen wir gemeinsam.

    Und letztendlich bezeichnet das wir auch die Familie. Denn das, was hier gerade passiert, kann kein Familienvater machen, ohne dass die ganze Bande dahinter steht und mitzieht.

  13. 13
    geekfactor

    Hallo Johnny,

    ich finde es super!

    > es gibt keine Konspiration.

    Das wiederum finde ich schade. Schade war auch der Zusammenfall der Futura Bold mit dem Berlin05-Festival namely „the podium about filesharing“. Smudo sagte beim Vorgeplänkel als alle ihren Platz vorne fanden und nochmal konstatierten, dass der eigentliche Moderator ausgefallen ist „Johnny Haeusler? Redet ihr von DEM Johnny Haeusler?“.
    Ich glaube auch, dass du (ich urteile hier vor dem Hintergrund deiner Wortmeldung beim Lessig) dem Podium als Moderator ziemlich gut getan haettest. Es war nicht ganz schlecht. Aber es wäre besser geworden.

    Ansonsten allet jute!!! /geek

  14. 14

    geek, ja, das mit der Berlin05 war extrem schade und unglücklich und auch peinlich. Ging nicht anders, war alles zunächst anders geplant.

  15. 15

    Manueller Trackback –
    Mein persönlicher Kommentar (bei Interesse):

    Blog goes commerce – Spreeblick wird zum Verlag

    … Jetzt reiben sich die »late adopters«, die gerade erst zum ersten Mal von Blogs gehört haben verwundert die Augen, während die »early adopters« um eine Meinung dazu ringen, eine Meinung dazu, was man denn davon halten soll, dass eines der Flaggschiffe der unabhängigen Blog-Szene, eben Spreeblick von Johnny Haeusler, zu den Kommerziellen gewandelt ist. … (Auszug)

  16. 16

    Auf der Seite mit den Suchergebnissen wird, wenn ich die Seite mit Firefox betrachte, das Formfeld nach links verschoben, in allen Blogs des neuen Verlages, allerdings nur wenn das Wort nicht in den Texten gefunden wird. Das wisst Ihr aber vielleicht auch schon….

  17. 17
    RB

    Ja, die Zeiten ändern sich! Und das ist gut so, denn du bereicherst die Blogszene sehr stark! Du hast Ideen, probierst dich aus, setzt Dinge um und wieder zürück und manchmal interessiert das Gewäsch von gestern eben nicht mehr. Leute, die das nicht verstehen können, sind ganz schön anstrengend, unflexibel, starrsinnig, ewiggestrig,… ;-).

    Viel Erfolg, Tanja und Johnny!

    RB

  18. 18

    Mein lieber jabl, was bin ich froh, dass Du soviel zu wissen meinst. Ich wage es schwer zu bezweifeln, dass Du in meine Gedankenwelt Einblick hast und ich kann mir auch nicht denken dass Du weisst, was ich als störend, ablenkend oder angenehm empfinde. Oder?

  19. 19
    Martin

    Also ich finde das neue Layout sehr passend. Die Werbung blende ich wie auf allen anderen Werbeseiten einfach aus.
    Nur wenn es so krass wird wie bei GMX, wo sie inzwischen Werbung mit Sound haben fällt sowas schwer.

    Auch ein Johnny Haeusler muss ja von etwas leben und wenn jemand will, das er seine Zeit mit bloggen verbringt anstatt mit dem normalen Brötchenerwerb dann sollte er nicht über Kommerz jammern.

    Von mir alles Gute für die gesammte Familie. Und wie ich euch kenne packt Ihr das.

  20. 20

    Lese erst heute die ganze Posting durch, obwohl ich die Nachricht der Firmengründung bereits in die schwedische Bloggosphäre weitergetragen hatte.

    Es ist vermutlich eine Gratwanderung, dies mit dem Kommerziellen, aber die Idee scheint ja reichlich überlegt. Also kann ich nur sagen: Viel Glück und ich werde mit Interesse weiterlesen. Spreeblick hat mir bisher sehr gut gefallen.