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Selbstmarketing für Fortgeschrittene

Gestern am frühen Abend, RadioEins. Zwei Moderatoren eröffnen ein Quiz, in dem zwei AnruferInnen gegeneinander antreten. Der erste Hörer ist am Telefon, kurzer Plausch, der Mann verkauft Versicherungen, ein wenig Eigenwerbung darf sein.

Seine Gegnerin ist auf der anderen Leitung, nennen wir sie mal Anke. Hallo Anke. Was machst du denn beruflich? Anke ist Mediendesignerin.

Aha! Mediendesignerin! Welche Medien Anke denn so den ganzen Tag designt, wollen die Moderatoren wissen. Anke ist etwas nervös, das ist verständlich.

„Non Print“, lautet ihre knappe Antwort.

„So, so. Non Print. Was bedeutet das denn genau?“ Die Moderatoren versuchen, Anke zu beruhigen. Plauder mit uns, Anke. Erzähl‘ etwas über dich und deine Arbeit.

„Na allet, watt nich jedruckt wird.“

Soweit wären die Moderatoren vielleicht auch noch selbst gekommen, doch sie geben nicht auf, Anke Gelegenheit zur Selbstdarstellung zu geben. Sie wissen, dass es einem plötzlich die Sprache verschlagen kann, wenn man zum ersten Mal im Radio ist.

„Achso, dann machst du also Websites und sowas? In einer Agentur? Oder als freie Designerin?“

„Nee, im Normalfall bin ick freie Designerin. Looft aber grade nich so mit den Kunden.“

Der Großmut der Moderatoren ist gefordert. Eine Frau, die ihr Arbeitsleben selbst in die Hand nimmt und deren Auftragslage offensichtlich nicht gerade die beste ist. Sie ist im Radio, es hören, sagen wir mal, 100.000 Menschen ihre Stimme. Es ist ihre Chance. Einer der 100.000 Zuhörer braucht vielleicht gerade eine Website.

„Anke, dann mach doch mal die Klappe auf, gib uns und den Hörern eine Webadresse, die wir uns ansehen können, mach ein bisschen Werbung für deinen Laden, der nicht so richtig läuft“, verkneifen sich die Moderatoren und sagen stattdessen:

„Na, Anke, dann erzähl doch mal, hast du denn schonmal eine größere Site gestaltet?“

„Für so’n Festival in Dresden.“ Anke ist ein harter Knochen. Zeit für die Moderatoren, direkt zu werden:

„Na und doch sicher deine eigene Website, Anke. Oder?“

„Hm.“

Jetzt, zwei Meter vor dem Tor die Steilvorlage direkt auf Ankes rechten Fuß, sie muss nur zutreten. Man kann die verzweifelt hochgezogenen Augenbrauen der beiden Moderatoren quasi hören: „Na Anke, wo können wir und die interessierten Hörer denn deine Website sehen?“

„Sag‘ ick nich!“

Treffer. Anke hat gecheckt, worauf es ankommt. Design muss Kult sein. Wahrhaftige Künstler brauchen keine Werbung, wahrhaftige Künstler kreieren eine mysteriöse Aura um ihre Person. Und geben auf keinen Fall die Adresse ihrer Website bekannt. Die muss man schon selbst finden. Einfach mal „Mediendesignerin Dresden non print“ in eine Suchmaschine eingeben. Da ist Anke. Irgendwo.

Das Quiz hat übrigens der Versicherungsvertreter gewonnen, indem er nach vier Versuchen die Soundcollage “ (…) (…) Piep, ich (…) dich lieb!“ korrekt identifizierte.

26 Kommentare

  1. 01
    stef

    Tjo wo wir schon bei Radio sind, der neue Itunes ist draussen -> Podcasts :)

  2. 02

    nur wird sich anke vermutlich von diesem kult nichts kaufen können…morgen wird man sie schon wieder vergessen haben…es sei denn die leute erinnern sich an johnnys weblog…
    und unter der suchanfrage „Mediendesignerin Dresden non print“ findet man leider garnichts.

  3. 03
    paxos

    rofl, klasse Posting Johnny :)

  4. 04
  5. 05
    stef

    mhm ruf sie doch mal aufm handy an und frag ;)

  6. 06
    Armin

    Mist, hab leider nur das Ende gehört. Aber warum sich da immer wieder Leute für einen Kasten Spree… aeh… Wasser zum Brot machen, werde ich nie verstehen.

  7. 07

    Das erinnert mich an den großartigen Lacher in Barfuß. Til Schweiger will vor seiner Familie nicht zugeben, dass er ein Versager ist und erzählt was von einer Internetfirma, die er aufgebaut hätte. Er druckst eine ganze Weile rum und weicht den Fragen weitesgehend glaubhaft aus, bis die Frage nach der Webadresse kommt. Die Antwort:

    „Also bitte, die ist nun wirklich streng geheim!!!“

    Cooler Film ;)

  8. 08
    frank

    böse, lemming. aber lustig.

  9. 09

    Leider Gottes laufen viel zu viele Nasen da draußen rum, die sich „Mediengestalter“ nennen, nur weil sie Photoshop starten und mit Cliparts unter Word nen Briefbogen entwerfen können. Ich hab schon Sachen gesehen und gehört – alter Schwede! Dass sowas natürlich dem Ruf der ausgebildeten Gestalter schadet (von denen aber auch viele gar nix können), ist klar. Und wer sich nicht mal selbst verkaufen kann, wie soll der dann die Produkte und Dienstleistungen anderer an den Mann bringen?!

  10. 10

    Hat da irgendjemand tatsächlich angerufen? Bei der Anke?

  11. 11
    nico

    nu lasst die frau doch in ruhe, soweit johnny richtig zitiert hat sprach die frau berliner dialekt. die, die lemming gefunden hat, ist ihr leben nie aus sachsen raus gekommen, wahrscheinlich. und wenn beide ankes ganze kleinstädte mit wordcliparts zutapezieren, dann liegt das natürlich auch an den mittelständischen unternehmen, die das genau so wollen.

  12. 12

    Nico, nun lass doch mal die in Ruhe, die nie aus Sachsen raus gekommen sind!

    *pfffrt*

  13. 13
    nico

    das internet macht doch die menschen nur kapott

  14. 14

    HALLO!

    Die Frau in der Sendung hieß nicht Anke. Steht auch da („nennen wir sie mal…“).

    Und es tut rein gar nichts zur Sache, wie sie heißt. Oder wo ihre Website ist. Nur, weil sich jemand in einer Radioshow lustig genug für eine kleine Anekdote verhalten hat, muss er oder sie nicht zum Depp des Tages und zum Recherche-Thema gemacht werden.

    Lesen, lächeln, weitermachen. Bitte. Danke. :)

  15. 15

    herr spreeblick, das haben sie erfunden.

  16. 16

    Frau Frank, hab ich nicht!

  17. 17

    der sender bigFM hat fuer diejenigen, die es live auf sendung geschafft haben ein shirt…ich war live auf bigFM…so bleibt wenigstens ein klein wenig des ruhms erhalten…

  18. 18

    Hier wird doch jeder Furz zum Recherche-Thema gemacht, warum also nicht auch Frau Anke? Die furzt nämlich auch. Genau wie die Nike-Designer, Jamba-Millionäre oder der Sänger von The Clash, wenn er zwecks Methangas-Auflösung sich eine Zigarette anzündet …

    Wir sind alle Furzer und Einatmer. Weitermachen.

  19. 19

    :)
    ja, du hat recht, jonny: anke hats gecheckt. kult ungleich kommerz ungleich „ich bewerbe meine seite großspurig im radio“.
    manche lernen es eben nie, andere gründen die spreeblick verlags kg… ;)

  20. 20
    bussi baer

    was ist denn an der geschichte lustig?
    ich fand das eher traurig und die gute „anke“ hat sich richtig verhalten.
    die wollte nur bei einem doofen quiz im radio mit machen.
    aber wie so oft stand die gute irgendwann mit dem ruecken an der wand.
    harhar, wie lustig.
    „lass mal ausschlachten hier im blog“!
    diese geschichte ist ein beispiel dafuer wie langweilig blogs werden koennen.
    ueber andere lachen ist halt einfacher als wirkliche inhalte anbieten.

  21. 21

    Vielleich gibts auch leute die an einem Quiz mal einfach so aus Spass teilnehmen, ohne sich vermarkten zu wollen. Vielleicht gibt es Leute, die sich nicht in jedem Aspekt ihres Lebens zu verkaufen versuchen und zwischendurch auch mal einfach nur Mensch sind. Nur mal so ein absurder Gedanke. Offensichtlich wird es einen Grund haben, warum die Dame in diesem Kontext aus dieser Sendung keine Leute auf ihrer Website haben wollte. Oder sie iss einfach blöder als wir alle hier, hrhr.

  22. 22

    wo sonst, als in einem blog kann ein persönlich wahrgenommenes und dahingehend interpretiertes erlebnis „veröffentlicht“ werden.
    eine derartige geschichte (die meiner ansicht nach zu gut ist um wahr zu sein) in einer zeit zu veröffentlichen, in der menschen sich sogar (öffentlich)ihren brustumfang auf 1,30 m vergrössern lassen um sich zu vermarkten, scheint anke ein letztes überbleibsel einer selten gewordenen privatsphäre schätzenden art zu sein. grossartig anke.
    unfassbar und superlustig!

  23. 23
    bussibaer

    @fraufrank:“wo sonst, als in einem blog kann ein persönlich wahrgenommenes und dahingehend interpretiertes erlebnis „veröffentlicht“ werden.“
    arme wurst!
    schon einmal nachgedacht das freunden mitzuteilen, so richtigen, nicht virtuellen.

  24. 24
    Armin

    @fraufrank

    Wie gesagt, ich habs auch gehört. Leider nur das Ende.

  25. 25

    Auch wenn hier keiner glaubt, dass das tatsächlich geschehen ist, muss ich hier einfach mal sagen, dass es tatsächlich geschehen ist. Auch wenns keiner glaubt. :-)
    Ich habs auch gehört. Und der nette Moderator, der der Dame eine Möglichkeit zur Geschäftspublikation geben wollte, war Steffen Hallaschka. Und niemand möchte Herrn Hallaschka böses Höhrerausbeuten unterstellen. Der is nämlich ’n ganz lieber.