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Podcasts ≠ Radio

Podcasts sind das neue Radio? Blödsinn. Als ich Radio gemacht habe (das „alte“ Radio, das man beinahe überall mit einem 5-Euro-Empfänger hören kann, ohne Computer, ohne Download, ohne RSS-Feed), konnte ich Hörer live ins Programm schalten, um mit ihnen zu diskutieren. Ich konnte nicht schneiden, die Sendung war live. Das hatte Spannung. Ich konnte zwei Stunden lang an 100.000 Menschen und mehr senden, ohne dass auch nur einer von ihnen auf die Fertigstellung eines 112MB-Downloads warten musste.

Das Beste aber war: Ich konnte Musik spielen. Jede verdammte Musik der Welt.

Der Grund dafür warum es noch keinen Spreeblick-Podcast gibt, ist meine eigene Sturheit. Denn trotz der oben genannten Nachteile von Podcasts gegenüber dem klassischen Radio sind mir die Vorteile von MP3-Abo-Shows durchaus bewusst. Daher wird es Spreeblick-Podcasts auf jeden Fall geben.

Aber: Wenn ich podcaste, möchte ich auch Musik spielen. Welche Musik, das will ich mir nicht vorschreiben lassen. Muss ich aber, derzeit hauptsächlich von der GVL.

Die GEMA ist als Vertretung der Autoren diesmal erstaunlicherweise nicht das Hauptproblem, denn bei der GEMA gibt es Tarife für On-Demand-Angebote von Musik (und das wäre ein Podcast mit bei der GEMA gemeldeter Musik juristisch betrachtet): 10% welcher Einnahmen auch immer und ein bisschen Kleingedrucktes. Dass man zahlen muss, ist klar.

Es reicht jedoch nicht, die Genehmigung der Urheber-Vertreter einzuholen. Man braucht zusätzlich auch die Genehmigung der Vertretung der Aufführenden. Der Musiker, wie man auch sagt. Und das ist die GVL. Diese schreibt auf meine Anfrage:

Insbesondere wegen der interaktiven Abrufbarkeit von Podcasts (unabhängig davon, ob als Stream oder zum Download) erstreckt sich der Wahrnehmungsauftrag der GVL nicht auf Podcasts, so dass die GVL hierfür leider keine Lizenzen vergeben kann. Für den erforderlichen Erwerb der (Ausschließlichkeits-) Rechte der ausübenden Künstler und der Tonträgerhersteller, der zur Realisierung Ihres Vorhabens erforderlich ist, müssen Sie sich direkt an die entsprechenden Rechteinhaber wenden.

Das bedeutet: Ich müsste jedes einzelne Label oder gar jeden einzelnen Künstler anschreiben, ob ich dieses eine Stück Musik spielen darf und an wen ich dabei wieviel bezahlen muss. Das ist natürlich ein organisatorischer Aufwand, der alles andere als sinnvoll ist. Es wäre klasse, wenn es dafür eine einzige Anlaufstelle, eine Art Verband… Hoppla! Gibt’s ja schon! Die GVL!

Die GVL darf aber keine Lizenzen für „interaktives“ Radio vergeben. („Interaktiv“ heißt hier: ich kann vor- und zurückspulen und entscheiden, wann ich die Sendung hören will.)

Wir fassen also zusammen: die Rechtsvertretung der Musiker kann mir zwar das Recht auf Verbreitung der Arbeit ihrer Musiker nicht erteilen, aber darauf hinweisen, dass ich dieses Recht brauche:

Bitte lassen Sie mich der guten Ordnung halber auf folgendes hinweisen: Da es sich hierbei um ausschließliche Rechte handelt, ist der Rechteerwerb vor Realisierung Ihres Vorhabens erforderlich. Die Nutzung dieser Rechte ohne vorherige Zustimmung der Rechteinhaber stellt einen Verstoß gegen das Urheberrecht dar.

Es bleibt natürlich der Weg zur GEMA- und GVL-freien Musik. Schmecken tut mir das jedoch nicht. Nicht etwa wegen fehlender Qualität im Bereich der freien Musik, nein, es gibt genug gutes freies Zeug. Sondern schlicht aus der Tatsache heraus, dass ich mir ungern die Inhalte meiner Sendung vorschreiben lasse. Ich möchte jede Musik spielen, die ich kenne, die ich liebe, zu der ich Geschichten erzählen kann. Und ich möchte die Urheber dafür vergüten. Aber das geht nicht ohne immensen Aufwand.

Ein Podcast mit Musik bei dem jedoch nur bestimmte Musik zulässig ist, ist wie ein Blog auf dem nur über bestimmte Themen geschrieben werden darf. Blödsinn also.

Erst wenn hier eine auch für Amateure bezahlbare Lösung gefunden ist, werden Podcasts wirklich spannend. Wenn die Experten zu Hause ihre Plattensammlung herauskramen, wenn neue und alte Musik nebeneinander gespielt werden kann. Die Erfahrungen mit den Reaktionszeiten der großen Musikverbände zeigen jedoch, dass diese Lösung Jahre entfernt sein kann und vielleicht sogar absichtlich verhindert wird. Dann werden wir in den kommenden Jahren eine Entwicklung sehen, die es zuvor noch nicht gegeben hat:

Es wird eine neue Klassifizierung von Musik geben. Die Trennung von freier und unfreier Musik existiert heute schon, doch noch ist sie für eine größere Öffentlichkeit nicht relevant. In fünf bis zehn Jahren wird das anders aussehen.

Und ich denke darüber nach, sowohl aus der GEMA als auch aus der GVL auszutreten.

35 Kommentare

  1. 01

    Hallo Johnny,
    es gibt doch diverse Möglichkeiten, legal – sprich gebührenfreie – Musik anzubieten. Siehe z.B. mal hier: http://tinyurl.com/bgugb
    Mit tinyurl.com habe ich (sicherheitshalber) gemacht, damit es Dir das Seitenlayout nicht zerreisst.
    Ich verstehe Musiker nicht, welche die Meinung vertreten, durch eine vertragliche Bindung mit der GEMA bzw. der GVL Vorteile zu haben. Das ist ähnlich der Vermarktung von landwirtschaftlichen Erzeugnissen: viele Landwirte haben sich von den Genossenschaften getrennt und vermarkten ihre Erzeugnisse selbst -> Abverkauf ab Hof – und sie stehen, finanziell gesehen, besser da. Allerdings muss die Qualität der Erzeugnisse stimmen, dafür bekommen sie auch mehr Geld ;-)

  2. 02

    Ich schätze mal, es geht dabei um Geld. Aber politisch kann ich die Meinung mitvertreten. ;-)

  3. 03

    (wiese löscht sich das Kommentarfeld komplett, wenn man auf ESC drückt?!)

    Man sollte dabei auch darauf hinweisen, daß die GEMA nicht ausschließlich prozentanteilig Gebühren haben will, weil sich sonst jemand zu der irrigen Meinung verleiten lassen könnte „ich mach ja nix an Gewinn oder Umsatz – supi.“

    Die Mitgliedschaft in Gema und GVL hindert ambitionierte Künstler heute weitaus mehr als sie ihnen hilft. Die Wahrnehmung von Verwertungsrechten lohnt sich bei den gegebenen Nachteilen idR nur, wenn man sehr erfolgreich ist …

    Mir ist klar, daß auch in Zeiten von (cc) und anderem Verwertungsmodelle gefunden werden müssen – jedoch ist das Modell „ich Künstler und Du sollst bluten wenn Du Dich an meiner Kunst laben willst“ eindeutig ein aussterbendes. Zum Glück.

    Und dann kannst Du auch hoffentlich wieder alle Musik spielen, die Du willst. Akzeptieren solche Podcaster eigentlich auch Zuhörer, die bei 95% der Musik vorspulen, weil sie nicht nach ihrem Geschmack ist? :)

  4. 04

    aus Gema und GVL austreten? gute Idee… Nachdem mittlerweile alle meiner (ehemaligen) Mitmusiker dem Laden den Ruecken zugekehrt haben, bin ich noch der letzte in den Vereinen und werde dies wohl auch dieses Jahr hinter mich bringen…
    „Problem“ ist nur, dass man so Schwierigkeiten hat, im kommerziellen Radio gespielt zu werden, da man grundsaetzlich eine Freigabe dazu machen muss… Naja, so what… Mache eh keine Radiomusik ;)

  5. 05

    Was genau ist eigentlich Podcast?

  6. 06
  7. 07

    merci nico!

    sehr aufmerksam

  8. 08

    Alix, ja, es gibt vieles, was man spielen kann. Aber: siehe oben. Das mit den Verbänden ist auch nicht ganz so leicht. Wer nimmt denn deine Rechte bei den tausenden von Radiostationen wahr, wenn nicht diese Vertretungen? Die Verlage werden sich bedanken.

    Ich bekomme übrigens von der GEMA noch immer etwa 50-100 Euro pro Halbjahr an Lizenzen ausgezahlt. 13 Jahre nach meiner letzten Veröffentlichung! Damals waren das mehrere tausend DM jedes Halbjahr, ein wichtiger Faktor, um von Musik zu leben.

    Der Sinn und Zweck von GEMA und GVL sind völlig okay und im Ansatz richtig, doch sie handeln schon lange nicht mehr im Interesse derer, die sie vertreten. Es sollte Interessensverbände und Rechtevertretungen geben. Nur sollten diese ihren Job gut machen.

  9. 09

    Dann mache ich eine Music-Only Podcastsammlung:
    Musiker1_Titel1.podcast.mp3
    Musiker1_Titel2.podcast.mp3
    Musiker1_Titel3.podcast.mp3

    Musiker1_TitelN.podcast.mp3

    MusikerN_TitelN.podcast.mp3
    und schwuppdiwupp – wissen wir warum Apple die Genehmigung fuer den ITMS von den grossen Labels eingeholt hat und nicht einfach an die GVL zahlt.

    Wie lange wird es brauchen, bis die Geschäftsmodelle der Musikindustrie Internetkompatibel sind?

  10. 10
    marco

    ich verstehe nicht ganz, wie das funktionieren soll. du bietest dann ja die songs der künstler zum (für den user kostenfreien) download an?

  11. 11

    Johnny, es gibt natürlich auch noch Mittelwege zwischen „freier“ Musik und CDs abspielen. Wie wär’s z.B. mit unveröffentlichten Live-Aufnahmen? Futura Bold-Mitschnitte, Jam-Sessions im Spreeblick-Studio (ehm), Live-Laptop-Microsets … da kann der Rechteinhaber dir die Genehmigung dann auch gleich beim Bier geben.

  12. 12

    Henrik, das ginge ganz leicht. Mal sehen, ob ich Zeit habe, mal einen Vorschlag zu machen, den könnte man dann Wiki-mäßig gemeinsam weiterentwickeln.

    Das mit deiner Liste verstehe ich aber nicht ganz. :)

  13. 13

    Janko (Hallo :)), sowas wäre famos und ist unter „Wünsche“ auf der Liste. „Spreeblick-Sessions“ steht da. Im Ernst. In memoriam Johny Peel.

    Aber am Rand: Die GEMA muss man dann natürlich trotzdem zahlen. Aber das ist ja auch okay, wenn’s vernünftig gepreist ist. Wäre. :)

  14. 14
    marco

    meine frage richtete sich übrigens an johnny.

  15. 15

    > „Interaktiv“ heißt hier: ich kann vor- und zurückspulen […]

    Nein, heisst es nicht. Du als ehemaliger Radiomensch müsstest doch am besten wissen, _was_ man spuhlen kann. Oder funktionieren Podcasts neuerdings per Band?

    Alternative: „vor- und zurückspringen/skippen“ :)

  16. 16

    Ich sag aber auch immer noch „Platte“. Old school, Aller! ;)

  17. 17

    Marco, welche Frage? Wie das gehen soll?

    Na wenn du gema und gvl zahlst, geht das genauso wie bei iTMS oder musicload.

  18. 18
    Hannes

    Tach Johnny, es scheint sich da ein niedliches Kiddielein deines Intrawebnetserverdings bemächtigt zu haben. Es sei denn, dieses „Shavidan“-Zeugs ist so eine ganz coole Marketingaktion, aber ich denk‘ sowas ist hier eher nicht zu erwarten :-)

    Na denn, viel Spaß beim Aufräumen…

    OMG du bo0n…. wenn du kein Plan von nichts hast.. dann laber net !!

    Hacked by Shavidan !

  19. 19

    und bei der Gelgenheit gleich mal auf WP 1.5.3 updaten.

  20. 20
    Samuel

    hihi, spreeblick.com ownz you ;)

    wohl ein bisschen zu leichte passwörter gehabt wa?

  21. 21

    1.5.1.3 war gemeint.

  22. 22
    Samuel

    hmm, das Bild ist weg, aber der Titel/Footer bleibt…. Shavidan ist ja echt penetrant :D

    mehr infos über das wunderkiddie gibts auch hier : http://netzpolitik.org/

  23. 23

    Manueller Trackback, da der Permalink zu Deinem Beitrag weder link- noch trackback-fähig ist.

  24. 24

    Da ist schon was dran. Andererseits, bei mir ist es so, dass ich, bevor ich diese Podcast/Radiosendung da gemacht habe, mich durch jede Menge freie Musik geschaufelt habe und eben so auf interessantes stieß, und dann daraus den Spaß ziehe. Aber das andere, nämlich, wie man will, wäre natürlich cooler.

  25. 25
  26. 26
    Richard Kaufmann

    Johnny,
    nicht nur Dir ist es zu viel Aufwand, jeden Song mit dem Musikverlag abzurechnen. Dem Musikverlag wohl auch. Was liegt also näher, als jedem Podcaster zu empfehlen DOCH jeden Track beim Musikverlag zu lizensieren? Und immer wieder nachzufragen, wann denn nun die Rechnung oder die Lizenz kommt. Über kurz oder lang muss sich der Musikverlag dann Gedanken machen, wie ER mit dem Problem (sprich: dem Auftragsstau) umgehen soll. Vielleicht doch die GVL heranziehen ein Modell entwickeln und still kassieren?Ist der Podcaster auch Kaufmann, geht es sogar noch offensiver: Es reicht ein Brief in der Art ‚Am … um …. stelle ich das Stück … von … auf .. als Podcast zur Verfügung. Sollte ich bis zum … von Ihnen nichts gehört haben, gehe ich davon aus, dass Sie mir die Lizenz dazu erteilen…‘ Unter Kaufleuten wäre das wohl legal (ich bin aber kein Anwalt). Nur wenn der Musikverlag in seinem daily business epfindlich gestört wird, wird er sich um eine Lösung der Aufgabenstellung auch bemühen. Ziviler Ungehorsam des 21. Jahrhunderts.