Am Abend des ersten „Design Engaged“-Tages machte ich mich ob der interessanten Veranstaltung im eigenen Haus schweren Herzens, aber doch auch gespannt auf den folgenden Tag Richtung Hamburg auf. Jochen Wegner vom Journalisten-Netzwerk jonet hatte mich zum zweiten jonet-Tag eingeladen und gleich auf drei Panels gesetzt: die Eröffnungsrunde, ein Panel zum Thema „Mikromedien“ und die Diskussion rund um kommerzielle Blogs.
Und so fand ich mich am frühen Samstag vor etwa 400 Leuten in illustrer Publizisten-Gesellschaft wieder und hatte mir vorgenommen, mich anständig zu benehmen. Was zunächst auch einfach zu bewältigen schien.
Der beeindruckende Manfred Bissinger, ganz Publizist der alten Schule, verkündete „Papier ist vorbei“ (junge Hüpfer mag das zum Gähnen bringen, doch aus dem Mund eines Mannes Mitte Sechzig, der seit Ewigkeiten Zeitungen und Zeitschriften veröffentlicht, bekommt ein solcher Satz eine andere Tragweite), entdeckte u.a. durch Weblogs die „Renaissance der Meinung“ und kürte daher den Meinungsjournalismus zur Königsdisziplin der schreibenden Zunft.
Christoph Drösser, Chef von „ZEIT Wissen“, konterte Bissingers weitere Ausführungen und dessen Wunsch nach mehr Herausgebern mit charaktervollem eigenen Standpunkt („wie früher“) charmant und schmunzelnd mit Erkenntnissen, die speziell bei älteren Menschen auf ihre oft etwas zu positiv in Erinnerung behaltene Jugendzeit hinwiesen. Galanter habe ich noch niemanden andeuten hören, dass sein Gegenüber vielleicht langsam raus aus dem Geschäft ist.
Der Sache mit Bissingers Meinungsjournalismus wollte auch Mathias Müller von Blumencron nicht zustimmen, nur konnte der es nicht ganz so nett verpacken wie sein Kollege. Der SpiegelOnline-Chef überraschte das Publikum durch sein Plädoyer für den investigativen Journalismus, bei dem sich „Journalisten hinter dunklen Häusern mit irgendwelchen Leuten treffen“ (Zitat evtl. nicht ganz korrekt, es waren vielleicht auch irgendwelche Dächer und dunkle Leute) und hatte leider auch keine Antwort auf die mehrfache Publikumsfrage, welcher Verlag so etwas heute noch bezahle. Neben dem nach dem jonet-Tag meist zitierten Ausspruch von Blumencrons, dass SpOn schließlich „auch nur ein Blog“ sei (eine merkwürdige und unverständliche Anbiederung, die später den Journalisten Henry Steinhau unter Applaus der Anwesenden mit viel Augenzwinkern dazu veranlasste, Herrn von Blumencron um Zurücknahme dieser Haltung zu bitten, um SpOn sowohl als Vor- als auch als Feindbild nicht zu ruinieren) war mein von Blumencron-Favorit ganz klar der Satz, in dem er SpOn-Journalisten als Selbstausbeuter bezeichnete, um eine weitere Parallele zu Bloggern zu ziehen. Nochmal langsam: der Chef eines Unternehmens bezeichnet seine Angestellten als Selbstausbeuter. Karl Marx hätte seine wahre Freude gehabt.
Glücklicherweise ließ sich Herr von Blumencron gegen Ende der Eröffnungsrunde dann doch nicht lumpen und prognostizierte Deutschland eine schwarze Zukunft, falls Journalisten wie Blogger arbeiten würden. Es könnte sein, dass Herr von Blumencron ein total witziger und intelligenter Typ ist, der sich bei öffentlichen Gelegenheiten einen Spaß daraus macht, mal so und mal so zu reden und die eitlen und belanglosen Blogger ein bisschen zu piesacken, um sich Abends beim Bier Wein über die Reaktionen zu amüsieren. Es könnte aber auch sein, dass er keinen Schimmer hat, was und wovon er redet, dass er irgendwie in dieses Publikationsdingens hineingeboren wurde und im Grunde sowieso lieber segeln geht. Ich weiß es nicht.
Insgesamt glaubwürdiger dagegen Annette Milz vom Medium Magazin, die in Blogs immerhin die „wichtige Möglichkeit zur Einmischung“ und damit mehr als einen Trend erkennt und Bernd Kliephan vom HR, der sich im TV-Bereich mit den neuen Technologien auseinandersetzt um auf einfache und kostengünstige Weise „authentische und realistische Berichte“ produzieren zu können, die losgelöst von den bisher üblichen, aufwendigeren Methoden funktionieren. Klaus Liedtke vom National Geographic und Park Avenue beteuerte, dass die Entscheidung letztgenanntes Heft zu machen eine rein redaktionelle war, ich sagte auch ein bisschen was und damit ist die Eröffnungsrunde auch schon zusammengefasst.
Nächste Station: Mikromedien. Viel kleinerer Raum. Janko war da, Thomas auch, Julius Endert vom Handelsblatt kannte ich noch nicht (netter Mensch fand ich), Erik Möller vertrat die WikiNews und Mario moderierte. Und zwar sehr gut.
Das war insgesamt nett und prima, am meisten beschäftigte mich jedoch hinterher die ganze WikiNews-Kiste. Zum einen fragte ich mich, woher mein völlig subjektiver (klar, sonst wär’s ja nicht meiner) Eindruck stammt, dass ein Teil der Wiki-Szene doch oft sehr humor- und lustlos daherkommt, zum anderen habe ich das Prinzip der WikiNews noch nicht verstanden. Nach Eriks Beschreibung der Arbeit musste man sich wundern, wann denn so eine News nach scheinbar endloser Diskussion und Prüfung dann mal online geht, nach Kenntnis der inzwischen leider üblichen und oft reichlich debilen Diskussionen in der Wikipedia durfte man sich auch fragen, ob die WikiNews-Leute nicht mehr oder weniger die klassische, wenn auch vielleicht demokratischere Version der „Redaktion“ neu erfinden (und ob das Sinn macht). Und überhaupt schien es mir, als wäre ein Wiki irgendwie die falsche Plattform für das Vorhaben – ein Blog-Tool könnte mehr Sinn machen. Sorry, wenn das trotz aller Begeisterung für kollaboratives Publizieren und auch die Wikipedia nicht sehr überzeugt klingt, wie gesagt: vielleicht hab ich es noch nicht richtig verstanden.
Im letzten „meiner“ Panels ging es dann um die Frage, ob und wieviel man mit Weblogs verdienen kann. Andrew Carton, Autor des Blogs treonauts konnte die Fragen mit „Ja“ und „20.000 Dollar im Monat“ beantworten. Sein Blog ist die primäre Anlaufstelle für Treo-Nutzer im Web, jedes Unternehmen, welches Taschen, Software oder sonst noch was für das Gerät herstellt, wirbt bei Andrew. Die Nische in der Nische gepaart mit viel Leidenschaft, Wissen und Begeisterung fürs Thema galt für Andrew als Erfolgsrezept fürs kommerzielle Bloggen.
Endlos wiederholbar ist so etwas vielleicht nicht, sicher aber ein spannender Ansatz. Jörg Stengel von minga.de geht einen anderen, mir nicht ganz so sympathischen Weg. Er beschrieb sein Online-Lexikon als eine Art virtuelles Marktforschungs-Tool, dass er hauptsächlich für das Entdecken der höchstbezahlten Google-Adwords nutzt und das scheint auch zu funktionieren, Stengel macht nach eigener Aussage sechsstellige Jahresumsätze mit dem Lexikon. Auch das kann also ein Weg zum Verdienst sein: sich sehr gezielt mit den Google-Algorithmen zu beschäftigen. Stengel nennt es „die Hausaufgaben machen“. Ich nenne es „Inhalte nach Google ausrichten“ und das ist nicht meine Baustelle.
Die resolute Gaby Darbyshire von Gawker nahm den Anwesenden dann jede letzte Hoffnung darauf, dass die Gawker-Blogs (u.a. Gizmodo, Fleshbot und Screenhead) tatsächlich welche wären. Darbyshire betonte mehrfach, Gawker sei kein Blog-Publisher, sondern ein klassisches Verlagshaus mit rein kommerziellen Absichten. Autoren bekommen ein Grundgehalt und eine Beteiligung bei besonders hohen Seitenabrufen, erfahren jedoch keine Umsatzzahlen. Sie werden vor dem „echten“ Bloggen drei Monate lang offline getestet, haben 12 Posts pro Tag abzuliefern und wer nicht mithält, wird ersetzt. So einfach sei das. Meine Versuche beim späteren gemeinsamen Abendessen trashkurs an Gawker zu verkaufen scheiterten leider kläglich (war’n Witz, Marco!).
Auch wenn recht wenig über Blogs geredet wurde, sind solche Abendessen natürlich die wahren Informations-Geber. Denn die Tatsache beispielsweise, dass es in den USA hunderte von Blogs gibt die sich mit Microsoft auseinandersetzen, dass davon jedoch etwa 80% von MS selbst initiiert und bezahlt werden, bringt einen weiter zum Grübeln über die Zukunft dieses Mediums auch hier in Deutschland. Mein persönlicher Wunsch, die Spreeblick-Gang zu einem vertrauenswürdigen Netz, das Verlags-Label zu einem Qualitäts-Siegel (nach unseren ganz eigenen Maßstäben) zu machen, wird durch solche Umstände nur bestätigt und es motiviert weiter an der Verwirklichung dieses Wunsches zu arbeiten.
Viel später waren wir (ohne Gaby) dann übrigens noch mit der sehr angenehmen Lyssa und dem sowieso äußerst sympathischen Heiko Hebig bei einer tollen Ausstellung von Alex Diamond (danke, Heiko!) im heliumcowboy artspace, bei der eine Kunst-Punk-Band mit russischem Sänger spielte. Und der Krach tat gut nach soviel Gerede. Bin trotzdem um Mitternacht abgehauen, weil ich alter Sack zu müde war.
Wunderbare Charakterisierung von Blumencron. Hat man wohl was verpasst!
Nur: Jeder Chefredakteur, Chef eines Quasi-Blogs, welchem Presseerzeugnis auch immer, würde seine Mitarbeiter als Selbstausbeuter bezeichnen. Schon oft genug gehört. Zumal das in solchen Kreisen – „Hey, harte Zeiten, ich lass euch aber nicht im Stich“ – immer gerne als Beleg für die Berufung Journalismus und treue, besessene Schreiberlings-Recken gilt. Jedenfalls ist Blumencron nicht mal in dieser Hinsicht besonders. Und nicht mal skandalös.
Danke für das Moderatoren-Lob :-) War mein erstes Mal.
Bitte, Herr Sixtus. :)
Toni, das wäre ja alles okay, da es sicher den Realitäten entspricht, aber es hat schon etwas zynisches, wenn ich das als Chef eines der erfolgreichsten bzw. zugriffsstärksten deutschen Online-Magazine sage… ich meine, wenn nicht mal die massive Werbung auf SpOn dazu beiträgt, dass die Autoren halbwegs vernünftige Gehälter bekommen… dann machen die doch etwas falsch, oder? Mehr Werbung ginge doch nun wirklich nicht. Vielleicht an anderen Stellen runterschrauben?
Aber nee, skandalös ist das sicher nicht, stimmt. Nur eben bemerkenswert.
Da hast du natürlich vollkommen recht. Idee: Einfach das Gehalt von Frank Patalong streichen, dann wären geügend Mittel frei, um die freelancenden Selbstausbeuter satt zu machen. Und noch ein Content-Problem dazu gelöst.
Das mit den sechstelligen Umsätzen habe ich schon mal gehört. Da war die Seite noch nicht umgestellt und die Werbung noch viel schlechter eingebunden.
Und ich habe es damals auch nicht geglaubt. Schon weil der größte Werbeplatz immer für einen eigenen Ableger drauf ging.
Die Texte sind für mich – durch Überoptimierung (hat Google meiner Meinung nach bei den Herrschaften auch schon bestraft) fast nicht lesbar.
Falls die wirklich eine solch einen Umsatz machen, dann aber werden die Einnahmen aber fast komplett für Adwords rausgehen. Denn das nutzen sie ziemlich stark.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass man mit so einer Seite wirklich Geld verdient. (Verdienen – nicht Umsatz.)
Nachtrag: Ich meinte Herrn Stengel und sein aktuelles Lexikon.
Schon klar. Kenie Ahnung, was dabei hängenbleibt, auf Dauer kann das aber nicht funktionieren. Gibt ja aber Leute, die eh nicht „auf Dauer“ denken.
hey,
freut mich sehr, dass dir meine ausstellung im heliumcowboy artspace und die wahnsinnigen matrosen von barabass so gut gefallen haben!
lieben gruß
alex diamond
Das mit den sechsstelligen Umsätzen ist in der Tat eine etwas unglückliche Nummer aber wenn man in der Presse mal auf sowas festgenagelt ist, dann bleibt das halt hängen. Wie oben und auf auf dem jonet-Tag erwähnt ist Umsatz eben nicht Gewinn. Aber: AdSense ist m.E. momentan der einzig realitsische Ansatz um vom Blogen oder Online-Kleinverlegen einigermassen zu leben. Das probiert man hier bei Spreeblick ja nun auch (wenn auch ziemlich unteroptimiert soweit ich das sehen kann). Das „neutral“ AdSense macht im Gegensatz zum Sponsoring das Schreiben unabhänig von der Gunst und dem Budget einiger weniger Sponsoren. Und wie gesagt sehen wir das Lexikon als Hausaufgaben. Damit au Dauer das was unsere Blog-Autoren schreiben auch gelesen wird, Anzeigenerlöse erwirtschaftet und wir unseren Autoren Geld für ihre Arbeit geben können. Gute Autoren haben das auf Dauer verdient meine ich.
Joerg, hier ist nix optimiert, das stimmt. Und ich meine das ernst wenn ich sage, dass ich gespannt bin wie sich eine technische Optimierung, die ich bald angehen werde, auf die GoogleAds auswirken wird. Denn derzeit sind sie inhaltlich einfach oft unpasssend.
Schätze, es muss die Mischung sein: Guter Inhalt, technische Optimierung.
@Joerg: „Das „neutral“ AdSense macht im Gegensatz zum Sponsoring das Schreiben unabhänig von der Gunst und dem Budget einiger weniger Sponsoren.“
Grundsätzlich ja, aber ganz sicher bin ich mir da nicht: „… Entdecken der höchstbezahlten Google-Adwords …“ macht auch wieder von Themen abhängig.
Teilweise denke ich, dass auch Partnerprogramme sinnvolle Werbung liefern können – auch wenn ich mir da bisher durch viele Spam-Seiten auf dem Gebiet nicht so sicher war.
Interessant finde ich die auch in Hinblick auf den Einfluss, was konkret angezeigt wird: http://www.finanso.de/blog/ist-google-adsense-die-ideale-werbeform-fuer-blogs-oder-problematisch/
@Johnny: Technische Optimierung? Du meinst die Bereiche kennzeichnen, die beachtet und nicht beachtet werden sollen, oder?
Funktionierte eigentlich ganz gut.
Es ist natürlich auch darauf hinzuweisen, dass Herr Stengel seinen – wie auch immer gearteten – Verdienst auf Kosten der SchreiberInnen macht, die er billigst abspeist. Da es nicht um Inhalt geht, käme aber vielleicht ein automatischer Wort-Generator noch günstiger.
Ich glaube auf die Kapitalismuskritik des – wie immer in solchen Fällen – anoymen B. gehe ich nicht extra ein. Das ist dann doch zu hirnlos. Was die Optimierung betrifft: Hochoptimierte Seiten die keiner lesen will machen keinen Sinn. Ohne attraktiven Inhalt läuft das Spiel also nicht. Das gilt für das Web noch viel mehr als für das relativ oligpole Print- oder TV-Busines. Bzgl. Affiliate-Programmen haben wir einiges probiert. Sinn gemacht hat kein einziges.
André, nee, ich meine: nicht mal die keywords unserer seiten machen derzeit sinn… da steht nur „blogs“ und so. ich meine wirklich den code. nicht die präsentation.
achos, oder redest du von nofollow und so? das scheint mir okay zu sein.
Na die Keywords bleiben ja wohl die gleichen wie immer, oder willst du etwa andere Themen anschneiden. Das glaube ich eigentlich nicht.
Ich meinte, dass du ja Google anweisen kannst, nur den Hauptteil deiner Texte für Adsense heranzuziehen.
Ich rede also auch vom Code.
Ja genau. Sowas meinte ich auch. Nur, dass ich das nicht wusste, das man das kann. Muss mich eh damit beschäftigen. Wenn ich den verflixten Shop endlich online habe….
Johnny fantastisch, wie wir manchmal so aneinander vorbei reden.
Und wieder Nachtarbeit … nachdem ich jetzt lange gekämpft habe, um HTML-Tags in einem Beitrag nicht von WordPress verarbeiten, sondern anzeigen zu lassen – das meine ich:
http://www.finanso.de/blog/google-adsense-optimierung-mittels-section-targeting/
Für die Nachtschichten: Hab mal die wichtigsten Google Neuerungen der Woche auf http://www.geldsachen.de zusammengetragen. (Ich weiss, der Domainname ist nicht wirklich dazu geeignet sich hier Freunde zu machen aber die Domain war noch übrig und letztlich passt’s ja :_))