Wie man sich mit Blogs, die es noch gar nicht gibt, schon im Vorfeld richtig beliebt machen kann, beweist Christoph Schuh vom Burda-Verlag:
Innerhalb der nächsten sechs Monate wird Burdas Internet-Tochter Tomorrow Focus AG groß ins Thema Weblog einsteigen. Dies berichtet das in München erscheinende Wochenmagazin „werben und verkaufen“ w&v in dem Supplement Innovation der aktuellen Ausgabe (ET: 24.11.) Jede Zeitschrift bekommt Redaktionsblogs […]. Um „Qualität und sauberen Content“ zu wahren, so Marketing-Vorstand Christoph Schuh, muss jeder, der online mitreden will, sich registrieren lassen. Zudem arbeiten seine Techniker an einer Software, die Stichworte wie „Heil Hitler“ selbstständig herausfiltern. Zusätzlich will Schuh vertrauenswürdige Blogger zu Kontrolleuren machen – als „eine Art ehrenamtliche Blogger-Polizei“.
Jaja, das haben Ix und IT&W und der Schockwellenreiter und bestimmt auch andere auch schon, aber es ist ja auch zu schön, oder? Ich stelle mir die technische Abteilung von Burda vor, die seit Monaten über der Entwicklung der Anti-Heil-Hitler-Software schwitzt, die im Gegensatz zu anderer Software, die ja meist manuell arbeitet, alles selbständig hinbekommt. Wahnsinn. Ist ja tatsächlich auch nicht so einfach, überlegen wir mal: „Heil Hitler“, klar das kann man leicht filtern. Dann noch „Heilhitler“ in einem Wort. „88“ muss auch raus, ihr wisst schon. „HH“ natürlich ebenso. Und: Falschschreibungen beachten! „Geilhitler“, „Hailhittler“, „Heil Hilter“… ach, am besten alles was auf „-ler“ endet gleich raus, sicher ist sicher. Und ich will gar nicht wissen, was Google aus den letzten Sätzen macht…
Aber warum nicht einfach („selbständig“ sozusagen) die Kommentare ganz schließen? Im Ernst, das machen einige Blogs und das ist grundsätzlich nichts verwerfliches, ich sehe Kommentare als Angebot, nicht als Grundrecht. Insofern habe ich auch weniger Probleme mit Blogs, die Comments rausschmeißen: der Gastgeber entscheidet. Dass dessen Motive von Zeit zu Zeit kritisierbar sein können, ist klar, aber grundsätzlich behalte ich mir auch vor selbst zu entscheiden, was ich hier toleriere und was nicht.
Aber diese Wortwahl! „Sauberer Content“. „Blogger-Polizei“. „Kontrolleure“. Eine Art Blog-Sicherheitsdienst? Die „Blosi“ vielleicht?
Jetzt mal ein Tipp unter uns, Herr Schuh, so von Blogger zu Blogger, vielleicht einfach mal an ihre Techniker und Redakteure weitergeben, aber sonst nicht weitersagen: Web 2.0. Echt. Das kommt, ich bin mir sicher. Das geht ab. Da geht was. Einsteigen. Groß. Aber schnell.
*grins* Aber Johnny, …, man könnte es doch als Zensur intepretieren, wenn man die Kommentare sperrt! Überleg mal was für eine Auswirkung das auf das Image des Burda Verlages hätte. Und überhaupt: Abheben kann man sich nur, wenn man alles viel besser macht, als die anderen, auch wenn sich die Software die zur Auswahl steht um zu bloggen tausendfach bewährt hat.
Naja, erheiternd ist die PR-Meldung auf jeden Fall. Interessant find ich daran übrigens diese „um die Qualität“ zu wahren „muss man sich registrieren“ Passage. Klingt vom Schreibstil her fasst als wäre das was Besonderes ;-)
Grutzi
Patrick
Viel besser als den Part mit der Bloggerpolizei fand ich die Begründung des Erfolgs an sich: http://weblog.plasticthinking.org/item/2005/11/29/ehrenamtliche-blogger-polizei
1. Es kommt immmer darauf an *wie* man etwas macht.
2. Troll-Tötung ist leider notwendig. Wenn es ausgewählte Nutzer besorgen – ja, warum eigentlich nicht?
3. Ich versteh die Aufregung nicht. Wenn jetzt Blogger zum Sicherheitsdienst eingeteilt werden, ist das doch nur eine Demokratisierung des BloSi…
4. Im Übrigen gilt Regel Nummer 1
Im Ernst, ich erinnere mich z.B. an unselige Wahlkampfzeiten, wo Zensur in in bestimmten (!) Politikerblogs verbreitet war. Oder sowas wie die „Mitmach-Angebote“ von DbD. Wenn Meinungen komplett gekillt werden, wenn sie nicht ins PR-Kalkül passen. Also:
„Du bist“ verlogene NLP-PR.
Hey, isses dann nicht netter, wenns die lieben Mitblogger machen?
Demokratischer und a bisserl weniger repressiv.
Ich habe einen Namensvorschlag für diese Institution:
Blogwart… oder ist das zu offensichtlich? :)
Grüße, Simon
Autsch. Moe, sorry fürs nicht verlinken, hatte es bei dir nicht gelesen. Feed aber gerade wieder aktualisiert.
„žSauberer Content“.
Herrlich! Ich bin sowas von begeistert!
Bald wird es Blogs mit noch saubererem Content geben, gar dem saubersten, dazu: Content-Reiniger („Denn nur Content-Frei hält den Content frei!“).
Gut, Spaß beiseite.
Gesamtgesellschaftlich zielführend ist grundsätzlich die Forderung:
„Wer mitreden will, muss sich registrieren lassen.“
Fehlt noch in viel zu vielen Bereichen des Alltags.
Kommt noch.
Kann ja auch schnell mal was schief gehen: http://handelsblatt6.blogg.de/eintrag.php?id=447
@Johnny: Macht nix, bis Weihnachten passiert eh nich viel und I’m not even supposed to be here today :)
Ist ja auch zu schön, einerseits Schlagworte des Dritten Reiches zu filtern zu wollen, um im gleichen Atemzug den Blockwart virtuell wieder einzuführen. Was das mit Demokratie zu tun haben könnte, ist mir jedoch nicht ganz klar. (jaja, dasselbe hätte ich auch bei Ix, IT&W und dem Schockwellenreiter kommentieren können, beim Spreeblick darf ich aber auch kommentieren, ohne mich anmelden oder Javascript einschalten zu müssen.)
2:0? Wer
führt 2:0?
Weber?
Hatte also schon mal überlegt, ob’s nich cool wär, als Blogbulle durch die Tiefen der Blogosphäre zu schwirren und in den verfilzten Nestern der bloggenden „Freundin“-Leserinnen das virtuelle Strickzeug zu konfiszieren. Gegen sexuelle Gefälligkeiten würde ich’s dann wieder rausrücken.
Ich schwärmte schon vom Dienstrechner mit 100 Yottabyte RAM und 100Gigabit-www2-Leitung.
Während ich so da saß, in Allmachtsphantasien schwelgend, einen virtuellen Bourbon in der einen, eine Filterlose in der anderen, klingelt plötzlich der Browser. Heise am Draht: „Hey, Schnüffler, es gibt ’ne neue Studie. Du weißt schon, über diese Blognummer…“
Clack…
Summen…
Naja, ich weiss nicht. Dass die Burda-Leute da ein Auge drauf haben werden, ist doch klar. Müssen Sie im Zweifel sogar. Ungeschickt ist natürlich das Gefasel von der Blogger-Polizei gleich in der ersten PM zum neuen Service.
Aber wie sieht das denn im Augenblick bei den Plattformbetreibern in Deutschland aus? Kontrollieren die? Zensieren die?
Bei Skyblog (mit >3 Millionen(!) Blogs die grösste Plattform in Europa) in Frankreich haben sie ein ganzes Team zur Kontrolle der Postings. Man spricht von durchschnittlich 6.500 Beitragslöschungen und 10 Blog-Schliessungen – täglich. Die kontrollieren mit entsprechender Filtersoftware Texte und Bilder.(mehr dazu hier)
„groß ins Thema Weblog einsteigen…“. Uhhh wie pfiffig die Burdas doch sind. Das ist total frisch und jung und dynamisch. Eine ganz neue Welt! Also ich freu mich drauf, ne wirklich. Ganz ehrlich. Und ich stell mir gerade vor wie einer von den pfiffigen jungen dynamischen Typen bei Burda sich über den Begriff Web 2.0 informiert, weils der gemeine Haeusler nämlich irgendwie mit so einem sarkastischen Unterton geschrieben hat. Gemein das, dieses Internet. Na wer packt sich die zuerst in seinen Blogroll die Burdas? :)
„Na wer packt sich die zuerst in seinen Blogroll die Burdas?“
Ich mach das, aber nur wenn ich sie Burqa nennen darf.
Kann sich jemand an „Demolition Man“ erinnern. Es gab auf jedes Schimpfwort ein Knöllchen.
Und ich weiß immer noch nicht, wie das mit der Muschel funktioniert…
Muss ich den Drucker wohl an lassen…
*Sanfte Grüße*
da kriegts der herr schuh aber mal von allen seiten. ob der sich jetzt gedanken macht? bestimmt hat ihm jemand kluges erklärt, dass wikipedia sich ja auch selbst reguliert. also alle comments für jeden editierbar machen. folkcensorship quasi? oder vlt. nur so ein *flag as offensive* wie bei flickr. bin gespannt
An sowas wie *flag as offensive* glaub ich nie im Leben bei Großverlagen. Bis sie dahin kommen, reden wir über Web 15.0 Beta, und zwar mit Hilfe unserer Armbanduhr. ;)
tscha – wenn burda was macht, wird eben gleich ein schuh draus…
D.h. man wird bei Burda nicht über PferdeSchwänze, HaArschnitte allgemein bzw. HaArschneidemaschinen diskutieren können?
Oder über die neue NachbArschaft, die aus WArschau/SusSex/EsSex stammt? CaFetische könnten auch zum Problem werden, genau wie Josef Issels‘ Buch „Mein Kampf gegen den Krebs“ oder Platten von Ce Ce Peniston.
Sie sind kreativ, arbeiten gerne mit Kreide und Kohle? Das ist ok, nur von ihren SchrafFurzeichnungen sollten sie bei Burda besser nichts schreiben.
ich habe selbst während der new economy zeiten ein solches heer an freiwilligen online-bewachern angeleitet. erstens: es hat die wirklich kreativen trotzdem nicht abgehalten. zweitens: man hat jede menge arbeit mit solchen helfern. sie kennen meist nur schwarz und weiss. sie funktionieren oft auch nur wie eine filtersoftware. grautöne kennen sie nicht.
aus gründen des jugendschutzes waren bzw. sind solche sicherheitsmaßnahmen leider nötig. man muss nur in ein anständiges impressum schauen, dann sieht man, dass der betreiber der seite im prinzip dazu verpflichtet ist, solche überwachungsmaßnahmen durchzuführen.
ich persönlich finde das schade. habe bisher aber keine andere idee, wie man den aus dem impressum entstehenden pflichten anders nachkommen will.
johnny, wie löst du dieses problem? je mehr artikel du schreibst, die man kommentieren kann, desto mehr arbeit hast bei der kontrolle. oder landen alle postings in einem monitorsystem bei dir und du kannst drüberschauen und ggf. löschen? oder hast du das glück eine entspannte lesergemeinde zu haben? ;-)
gruß jens
ps: ich finde den begriff blogwart in dem zusammenhang aber wirklich großartig! man sollte ihn gleich in der blogosphäre verbreiten …
Jens, bei uns ist das recht harmlos. Der Spam ist fast ausschließlich englischsprachig, also leicht zu filtern. Zweifelhafte Worte kommen auf die Moderationsliste. Und ehrlich gesagt lösche ich auch dummes Zeug nur in den Fällen, in denen Leute direkt und unter der Gürtellinie angegriffen werden, ansonsten sind die Comments eben ein Spiegel der Gesellschaft. Dennoch ist es viel Arbeit und langsam auch ein Problem, alles zu lesen. Um auch die Diskussionen verfolgen zu können. Aber das gehört eben dazu. Bei ganz harten Fällen (Link zu Nazi-Sites oder so) bekomme ich auch Mails von den Lesern, insofern gibt es auf freiwilliger Basis auch hier Leute, die „aufpassen“. Ich kann mir auf Dauer und bei noch mehr Comments ein flickr-ähnliches System vorstellen („report this as spam or illegal“), müsste man mal testen, ob das gut läuft.
Aber wie gesagt: Die Leute hier sind zu 99,9% völlig okay. Ich hab bisher sehr wenig löschen müssen.
Jens: Ein Dienstebetreiber ist gerade nicht für die Inhalte Dritter verantwortlich, solange er keine positive Kenntnis von ihnen hat. Nein, er muss auch nicht selber nach ihnen suchen (Ricardo vs. Rolex ist imo nicht vergleichbar, falls du das im Hinterkopf hast).
Ja, man trotzdem abgemahnt und zur Unterlassung aufgefordert werden.
Impressum und Jugendschutz, bzw. die Benennung eines Jugendschutzbeauftragten nach §7 JMStV, ist dann nochmal eine andere Baustelle. Oder habe ich den Teil missverstanden?
@ johnny: ich habe mich damals immer nach einer erwachsenencommunity gesehnt. ich hatte den eindruck, dass dort die menschen eine art selbstreflektiertes system leben. sie „kontrollieren“ sich nicht, passen aber darauf auf, dass ihre community sauber bleibt. bei kindern und jugendlichen hat das leider bisher nicht geklappt. wir haben mehrfach versucht ein demokratisches system einzuführen, leider hatten die jungen leute wenig bock darauf. das war einer der gründe, warum ich diese jobposition des community managers aufgegeben habe.
@ joerg-olaf: hast nichts missverstanden ;-). aber man bekommt positive kenntnis zugetragen oder eben eine abmahnung und weitere juristische schritte. wenn du allerdings eine jugendcommunity hostest, dann hast du weitergehende pflichten und auch eine eigenverantwortung.
vielen dank an euch beide für eure antworten – gruß jens
Unerfreulicher Nachtrag zu meinem Kommentar #22:
http://www.heise.de/newsticker/meldung/66982
Eigentlich war das Thema in der juristischen Diskussion ja durch. Das Landgericht Hamburg scheint nun aber anderer Meinung, was die Haftung für Forenbeiträge betrifft.
Wenn das Hamburger Urteil nicht kassiert wird, kann man faktisch keine Blogs mehr in Deutschland betreiben, ohne mit beiden Beinen im Knast oder permanent vor dem wirtschaftlichen Ruin zu stehen. Selbst Projekte wie die Wikipedia wären gefährdet.
Was auch immer Burda mit seinen Blogs intendiert — in jedem Fall ist dann die Bahn frei für ungehemmten Kolportage-Journalismus. Wer wissen will, worauf sich dieser Kommentar hier bezieht – guckst Du hier:
http://37sechsblog.de/?p=209
schönen Tach