Zu Recht macht der taz-Artikel von Tobias Rapp zum Thema Musik-Weblogs die Runde durch Blogistan. In einigen Fällen glücklicherweise nicht nur aus der üblichen Selbstverliebtheit der Blogs heraus sondern um tatsächlich eine inhaltliche Diskussion weiterzuführen bei diesem Thema, das nicht in zwei Zeilen abzuhandeln ist, weder in der taz noch in einem Blog.
Nachdem Rapp den taz-Leser/-innen recht anschaulich Musikblogs und deren Strukturen erläutert hat, folgert er:
Hier kündigt sich kein neues Goldenes Zeitalter des Musikjournalismus an, es ist längst da.
Kann man, wenn man zur Übertreibung neigt, so sehen. Das Online-Musikmagazin oder Blog jedoch, dass mich auch nur annähernd so fesselt wie die Spezial-(Print-)Ausgaben von Mojo, das Bildbeschriftungen und Reviews bringt, die mich ebenso zum Kichern bringen wie die des Q Magazines, das muss erst noch getippt werden.
Musik-Blogs erfüllen in meinem inzwischen fast mainstreamigen Musikkosmos inmitten einer Branche, die den Begriff „Vielfalt“ gegen „Overkill“ eingetauscht hat, die Aufgabe, die früher einmal der Plattenhändler meiner Wahl hatte. Sie sammeln und suchen, filtern und bieten an, hypen und lästern, plaudern und diskutieren. Für Rückblicke oder Nach- und Aufbearbeitung bleibt kaum Zeit, denn Blogs sind nicht nur schnell, sie müssen es sogar sein, eine Zwangsjacke, deren Gürtel sich mit der Zeit meiner Meinung und Hoffnung nach lockern werden.
Dann vielleicht, wenn diese elende „Print vs. Online“-Debatte endlich hinter uns liegt. Denn es ist doch eigentlich ganz einfach:
Bestimmte Dinge funktionieren besser online, andere gedruckt. Die große publizistische Kunst besteht nun darin, Inhalte oder Funktionen dorthin zu verlagern, wo sie am meisten Sinn machen. Wenn das auch die taz irgendwann einmal verstanden hat, wird man den Artikel von Tobias Rapp (u.a. mit ihm) direkt diskutieren können und Leser, die den Artikel beim gemütlichen Frühstück auf Papier gelesen haben, bei Interesse auf spannende Links (und Songs) zum Thema hinweisen können. Viel Arbeit für den Autor und die Redaktion? You bet! Wir schreiben das Jahr 2006!
Und noch etwas gilt es im Rahmen der Debatte, die sich ja nicht nur auf Musikmagazine bezieht, meiner Meinung nach zu verstehen. Ich kenne keinen noch so netz-affinen Menschen, der Zeitungen oder Zeitschriften oder gar Bücher prinzipiell nicht mag und daher ausschließlich online liest, es geht daher nie wirklich um die Frage, ob „die Zeitung“ oder „Print“ tot ist. Wie schreibt Nico bei Jackpot Baby! richtig:
Es gibt in der Mediengeschichte einfach kein Medium das wirklich gestorben ist.
Ich selbst liebe es, in einem Café zu sitzen und eine Tageszeitung zu lesen, wenn es mich auch immer öfter nicht wirklich befriedigt. Doch es ist nicht das Medium, nicht die Darreichungsform, die mich langweilt. Es sind die Inhalte.
Wenn das Gros der Tageszeitungen vom Karikaturenstreit zur Vogelgrippe hetzt und dabei die Auseinandersetzung, die Diskussion und die Reflektion vergisst (oder selbige Tage später in eine unbebilderte Randnotiz verbannt), dann hat das nichts mit dem Medium zu tun. Da wird nicht die veränderte Medienlandschaft missachtet, sondern die Leserschaft. Und wenn selbst angesehene Verlage den Anschein erwecken, sie würden den Anzeigenkunden hinterherschreiben, wenn in Magazinen die Werbung nicht mehr vom redaktionellen Inhalt zu unterscheiden ist, dann ist das Problem nicht im Medium begründet, sondern in den Redaktionen und absurderweise noch viel mehr in den Finanzabteilungen.
Denn gerade diejenigen, die sich auf den wirtschaftlichen Druck berufen, dem ein kommerzielles Produkt unterliegt und die damit die fallende Qualität vieler Print-Medien begründen, machen aktuell die größten Fehler. Funktionierender Kapitalismus muss eben auch Nutzen und Werte für den Konsument kreieren. In dem Moment, in dem sich der ursprüngliche Wert eines Produkts verringert (Qualität lässt nach, Angebot ist nicht mehr auf der Höhe der Zeit), sieht sich der Konsument nach neuen Werten, nach anderem Nutzen um. Zur Zeit findet besonders die jüngere Zielgruppe diese Werte in Online-Medien, deren Kommunikationsaspekt eine Wichtigkeit erlangt hat, für die man auf die möglichen Vorteile eines Print-Mediums (Haptik, eigene Fotografen, erfahrene Autoren) verzichtet. Auf Dauer jedoch wird eine sinnvolle Kooperation diverser Medien neuen Nutzen und neue Werte für Leser generieren und somit auch für Umsatz sorgen können. Für diejenigen, die nicht zu lange mit der Umsetzung warten.
(„Was’n jetzt mit den blöden Bloggern los? Erst tun sie so, als wären sie Gottes Geschenk an das geschriebene Wort und nun finden sie plötzlich Zeitungen gut?“ – „Nichts ist so einfach, wie es scheint, Baby.“)
Noch viel mehr Gedanken zum Thema u.a. bei Antifreeze und bei Jackpot Baby!.
Die „Zwangsjacke der Zeit“ liegt glaube ich am Medium selbst. Soll heissen, dass wird wohl auch so bleiben. ´Ganz nach dem alten MacLuhan «The Medium is the Massage»
der meinung bin ich nicht, lars. ich denke, wenn blogs irgendwann erwachsen werden und die schreiber erfahrener, die texte (noch) spannender – so dass auch der johnny kichern kann -, dann werden die inhalte so viel wert sein, dass sie es sich leisten können, diese eine band jetzt nicht als erstes zu entdecken.
ich kann mir das gut vorstellen, dass sich ein blog, Deins?, den Arctic Monkeys erst in einem Monat annimmt, dann aber differenziert und in die Tiefe gehend. Ich würde das verlinken.
Erstens: Jawoll.
Zweitens: kleine Anmerkung zur Taz: Wenn ich mich richtig erinnere, gabs bei denen (die auch die ersten waren, die komplett online zu lesen waren) früher mal die Möglichkeit, Artikel online zu kommentieren. Warum das rausgeflogen ist, weiß ich nicht.
Und wer weiß, was da noch passiert.
„žPrint vs. Online“
Das heutige Geburtstagskind – die Telepolis – ist seit rund 8 Jahren meine Zapfstelle, wenn’s um Slow Food geht. Die ist online besser als der stern offline, und der stern war mal sehr gut.
Für Very Slow Food ist das gute alte Buch natürlich immer noch erste Wahl, wobei ich einen ordentlichen Link den Literaturverweisen im Anhang vorziehe. Und so erwische ich mich ab und zu dabei, dass ich versuche, ein bereits gekauftes Buch als PDF zu ergattern, ums relaxed via Notebook im Bett lesen zu können. Beim „Hm da war doch was-Effekt“ kann ich dann schnell mal im Netz schauen, was zum Geier da war. Abgesehen davon hab ich gleich noch die passende Musik dabei.
Informationelle Dekadenz in Tateinheit mit Reizüberflutung – ich hab mich so dran gewöhnt, das ich’s mag.
Blogs sind nicht nur schnell, sie müssen es sogar sein
Müssen sie das? Du meist sicher die sogenannten journalistisch/investigativen Blogs? Ansonsten gibt’s ja viele, die uns mit Stories aus guten alten Zeiten™ versorgen. Allerdings finde ich die Blogs am spannendsten, die Neuigkeiten haben, bevor sie im Heise Newsticker erscheinen, daher hoffe ich, sie behalten ihre Zwangsjacke an.
Gerade beim Thema Musik sollten sich aber einige nochmal vor Augen führen, dass da „Print vs. Online“ und nicht „Print vs. Blogs“ geschrieben steht…
PS: Buch als PDF auf dem Notebook im Bett lesen ? Neeeeeeeee…… ;)
Wenn die Mediengeschichte eines gelehrt hat, dann doch dies, dass jedes Medium seine eigenen Inhalte kreiert. Daher finde ich die Diskussion, das eine mit dem anderen (wertend) vergleichen zu wollen überflüssig. Ich brauche auch nicht unbedingt eine Ansammlung von Weblinks in der Zeitung – diese soll vor allem in-sich stimmig sein, als Print-Medium. Dann ist das ausreichend und bestimmt auch beständig.
Das Zitat von Nico (Jackpot Baby) ist gut.
Also mit dem Notebook sicher nicht, aber mit dem PDA funktioniert eBooks lesen wirklich sehr gut. Und es hat den Vorteil, dass es die Partnerin schlafen lässt: schwarzer Bildschirm mit dunkelbrauner Schrift funktioniert auch Nachts sehr gut.
BTT: Erstaunlich finde ich jedoch immer wieder, wie sehr das Thema Musik klein Bloggersdorf (wie ich dieses Wort hasse…) doch immer wieder zum reagieren bringt. Ich meine, warum nicht Themen wie Umweltschutz? Verbrechen gegen die Menschenrechte? Warum Musik? Sicherlich ist sie ein wichtiger Bestandteil des täglichen Lebens geworden, aber ich frage mich immer wieder, mit welcher Legitimation viele pseudo-journalistischen Blogs betrieben werden, in denen sich die „kleine Gemeinde“ gegen die ach so bösen „Plattenbosse“ verteidigen muss. Und hier sind wir dann bei den Musikblogs.
Similar to MySpace, I think Blogs are the perfect tool for artists to promote themselves independently. Dan Gilmore’s significant sentence „We are the media“ is even more valid for musicians.
guter artikel johnny. danke. :D
„Ich meine, warum nicht Themen wie Umweltschutz? Verbrechen gegen die Menschenrechte? Warum Musik?“
Ich denke, weil Themen wie Umweltschutz &ct. wesentlich schwerer (im Sinne von gewichtig) und konfliktlastiger sind. Und unangenehmer.
Und außerdem gibt’s indymedia.org.
sehr nett recherchiert wie immer, gruss aus münchen
„“Blogs sind nicht nur schnell, sie müssen es sogar sein“
Müssen sie das? Du meist sicher die sogenannten journalistisch/investigativen Blogs? Ansonsten gibt“™s ja viele, die uns mit Stories aus guten alten Zeiten™ versorgen.“
Eben. Ich hoffe Johnny meinte damit nur die allgemeine Auffassung die die Menschen von Blogs haben und nicht seine eigene (oder?), denn
-Erstens: Wieso müssen Blogs schnell sein? Wegen der chronologischen Reihenfolge? Wegen RSS-Einbindung? Macht sie das automatisch zu Newsseiten? Zumindest scheint es das den meisten zu suggerieren.
Find ich, gelinde gesagt, Blödsinn. ‚Blog‘ ist ein Medium, eine Art zu veröffentlichen, nicht mehr nicht weniger. Das sagt nichts über den Inhalt (für die Jungen unter Euch: Content) aus. Und das bringt mich zu
-Zweitens: Blogs? ‚Die Blogs‘? Kann man die alle in einen Topf werfen?
Nein, natürlich nicht.
So wenig, wie man allgemein von Veröffentlichungsdaten und Inhalten von Papiererzeugnissen spricht und damit sowohl die Bildzeitung als auch Dostojewksiromane unter einen Hut zu stecken versucht.
Genauso wenig sollte man das bei Blogs machen, und da etwa netzpolitik.org und 500beine in einen Topf werfen. Zum Beispiel.
(Ich bin diese Diskussion ein wenig leid.)
Gut geschrieben, und auf einen Punkt gebracht, auf den ich mal selbst hätte kommen sollen. Ich fühle mich plötzlich so angenehm ernst genommen. :)
Vielen im offline-Land wird das nicht schmecken. „Es sind die Inhalte“ untergräbt aber so total die neumodischen akademischen Diskussionen um neue Medien. In der üblichen generischen Verkürzung kommen ja weder Anspruch noch Gewöhnung der Leserinnen gar nicht vor.
Helfen muss die Einsicht trotzdem nicht: der Kostendruck ist da, und der zieht wesentlich stärker bei Formaten mit physikalischen Trägern. Hm.
glaube ich nicht. bloggen hat keine zukunft und die rockmusik von 2002 auch nicht. kein witz, das übersteht gerade noch den nächsten sommer, dann war’s das. aber war ja auch eine nette, ironische, kurzlebige und ein bisschen zu schwule zeit.
Ich erinnere mich an die Absage der Berliner Sparkasse 1998, als ich um ein Existenzgründungsdarlehen bat.
„Sie müssen verstehen… man kannn einfach nicht sicher sein, was nächstes Jahr mit dem Internet ist. Ob es das dann überhaupt noch gibt?“
vielleicht verlegt es jemand oder packt’s aus versehen in die altkleidersammlung oder setzt es an einer autobahnraststätte aus. und dann ist das geschrei gross.
Ebook im Bett,
mit PDA und Partnerin,
braun auf schwarz
das finde ich einfach Spitze!
Eine Offenbarung!
nach wie vor bin ich davon überzeugt, dass blog nur eine ergänzung der medienlandschaft sind. eine wertvolle. aber auch kein ersatz für zeitungen oder zeitschriften oder radio.
aber sie werden die art, wie autoren und leser mit einander kommunizieren verändern. und das ist positiv. allerdings müssten viele blogger hierzulande noch deutlich weniger spass und blubb, dafür mehr recherche und kritische inhalte bieten, um entsprechende lesermassen zu bewegen. bisher erinnert mich mancher wirbel noch zu sehr an einen sturm im wasserglas.
@Johnny, das kenne ich auch. Allerdings ist es schon länger her. Ich wollte ein Forum aufbauen und Bundesmittel erhalten, weil das eben zu der Zeit investigativ und innovativ war. Da schrieb mir einer mit Feder und Tinte zurück, dass das verlorene Mühe sei. Für mich selber ist Bloggen momentan eine tägliche Schublade geworden. Ob Aktuelles, Musikalisches oder Schnee von gestern. Es ist immer wieder etwas neues erlesen und damiterleben, denn nichts ist statisch. Dein Bericht gefällt mir gut. Vier bleiben in diesem großen bunten GroßBloggersdorf, dass den manchmal banale/tristen Alltag aufpeppt. Weiter so.
Das Orthograviehvon Anne Sommer – Gestaltung Hanns KronenbergQuelle: gedichte-garten.deGedicht Das Orthogravieh