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O tempora, o mores

SPIEGEL-ONLINE-Autor Hubert Kleinert hat einen Artikel über den Stand der Dinge im Fußball verfasst- und kommt zu dem überraschenden Schluß, dass früher alles besser war.
Der Artikel ist, wie so viele andere beim Spiegel auch, weder richtig gut noch richtig schlecht, aber durchaus lesenswert.
Treffende Analysen paaren sich mit haltlosen Find-ich-jetzt-aber-so-Meinungen und gebären am Ende eine Idee, die durchaus einen gewissen Charme hat.

Seit Jahr und Tag schon dümpeln die hiesigen Balltreter in einer internationalen Mittelmäßigkeit, die nur durch die glücklichen Umstände des Finaleinzugs von 2002 kurzzeitig überdeckt werden konnte. Genauso lang zurück liegt der letzte Erfolg (Finaleinzug) eines deutschen Vereins auf europäischer Ebene. Seither war stets schon vor dem Viertelfinale Feierabend.

Fakten lügen nicht.
Aber der Finaleinzug von 2002 war triumphal verglichen mit dem Fianaleinzug 1982 (einzuzwei gegen Algerien, das Österreich-Spiel, die Schande von Gijon!) oder 1986 (nullzuzwei gegen Dänemark einszunull gegen Marokko, Sieg im Elfmeterschießen gegen Mexiko).
Also war die deutsche Nationalmannschaft immer schlecht und hatte immer nur verdammtes Glück.
Dann wäre sie so eine Art Dauergrieche unter den Mannschaften, die Gyrosplage der Welt.

Oder aber Fußball ist so.
Ein Turnier stellt die Regeln auf, die WM sagt zum Beispiel:
Setz dich in der Vorrunde durch, was beeinhalten kann, dass du nicht gut spielst, dich aber gegen zwei Teams durchsetzt, die noch schlechter sind.

Und dann gewinn noch vier Spiele, es ist mir egal, ob du in der Verlängerung Paraguay schlägst (Weltmeister Frankreich 1998, mit einzunull) oder im Finale kein Tor schießst (Weltmeister Brasilien 1994).
Ich bin eine Schlampe, die nur den Sieger liebt, ich verachte den Schönspieler (Kamerun 1990) , das Innovative (UdSSR 1986) und Aufregende (Niederlande 1994, 1974).

Eine Meisterschaft redet anders, sie sagt:
Mach in einem vorgegebenen Zeitraum mehr Punkte als deine Widersacher, du kannst weniger Tore schießen und sogar eine schlechtere Tordifferenz haben, für mehr Punkte umarme ich dich.

Wir hängen alle einem verdammt ungerechten Schlampensport an, das muss klar sein.
Man kann es aber nicht einzelnen Mannschaften vorwerfen, wenn sie die Regeln beherzigen.

Während sich Gehaltsniveaus, Honorare, Umsätze und Vereinsetats in den letzten fünfzehn Jahren mindestens verzehnfacht haben, ist die Bundesliga sportlich eher zurückgefallen.

Das ist so, allein: der Zusammenhang ist konstruiert.
Der deutsche Fußball stünde international nicht besser da, würden seine Stars für ein Pausenbrot spielen.

Würden fußballferne Wirtschaftsunternehmen so wirtschaften, wie es im deutschen Fußball gang und gäbe ist – die meisten wären längst bankrott. Und ihre Vorstände könnten längst nicht soviel Langmut vor Gericht erwarten, wie das beim Fußball noch immer an der Tagesordnung ist.

Das ist wahr; Brot und Spiele werden in einem Sozialstaat subventioniert.
Die Spiele nur etwas mehr als das Brot.

Eine eher peinliche Rolle spielt in diesem Milliardenspiel die Politik.

Uneingeschränkt: ja!

Aber sie (Pele und Maradona, M.W.) haben der Welt als Fußballer historische Momente beschert, die sie unvergesslich machen. Verglichen damit wirken die Beckhams und Ballacks von heute bei all ihrer Berühmtheit eher wie Kunstprodukte einer internationalen bzw. nationalen Werbe- und Kulturindustrie. Eine historische Figur der Fußballgeschichte wird man aber nicht im Werbefernsehen.

Da erzählt Opa vom Krieg.
Ich habe Spiele der WM 1974 gesehen, bei denen ich sicher war, dass Spiel sei unterbrochen, so langsam ging es vonstatten. Pele, in unsere Zeit transportiert, würde auf einen Profi-Wrestler wie Jaap Staam stoßen, der ihm die Höschen runterzöge, um den Jahrhundertspieler ganz genüsslich zu ficken.
Natürlich ist Beckham besser als Manni Kaltz und Ballack besser als Overath.

Wenn aber die europäischen Fußballverbände nach dem Vorbild der nordamerikanischen Profi-Ligen Gehaltsobergrenzen vereinbaren würden, verbunden mit scharfen Reglements für das Spielerberater(un)wesen…

Das ist dann tatsächlich eine gute Idee.
Diese Art des Sportsozialismus hält die Ligen in Nordamerika spannend, was die europäischen längst nicht mehr sind.
Zudem gibt es auf Vereinsebene keinen globalen Wettbewerb.
Dies müsste allerdings tasächlich auf europäischer Ebene geschehen und ist somit auf den St.Nimmerleinstag verschoben.

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