Ich traue der Sache noch nicht. Bevor nichts wirklich alles feststeht, wage ich es nicht, über das Ende von Berlusconi zu jubeln. Hieß es um 17h schon er habe verloren, beträgt der Abstand zum Linksbündnis um 20h nur noch 0,9 Prozent. Drücken wir trotzdem die Daumen, es bewegt sich ja schließlich auch in anderen Ländern etwas.
Und hier? Bei uns? Ein Anständiger geht, da er die eigene Gesundheit der Karriere vorzieht, allein für diese Ehrlichkeit muss man Matthias Platzeck Respekt zollen und selbstverständlich alles Gute wünschen.
Darum müssen wir unseren Sozialstaat erneuern, bevor er von denen einseitig aufgekündigt wird, die meinen, sie könnten ganz auf ihn verzichten.
Wahre Worte zum Abschied. Er spricht sie, geht und hinterlässt eine rat- und führungslose Partei.
Tja. Berlusconi muss weg, Matthias soll nicht weg – wenn er es möchte kann er aber :-)
wie gut, dass leo kirch schon zu alt war.
Die Ehrlichkeit in Ehren, aber Platzeck hat den Zeitpunkt nicht zufällig kurze Zeit nach der erfolgreichen Wahl von Beck gewählt.
Wenn schon gehen, dann zumindest zeitlich passen xD
Schade, dass er gehen muss. Hat aber dennoch einen der wichtigsten Texte der letzten Jahre in die Mainstream-Medienlandschaft gesetzt. Hoffentlich wird er genug gewürdigt.
„žWir wollen keinen abgemagerten Sozialstaat, sondern einen besseren.“
Alleine für diese Worte könnte ich ihn umarmen, denn in jedem Satz schwingt mit, was ich seit Jahren denke: der Sozialstaat muss nicht reformiert werden. Es muss ein neuer her.
Mich wundert ja, dass Berlusconi immernoch so viele Anhänger zu haben scheint. In Deutschland würde doch wohl kaum jemand Kai Diekmann wählen, weil jeder weiß, dass er die Bildzeitung für sich nutzen würde. Nur so als Beispiel.
and there goes the neighbourhood…
ich dachte echt, dass die italiener diesmal gleich so clever wären, nicht wieder auf diesen quacksalber reinzufallen (aber der riss zwischen norden & süden darf wohl echt nicht mehr unterschätzt werden). spätestens wenn man das interview auf rai 3 (http://www.welt.de/data/2006/03/13/859347.html) gesehen („ich sage ihnen jetzt, was sie mich fragen dürfen“) & die diskussionen um das alte neue verhältniswahlrecht (http://www.welt.de/data/2005/10/13/788794.html) mitverfolgt hat, fühlte man sich doch an ein politisches system bar jeder demokratie erinnert. herr lukaschenko wird bestimmt noch der dickste kumpel von silvio. na ja, zumindest kann er ihm in italien vorerst keinen besuch abstatten: http://www.welt.de/data/2006/04/11/872737.html.
„Darum müssen wir unseren Sozialstaat erneuern, bevor er von denen einseitig aufgekündigt wird, die meinen, sie könnten ganz auf ihn verzichten.“
Und wieso haben Sie nie damit angefangen – sondern ehr das Gegenteil gemacht?!
Dann musst Du die Daumen auch weiter druecken – Patt droht.
Ja, bin gespannt auf morgen…
ich halte ihn ja auch für ’ne ehrliche haut. doch so makaber es scheint, ist der abschied, für alle die so denken, das beste, um nicht schon wieder herbe enttäuschungen erleben zu müssen. ausserdem irrt auch platzeck, wenn er glaubt man könne genug sinnlose jobs erfinden um das system der lohnarbeit aufrechterhalten, um einen gerechten sozialstaat zu finanzieren.
gegen sinnlose arbeit habe ich nichts einzuwenden, sie ist für mich sogar äusserst wichtig, aber die finanzsysteme haben sich zu sehr verselbständigt, als das geld als tauschmedium zwischen verschiedenen arbeiten und produkten noch funktionieren könnte. desshalb müssten wenigstens im sozialsystem die geldströme eingedämmt werden. statt dessen wird zugelassen, dass finanzierung neue kosten verursacht (praxisgebühr), dass liquidität und nicht bedürftigkeit die weiterentwicklung des gesundheitswesens bestimmt (wellness, plastik, anti-aging), dass bildung kein allgemeingut, sondern per kredit zu erwerbende ware wird, dass paaren das kinderkriegen als pesönliches wirtschaftsrisiko aber für die gesellschaft notwendiges opfer sugeriert wird (wobei das ganze je nach einkommen abgefedert wird, der der mehr verdient hat bekommt natürlich auch mehr, wenn er nichts leistet), usw., ich schweife ab.
martin -bist du dir da wirklich sicher?
Bekommt Berlusconi eigentlich auch ein Einreiseverbot, wenn er…? Ach nee, das war wer anders. Und das Thema ist auch viel zu ernst.
Interessant finde ich die jetzt auftauchenden Formulierungen wie „die Italiener hätten sich scheinbar zur Unregierbarkeit entschlossen“. So wie wir alle zur großen Koalition, vermutlich.
Und zu Platzeck: ja, schade, das. Der kleine Paranoiker in mir vermutet ja immer noch, dass er vielleicht gerade wegen des Rufs nach neuem Sozialstaat… aber vermutlich war es wirklich eher die Gesundheit, würde mich auch nicht wundern bei dem Job.
mein gestriger kommentar ist leider irgendwie verschluckt worden.
platzecks abgang bewahrt so manchen einfach vor einer erneuten enttäuschung. (MeOnly:)in diesem zusammenhang finde ich seine „zukunftsvisionen“ eher konsequent als merkwürdig.
italien: einerseits, berlusconi sollte verschwinden. andererseits, verlieren wir dann ein gehörig stück klarheit. wer hat uns die funktionsweise des staates besser verdeutlicht als er, wer verkörpert die prinzipien der marktwirtschaft klarer als er? er mag zwar ein lügner und betrüger sein, aber in seinem wesen ist er ehrlich und hat uns so manche heuchelei erspart.
@guido: „berlusconi = lügner und betrüger, aber in seinem wesen ehrlich?“ wie geht das denn bitte?
und von ehrlichkeit kann nun ja wohl wirklich keine rede sein. die autobiografie „una storia italiana“ die silvio im jahr 2001 an sämtliche italienische haushalte verschickte strotzt beispielsweise nur so von unwahrheiten (online unter , leider nur auf italienisch). eine sehr aufschlussreiche auseinandersetzung mit deren rhetorik und schönfärberei findet sich unter (ebenfalls auf italienisch).
übrigens ist der typ nur aufgrund eines amnestiegesetzes der verurteilung wegen falschaussage unter eid entgangen. und auch wenn man wahlversprechen generell wohl nicht zu ernst nehmen sollte – die wahnwitzigen versprechungen eines silvio berlusconi stellen wohl alles in den schatten.
ich weiß beim besten willen nicht, wie man berlusconi mit klarheit, ehrlichkeit und ersparter heuchelei assoziieren kann.
die links sind wohl beim verschicken verloren gegangen. also hier noch mal:
die abenteuerliche berlusconi-autobiografie:
http://www.madvero.it/pernondimenticarefile/unastoriaitaliana.pdf
deren analyse:
http://www.baskerville.it/PremioB/2004/Mingioni.pdf