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Abschlussrede der Torwartdebatte

Nun, da die Entscheidung getroffen wurde, ist es an der Zeit zurück zu blicken.
Was war?
War was?
Wir konnten in erster Linie erleben, was Medien aus uns machen.
Sie machen uns zu memübertragenden Zombies, die nicht mehr beurteilen können, was passiert, sondern ihre einzige Aufgabe darin sehen, den zweihunderttausendsten Aspekt einer zum Kreischen nebensächlichen Frage zu erörtern, Gedankenfetzchen weitergebend Leserbriefe zu schreiben, Freundeskreise zu belästigen.
Der Anlass konnte geringfügiger kaum sein.

Zwei intelligente junge Männer haben sich um einen Posten beworben, haben dabei die Regeln der Fairness gewahrt, nicht schlecht übereinander gesprochen, fleißig ihr Bestes gegeben.
Jeder, der etwas von der Materie versteht, weiß, dass dieser Posten nicht der entscheidende in dem Projekt ist, ein Posten, der notwendigerweise besetzt werden muss, der aber in den seltensten Fällen spielentscheidend ist.
Der Vorgesetzte hat sich von Anfang an festgelegt, dass er erst sehr spät die Entscheidung treffen werde.
Trotzdem sah ein Interview mit Cheftrainer Klinsmann während der letzten Dekade (gefühlte Dauer) ungefähr so aus:
“Herr Klinsmann, wer wird bei der WM das deutsche Tor hüten?”
“Wir werden uns erst kurz vor der WM festlegen.”
“Kahn oder Lehmann?”
“Kahn ist die Nr. 1, Lehmann der Herausforderer.”
“Wer hat denn momentan die Nase vorn?”
“Wir wollen keine Wasserstandsmeldungen geben, die Leistung der beiden wird über den ganzen Zeitraum bewertet werden.”
“Also Kahn?”

Nur jemand, der gelernt hat, Brötchen beim Warmwerden zuzuschauen, konnte diese mediale Wasserfolter ertragen.
Taktgeber der Skandalisierung dieses äußerst banalen Konkurrenzkampfes zum Torwartkrieg war natürlich die Bildzeitung, deren Schreiber die dauergeilen Thailandfahrer, die voyeuristischen Nachbarn hinter der Häkelgardine des deutschen Journalismus sind.
Aber auch die Süddeutsche Zeitung spekulierte lustig mit, als müssten die Redakteure ihr spärliches Gehalt mit Wetten bei der chinesischen Triade um die Ecke verbessern.
Und die grau gewordene Zeit verstieg sich noch in ihrer letzten Ausgabe zu der Deutung, Klinsmann habe mit der Schaffung der Konkurrenzsituation als Vollstrecker des neoliberalen Zeitgeistes gehandelt.
Der Spiegel betitelte sein Lehmann-Interview lüstern mit:
“Lehmann spricht über Kahn.”
Und was sagte Lehmann Aufregendes:
Dass er es nicht so sehe, dass er Kahn etwas weggenommen habe, vielmehr habe Klinsmann sich zwischen beiden entschieden.
Das ist ja nun wirklich das Sensationellste seit dem polnischen Angriff auf Deutschland (Lato gegen Mayersepp, nicht 39).

Die Einzigen, die ihre Würde gewahrt haben, waren die beiden Torleute und der Trainerstab, alle anderen- inclusive uns- haben bewiesen, dass das Sapiens in unserer Gattungsbezeichnung der absurdeste je erfundene Euphemismus ist.

7 Kommentare

  1. 01

    Wie sagte doch der Bundesaussenminister a.D.? “Journalisten sind 5 Mark Nutten.”

  2. 02

    dann kaufe ich mir aber lieber ein los der aktion mensch, gibt wenigstens keine schwer auzusprechenden krankheiten.

  3. 03

    Die Einzigen, die ihre Würde gewahrt haben, waren die beiden Torleute und der Trainerstab, alle anderen- inclusive uns- haben bewiesen, dass das Sapiens in unserer Gattungsbezeichnung der absurdeste je erfundene Euphemismus ist.

    Von mir aus, aber jetzt darf hier bitte keiner behaupten das Medientheater um Kahn und Lehmann hätte keinen Spaß gemacht ;-)

  4. 04

    wir hier machen ja auch nur spaß, das ist schon in ordnung.
    aber von den angesprochenen leitmedien hätte ich mir schon etwas mehr abgekärtheit erwartet.

  5. 05
    trainbuk

    leichtes befremden hier. auch bzgl. des erschreckens der medien (im nachhinein) über ihr eigenes interesse an dieser diskussion. ja, zustimmung – die keeper haben sich untadelig verhalten. von den medien habe ich allerdings auch schon schlimmeres gelesen und gehört.
    natürlich gibt es “wichtigeres” im leben, aber wer will schon jeden tag nur über irak, steuererhöhung und arbeitslosigkeit hören. und das spiel scheint vielen menschen doch sehr wichtig zu sein. nein, hier ist imho nichts passiert, wofür man sich schämen oder gar das “sapiens” abgeben müsste. alles im gepflegten grünen bereich.

  6. 06
    Hennes

    Ich fand die ganze Aufregung auch leicht übertrieben, aber keinesfalls weil die Position nicht so wichtig wäre. Wenn man an die WM 2002 zurück denkt kann sie durchaus spielentscheidend sein. Ich würde nur ganz einfach sagen, dass es keum eine Rolle spielt ob nun Lehmann oder Kahn im Tor steht. Auf der Position kann der Bundestrainer eigentlich nichts falsch machen.
    Das Theater in den Medien kann im WM-Jahr nicht wirklich überraschen.

  7. 07
    sNaP sHoRtY

    Ja Deutschland ist Dritter !!!!!!!!