Die größten Kritiker der Elche
waren früher selber welche
Dieser wohl jedem bekannte Zweizeiler von F.W. Bernstein kam mir gerade einmal mehr in den Sinn.
Jaron Lanier ist, das muss man wissen, ein „Cyber-Visionär“. Er gehörte zu den Techno-Hippies, die Ende der Achtziger The Well bevölkerten, eine der ältesten Online-Communities. Er prägte den Begriff „Virtual Reality“. Er erfand merkwürdige neue Musikinstrumente. Er ist Ehrendoktor des New Jersey Institute of Technology. Er schreibt gerne und gut. Und er trägt unter seinen dicken Dreadlocks einen äußerst klugen Kopf.
Ein weiteres Mal stellt er dies jetzt in einem Artikel unter Beweis, der in der deutschen Version in der Süddeutschen erschienen ist und eine unbedingte Lese-Empfehlung für jeden ist, der sich mit den Themen Online-Gemeinschaften, Social Networking, Blogs, Web 2.0 usw. beschäftigt (ich gebe übrigens nie „Lese-Befehle“, frage mich aber schon lange, wer dieses bescheuerte Wort zuerst in die Welt gesetzt hat).
Wer die Wikipedia grundsätzlich prima findet, aber bei der sie begleitenden Euphorie doch immer noch schwer erklärbare Kopfschmerzen verspürt, der dürfte in Laniers Artikel jede Menge Aspririn finden. Seine Betrachtung des Online-Kollektivismus als mögliche Gefahr für die Gesellschaft könnte nicht unpopulistischer und spannender sein, die Tatsache, dass man ihn als grundsätzlichen Freund des Netzes verstehen muss, macht seine Worte umso wertvoller.
Es gibt Punkte, an denen ich mich gerne mit ihm streiten würde. So halte ich Blogs durchaus für eine Chance zur Rückkehr des Individuums und auch für einen möglichen Gegenpol zur Massenhysterie, doch speziell seine Kritik an den Algorithmen der Suchmaschinen und am Vertrauen in die Unfehlbarkeit des Kollektivs teile ich voll und ganz.
Der wahre Wert des Internets besteht darin, dass es Menschen miteinander verbindet. Wenn wir anfangen zu glauben, dass das Netz ein eigenständiges Wesen darstellt, reduzieren wir diese Menschen zur Wertlosigkeit und uns selbst zu Idioten.
Immer wenn ich Texte wie diesen lese, stelle ich (zunächst etwas frustriert, am Ende aber motiviert) fest, wie viel besser das noch werden muss, was ich hier tue. Mehr kann man von einem solchen Text kaum verlangen.
[via]
Hey, die Diskussion wird also in Deutschland tatsächlich doch noch aufgegriffen. Man sollte allerdings auch noch auf die Reaktion der anderen Mitglieder des Reality Clubs für deren Publikation „EDGE“ Lanier diesen Beitrag geschrieben hat hinweisen. Das sind unter anderem Douglas Rushkoff (Media Virus, Open Source Democracy), Howard Rheingold (Smart Mobs), Jimmy Wales (Wikipedia), Esther Dyson (Release 2.0: A design for living in the digital age) und Kevin Kelley (Wired).
Originaltext gibts hier:
DIGITAL MAOISM: The Hazards of the New Online Collectivism
Reaktion des Reality Clubs:
EDGE Reality Club
Und wer Lust hat, meine eigene Betrachtung des Themas:
Web 2.0 als Weg in einen seelenlosen Kollektivismus?
Rheingold hat mich irgendwann ein bisschen gelangweilt, muss ich zugeben. Und seit des vor einigen Jahren einsetzenden Positivismus-Wahns von WIRED (auf der Suche nach dem endlosen Leben des perfekten Menschen…) habe ich auch von denen Abstand genommen. Aber das hier von Lanier ist fantastisch. Mit den Reaktionen will ich mich noch in Ruhe beschäftigen.
ich finde seinen text zwar anregend, um über die von ihm angerissene problematik nachzudenken, aber ich bin (so wie johnny) anderer meinung.
es ist nach meiner meinung nicht so, dass sich z.b. die wikipedia „als instanz“ verselbständigen kann, und uns zu idioten macht. auch von individuen in teuer bezahlter arbeit recherchierte und bereitgestellte information kann grottenschlecht oder sogar falsch sein.
jede form der information muss sich kritisch hinterfragen lassen, ob vom individuum oder von kollektiv hergestellt.
und blogs mal eben als reine provokations- oder massenkonsummedien darzustellen ist noch flacher als die niederlande.
„So halte ich Blogs durchaus für eine Chance zur Rückkehr des Individuums und auch für einen möglichen Gegenpol zur Massenhysterie“
Sowas in der Art dachte ich mir in den letzten Monaten desöfteren, wenn ich darüber nachdachte worin sich Newsgroups/Foren von Blogs unterscheiden, bzw woher meine „Forenmüdigkeit“ kommt und meine Lust am Blog.
Ich bin nur an einigen wenigen Stellen anderer Meinung, denn ich glaube die Wikipedia hat sich bereits als Instanz verselbständigt. Dass auch Individuen kein Garant für Qualität sind ist klar, aber es geht ja um den Glauben, dass das Kollektiv dies verhindern könnte.
Bei Blogs sieht er, denke ich, den Effekt der in Deutschland gerne „die Sau durchs Dorf treiben“ genannt wird als größte Gefahr. Denn gehört wird in diesen Momenten nur der Lärm der Kläger, die Stimme des Angeklagten ist so gut wie nicht vorhanden. Genau dafür, dass nämlich alle Gehör finden, sollte aber z.B. eine funktionierende Demokratie sorgen.
Ich hoffe aber, siehe oben, dass Blogs mehr sein werden. Dafür ist aber individuellere Themenwahl nötig, und viele Blogs verlinken sich nur hin und her, die Themen entstehen aus sich selbst heraus. Das meint Lanier. Glaube ich. :)
Kennst du das Buch „Die Weisheit der Vielen“ von James Surowiecki? Das Buch untersucht, wann eine grosse Gruppe von Laien bessere Entscheidungen treffen kann als einzelne Experten. Voraussetzung: jedes Individuum der Gruppe muss unabhängig von den anderen urteilen können, die Gruppe muss ausreichend diversifiziert und dezentralisiert sein. Und zudem müssen die Informationen aggregierbar sein – was bei journalistischer Arbeit schwierig sein dürfte.
http://www.amazon.de/gp/product/3570006875/303-0502833-2771434?v=glance&n=299956
Oh, Futter fürs Hirn! Danke für den Hinweis!
Lanier schreibt meiner Meinung nach zwar sehr gut, aber seine Gedankengänge gehen mir von einer zu kritiklosen Überlegenheit des Individuums aus. Der Individualismus, mit dessen Vorstellungen und Werten wir heute so selbstverständlich umgehen und den Lanier dem Kollektivismus gegenüberstellt, ist auch noch keine 300 Jahre alt und ein Produkt der Renaissance.
Ich glaube Laniers Text ist vor allem eine Reaktion auf die technologischen Gesellschaftsutopien, die gerade Leute wie Rheingold, Rushkoff und auch andere haben. Damit sind seine Ausführungen vor allem als Dämpfer in diese Richtung gedacht, vermute ich mal. Etwas ähnliches hat er vor einiger Zeit übrigens mit den Leuten gemacht, die vergleichbare Utopien auf der Grundlage von Künstlicher Intelligenz und Robotik gezeichnet haben. Auch hier argumentierte er vom Standpunkt eines überlegenen Individualismus.
Ich gehe auch davon aus, dass er hier bewusst eine Bremse sein will, daher das Elche-Zitat, aber ich finde dieses Bremsen zwischendurch mal ganz wichtig. Ich tippe seit einigen Tagen an einem Text zu diesem ganzen YouTube- und MySpace-Krams, aber ich bekomme das nicht so auf den Punkt wie er und schwimme immer zwischen den Polen hin und her. Ein guter Text darf (muss?) auch polarisieren, finde ich, speziell in einem Blog, das macht die Kommentardiskussion sinnvoller.
Douglas Rushkoffs Überlegungen zur Open Source Democracy gibts übrigens kostenlos beim Projekt Gutenberg und ergänzt Surowieckis Überlegungen, die sich ja eher um Organisationen und Gemeinschaften drehen, um eine politische Dimension.
die kernfrage, die lanier in diesem text nur andeutet, ist die der kritiklosen annahme von informationen unterstützt durch eine fiktive kompetenz. die ist jedoch weder neu noch ausschließlich digital.
wer als mensch informationen aus wikipedia, blogs, verzeichnissen u.v.a.m einfach übernimmt oder ihnen einen größeren stellenwert als andere einräumt, ist zu leichtgläubig.
wer die informationen von individuen, die ihre kompetenz auch „nur“ aus einem ansehen (ruf, bisherige arbeiten, gesellschaftliche stellung, karriere etc.) heraus genießen, kritiklos hinnimmt, ist ebenfalls zu leichtgläubig.
auch wenn lanier seinen eigenen wikipedia-eintrag immer wieder zum regisseur hin „korrigiert“, beweist er damit nicht die überlegenheit eines gut bezahlten journalisten sondern illustriert nur die bekannte achillesferse der wikipedia, die allen lesern bei deren benutzung bewusst sein sollte.
…wie viel besser das noch werden muss, was ich hier tue. Mehr kann man von einem solchen Text kaum verlangen.
Spreeblick ist schon lange kein Blog im eigentlichen Sinn mehr. Das hier ist professionell gestaltet und gemacht, und wenn Bloggen nur schon halbwegs zum Geldverdienen taugen würde und du hier nach Zeilenhonorar und nicht mit Amazon-Affiliate-Klicks bezahlt würdest, dann wärst du schon lange ein reicher Mann. Imho.
Weißt du übrigens, was ich das eigentlich bahnbrechende an Youtube finde? Dass sie das embedden erlauben. Dass sie ihren Content einfach so hergeben, damit jemand anderes ihn in seine Homepage einbauen kann. Das habe ich vorher noch nie gesehen.
Ich finde den Artikel absolut lesenswert. Ein wenig polarisiert Lanier schon, wie ich finde, aber unterm Strich gebe ich ihm größtenteils völlig recht. Die Kritik am „Kollektivgedanken“ z.B. von Wikipedia verstehe ich eher als Kritik an den Individuen, die es auswerten. D.h., es ist nicht automatisch alles richtig oder wichtig was von Wikipedia oder Popurls kommt. Aber wenn das mit gesundem Menschenverstand ausgewertet wird (und evtl. nochmal überprüft), sind diese „Tools“ schon ’ne Menge wert.
Erinnert mich außerdem an mein schlechtes Gewissen, dass ich einen kleinen Fehler, den ich letztens auf Wikipedia entdeckt habe, noch nicht verbessert habe…
@ Musikdieb: Das Todesjahr von Dee Dee Ramone wurde in der deutschsprachigen Wikipedia inzwischen korrigiert. Mit dem Todestag liegen sie nachwievor einen Tag daneben.
„Everyone’s against me,
They made me this way
Everyone’s against me,
They’ll be sorry one day“
Lass mich in ruhe – Dee Dee Ramone
Na wenn das Jahr schon mal stimmt, habe ich ja wieder eine Ausrede, mich erstmal nicht in den Wiki-Prozess einzuarbeiten. Aber irgendwann mache ich’s bestimmt, dann wird auch der Tag korrigiert ;-)
vermutete Entstehungsgeschichte der „Lesebefehle“: H. Schmidt wandelt seine Show nach dem Ende der Dirty-Harry-Phase in ein bildungsbürgerliches Kaffeekränzchen und erteilt für Bücher, die er gerade gelesen hat (Bernhardt, Miegel, Huysmans), „Kaufbefehle“. Nach dem Stille-Post-Prinzip werden daraus „Lesebefehle“.
Laniers Überlegung dazu, in welchen Fällen das Kollektiv eventuell bessere Entscheidungen trifft als das Individuum, weckt bei mir sofort die Assoziation, für welche Frage man bei „Wer wird Millionär?“ am besten den „Publikums-Joker“ einsetzen sollte.
Der Vergleich ist vielleicht etwas flach, aber im Grunde läuft es darauf hinaus: das Individuum Internet-Nutzer muss sich ständig selbst überlegen, ob seine Quelle zuverlässig ist oder nicht. Wer Medien wie Wikipedia (blogs, die Encyclopedia Britannica, die BILD, Google, was auch immer…) benutzt, muss sich darüber im Klaren sein, dass die erhaltene Information falsch sein kann. Kollektiv verfasste Informationsquellen wie Wikis unterliegen sicherlich der Diktatur der Mehrheit. Deswegen sind sie zur Informationsbeschaffung über „umstrittene Themen“ – welchen Kalibers auch immer – nur bedingt geeignet.
Auch Wissenschaft vermittelt niemals eine absolute Wahrheit, sondern spiegelt immer nur den aktuellen Stand des Irrtums wider. Solange man sich dessen bewusst ist, ist die „Gefahr“, die vom Kollektivismus ausgeht, begrenzt.
Die Kritik am „Meta-Wahn“ des Web 2.0 kann ich gut nachvollziehen, dieses seit geraumer Zeit sehr polpuläre Wikipedia-Bashing kann ich aber nicht mehr hören. Wikipedia ist für mich die nützlichste Website überhaupt, und dass dieses offenste aller offenen Grundprinzipien funktioniert, finde ich ein kleines Wunder. Ja, es wäre sicher auch mir möglich, binnen Minuten mit duzenden Fehlinformationen aufzuwarten, aber darum geht’s doch gar nicht. Niemand der Wikipedia ernsthaft nutzt baut auf deren Unfehlbarkeit, aber wenn ich etwas nicht kenne, und mir die betreffende Wikiseite durchlese, weiss ich fast allen Fällen bescheid und habe die Links zu den einschlägigen Seiten, die sich der Thematik näher widmen. Das dadurch „das Web einiges an Charakter verloren“ hat, ist Quatsch; vielleicht hat man wenn man Anfang der 90ger nach irgendeinem Wissenschaftlichen Fachbegriff gesucht hat, die entsprechende Seite gefunden, meine pre-Wikipedia Sucherfahrungen waren eher, dass das bisschen Information, hinter dem man her war, unter einem Wust von Kommerz und gefährlichem Halbwissen kaum zum Vorschein trat.
@12/Simon: „Weißt du übrigens, was ich das eigentlich bahnbrechende an Youtube finde? Dass sie das embedden erlauben. Dass sie ihren Content einfach so hergeben“
DIE HABEN GAR KEINEN CONTENT Das ist doch der Witz. Ich persönlich finde youtube furchtbar, diese stockenden verpixelten Miniaturbildchen sind ungefähr so, wie man sich vor 10+ Jahren Video im Internetz vorgestellt hat (und warum man damals dachte, das setzt sich nie durch), und von der Struktur her ist das so „bahnbrechend“ wie imageshack.
wenn jemand heute noch den lesenswerten artikel aus dem Magazin der Süddeutschen verlinkt, wo es um das Gegeteil des ganzen hier geht – dann wäre ich froh. Finde den link gerade nicht.
ICH BIN NICHT MEHR BEBREIT ZU SCHENKEN.
s.
@boo:
Klar. Aber das unterscheidet sie nicht von all den anderen tollen web2.0-Anwendungen. Del.icio.us hat auch keinen Content, und Blogger hat auch keinen Content. Eigentlich hat auch Google keinen Content.
Das ist ja gerade das, was web2.0 ausmacht: Die Inhalte kommen von den Nutzern.
Das ist ja gerade das, was web2.0 ausmacht:
Man könnte ja auch polemischerweise behaupten, das es immer weniger um Inhalte geht, und immer mehr um seltsamen Überbau: Verweise zu Verweisen, Zitate von Zitaten, Blogs über das Bloggen.
Und die Inhalte kommen von den Nutzern bezüglich youtube, naja, klar gibts sehenswerte Ausnahmen, aber wenige, oft sind es Schnipsel aus Kommerziellen Produktionen oder Werbespots(!), und vieles von den „broadcast yourself“-Sachen sind entweder uninteressant oder auf Americas-Funniest-Homevideo-Niveau (Football in die Leisten und so).
(sarkasmus on) die chinesische regierung hat schon vor langer zeit verstanden das die wikipedia nix taugt und hat deswegen folgerichtig die seite für das chinesische internet gesperrt(sarkasmus off).
desweiteren kenne wir die geschichten über yahoo und google.
was nützt web 2.0 wenn ein drittel der weltbevölkerung daran nicht teilnehmen kann und dieses nicht-daran-teilnehmen-können auch noch von den eckpfeilern der web 2.0 herrschaften unterstütz wird.
ich weiss das das sehr polemisch klingt.
trotzdem lohnt sich ab und zu ein blick über den eigenen tellerrand.
zum thema blogs: meistens sind blogs die einzigen wirklichen informationquellen in china.
entsprechend werden diese auch misstrauisch beäugt und gegebenfalls gesperrt.
blogs also doch eine form von demokratie?
leider häufen sich die anzeichen das blogs auch dazu benutzt werden um bewusst „demokratie “ zu steuern.
in diesem zusammenhang bekommt der text von lanier noch eine ganze andere bedeutung.
bin ich die einzige, die das, was lanier da sagt, ziemlich selbstverständlich findet? man kann doch das internet nicht allen ernstes unkritisch nutzen.
„In der Welt vor dem Internet fand man großartige Beispiele dafür, wie die Qualitätskontrolle von Einzelnen die Intelligenz des Kollektivs verbessern konnte. Zum Beispiel lieferte eine unabhängige Presse wichtige Nachrichten über Politiker von Reportern mit starken eigenen Stimmen. Andere Autoren berichteten über Produkte.“
ist das heute nicht mehr so? wer suchet, der findet! das gilt fürs internet genauso wie für die gute alte presse. dem gedruckten wort so viel vorrang zuzugestehen, finde ich auch etwas fragwürdig. damals wie heute wurden leute für gezielte halb- und falsch-informationen bezahlt, und ich bin froh um die alternativen möglichkeiten der information, die das netz mir bietet.
wikipedia wird von menschen gemacht. da sind fehler vorprogrammiert. einem gedruckten lexikon muss man auch nicht alles glauben. keiner zwingt mich, mich nach einer information zu richten, von der ich nicht weiss, woher sie stammt.
„Ein Text muss mehr sein als eine Ansammlung fehlerfreier Referenzen, und zwar Ausdruck von Persönlichkeit.“ nicht in einem lexikon. woanders ja.
@ alecks: „was nützt web 2.0 wenn ein drittel der weltbevölkerung daran nicht teilnehmen kann“
Es können auch nicht alle Menschen lesen. Oder noch besser: als die Buchdruckkunst erfunden wurde – hättest du sie abgelehnt, weil damals nur die Oberschicht die Möglichkeit hatte, lesen zu lernen?
@ sunny3d: „ICH BIN NICHT MEHR BEBREIT ZU SCHENKEN.“
Das ist dann wohl Deine Reaktion darauf, dass die Nutzer die Inhalte bereitstellen sollen. Es gibt aber viele Menschen, die gerne ein wenig von ihrem Wissen ab- bzw. weitergeben. Um die geht es hier.
Bei der Frage „Kollektiv oder Individuum“ geht es Lanier dann wohl auch um die Frage, wie bzw. von wem z.B. ein Kollektiv wie Wikipedia verwaltet wird. Genauso wie in Internet-foren muss es ein paar Individuen geben, die sich darum kümmern, dass kein grober Unfug gepostet wird. Bei einer Suchmaschine ist der Such-Algorithmus entscheidend, auf den aber auch wieder einige wenige Menschen Einfluß haben.
Meiner Meinung nach ist es wichtig, das als demokratischen Prozess zu verstehen und mitzumachen. D.h. bei Wikipedia: Anmelden und auch mal was beitragen (Ich muss gestehen, noch habe ich das auch nicht gemacht. Hab‘ mich aber mal bei einem anderen Wiki angemeldet und was hochgeladen, das war ganz einfach.).
Und bei kommerziellen Anbietern wie Suchmaschinen: Verschiedene Alternativen nutzen und die Ergebnisse kritisch hinterfragen.
Bei MySpace z.B., die ja auch ein kommerzielles Angebot sind, würde ich persönlich mich nur anmelden, wenn ich einen klaren (finanziellen) Vorteil (für mich selber) darin sehen würde.
Und ich dachte immer, dieser Ausspruch stammt von Gernhard. Naja, man lernt nie aus ;)
Ähm, Gernhardt meinte ich natürlich ;)
uuh, der süddeutsche artikel ist ja nur ein stumpf von dem, was lanier auf edge schreibt. da sieht man’s mal wieder…
Und ich dachte immer, das mit den Elchen wäre von dem hier … ;-)
zum thema die intelligenz der masse gab es zwei seiten in der sz-wissen januar 2006 (07/2005) die netterweise auch kostenlos bereitgestellt werden. hier werden kurz ein paar erstaunliche bespiele genannt und abgerissen unter welchen bedingen ein kollektiv dazu in der lage ist.
Wikipedia, scheint mir die Fortsetzung des Bildungsbürgertums mit moderneren Mittel. Das Bildungsbürgertum ist eigentlich tod, es lebe das Bildungsbürgertum ?! Fast alles Schule und die war mir im Grunde immer ein Greul.
Mit dem „Kennenlernen„ über das Net, verhält es sich womöglich ähnlich. Was treibe ich hier gerade ? Profilneurose auf Kommentarleistenniveau ? Den Versuch meine Meinung kund zu tun ? Warum ? Wie auch immer :
Wir hätten doch alle genügend Möglichkeiten, ganz viele Menschen tagtäglich n ä h e r kennen zu lernem, aber, für die Meisten beschränkt sich die Lust darauf, auf Beziehungskontakte. Ich treffe viele, die mir im „Super„ immerfort ihren Einkaufswagen in die Hacken stossen und sich noch beschweren, warum ich mich nicht fixer bewegen würde.
Im Internet gibt es virtuelle „Einkaufswagen„. Hat alles Gründe, und bei denen ginge es doch erst richtig los. Wer hat also richtig Lust auf „Kretie und Pletie„ ?!
B (=m – site)
@ Musikdieb:
„Bei MySpace z.B., die ja auch ein kommerzielles Angebot sind, würde ich persönlich mich nur anmelden, wenn ich einen klaren (finanziellen) Vorteil (für mich selber) darin sehen würde.“
Auch wenn es sich eines Tages „auszahlen“ mag (oder auch nicht), doch MySpace bietet mir als Band erstmal keinen finanziellen Vorteil. Im Gegenteil, siehe Billy Bragg in seinem MySpace Blog. Man kann trefflich darüber streiten, ob das, was ein konservativer Medienmogul wie Rupert Murdoch als MySpace Nutzungsbedingungen aufstellt, wirklich koscher ist. Ok, auch ein Murdoch genießt Hausrecht und niemand _muss_ sich an MySpace beteiligen. Auch Billy Bragg, den ich sehr sehr schätze, nicht. Er tut’s trotzdem, auch wenn er seine Musik von MySpace zurückgezogen hat. Der „Wert“ von MySpace ist die Form der sozialen Verknüpfung der User untereinander. „Freunde“ nennt MySpace die Form der Verlinkung untereinander. Klar, kann man ohne weiteres auch in die Pickelecke stellen und sagen, das ist was für pickelige Mädels die Freunde von Bill’s Absteige sein möchten. Und klar, davon lebt MySpace. Aber, und da fängt für mich die momentane Faszination MySpace an, es gibt eine unfassbar große Menge an alternativen, spannenden, abseitigen, schrägen kreativen Köpfen, die ihre Musik dort vorstellen, die sich untereinander, für andere sichtbar, verknüpfen und verlinken, Kontakte pflegen und neue Kontakte knüpfen. Diese dichte und offene Verknüpfung des Kollektivs finde ich das eigentliche spannende an MySpace. Was letztendlich dabei unter’m Strich herauskommt, ob es beim Freundesblidchen sammeln bleibt, oder ob ich meine Kontakte ausserhalb MySpace ausbaue, das liegt wiederum in der Hand des Einzelnen…
@ Boogie: Deinen Artikel über Billy Bragg und MySpace hatte ich im Hinterkopf, als ich das geschrieben hab, der hat mich ein wenig kritischer gegenüber MySpace gemacht. Aber gut dass Du das nochmal ansprichst. Das mit dem „finanziellen Vorteil“ kam mir im Nachhinein auch ein wenig einseitig vor, das kann man sicher noch um einen „ideellen Vorteil“ ergänzen.
Eigentlich ist MySpace ja nur eine Abbildung des Internets in klein. Mit Internetseiten oder Blogs kann man sich genauso verlinken, Freunde sammeln usw. Ich bin mal gespannt, wie sich das weiterentwickelt.
@ Musikdieb:
„Eigentlich ist MySpace ja nur eine Abbildung des Internets in klein. Mit Internetseiten oder Blogs kann man sich genauso verlinken, Freunde sammeln usw.“
Sicherlich kann man Blogs und Websites untereinander verlinken. Man kann sich auch das „kollektive Wissen“ der Wikipedia aus den einzelnen Quellen zusammensuchen. Imho sollte man das auch immer wieder. Genauso (oder besser zunehmened wichtiger) sich auch daruf zurückbesinnen, das es Wissensquellen ausserhalb des Internets gibt. Ja, das dieses „ausserhalb“ die eigentliche Quelle ist. Das diese Quelle, ausserhalb des Netzes, viel bunter und vielfältiger ist, als eine noch so umfangreiche (und hoffentlich auch zunehmend kritische) Masse im Netz.
Was das „genauso“ verlinken angeht, so bezweifel ich momentan, das Blogrolls und Linksammlungen ähnlich effektiv wie die MySpace „Freundeslisten“ funktioniert. Doch immerhin hat der Blogroll Buzz der klassischen Linksammlung einen neuen Kick gegeben. Und auch die dichte Vernetzung von Textlinks in vielen Blogbeiträgen hat zu einer (so empfinde ich es zumindest) neuen Dimension der Informationsvernetzung geführt. Ob das immer in die „richtige“ Richtung läuft, ist dabei eine andere Frage.
@ Musikdieb
Zur Abbildung von myspace als kleines Internet. Das ist völlig richtig, allerdings ist myspace damit nicht alleine. Wikipedia, myspace, youtube, flickr, …. sind alles Netze im Netz, also ‚Sub-Netze‘. Durch eine etwas romantische Brille könnte man meinen, es entstehen also Ansiedlungen/ Städte auf einer globalen Landkarte. Web 2.0 wäre dann der Beginn des Strassenbaus, um über eine gemeinsame Sprache (XML) den Handel von Gütern (Inhalten) zu ermöglichen. Wikipedia hat aus meiner Sichtweise dabei einen etwas zu zentralistischen Ansatz.
@ musikdieb – nein ich meinte damit, dass es für die zukunft entlohnugsmechanismen für internetbeiträge, gerade wissenschaftlicher art, geben muss. dazu braucht es kontrolle, damit nicht jeder dummkopf daher schwafelt, um zu kassieren. wer weiß, vielleicht hast du recht, dass gerade dieses freie system große zugänge verschafft.
s.
Sehr guter Artikel in der SZ! Mein Reden seit Jahren, aber auf mich hört ja keiner ;).
Die Gefahr bei der Wikipedia sehe ich ausserdem darin, dass Wissen verloren geht. Ich würde mich z.B. nicht den Editwars aussetzen wollen, nur um in Blogwartmanier Informationen auszubessern und darauf zu lauern, dass das niemand wieder zurückeditiert. Hier gewinnt IMHO eindeutig der, der den längeren Atem und nicht der, der die bessere Information hat.
Zusätzlich wird Wikipedia massenweise kopiert (wird ja selbst von Wikipedia stark forciert). Immer wieder kopierte Falschinformation wird irgendwann zur Information. Wenn der intelligente Mensch dann denkt, ich google mal eben, was denn andere „Quellen“ zu dem Thema sagen und die sagen das gleiche wie Wikipedia (weil sie da kopiert haben), dann ist das schlecht für die Wahrheit.
@ Reni: Genau das ist in der Tat der Punkt! Die Infos, die man über Suchmaschinen-Treffer oder Wikipedia findet, helfen zwar meistens weiter, dürfen aber niemals als verlässlich betrachtet werden. Wenn man dann noch bedenkt, wie sie zustande kommen – nämlich teilweise durch manipulierte bzw. bezahlte Positionierungen (Suchmaschinen) oder eben durch die Macht der Penetranz (Wikipedia) -, dann dürfte man sie eigentlich niemals nutzen, ohne zusätzlich nochmal hinter ihnen herzurecherchieren. Besonders heikel wird es, wenn Journalisten genau das nicht tun (was sie aber eigentlich vom Berufsethos her unbedingt müssten!) und Treffer aus Wikipedia oder Google sogar zitatmäßig in ihre Artikel einbauen. Das zementiert dann nur wieder das Problem. Bei der Presse gibt es aber immerhin eine recht verlässliche (Selbst-)Kontrolle durch Gesetze, die Konkurrenz und die ebenfalls so „abgesicherte“ öffentliche Debatte. Das fehlt im Web. Bei all dem ist letztlich aber wohl die Medienkompetenz der einzelnen Leser/User trotzdem immer noch am wichtigsten.
Es war Bernstein, das mit den Elchen.