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Warum nicht?

Bevor Fooligan startete habe ich einen euphorischen Artikel verfasst, der aber nie veröffentlicht wurde. Stattdessen habe ich einige Formulierungen dort herausgefleddert, also nicht wundern, wenn euch Manches vertraut vorkommt.
Einige Auszüge:

• Holland startet mit einer Mannschaft, die die beste ist seit dem EM-Turnier 1988 in Deutschland.

• England hat ein Team, das es sich 1996 gewünscht hätte.

• Italien ist auf jeder Position so gut aufgestellt, dass es die Weltmeisterelf von 1982 mit Bleiwesten auf den Alabasterleibern vernichten würde.

• Brasilien tritt diesmal sogar mit Torhüter an und – man wagt es kaum auszusprechen – hat eine Innenverteidigung von Weltformat.

• Tschechien und Portugal wären mit ihrer Mischung aus Zauberfußball und Durchschlagskraft zu jeder anderen WM als Topfavoriten angereist.

• Und die Deutschen haben unter Klinsmann schon Ballstaffetten gezeigt, dass man glaubte, die Harlem Globetrotters hätten die Sportart gewechselt.

• Die Argentinier habe ich vergessen. Die hatten beim Konfed-Cup ihre besten Spieler nicht dabei.

• Das Publikum wird diesmal, anders als beim letzten Turnier, ein fachkundiges sein, und jubeln, wenn ein Tor fällt, nicht, wenn es Einwurf gibt.

• Wir werden ein Turnier erleben, das die ganze Welt in Aufregung versetzt.

Und vielleicht wird sogar eine amerikanische Zeitung unter lokalem Baseball darüber berichten.

Warum sind die Spiele dann so schlecht?
Die Fifa hatte aus dem Desaster der letzten WM, als die Großspieler allesamt müde waren und sich eine deutsche Elf mit acht Liberos gegen zweitklassige Gegener ins Finale einszunullte, gelernt und einen Monat Pause vor dem Wettbewerb angeordnet.
Trotzdem sehen wir reihernde Briten, enteierte Italiener, zuspätkommende Holländer, Endzeitstimmung in den letzten zehn Minuten, wenn die Spieler sich kaum noch auf den Beinen halten können.
Der Spiegel schlägt eine Entschlackung des Wettbewerbs vor.
Hätte man besipielsweise auf einen Verteter Asiens, eine afrikanische und eine mittelamerikanische Mannschaft verzichtet und zudem auf einige der europäischen Mannschaften, die sich erst in den Play-Offs qualifiziert haben, dann wäre die Vorrunde wahrscheinlich spannender gewesen. Das alte Problem der Weltmeisterschaften: Will man möglichst hohe fußballerische Qualität, oder will man sehen, wie Trinidad zusammen mit Tobago spielt.
Ich will Trinidad sehen. Aber diese einst liebenswerten Außenseiter haben sich zu argen Spaßbremsen entwickelt. Es gibt keinen afrikanischen oder gar karibischen Stil mehr, stattdessen spielen alle diese Mannschaften wie ein Abstiegskandidat bei Bayern München mit einem 9-0-1 System. Dass die Fifa härter als sonst durchgreift, wenn eine Mannschaft auf Zeit spielt, ist die richtige Maßnahme.
Hat vielleicht doch Nick Hornby recht, der im Spiegel sagt, die Weltmeisterschaften seien sportlich zu schwach im Vergleich zur Champions-League?
Das ist gar keine Frage. Aber gerade auf diese kleinen Makel hatte ich mich ja gefreut.
So wie eine Frau zu wahrer Schönheit einen Hauch von Hässlichkeit in sich tragen muss, lebt ein Fußballspiel von Fehlern, die es richtig in Schwung bringen.
Aber niemand traut sich mehr, diese Fehler zu machen.
Das ist auch der Kern meines Vorwurfs an Italien. Diese zur Schau gestellte Angst, ein Gegentor zu kassieren, anstatt darauf zu vertrauen, dass man vorne Totti, Inzaghi, Luca Toni hat. Diese Selbstversklavung der Engländer, die sich nicht trauen, Tempofußball zu spielen, weil sie Angst haben, dann am Ende Fehler zu machen.
Übrig bleiben die Brasilianer. Und die sehen es gar nicht ein, mehr zu tun als nötig.
Wenigstens ist das Publikum tatsächlich toll.

5 Kommentare

  1. 01

    Sehe ich genauso. Wenn aber irgendwelche Fußball-Offiziellen wie Pele, Blatter oder Beckenbauer ins Mikrofon brabbeln, hört man fast immer nur den Satz “so viele tolle Spiele”.

    Jetzt mal im Ernst:
    England spielt unterirdisch und Beckham kriegt schon das Kotzen dabei. Genauso wie Italien und sogar Holland. Von solchen Totalverweigerern wie Ukraine, Serbien-Montenegro, Togo, Tunesien, Schweiz und sogar Frankreich möchte ich gar nicht erst sprechen.

    Wenn nicht Deutschland, Spanien und Argentinien bisher so tollen Fußball gezeigt hätten, dann wäre das rein spielerisch eine der schwächsten WM’s seit langem. Leider.

  2. 02
    pierrot

    Wir waren aber auch verwöhnt von dieser großartigen EM in Portugal. Damals setzte sich ja auch Otto Die Mauer mit seinen langen Kerls durch… Von Griechenland lernen heißt siegen lernen. Und seither hat sich das defensive System durchgesetzt, auch in den Ligen. Italien sowieso, in Deutschland spielt nur Bremen Offensivfußball, in England ist es Arsenal, und selbst Barcelona stellt sich gerne mal hintenrein. In Frankreich überlegt man schon länger, neue Regeln einzuführen, weil so wenig Tore fallen. C’est la misère.
    http://www.sportforen.de/archive/index.php?t-33254.html

    Also: Weiterschimpfen, bisses besser wird.

  3. 03

    @pierrot: Aber Rehagels Griechen und aktuell die Italiener hatten/haben wenigstens eine Idee vom Spiel. Auch wenn es eine häßliche, destruktive, defensive Idee ist und war (und bleibt).
    Die Ukraine, die Schweiz, England, Frankreich, Togo etc. haben überhaupt keine Idee, wie sie das Spiel spielen sollen. Das ist nicht einmal mehr defensiv. Das ist reine Anwesenheit auf dem Platz.

  4. 04
    Sebas

    Die Nationale Mannschaft sind anders.
    Sie konnen nicht die beste Spieler auf der Welt kaufen, es gibt was es gibt. Neuer Trainer jedes mal. Nur einmal alle maximal 2 Jahre mehr als 3 Tage in folge zusammen trainieren.
    Togo zumbeispiel: Wie lange ist Pfister da? Auf welche Sprache spricht er mit den Spieler? Wie viele Weltklasse Spieler haben sie? In welchem Land spielen sie? Wie spielen ihre Mannschaften? Wie können sie denn ein Stil finden?
    Spanien hatte nie so gute Spieler wie jetzt, es gab nie Spieler, die so schön spielen könnten. Und nur deswegen spielen sie jetzt besser.
    Mit Frankreich oder Holland passiert genau das Gegenteil. Die Französem haben nach seinem Erfolg fast keinen neuen Weltklasse Spieler produziert. In Holland wartet mann seit Jahren auf den neuen Van Basten, Rikjard oder Gullit.
    Es gibt was es gibt und nichts mehr!

  5. 05

    @Sebas: Stimmt schon. Inzwischen (genauer: seit Bosman) stellen sich die Top-Vereine eine Europa- bzw. Weltauswahl auf den Platz gegen die die Nationalmannschaften nicht ankommen.

    Dennoch: Manche Trainer machen etwas aus ihren Teams, andere nicht. Rehagel (den ich persönlich unerträglich finde) hat Griechenland hervorragend auf die EM 2004 eingestellt, Scolari gelingt ähnliches mit den Portugiesen, die Italiener haben eh ihren Stil etc.

    Aber Du hast eben auch ein Star-Ensemble wie England, das fußballerisch kein Bein auf den Boden kriegt.

    Fazit: Es gibt das, was man draus macht.