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The Killer in Me

suizid
Foto: dfinnecy

Wer ist gefährlicher für den durchschnittlichen Spreeblick-Leser als rasende Audifahrer, waffenbesitzende Nachbarn, Heroin, Angeldust und vergleichbare Stoffe, ja sogar gefährlicher als HIV?
Er selbst.

Ich gleiche Statistiken gern mit meiner Privatempirie ab, beziehungsweise versuche ich aus meiner Privatempirie Rückschlüsse auf die Häufigkeit von Phänomenen zu bekommen. Ich kenne niemanden, der ermordet wurde und auch niemanden, der jemanden kennt, dem das passiert ist. Ein Bekannter meines Vaters wurde tot gefahren, was eine kaum zu übersehende Ironie besaß, weil er selbst ein gefürchteter Verkehrsregelignorierer war (zudem lernte seine Frau auf seiner Beerdigung seine Geliebte kennen, aber das tut hier nichts zur Sache). Mein Frisör aus Jugendtagen und mein fernreisender Kinderarzt starben an AIDS. Ich kenne vier Mädchen, deren Mütter an Brustkrebs erkrankt sind und alle Krebse zusammen genommen erscheint mir das neben dem gemeinen Alterstod die üblichste Todesart.
Aber nicht in meiner Altersgruppe.
Die meisten direkt miterlebten Toten haben sich selbst getötet.
Da gab es den Kindheitsfreund meiner Freundin, der sich aus dem Nichts meldete. Eine aufgekratzte Stimme auf dem Anrufbeantworter: „Hier ist der Weihnachtsmann!“
Meine Freundin fragte ihn kichernd, ob er immer noch so große Zähne habe. Drei Tage später fuhr er hundert Kilometer zu einer besonders hohen Brücke und sprang den ganzen Weg runter.

Oder der Freund meines Freundes B., der zunehmend ein wenig lästig wurde. Eines Abends klingelte er mal wieder unangemeldet und B. versteckte sich im hinteren Teil seiner Wohnung. Am nächsten Tag hat sich der Freund erhängt.

Ein Freund meiner Bekannten A. quartierte sich für einige Wochen in ihrer Wohnung ein. A. wollte dann wieder ihre Ruhe haben.
Erhängt im Laufe der nächsten Woche.

Eine Schulkameradin der kleinen Schwester meiner Freundin warf sich vor den Zug, der Vater eines Studienfreundes war Lokführer. Ihm ist das fünfmal passiert. Ein Kollege von ihm, der es sechsmal erlebt hatte, landete in der Psychatrie. Ich hatte bis dahin gedacht, Lokführer würden das als eine Art Arbeitsrisiko sehen. Aber es ist wohl schwer, das Gesicht, das plötzlich vor ihnen aufleuchtet, wieder aus den Alpträumen zu vertreiben. Und so haben auch meine Freunde und Bekannten sich mit Selbstvorwürfen geplagt; wären sie nur etwas duldsamer gewesen, etwas sensibler, etwas, ach sie wussten auch nicht, was.

Auf dem MTV-Videotext (gab noch kein Internet) habe ich mal eine Selbstmordpräventionsseite gelesen. Darin hieß es, dass es ein Mythos sei, dass derjenige, der davon spricht, sich selbst zu töten, es nicht tut. Also lieber das Risiko eingehen, jemandem zu nahe zu treten, als das Leid ignorieren. Aber ein Patentrezept ist das nicht. Drei Freundinnen von Lotta und mir sind regelmäßig in Kliniken, weil sie unter dem Borderline-Syndrom leiden. Mit allen dreien kann man sprechen, soviel man will, die nächste depressive Phase kommt bestimmt. Allerdings hilft es schon enorm, überhaupt zu wissen, dass man sich in einer depressiven Phase befindet. Denn wenn man das, was einem das Hirn während einer Depression vorgaukelt, für bare Münze nimmt, ist man schon fast verloren. Ein Thema, das mich ratlos zurücklässt.
Jetzt kommt der Herbst. Passt auf euch auf.

Und jetzt: Musik.

barschel

dj hell suicide commando

32 Kommentare

  1. 01
    zombo

    Ich kann alles bestätigen. Ist bei mir im umfassenderen Bekanntenkreis nicht anders.
    Aberich verstehe doch nicht so recht, was du uns eigentlich mit dem Artikel mitteilen willst. Kann aber auch daran liegen, dass ich die Woche einfach zu wenig Schlaf und Ruhe gefunden habe…

    Die „Musik“ finde ich grausig… aber das liegt wohl nur daran, dass ich grundsätzlich kein Elektro-Techno-Pop oder wie immer man sowas nennt, mag.

  2. 02

    scheisse, ich merk schon wie sich die naechste ‚winterdepression‘ langsam wieder naehert. dank deinem artikel :)

    macht aber nichts, der naechste sommer kommt bestimmt!

  3. 03

    Der Song ist sensationell, im Original aber von den legendären „No More“

    Ich dachte immer -Selbstmord- sei freier Wille. Warum sollte man nicht selbst darüber bestimmen, wann man sein Leben beendet?
    Bekloppt finde ich hingegen Selbstmörder die dadurch recht egoistisch Andere mit in den Tod reißen. Wie erst kürzlich dieser Busfahrer irgendwo im Ausland.

  4. 04

    passt irgendwie zum heutigen tag und meiner stimmung der artikel…

  5. 05

    Das schockierendste, was ich in dem Zusammenhang erlebt habe, war ein alter Bekannter, zu dem ein paar Jahre zuvor der Kontakt abgerissen war. Hat sich totgehungert. Kein Deut Kurzschlusshandlung, geplant, inklusive Tagebuch. Der rennt mir mit Sicherheit den Rest meines Lebens nach…

    Denn wenn man das, was einem das Hirn während einer Depression vorgaukelt, für bare Münze nimmt, ist man schon fast verloren.

    Meiner eigenen Erfahrung nach ist das zumindest das Zeitfenster ist, in dem man alle Hilfe der Welt braucht. Vielleicht noch nicht „fast verloren“, aber zumindest auf des Messers Schneide. Ist aber, das dann jetzt zum Glück nicht auch noch nach eigener Erfahrung, beim Quasi-Gegenteil, der Manie, wohl nicht sehr anders.

    (OT: Warnung, Malte: wenn in Kürze ein polemischer Artikel gegen Psychiatrie/Psychotherapie im Allgemeinen folgt, kündige ich mein Spreeblick-Abo ;)

  6. 06

    Mann, war mein erster Absatz so formuliert fürchterlich egoistische Sch***e… er rennt mir natürlich nach, weil das für mich nicht mehr fassbar ist – und auch tatsächlich Schuldgefühle auslöst. Als einzige Entschuldigung habe ich das Wissen, dass er Kontakt zu anderen Bekannten, zur Familie hatte – keiner hat was gemerkt…

  7. 07
    Malte

    @ diaet
    Gut, dass du die Psychotherapiewarnung ausgesprochen hast. Ich stecke ihn wieder in die Schublade :)
    @ batz
    Max hat schon befürchtet, dass ich unsere Leser in die Depression treibe. Aber morgen steht hier zur Begrüßung Helge Schneider.
    @ Jan.Profan
    Der freie Wille steht seit einiger Zeit unter heftigstem Feuer seitens der Neurologie.
    Lesenwertes zu der Frage, ob er es überlebt hat, gibt es hier.
    Aber ich glaube, dass das hier gar nicht entschieden werden muss. Man weiß jedenfalls, dass man beispielsweise bei älteren Menschen, die sich für den Suizid entscheiden, schon durch kleine Verbesserungen der Lebensumstände den Lebenswillen wieder wecken kann. Also so frei und ungebunden von äußeren Einflüssen ist die Entscheidung meist gar nicht.
    @ Zombo
    Gar nichts weiter. Nur mal hören, ob ihr das auch schon erlebt habt und wie ihr damit umgegangen seid.

  8. 08
    hendrik

    Die Schlussfolgerung, lieber einmal „zuviel“ jemandem nahe zu treten, als das Leid zu ignorieren, ist sicher gut und wichtig. Unglücklicherweise zeigt sich das Leid häufig sehr unterschiedlich an der Oberfläche, das macht das Erkennen schwierig.
    Eigentlich ein netter Artikel, aber in Kombination mit dem überflüssigen Video verkommt er zu einer „Betroffenheit-light“-Erzählung. Schade.

  9. 09
    literature

    In unserem Lande
    Dürfte es trübe Abende nicht geben
    Auch hohe Brücken über die Flüsse
    Selbst die Stunde zwischen Nacht und Morgen
    Und die ganze Winterzeit dazu, das ist gefährlich.
    Denn angesichts des Elends
    Genügt ein Weniges
    Und die Menschen werfen
    Das unerträgliche Leben fort.

    (Bertolt Brecht, Der gute Mensch von Sezuan)

  10. 10
    Acid

    Der Sommer ist vorbei, endlich verschwindet diese alberne Fröhlichkeit aus den Gesichtern in den Straßen! Die Leute tragen wieder eine Miene, wie es sich für ein kühles, nordeuropäisches Land geziemt.
    Ich find’s klasse.
    Wenn sich jemand im Hochsommer das Leben nimmt, kann ich das fast verstehen.

  11. 11

    Das ist interessant, die eine Seite hat Bekannte die jemanden kennen oder aber selbst betroffen sind, während die andere Seite aufgrund mangelnder Bekanntschaften…naja nicht ganz. Ich weiß auch gar nicht worauf ich hinaus will. Und bevor es zu weit führt nur soviel: Ich stehe zufällig auf der Betroffenen-Seite.

    „Mit allen dreien kann man sprechen, soviel man will, die nächste depressive Phase kommt bestimmt. Allerdings hilft es schon enorm, überhaupt zu wissen, dass man sich in einer depressiven Phase befindet.“

    Ohne Borderline, denke ich, aber exakt so ist es. Das liegt wohl daran…nun…ach ich bin gestern 20 geworden. Und mein Leben ist…keins.

    Aber ich kann mich meistens ganz gut ablenken. Wäre ja noch schöner, wenn ich mich in den Selbstmord treiben würde. Wenn schon denn schon ein anständiger Amoklauf. Irgendwann später. In 20 Jahren oder so, wenn sich nichts gebessert hat. Dann vielleicht.

    Die Welt ist grausam…Aber es gibt immer einen Spreeblick ;-)

  12. 12

    1. Vielen Dank für diesen Bericht.
    2. Endlich kann man wieder über das Leben und den Tod philosophieren, denn der Sommer ist gegangen und die Leute haben kein ewigwärendes (was als solches eh nicht stimmt) „Hoch“ in welchem keine trüben und tiefsinnigen Gedanken Platz haben.
    3. Den Freitod zu wählen ist jedermanns und jederfraus eigene Sache, doch bitte denkt etwas an eure Mitmenschen und macht es alleine (ohne vor den Zug zuwerfen und so… es gibt genügend andere effiziente Methoden).
    4. @ Johnny Maquis, du bist schon zu alt um zu sterben, hör dir den Song von die Ärzte: schneller Leben an (dieser tröstet mich meistens) :o)
    5. Ich weiss nichts mehr zu sagen
    noch zu fragen
    demnach darf ich nicht verzagen
    und es weiter wagen.

  13. 13

    ist es wirklich so, dass die menschen im sommer froehlicher sind? ich meine, ich habe diesen sommer auch extremst viele menschen gesehen die total unfreundlich waren und keine gute laune hatten. ausserdem findet im winter ‚das fest der liebe statt‘ (aka weihnachten) – oder liegt es vielleicht genau daran?
    ich weiss es nicht…..

  14. 14

    @ Hendrik: Das empfinde ich ganz genauso. Mir fehlen an dem Text ein paar konkretere Stellungnahmen zum Suizid, der Artikel sagt im Grunde leider nur, dass sich A, B und C umgebracht haben. That’s it.

    Dass Selbstmord nie ein gangbarer Weg ist, weil man garantiert das ein oder andere Glück verpasst, das fehlt.

    Dass der Spruch „žJeder ist seines Glückes Schmied“ ein Hohn ist für viele leidende Menschen, das fehlt.

    Und dass das Leben selbst in der dreckigsten Phase schön sein kann (rückblickend betrachtet), das fehlt auch.

  15. 15

    Die Nächte werden länger; die Tage kürzer und man fängt dementsprechend an, über derartige Themen nachzudenken. Das ist unvermeidbar. Erst vor kurzem, hatte ich Kontakt mit einem ehemaligen Bundeswehr-Kameraden, mit dem ich über den Selbstmord eines (nur entfernt bekannten) Soldaten geredet hatte.

    Ich denke, dass es wichtig ist über solche Sachen zu reden und darüber aufzuklären, dass Suizid keine Seltenheit ist.

  16. 16

    rené: sprichst mir aus der seele.
    aber:
    dass man durch selbstmord seine nächsten freunde in ein unbeschreibliches unglück stürzt, das fehlt auch.
    ich weiss, wenn ein guter freund/eine gute freundin von mir sich umbringen würde, wäre ich zwar traurig, aber auch wütend. selbstmord ist so ziemlich das egoistischste, was man machen kann. und mit dieser schuld muss man noch nicht mal leben. in meinem universum ist er keine option, und das nicht, weil bei mir immer die sonne scheint.

  17. 17

    @Malte: Puh, danke.

    @René:

    Und dass das Leben selbst in der dreckigsten Phase schön sein kann (rückblickend betrachtet), das fehlt auch.

    Ebenso wie das „Glückes Schmied“: wenn man in einer solchen Phase steckt, kann man es ja eben so nicht mehr sehen. Deswegen schrieb ich, dass das genau dieses kritische Zeitfenster ist, wo alle Hilfe (und eben zum Beispiel schon ein kleiner, schöner Augenblick) alles wenden kann. (Nicht muss, leider.)

    Und an einem Punkt muss ich Dir widersprechen: vielleicht kann es manchmal doch ein gangbarer Weg sein? Wenn man bspw. physisch nur noch leidet – und nur darauf hoffen kann, dass irgendjemand einen Heilungs-/Besserungsweg findet, vielleicht aber nicht in der eigenen Lebensspanne? (Bei diesen Fällen, die in meinem Umfeld aufgetreten sind, konnten sich die Betroffenen aber eh schon nicht mehr „entscheiden“. OK, Schwenk zur Sterbehilfe, lassen wir das(?).)

    Eine Frage ist, welche Aussagen Malte zum Suizid hätte machen können oder sollen. Bezüglich Legitimität? Verantwortung?

    Aus der Position des Nicht-Suizid-Gefährdeten ist es denke ich recht klar, dass es keine Lösung ist, einfach alles zu beenden, hinzuschmeissen, abzubrechen.

    Genau das ist aber doch der Punkt, an dem ein Betroffener wieder lernen muss, zu leben. Mit allen Konsequenzen – den schönen wie den schlechten. Weil beide (und alles dazwischen) dazugehören.

    Vielleicht gehört auch gar kein Statement in den Artikel. Vielleicht sorgt er ja nur dafür, dass man daran auch mal wieder denkt.

  18. 18

    frosch: wienerisch derb für vagina, aber auch: leuchte im bergbau unter tage.

  19. 19
    Malte

    @ diaet
    Es gibt mit Sicherheit den Fall, bei dem ich für Sterbehilfe bin, auch für aktive: So einen habe ich hier mal geschildert.
    @ heidrun
    Wenn der Selbstmord durch eine Depression ausgelöst wird, denkt der betroffene doch sowieso, dass ihn keiner vermissen würde. Eine Depression ist keine Verstimmungen oder ein melancholischer Rotweinabend (und ein Lothar Matthäus ist nicht ein Rudi Völler), sondern eine graviernde psychische Störung. Du befreist doch auch einen Schizophrenen vom Schuldvorwurf, warum nicht einen Depressiven? Für den Standardfall des arbeitslosen Vaters, der sich vor seiner Familie schämt oder Angst hat, sie nicht durchbringen zu können, gilt doch Ähnliches: Auch der hat nicht das Gefühl, seine Familie im Stich zu lassen. Aus seiner Sicht hat er es schon getan.
    @ micha
    Ich bin durch eine Statistik in der Zeitung darauf gekommen. Und war überrascht, dass Selbstmord so verdammt häufig ist. Wusste ich nicht.
    @ René
    Man muss nicht immer alles in einen Text packen. Es sollte nur ein Anstoss sein, mal auch auf sich acht zu geben und weniger Angst vor anderen zu haben. Zu sagen: Das Leben ist eigentlich aber schön, macht einen depressiven Menschen nur noch trauriger, glaub mir.
    @ Johnny Maquis
    Und jetzt ist auch noch dein Server nicht erreichbar. Genau diese Sicht, dass das Leben keins sei, ist Zeichen einer Depression. Ich hatte mal selbst eine längere Phase, in der ich überzeugt war, dass alles, was ich je erlebt hatte, schlecht war. Weisst du, was mich gerettet hat (und jetzt kommt tatsächlich das Wort zum Sonntag): Die Liebe. Aber das ging auch nicht plötzlich, sondern nur durch viel Geduld der entzückenden Liebenden. Erzähl doch mal, wenn dir das hier nicht zu öffentlich sein sollte.

  20. 20

    @ malte: das ist mir alles bekannt.
    ich verharmlose eine depression nicht und kann sie sehr gut von einem melancholischen rotweinabend unterscheiden, aber sie lässt sich dennoch hier nicht mit schizophrenie vergleichen.
    zumal bei selbstmorden, von denen viele nicht im affekt geschehen.
    natürlich war das, was ich gesagt habe, polemisch, aber man sollte auch mal die andere seite betrachten. selbstmord ist, noch polemischer gesagt, die einfachste lösung. und zudem die, bei der du allen, die dich lieben, eine unheilbare wunde zufügst.

  21. 21

    und der „Standardfall des arbeitslosen Vaters, der sich vor seiner Familie schämt oder Angst hat, sie nicht durchbringen zu können“ kommt hier nirgendwo vor. welcher standard ist das denn?

  22. 22

    anomie ist auch interessantes stichwort. durkheim hat sich mit dem selbstmord intensiv beschäftigt: http://de.wikipedia.org/wiki/Emile_Durkheim#Der_Selbstmord_.281897.29

  23. 23

    Obwohl ich es gesellschaftlich für unverzichtbar halte, wissenschaftlich zweifle ich den freien Willen an – und damit die Schuld. Aber das nur am Rande.

    Malte, wie recht du hast. Ich wäre auch ganz anders drauf, wenn ich ne Freundin hätte. Ganz anders. Aber da gibt es leider ein kleines Problem – du ahnst sicher, welches. Somit betrachte ich mich wieder als hoffnungslosen Fall und versuche, nicht zu sehr darüber nachzudenken. Was weder eine Lösung noch besonders leicht ist. Ich weiß. Aber Liebe…das wird nie wieder was. Vielleicht sollte ich schon froh sein, da überhaupt mal was gehabt zu haben. Anderen geht es dreckiger. Viel dreckiger. Aber das lindert die eigene Situation nur bedingt. Und dann kommen wieder welche und wollen Party machen. Leckt mich doch am Arsch.

    Ansonsten gibt’s nicht viel zu sagen. Ich schwanke zwischen grenzenlosem Selbstbewusstsein und schwerer Depression. Immer hin und her, in teilweise absurd hoher Frequenz. Und ich bilde mir ein dass dieses ständige letztendlich doch noch immer wieder grade so die Kurve vor dem Totalabsturz kriegen bis zum nächsten Mal erheblich schwieriger und auf Dauer belastender ist als einmal endgültig hohlzudrehen und direkt in die Psychatrie zu wandern. Aber wahrscheinlich täusche ich mich. Alles eine Frage der Relation.

    In dem Zusammenhang: sehr schön auch die Unfähigkeit der Mitmenschen, dieses ambivalente Verhalten zu begreifen. Davor kann ich nur warnen. Nur weil jemand seine Probleme kennt, sie analysieren und sogar darüber reden, an anderer Stelle auch selbstbewusst und fast schon anmaßend auftreten kann u.ä. bedeutet das NOCH LANGE NICHT, dass er sie auch lösen kann. Das ist ein himmelweiter Unterschied. Absurd. Aber leider wahr. (Und mir persönlich regt das jedes Mal auf….Wie ich mir in den Arrrsch treten könnte…!)

    Amoklauf ist extrem egoistisch. Abhalten wirst du damit niemanden. Genauso wie die Tatsache, dass nach der eigenen Existenz noch ein Planet übrig sein muss für die nachfolgenden Generationen, dass heißt, da lebt tatsächlich noch einer nach mir? Ähnliches Problem. (Wie würdet ihr euch beispielsweise verhalten bei Diagnose: Todkrank? [Geiler Titel btw^^] Also ich wüsste was ich tun würde…Und nun werft mir mal Egoismus vor. oO)

    Ich versaue und lasse mir mein Leben versauen, seit Jahren. Trotzdem habe ich eigentlich nicht vor zu sterben, am besten niemals. Paradox? Wie so vieles…Aber das führt jetzt zu weit. Von mir geht jedenfalls keine Gefahr aus, keine Sorge ;) Aber man kann ja nie wissen…

  24. 24

    Die Ärzte übrigens gehören zu meinen absoluten Lieblingsbands, aber: Gerade Farin Urlaub kann ich schon seit einiger Zeit oft nicht mehr ertragen. Zuviel gute Laune. Zu optimistisch. Obwohl er recht hat, aber er hat es leichter. Das ist wirklich deprimierend, seine Musik nicht mehr hören zu können. Naja. Aber ich glaube es hat sich neulich wieder gebessert. Darf doch wohl nicht wahr sein.

    Sozialphobie nennt sich das Ganze übrigens. Das geht dann einher mit den genannten Symptomen. Aber es gibt natürlich auch andere, banalere Ursachen. Oder schwerwiegendere.

    Wäre es falsch, an dieser Stelle Die Ärzte – Trick 17 m. S. zu empfehlen? Antwort: Wahrscheinlich ja. Macht aber auch saugute Laune. Nur keine Drogen nehmen dabei (!) ;)

  25. 25

    @Johnny Maquis:der berühmte selbstmörder: harry haller bei hesse im steppenwolf. der hat sich auch gesagt, bis 40 warte ich. danach ist schluss. wer sich in seiner depression solidarisieren will, sollte „ausweitung der kampfzone“ von michel houellebecq lesen. er fasst es schon ganz gut zusammen: wer ein weise seiner jugendliebe bleibt, ist gearscht. dann gibt es noch zwei differenzierungssysteme: mars und venus. man kann im system mars erfolg haben oder auch nicht, soll heißen viel knete oder auch nicht. man kann erfolg im system venus haben, soll heißen viel sex, oder auch nicht. das ist die banalität der houellbecqschen welt. wer in allen den dingen gearscht ist, der hat gründe depressiv zu sein.
    heute im stern lese ich: uno-welttag der seelischen gesundheit am 10. oktober steht in diesem jahr under dem motto „suizid und seelische erkrankung“ ich ziehe mir erstmal einen döhner rein.

  26. 26
    Urthona

    Also ein bißchen wunder ich mich jetzt schon über die Kommentare hier: alle heulen kollektiv über Suizid und die böse Welt und wie man der Winter oder Sommer oder Ganzjahresdepression entflieht, anstatt sich einfach über ein witziges politisches Video zu freuen %-).
    Die Story, die im Video dargetsellt wurde, hat ja wohl nicht ganz zufällig eine grosse Ähnlichkeit mit den letzten Jahren und Tagen eines gewissen Herrn Uwe Barschel. Der am _11. Oktober_ 1987 tot in der Badewanne eines Genfer Hotels aufgefunden wurde, man beachte die Timeline im Video. Und die Haltung des aus dem Leben beförderten Herrn in der Badewanne im Video ist exakt die gleiche wie auf den Bildern, die damals durch die Gazetten gingen. Offiziel war es ja Selbstmord, für was wir es jetzt halten…die Gedanken sind frei.
    Ich finde das Video aber sehr gelungen, da angenehm subtil, auch wenn es schnell wieder in eine neue VT ausarten kann (welche ironischerwiese manche Menschen in ihrem Nihilismus und ihrer Lebensunlust bestärken ;-) ).
    Grüßel Urthona

  27. 27

    und noch was kleines zum thema:

    http://www.spiegel.de/panorama/leute/0,1518,442154,00.html

    selbst „Promis“ sind trotz ihres Bekanntheitsgrads nicht verschont von solchen Gedanken. Da sieht man, wie durch singuläre Ereignisse ein komplettes persönliches Weltbild zerstört werden kann, obwohl sich pragmatisch gesehen nicht viel geändert hat.

    Ich finde Selbstmord sehr schwierig nachzuvollziehen, da ich viel zu sehr am Leben hänge und es für mich persönich keinerlei vorstellbare Situation gibt, in der sich das ändern könnte (nichtmal in der oben verlinkten). Aber ich kann irgendwie auch jeden verstehen, dem das nicht so geht. Bin ich eigentlich herzlos, wenn ich sage, dass ich denke, dass durch den Freitod eines Menschen diesem Menschen speziell wohl mehr geholfen wurde als geschadet und diejenigen, die leiden, eigentlich nur die Hinterbliebenen sind?

  28. 28
    Malte

    @ JohnnyMaquis
    Ich stehe wohl auf dem Schlauch: Ich kann es mir micht denken.
    Aber das, was du ansonsten schilderst, habe ich auch festgestellt: Die Menschen nehmen Probleme nicht ernst, wenn du sachlich darüber redest. Dann wird geglaubt: „Der hat das schon im Griff.“ Tränen gibt es ja wahrscheinlich, damit andere sich um dich kümmern, wenn du traurig bist. Wenn du nicht weinst, wird sich auch nicht gekümmert. Vielleicht retten Tränen Frauenleben. ;)

  29. 29

    ich liebe dj hell!!!

  30. 30

    ein song der mir noch in dem zusammenhang (suizid) einfaellt ist,
    farin urlaub – ‚kein zurueck‘.

  31. 31

    ah, http://www.web-zweiull.de, weiß jemand vielleicht, was mit richard joerges los ist? der hat schon länger nichts mehr gepostet.

  32. 32
    anfängerin

    test