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Zwischen den Tagen

weihnachtskerzen

Ich mag diese Tage zwischen Weihnachten und Silvester noch lieber als die eigentlichen Feste. Zwischen den Tagen. Erinnert an die Tage vor den Tagen, meint aber etwas ganz anderes.

Zwar ist der Leib auch geschwollen. Jedoch nicht durch hormonelle Kurzschlüsse, sondern durch Köstlichkeiten, die mich wie schon die dicken Römer nach der Gänsefeder schielen lassen. Aber etwas Platz findet sich auch so noch. Gar nicht so kleine Schokoladenreste von ganz besonders exquisiten Schokoladen zwängen sich noch hinein, Côte d´Or und Aachener Printen tanzen träge Walzer mit dem Biohuhn in Orangensauce.
Langsamen Walzer. Sehr langsamen.

Endlich Zeit Bücher zu lesen. Nicht mehr wie ein wahnsinnig gewordener Surfroboter Seiten absuchen auf verwertbare Links, einfach nur blättern, ab und an ein Bäuerchen, wenn eine Aachener Printe dem Biohuhn auf die Pfote gestiegen ist. Ein Mozartkügelchen eingeworfen. Mozartmedizinbälle wären mir lieber, dann müsste ich nicht so oft zum Tisch neben dem Sofa greifen.

Ich lese „Dirac“ von Dietmar Dath. Hat mir mein Buchhändler empfohlen. Nicht der Kunden-die-diesen-Artikel-gekauft-haben-Buchhändler. Ein Mann. Ein echter Mann, der in seinem Laden steht, mit kurzgeschorenem Bart. So ein Buchhändler. Männern mit kurzgeschorenen grauen Bärten vertraue ich blind. Dirac hantierte mit Differentialgleichungen wie ich mit Mozartkugeln. Aber um Mathematik geht es nicht. Eher wohl um Zeitreisen. Worum es genau geht, weiß ich noch nicht, denn ich lese zwischen den Tagen nicht zwischen den Zeilen, jage nicht durch die Sätze, scanne nicht sinnsuchend die Seiten.

Ich kaue Wort für Wort, wende die Buchstaben auf meiner schokoladenüberzogenen Zunge, lasse sie in mein Gehirn träufeln. Charles Mingus kippt noch ein paar Eiswürfel dazu und ich trete eine halbstündige Zeitreise ins Schlummerland an.

Am 25.12. bin ich noch am iPod verzweifelt. Wollte dem Ding beibringen, meine Videosammlung abzuspielen. Spielt nur Filme im Format MPEG4, der feine Herr Designpreisgewinner. Habe mir sogar mit flatternden Nerven MPEG-Streamclip runtergeladen. Manche Filme lassen sich so umwandeln, andere nicht. Dunkel sind die Pfade der Technik. Dirac hätte mir das Problem vielleicht erklären können, aber er soll sehr wortkarg gewesen sein. Vielleicht hätte er mir wortlos einen Hammer in die Hand gedrückt, damit ich den iPod von seinem markengebundenen Dasein erlöse.

Aber jetzt liegt das alles hinter mir.
Jetzt bin ich im Kerzenrauch-Schokoladen-Geschenkpapier-Nirvana, im Lebkuchen-Bücherhimmel, im Saucen-Garten Eden, wo außer mir nur Ben&Jerry eine Aufenthaltsgenehmigung haben.

Ich schaue ein wenig Apocalypto, das neue Mel-Gibson-Massaker. Ziemlich tapirfeindlich der Film. Vermutlich zu Recht. Neueren Erkenntnissen zufolge sollen Tapire an fast allen Kriegen Schuld sein.

Nach dieser kleinen Gewaltdosis schaue ich mich schläfrig nach weiterem Lesefutter um. „Wo ist das neue Buch von Frantzen?“ gähne ich meiner Freundin zu. „Das ist ein altes. Nur neu aufgelegt.“ „Ich würde es trotzdem mal gerne anschauen.“ „Das lese ich jetzt.“ Zu behaglich bin ich, um zu rebellieren, zu satt, um Argumente zu suchen, zu zufrieden, um Besitzverhältnisse klarzustellen. Ich taste nach der FAS. Ich kichere mich durch das Feuilleton. Dick bin ich geworden. Und albern.

Vielleicht werde ich mich morgen mal rasieren.
Ins Bad schlurfen: Mein Weihnachtsspaziergang.

15 Kommentare

  1. 01
    ajo

    es heißt doch „zwischen den jahren“.

  2. 02

    Und wieder grüßt das Murmeltier … die Zwischentage … selbst den Film gab es am heiligen Abend!

    In den Zwischentagen dachte ich so vor mich hin … nicht ein Murmeltiertag sondern gar ein Murmeltierleben?
    Das gibt einen Sinn?

    Schon erkenne ich die verpassten Abzweigungen und mir wird gar schwindelig!

  3. 03

    Hör mir auf mit Weihnachten und iPod… so nen verfluchter Bug im iTunes hat mir den kompletten zweiten Weihnachtstag versaut.
    Schon traurig wenn man iTunes unter Mac nicht dazu bewegen kann ein Video auf den iPod zu kopieren :o/

  4. 04
    Malte

    @ ajo
    Es gibt beide Wendungen.
    @ Winfried
    Murmeltierleben. Ja.

  5. 05
    ajo

    ah, ok. sorry, war mir nicht geläufig.

  6. 06

    diese wendung war mir auch nicht geläufig. der weihnachtsspaziergang dagegen schon. allerdings spüre ich bereits so einen seltsamen tatendrang „¦ ich glaub ich hol mir noch nen lebkuchen.

  7. 07
    Jan(TM)

    Ich glaub damit ich freiwillig einen Mel Gibson Film schaue, müsste man mich schon mit Peitschen ins Kino treiben.

  8. 08
    Malte

    @ kosmar
    :)
    @ Jan (TM)
    Kino?

  9. 09

    Ich finde diesen Artikel klebrig.

  10. 10
  11. 11
    Robin S. a.k.a. MakeAMillYen

    Ich hab nur wenig Buecher, die nicht irgendwo einen Schokoladenklecks haben.

  12. 12

    Dr. House ist gut

  13. 13

    Ich bin froh, dass Weihnachten endlich rum ist. Tja. Trotzdem … Buch – Strugatzki – Das Experiment und naja Stephen King Der Dunkle Turm. Ein paar Kinogänge hab ich absolviert. Apokalypto ist wohl als nächstes dran …

  14. 14

    probiert mal isquint zum konvertieren von Filmen für den ipod. Einfach, funktioniert und kost nix.

  15. 15

    Tach,
    „zwischen den Jahren ist die ‚historischere‘ Formulierung meeines Wissens, siehe http://ondamaris.blogspot.com/2006/12/dazwischen-1.html
    Lg
    Ulli