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Ich war im Urlaub

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(Foto: Andreas)

Was bringe ich mir als Souvenir aus Odessa mit? Genau! Einen Haufen CDs.

In einer Nacht, nach der dritten oder vierten Weihnachtsfeier und einigem guten Vodka, suchten wir auf dem Heimweg nach einer akzeptablen Bar, um noch einen Absacker zu nehmen. Eine Kneipe haben wir nicht gefunden, statt dessen einen Musikladen, der auch noch um halb zwei Morgens ein beeindruckendes Angebot an legalen CDs und DVDs hatte.

Legale CDs, also CDs die ordentlich lizensiert in der Ukraine erscheinen, kosten dort zwischen 20-40 Hrywnja. Das sind drei bis sechs Euro. Umgerechnet. Und erstaunlich viel ist legal zu haben. Im Mainstreambereich sowieso alles, was international aktuell ist – aber auch im Indie-Bereich. Wer hätte gedacht, dass das Album von Trentemøller ein kleiner Hit in der Ukraine ist?

Illegal – nach westeuropäischen Maßstäben – sind alle anderen Ton- und Datenträger, die sonst angeboten werden. Dabei handelt es sich entweder um billige Nachpressungen, bizarre Modern Talking Kompilationen oder – auch sehr beliebt – MP3-Sammlungen auf CD-ROM oder DVD.
Eine hübsche Idee fand ich auch, mehrere Filme eines bekannten Schauspielers auf einer DVD anzubieten. Die besten (sic!) Filme von Leonardo DiCaprio auf einer DVD? 20 Hrywnja. Aber Vorsicht: Meistens handelt es sich um Mitschnitte direkt aus dem Kino. Eine Besonderheit dabei: viele Filme werden nicht synchronisiert, sondern der Originalton wird von einem Sprecher übersprochen. Diese CDs und DVDs werden in ganz normalen Geschäften angeboten. Einzig der Preis unterscheidet sie dann noch von der legalen Kopie.

Den Ukrainern sagt man ja gemeinhin eine traditionell grosse Freude am Singen nach. Auch wenn heute vielleicht weniger selbst gesungen wird, so erfreut man sich an einer lebendigen Popmusikszene. Keine Sendung im Fernsehen ohne ausgiebige Gesangs- und Tanzeinlagen, im Kabelfernsehen gibt es mindestens 3 Sender, die hauptsächlich Musikvideos zeigen.

Aber mich interessierte mehr elektronische Musik aus der Ukraine. Es muss doch schliesslich auch ordentliche Musik geben, jenseits vom Popgeträller einer Tina Karol und einer Anna Sedokova. Die gibt es auch und in bester Kauflaune (der Vodka!) schlug ich zu:

Max Chorny zum Beispiel, hat sich 2005 aufgemacht, den new sound of ethnic Ukraine zu definieren. Seine behutsame Kombination traditioneller Melodien mit chilligen Downbeats bildet so einen beruhigenden Gegenpol zum auch in Resteuropa erfolgreichen Ethno-Pop der zur Nationalheldin avancierten Eurovisionsgewinnerin Ruslana.

Oder Slava Flash, der mit Ukraina ein durchaus auch in den heimischen vier Wänden funktionierendes Electronica-Album vorlegt, dass sich an eine „progressive“ Hörerschaft richtet, wie er in den Linernotes des Albums schreibt.

Nach wie vor hoch im Kurs: Drum’n’Bass. Die Szene wird allerdings von russischen Produzenten dominiert. Brilliant: Dissident. Mit der Kompilation 5 Years Of Russian Drum and Bass Convention zeigen die Russen, dass der Drum’n’Bass durchaus eine Zukunft hat. Moskau ist hier das neue London.

Besonders gefreut hat mich, dass der Laden quasi alle lieferbaren Werke von Messer für Frau Müller bzw. den Messer Chups sowie die Solo-Alben Oleg Kostovs im Angebot hatte. Speziell Oleg Kostovs Klangcollagen aus alten Sovietfilmen und Kinderliedern machen viel Spaß.

Sehr zur Verwunderung meiner orts- und kulturkundigen Reiseführerin fand ich grossen Gefallen an Технология (Tehnologia), den russischen Depeche Mode. Die Jungs haben Anfang der 90er offenbar sämtliche Depeche Mode Sounds in ihre Sampler geladen. Sehr interessant, ich mag ja sowas.

Ein Genre, dessen Existenz mir völlig unbekannt war, ist der Russian R’n’B. Einen echten Überhit haben zur Zeit Band“™Eros mit Columbia Pictures. Dabei sollte man sich von der unglaublich fetten, amerikanisch wirkenden Produktion irritieren lassen. Eine Zeile des Songs lautet sinngemäß:Hollywood und Beverly Hills sind mir egal. Ich perfektioniere meinen russischen Flow und meine Russisch-Skills. Neues russisches Selbstbewusstsein.

Nun sitze ich hier mit dem festen Vorsatz, endlich Russisch zu lernen und höre Tehnologia. Laut. Mein Englisch haben mir schliesslich auch Martin Gore und Dave Gahan beigebracht.

12 Kommentare

  1. 01

    Hm. Odessa da wollte ich eigentlich auch irgendwann mal hin. Vorher ist allerdings Moskau dran :-)

  2. 02

    Na, Odessa ist echt schöne Stadt. Und das Meer ist nicht so weit weg, was noch schöner ist:-)

  3. 03
    Денис

    Сектор Газа!!

  4. 04

    Naja, dieses Columbia Pictures ist aber schwach. Ich finde den Text niveaulos, aber jedem das seine.

  5. 05
    Martin

    weil ich bei flickr dazu auf anhieb nichts finde. darf man grundsätzlich fotso von flickr in seine website anbauen, wenn man die bild-quelle angibt?

  6. 06
    Martin

    einbauen, nicht anbauen ;)

  7. 07

    Martin: Das hängt von der Lizenz ab, die der Fotograf für sein Bild gewählt hat. Viele Bilder sind unter einer Creative Commons Lizenz abgelegt, die regelt ob der Autor genannt werden muss oder nicht. (Und den Rahmen, in dem Du das Foto verwenden darfst) Nicht CC-lizensierte Bilder, also die unter der ein © prangt, darfst Du im Zweifel gar nicht verwenden, es sei denn der Fotograf erlaubt Dir die Verwendung.

  8. 08
    JACK

    Interessant…
    Технология (Tehnologia), den russischen Depeche Mode. Die Jungs haben Anfang der 90er offenbar sämtliche Depeche Mode Sounds in ihre Sampler geladen.

    Das war es aber auch schon …..
    Hören sich an wie der Woodpecker from Space auf Speed
    Und die Geschwindigkeit hatte man auf 33 lassen sollen – nicht 45….oder 78
    Aber gut wenn Tehnologia dort kult waren . Hier war Anfang der 90er auch nee Menge Mist im Umlauf ;)

  9. 09

    Odessa? Mitbringsel?
    Die Akte!
    ;-)

  10. 10

    @JACK: Ich sag ja, interessant. Die klangen und sahen damals so aus, wie jede synthie / industrial band halt so klang und aussah. Nur dass abkupfern der alten original analog Dpeche Mode Sounds ist sehr auffällig und sorgt bei mir für ein Grinsen.

  11. 11

    Ich finde es gut das NahOst Deutschland eine gewisse Erweiterung findet.
    Das die Mädels dort, auch ein wenig mehr Mädels sind, ist noch unbeschrieben!

    Den Sohn in Odessa oder das Mädchen, und einer Frau die viele gute Briefe schreibt.
    Das ist das wahrliche Mitbringsel.

    Die verlorene Natürlichkeit als Souvenir?