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MPAA: Nur mal testen

Ich kenne Leute, die behaupten Leute zu kennen, die sich schon mal eine Software oder Musik oder einen Film oder eine TV-Serie „illegal“ aus dem Netz gezogen haben um „mal zu gucken, ob sich der Kauf lohnt“. In Wahrheit sind das natürlich alles Betrüger und Kriminelle und Lügner, keinen einzigen Cent geben die jemals für Entertainment aus*. Das weiß am besten die MPAA, die Motion Picture Association of America, eiserne Verfechterin des Urheberechts, gerechte Hüterin der Lizenzen.

Q: Etwas zu Testzwecken ausleihen? Wo gibt’s denn sowas?
A: Nur bei der MPAA!

Diese hat nämlich im Oktober letzten Jahres ein Blog (Link ist tot) eingerichtet und dafür die Blogsoftware Forest Blog genutzt, die mit einer ziemlich eindeutigen Lizenzvereinbarung, noch dazu auf Englisch, einer Sprache also, die die MPAA, eiserne Verfechterin des Urheberechts, gerechte Hüterin der Lizenzen, halbwegs verstehen sollte, versehen ist.

You may not remove, alter or otherwise disable all or any of the hyperlinks to the Host Forest website (http://www.hostforest.co.uk). All images, links or text must remain unchanged and intact and visible when the pages are viewed unless you first obtain explicit written permission from the copyright holders.

Klare Sache also: Man darf die Software kostenfrei benutzen, solange die Autoren-Links und Verweise nicht entfernt werden. Gegen die Zahlung einer Lizenzgebühr in Höhe von £25 (kommerzielle Nutzung) erhält man die Genehmigung, die Links zu entfernen.

Blöderweise hielt die MPAA, eiserne Verfechterin des Urheberechts, gerechte Hüterin der Lizenzen, weder den Erwerb der kommerziellen Lizenz noch die Verwendung der Links für nötig, was den Autor von Forest Blog, Patrick Robin, einigermaßen verwunderte und ihn zu diversen E-Mails an die MPAA, eiserne Verfechterin des Urheberechts, gerechte Hüterin der Lizenzen, ermutigte.

Schon nach wenigen Monate reagierte die MPAA, eiserne Verfechterin des Urheberechts, gerechte Hüterin der Lizenzen:

Das Material wurde von unserem Webserver gelöscht.
– Keine Weblinks wurden je auf das Blog gesetzt.
– Das Blog hatte nie einen eigenen Domainnamen.
– Das Blog wurde nie in der Öffentlichkeit bekannt gemacht.
– Das Material auf dem Server war ein Proof of Concept, der auf die Genehmigung wartete, bevor er in Produktion ging.
– Das Blog wurde immer nur zu Testzwecken verwendet.
– Hätten wir uns entschieden, das Blog live gehe zu lassen, hätten wir die 25 Pfund bezahlt, die uns dazu ermächtigt hätten, eine Blogversion ohne Logos und Links zu betreiben.

Nun sollte man die Situation nicht überbewerten. Ein Programmierer – in diesem Fall hat er zwar offenbar eine Visitenkarte mit dem Titel „Director of Application Development“ (deutsch etwa: „Einziger Praktikant, der wenigstens etwas Ahnung vom Web hat“), aber nun wollen wir mal nicht kleinlich werden – hat offenbar ein MPAA-Blog zu Testzwecken gebaut und wollte nicht, dass sein Arbeitgeber sofort sieht, dass er die Application gar nicht allein developed hat. Das Blog ist inzwischen auch tatsächlich vom Netz genommen worden.

Kann alles mal passieren, auch wenn statt der Laberei dort oben ein einfaches „Sorry“ mit einer netten Erläuterung statt der erbärmlichen Verteidigungshaltung sicher besser gewirkt hätte.

Kein Skandal also, sondern ein Vorfall, der so oder ähnlich garantiert minütlich passiert und meist schnell und unkompliziert geregelt werden kann. Der Zusammenhang mit der MPAA jedoch, eiserne ihr wisst schon und gerechte habe ich ja schon gesagt, entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Denn wie die MPAA darauf reagiert, wenn jemand einen Film zu Testzwecken genutzt, diesen nicht in der Öffentlichkeit bekannt gemacht und nach einigen Monaten von seiner Festplatte gelöscht hat, wissen wir. Und so verwundert es nicht, wenn es in den Kommentaren auf Robins Blog heißt:

Come on and sue their bloody asses instead. Just for the sake of it.

[via Mail von Micha, auch hier zu finden]

*Ausnahmen: DSL-Anschlüsse, MP3-Player, CD- und DVD-Rohlinge, Computer und andere Hardware wie Monitore oder Fernseher oder Lautsprecher oder Festplattenrekorder oder Handys oder Kopfhörer sowie Eintrittskarten für Konzerte, Merchandising eines Künstlers …

15 Kommentare

  1. 01
  2. 02

    Klassisch :)

    Aber hatte nicht demletzt zumindest der Großinquisitor der Musik, IFPI-Chef John Kennedy verkündet, dass er bei einem durchdachten Angebot auch bereit sei, über eine Musikflat zu verhandeln?

    Man kann gespannt sein, ob nicht doch noch was passiert in Sachen zukunftsfähiges Geschäftsmodell…

  3. 03

    Da verschlägt es einem tatsächlich die Sprache. Warum nutzen die nicht einfach Blogsysteme, die weniger restriktiv sind, wie WordPress zum Beispiel?

    Nun gut, Fehler passieren auch großen und etablierten Institutionen und Konzernen, die Art diese zu kommunizieren und zu bereinigen ist in der Tat immer wieder eigenartig.

    In jedem Fall eine nette Geschichte.

  4. 04
    Lockengelöt

    Da hat die eiserne Verhüterin offensichtlich aus zweierlei Maß getrunken!

  5. 05

    Ich mach den Nelson: HAHA!

  6. 06

    Selber doof wenn die das nicht erst auf einem Entwicklungsserver testen. Naja vielleicht sind ihnen die Windows-Lizenzen ausgegangen für die Server. Ach immer diese Open-Source-Kommunisten, jetzt machen sie sogar schon nichtkommerzielle Musik.

    Der Weltuntergang.

  7. 07

    Da das Blog gefunden wurde, war es per Definition wohl doch public.
    Anyway, MPAA scheinheilig, wer hätte das gedacht.

  8. 08
    westernworld

    “ MPAA, eiserne Verfechterin des Urheberechts, gerechte Hüterin der Lizenzen…“
    gibt’s das auch als rosenkranz?

  9. 09
    weiterso

    Es gibt da auch eine Softwareschmiede, in deren Audiodateien zum Betriebssystem mal eine cracker-id einer gecrackten Audiosoftware zu finden war. Ob wegen dieser Peinlichkeiten sich jemand verantworten musste, ich denke nein.

  10. 10
    René (der aus Kiel)

    Dass die MPAA nichts von den Gesetzen hält, auf deren Einhaltung sie so gerne pochen, ist nichts neues:

    http://en.wikipedia.org/wiki/This_Film_Is_Not_Yet_Rated#MPAA_infringements

    Aber so sind kriminelle Organisationen nun einmal. Als etwas anderes kann man die MPAA nicht bezeichnen.