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Jeriko One: Ganz viral abgemahnt

Schon klar, hat langsam jeder verstanden, kann man leicht nachlesen, sollte keinen mehr hinter dem Laptop hervor locken: Es ist nicht nur keine gute Idee sondern auch strafbar, auf der eigenen Site MP3-Dateien anzubieten, deren Verwendung für eben diesen Zweck nicht eindeutig erlaubt ist. Das wusste auch Christoph Boecken, Betreiber des Blogs Jeriko One.

Was er zu seinem Pech nicht wusste, ist, dass es auch illegal ist, sich mit zuviel Inbrunst an einer viralen Marketing-Kampagne einer seiner Lieblingsbands, NIN, zu beteiligen.

Die beteiligten Marketing-Experten finden es zwar irre crazy und viral und hip und total Zweinull, wenn das Label bestimmte Songs eines noch nicht veröffentlichten Albums mittels USB-Stick auf öffentlichen Toiletten „verliert“, die Anwälte der beteiligten Marketing-Experten finden es jedoch eher Einsminus, wenn ein Fan einen der Songs dann als Stream (nicht als Download!) auf seinem Blog zum Hören anbietet (mehr bei Jeriko One: 1, 2, 3). Die Kosten der Abmahnung, die Jeriko One zugegangen ist und die er schon bezahlt hat, dürften (Schätzung!) bei knapp 600 Euro liegen.

Don Dahlmann hat sich mit dem Thema beschäftigt und ich hab auch mal ’ne Mail an Universal geschickt, einfach um herauszubekommen, wie so etwas passieren kann. Derzeit bekomme ich den Eindruck, dass einfach mal wieder die eine Hand nicht wusste, was die andere tat. Dies wiederum könnte ein rein internes Problem sein, wenn nicht irgendwo jemand ein paar hundert Euro losgeworden wäre, der – so lese ich Christophs Äußerungen zu dem Thema – nicht blöd ist und sich in legaler Sicherheit wähnte.

Shit happens, aber Shit sollte sich auch schnell und unkompliziert wieder aufwischen lassen, in diesem Fall (so er denn korrekt dokumentiert ist) hoffe ich doch sehr, dass die Universal-Anwälte zurückgepfiffen werden, sich entschuldigen und das an sie gezahlte Honorar zurückerstatten. Alles andere wäre skandalös.

Denn der Vorgang zeigt, in welch gefährliche Gewässer sich Unternehmen mit „viralen“ Kampagnen begeben können, gerade wegen der vielen unklaren oder schwierigen juristischen Bereiche solcher Aktionen und ihrer möglichen Folgen.

Marketing-Abteilungen können sich zwar als schnelle kleine Speedboats verkleiden, solange jedoch der Rest der Maschine immer noch wie ein Panzerkreuzer agiert, gehen beide schnell unter. Wenn nun die Adressaten solcher Aktionen am Ende die Rechnung für die Bergung zahlen sollen, läuft etwas ganz gewaltig aus dem Ruder.

Im Fernsehen (Link für die jüngeren Leser) läuft jetzt wieder Teppichreiniger-Werbung wie früher™, es wird Dreck auf dem Boden verteilt und der Reiniger macht sauber. Ich halte das für einen erfreulichen Trend: Werbung, die aussieht wie Werbung und nicht wie ein Freund, der sich später als Feind entpuppt. Wenn der virale Blödsinn so weitergeht, wird man sich bald fragen müssen, von wem die Einladung eines Kumpels zum gemeinsamen Kino-Abend gesponsort wurde.

Udate hier!

26 Kommentare

  1. 01

    jetzt musste aber noch was über die kinder in afrika machen, sonst ist der don beleidigt…:)

    ich denke aber auch das universal das zurückzahlt. wie absurd wäre die ganze nummer denn bitte schön sonst?

  2. 02

    wenn ich paranoid wäre würde ich ja fast denken, dass die abmahngeschichte zur kampagne gehört, da sie vorher ja kaum beachtet wurde. leider wurde hier aber eine an sich gute idee durch eine wildgewordene rechtsabteilung konterkariert.

  3. 03

    Mir ist diese virale Marketenderei auch schon immer ein wenig suspekt, auch wenn ich viele Aktionen durchaus spannend und witzig finde.
    Kann es aber nicht sein, dass Universal hier schlicht und einfach konsequent ist? Wie glaubwürdig wäre den die Credibility der Aktion, wenn Universal nicht klagen würde? ;-)

  4. 04
    Vi-king

    Und Johnny steckt ganz tief mit drin!!11elf Ist doch ganz klar, als Inhaber von nin.de

    …oder so ähnlich :)

  5. 05
    Fuzzle

    1. noch(!) wissen die leser (auch die jüngeren!) was fernsehen ist. ^^
    2. immer wischen frauen den dreck vom teppich.nie männer. ist das nicht unfair? (wollt nur mal drauf hinweisen)
    3. um ehrlich zu sein, würd ich r0ssi (2) rechtgeben, wer hätte die den vor dieser aktion beachtet, bzw. wer hätte ihnen so viel aufmerksamkeit geschenkt. (ohne das alles hätten sie wahrscheinlich keinen artikel bei spreeblick bekommen) :D

  6. 06
    DieterK

    „žDenn der Vorgang zeigt, in welch gefährliche Gewässer sich Unternehmen mit „žviralen“ Kampagnen begeben können (…) Marketing-Abteilungen können sich zwar als schnelle kleine Speedboats verkleiden, solange jedoch der Rest der Maschine immer noch wie ein Panzerkreuzer agiert, gehen beide schnell unter.“

    Schön wär“™s ja. Aber: gefährlich sind die Gewässer nicht für die Unternehmen, sondern für die Fans, die auf die virtuelle Masche reinfallen. (Zwar steuert auch die UMG auf einen Eisberg zu, aber noch spielt die Kapelle an Bord der Titanic…)

    In Amerika gab es mal Bestrebungen, die „žVerleitung“ zu Copyrighverstößen (das richtete sich damals u.a. gegen die Hersteller von MP3-Playern) unter Strafe zu stellen, aber ganz so schlimm sind die Gesetze (noch) nicht. Für Unternehmen gibt es — außer in Bezug auf das Image — keine Gefahr. Außerdem sind die rechtlich problematischen Praktiken ohnehin ausgelagert. (Rolf Schmidt-Holtz hat ganz bestimmt noch nie etwas von Payola gehört …) In diesem Fall wäre also bestenfalls die Marketingagentur betroffen. Aber was kann die dafür, wenn irgendjemand einen MP3-Stick verliert?

    Fans / Blogger / Podcaster etc. sollten Bedenken, dass sie sich auch nicht auf die Musiker selbst berufen können. Nach dem Motto: „žRobbie Williams hat doch gesagt, fünf Millionen verkaufte CDs sind genug, jetzt können sich die Fans die Songs ruhig aus dem Internet runterladen.“ Das hat Robbie Williams zwar wirklich mal gesagt (2002 in Berlin oder 2003 in Cannes, heutzutage verkauft er ja nicht einmal mehr die Hälfte …), aber davon wird sich die EMI, der die Aufnahmen von Williams gehören, ganz sich nicht davon abhalten lassen, mit allen Mitteln gegen die illegale Verbreitung vorzugehen. Und das gilt nicht nur für die Majors, sondern auch für die überwältigende Mehrheit der „žunabhängigen“ Labels. (Jedenfalls für die, die finanzstark genug sind, um ihre Rechte zu verteidigen)

  7. 07
    DieterK

    „žDenn der Vorgang zeigt, in welch gefährliche Gewässer sich Unternehmen mit „žviralen“ Kampagnen begeben können (…) Marketing-Abteilungen können sich zwar als schnelle kleine Speedboats verkleiden, solange jedoch der Rest der Maschine immer noch wie ein Panzerkreuzer agiert, gehen beide schnell unter.“

    Schön wär“™s ja. Aber: gefährlich sind die Gewässer nicht für die Unternehmen, sondern für die Fans, die auf die virtuelle Masche reinfallen. (Zwar steuert auch die UMG auf einen Eisberg zu, aber noch spielt die Kapelle an Bord der Titanic…)

    In Amerika gab es mal Bestrebungen, die „žVerleitung“ zu Copyrighverstößen (das richtete sich damals u.a. gegen die Hersteller von MP3-Playern) unter Strafe zu stellen, aber ganz so schlimm sind die Gesetze (noch) nicht. Für Unternehmen gibt es — außer in Bezug auf das Image — keine Gefahr. Außerdem sind die rechtlich problematischen Praktiken ohnehin ausgelagert. (Rolf Schmidt-Holtz hat ganz bestimmt noch nie etwas von Payola gehört …) In diesem Fall wäre also bestenfalls die Marketingagentur betroffen. Aber was kann die dafür, wenn irgendjemand einen MP3-Stick verliert?

    Fans / Blogger / Podcaster etc. sollten Bedenken, dass sie sich auch nicht auf die Musiker selbst berufen können. Nach dem Motto: „žRobbie Williams hat doch gesagt, fünf Millionen verkaufte CDs sind genug, jetzt können sich die Fans die Songs ruhig aus dem Internet runterladen.“ Das hat Robbie Williams zwar wirklich mal gesagt (2002 in Berlin oder 2003 in Cannes, heutzutage verkauft er ja nicht einmal mehr die Hälfte …), aber davon wird sich die EMI, der die Aufnahmen von Williams gehören, ganz sich nicht davon abhalten lassen, mit allen Mitteln gegen die illegale Verbreitung vorzugehen. Und das gilt nicht nur für die Majors, sondern auch für die überwältigende Mehrheit der „žunabhängigen“ Labels. (Jedenfalls für die, die finanzstark genug sind, um ihre Rechte zu verteidigen)

  8. 08

    Würde mich mal interesssieren, ob so eine Aktion nicht ihrerseits illegal ist, sie also den Fan quasi dazu anstiften, das Gesetz zu brechen.

  9. 09

    mit allen Mitteln gegen die illegale Verbreitung vorzugehen

    Um damit auch dem letzten Depp zu zeigen, dass der Fan gefälligst nur die CDs zu kaufen und sonst die Klappe zu halten hat. Wenn das das Ziel ist, dann befinden sich einige Labels grad auf der Zielgerade…

  10. 10
  11. 11
    JACK

    Wenn`s wirklich stimmt kann man
    Jeriko nur sein Beileid aussprechen.
    Hoffe er geniesst NIN trotzdem

    Es tut sich was….???
    Kampagne ??
    Was tut sich???

  12. 12

    Winfried, klar, und als aktuelles Video gibt’s auf indieish.com die letzte, grandiose Single von Peter Bjorn & John. Ganz unkommerziell.

  13. 13
    stefanx

    das video zur kommenden nin-single wurde gestern abend in london in form von usb-sticks verteilt. auch unkommerziell. ;-)

  14. 14
    Der Jan

    Was das Ganze noch absurder macht: Über ninwiki.com (ich glaube, eine von Fans betriebene Seite) kann man sich vier neue Songs problemlos downloaden. Und damit scheint niemand ein Problem zu haben.

  15. 15

    Ich glaube, man braucht nicht paranoid zu sein, um zu denken, dass solche abmahngeschichten zukünftig (wenn schon nicht bereits) zur Kampagne gehören werden….

    Ich glaube auch, dass inzwischen die Unzahl an „leaks“ (wenn schon nicht von Musikreportern, die mit Vorab-Kopien beglückt werden, veröffentlicht) vom Management gesteuert sind. Läuft doch prima! Jeder denkt, er hätte als einziger so ein „leak“ und veröffentlicht/schreibt darüber. Prompt taucht es in 100 anderen Blogs auf (und jetzt auch hier!). Viraler geht’s doch nicht.

  16. 16

    Es gibt schon ein paar gesetzliche Richtlinien. Anstiftung zu einer Straftat ist eine ebensolche. Ganz so einfach ist selbst die Marketingwelt nicht, zum Glück.

  17. 17

    Die Schreibe dieses Artikels erinnerte mich eben sofort an die Ausdrucksweise von DonAlphonso – sicher auch als Resultat der Wut im Bauch. Krass :)

  18. 18

    *seufz* Viel mehr als die Abmahnung an sich — die betrachte ich mal als Geschäftsrisiko eines Bloggers, und niemand kann einem Anwalt vorwerfen seinen Job zu machen — stören mich die möglichen nichtmateriellen Konsequenzen, die der einzelne daraus zieht/ziehen könnte.

    Ein Gesetz ist (eigentlich) immer auch das, was der Gesetzgeber als unser aller Vertreter damit beabsichtigt hatte. Überlegungen wie: „[…] Die Tatsache, dass ich mir ab jetzt bei jedem, wirklich jedem Beitrag überlegen muss, ob ich ihn so schreiben kann. Wieviele Informationen sind in Ordnung, wieviel ist schon zuviel. Wem oder was kann ich im Internet überhaupt noch trauen? […]“ (aus ‚Abgemahnt #2‘) gehören ganz sicher nicht dazu. Diese erinnern viel mehr an die Diskussionen rund um das kürzlich ergangenen Cicero-Quellenschutz-Urteil. :-(

    Für Christoph B. hoffe ich nur, dass er ein paar Tipps bekommen hat, um die Unterlassungserklärung zu seinen Gunsten „zu korrigieren“ und Universal nicht auf die Idee kommt, nachträglich auch noch Schadenersatz geltend zu machen.

  19. 19

    Universal pfeift die Anwälte zurück und zahlt dem Blogger seine Abmahnung wieder?! In welcher Welt lebt ihr denn eigentlich, das ist denen doch total egal! Ich würde sogar so weit gehen, zu behaupten, die MP3s würden ABSICHTLICH geleakt, DAMIT man abmahnen kann.

  20. 20

    (Quelle: Universal Newsletter)
    „So wurden z. B. auf einer Toilette der Konzerte in Lissabon ein USB-Stick mit einem Song des neuen Albums gefunden, letzte Woche dann sogar das Video zur ersten Single „…“ (Edit: Titel von mir gelöscht) – ebenfalls auf einem Konzert und auf einem USB-Stick – und das alles bevor es irgendwo auf einem Musiksender zu sehen oder zu hören war. Bleibt abzuwarten, ob den deutschen Fans ein ähnliches Vergnügen auf der am Mittwoch startenden Tour vergönnt ist.“