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Afrikanisches Fußballmärchen

„Fußball ist gelungene Globalisierung“ hat der Steinmeier zur WM gesagt. Was er gemeint hat, ist klar: Tanzende Besoffene Menschen aller Herren Länder in den Straßen, die sich dann gegenseitig Kinder machen in den Armen liegen, Spieler aus allen Kontinenten in Europa, euphorische Artikel in den Zeitungen, schöne bunte Fußballwelt etc etc. Soweit.

Allerdings gibt es immer, wenn gejubelt wird, manch einen, dem nicht nach Jubeln zu Mute ist. Bei „gelungener Globalisierung“ ist das in der Regel die 3. Welt. Also: Was heißt Steinmeier-Jubel übersetzt für Afrika?

Klar, für viele junge Afrikaner ist es ein Traum, entdeckt zu werden, im Märchenland Europa Fußball spielen zu dürfen, einmal aufzusteigen in die Kategorie von Drogba, Essien und Eto’o. Dafür geht man schon mal ein Risiko ein, zumal zu Hause ja immer die Erfolgsgeschichten erzählt werden. Also verschuldet man sich mit 3.000 bis 4.000 Euro, lässt sich unter Umständen auch noch von einem illegalen Spielerberater anwerben, kommt mit einem Touristenvisum nach Belgien oder Frankreich, wird dort – wenn man Glück hat – an einen akkreditierten Spielerberater weitervertickt, und der schaut dann mal, was so geht. Häufig gar nichts.

Pro Jahr kommen 250 bis 500 Afrikaner auf dem Flughafen Brüssel an, in der Hoffnung, sich in Europa als Profi verdingen zu können. Über die Zahlen in Frankreich ist mir nichts bekannt, allerdings hat allein Kamerun im Jahr 2005 850 Ausreisegenehmigungen ausgestellt.

In der belgischen Jupiler League und der Ligue 1 werden diejenigen, die in die nächste Runde gewunken wurden, auf Europatauglichkeit getestet (für die Anekdotenkiste: der SK Beveren läuft traditionell nicht unter 8 Afrikanern in der Startelf auf). Für einige wenige beginnt hier die Karriere, für die meisten endet sie am selben Ort. Wenn man sich die Lebensläufe der afrikanischen Stars mal ansieht, wird schnell klar, wie die Fußball-Migrationsströme verlaufen: Drogba hat in Le Mans begonnen, Essien in Bastia, Adebayor in Metz, Eboué in Beveren und so weiter.

Für den (großen) Rest bleibt die zweite oder dritte Liga, das Callcenter oder für 1,50 € die Stunde in der Küche eines Nobelrestaurants Hummer in die Mülleimer kippen. Und am Wochenende treffen sich die Glücklosen auf diversen Fußballplätzen in Frankreich oder Belgien, in der Hoffnung, irgendeinem der anwesenden Scouts ins Auge zu stechen. Fußballmärchen, moderne Fassung. Die guten ins Töpfchen, die schlechten ins Kröpfchen.

Bei diesem ganzen Drecksgeschäft profitieren im Endeffekt einige sehr wenige Spieler, die europäischen Ligen und das, was man sich ziemlich nebulös unter dem „afrikanischen Fußball“ vorstellen darf. Und, nicht zu vergessen: die ganzen Schleuser, Menschenhändler, illegale Spielerberater und sonstige Schmeißfliegen des großen Geldes. Von gelungener Globalisierung zu sprechen, ist also gar nicht so unangebracht, wie man am Anfang glauben mag.

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