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Netzwerk

Im Herbst des Jahres 2001 trafen im Neuköllner Praktiker-Markt Jürgen Wiedemann und Rainer Kesselig aufeinander. Wiedemann machte eine launige Bemerkung über Holzzargen, was ihm so schnell keiner nachmacht, mir beispielsweise fiele zu Holzzargen keine launige Bemerkung ein.
Von den Holzzargen kamen sie wie von unsichtbarer Hand geleitet auf das Billardspiel, dem sie beide gern nachgingen und von dort über Bier und Hausmannskost zu Magernagern, genauer gesagt: dem dicken Stallhasen.

Sie verabredeten sich kurz darauf zu einem gemeinsamen Wirsingessen mit den Frau Gemahlinnen, tranken Bier und lachten über Hasengeschichten. Im Sommer 2002 verbrachten sie zu viert einen herrlichen Urlaub im Allgäu, fuhren Tretboot, gingen auf Tanzveranstaltungen, schwitzten in der Sauna. Ins Allgäu fahren sie seitdem jedes Jahr, seit Wiedemanns Frau starb nur noch zu dritt.

Kesselig war selbständiger Tankstellenbetreiber, Wiedemann war Innendienstleiter einer bekannten Versicherung. Sie konnten beruflich nichts füreinander tun. Das war das letzte Mal, dass in Berlin eine Freundschaft begann, ohne dass einer der beiden den anderen zur Erweiterung seines Netzwerkes nutzte.

51 Kommentare

  1. 01
    heidrun

    weinst du jetzt?

  2. 02
    Malte

    ich habe eine tränendrüsenunterfunktion und kann daher nicht weinen.

  3. 03
    heidrun

    aber melancholisch aus dem fenster starren und an die ehrlichen alten zeiten denken?

  4. 04
  5. 05
    apfelbaum

    Ich weiß nicht… meine Oma hat vor zwei Jahren in Berlin nen Typen kennengelernt und heiratet den jetzt. Gilt das als Netzwerk? Ich meine, zuerst hat sie ihn nur ein wenig umgarnt, dann alles sauber eingefädelt, und obwohl damals noch alles am seidenen Faden hing, zappelt er jetzt in ihrem Netzwerk. Alles eine Frage der Metapher, oder?

  6. 06
    stefan_k

    Ich habe mich vorhin erstmal bei alleinr.de angemeldet, also, es zumindest versucht. Aber nicht alles geht ohne fremde Hilfe ;-)

  7. 07
  8. 08

    Also, mir gefällt’s. Was mir nicht gefällt, ist die gnadenlose Instrumentalisierung von Freund- und sonstigen Bekanntschaften.

  9. 09
    sunny3d

    @heidrun – yes

  10. 10

    Bist Du irgendwo abgewiesen worden?

  11. 11
    westernworld

    ja,ja als das leben noch mehr war als ein lebenslauf.
    mir geht die zunehmende kommerzialisierung zwischenmenschlicher beziehungen auch schwer auf den geist.
    das tragische ist dabei, daß egal wie sehr die meisten sich abstrampeln die wirklich wichtigen netzwerke die sind in die man hineingeboren wird.

  12. 12
    Tim

    Es heisst nicht der Allgäu, sondern das Allgäu. Fahr mal hin. Das sind Netzwerker noch Fischer.

  13. 13

    Spitze. Leider viel zu wahr.

  14. 14
    Malte

    @ Tim
    Danke. Mir war so, habe aber nicht nachgeschaut.
    @ .olli
    Nicht abgewiesen. Eingenetzt.
    @ westernworld
    Das ist Netzwerken 1.0 und dem 2.0 immer noch weit überlegen, das stimmt.
    Ich werde mich wohl bald von einem albanischen Prinzen adoptieren lassen.

  15. 15
    Robin S. a.k.a. MakeAMillYen

    „Netzwerken“ hiess frueher „sich gegenseitig helfen“ und daran kann ich nichts Boeses finden.

  16. 16

    Malte. Das ist noch schlimmer. Denke ich …
    Robin: Genau. Gegenseitig. Und wenn es sich ergab. Und nicht bei potentiellen Bekanntschaften nur nach dem „Mehrwert“ suchen.

  17. 17
    Tom

    Na ja, 2001 ist ja noch nicht sooo lang her..bei uns hier in Köln, läuft das Netwerken seit ca. 2000 Jahren ständig durch, nennt sich hier nur „Klüngeln“ und jeder ist so daran gewöhnt, das sogar Oberbürgermeister bei entsprechenden Skandelen nicht zurücktreten müssen (Oppenheim-Esch, Müllverbrennungsanlage)

  18. 18
    heidrun

    eben. es gabs schon immer, und schlecht an sich ist es auch nicht.
    was allerdings stimmt und blöd sein kann, ist das mit dem „reingeboren werden“. aber das hält sich auch meist in grenzen, denke ich. die mischung aus guten kontakten, totaler unfähigkeit und dreistigkeit ist nur ziemlich fatal.
    solange man sich und andere nicht bescheisst dabei und nicht rumkriecht vor jemandem, der evtl. wichtig sein könnte, den man aber eigentlich nicht leiden kann, ist alles in ordnung.
    ich glaube, durch die zunehmende präsenz, einfachheit (per internet) und auch wichtigkeit des „netzwerkens“ sind da nur einige nervige gestalten etwas übereifrig.
    malte: schon wieder bei xing unanständig angemacht worden? :)

  19. 19
    Lockengelöt

    hm. bißchen übertrieben, findest du nich?

  20. 20
    Der Michael

    Komisch, dass ich diese egoistischen Netzwerkmenschen, die nur auf ihren Vorteil bedacht sind, nicht kenne. Vielleicht liegt es einfach daran, dass ich nen anständigen Beruf gelernt habe? ;)

  21. 21
    westernworld

    @prinz malte in spe#15

    fotos,fotos wir wollen fotos!

    wirst du dann ganz dicke mit frederik von anhalt, müßen wir dich dann mit königliche hoheit ansprechen, wird aus spreeblick das prinzenblog*g*?

  22. 22
    der raucher

    Malte hat ja praktisch das Ende von klassischen Freundschaften konstatiert.
    Gucke ich mir meine Xing und StudiVZ Kontakte an, mag das vielleicht teilweise Stimmen. Das liegt aber auch am Konzept der jeweiligen Projekte.
    Denke ich an die Menschen, die ich als letztes als (reallife) Freunde dazugewonnen habe, muss ich Maltes Ansicht wiedersprechen.
    Sicher spielt, vorallem in einem bestimmten Abschnitt des Lebens, der Nutzen in einer Beziehung eine nicht ganz unwesentliche Rolle, aber daruaf die Beziehung zu reduzieren ist falsch. Des weiteren spielen in (wahren) Freundschaften ganz andere Aspekte eine Rolle. Wie z.B. Gefühle.

  23. 23

    Warum ausgerechnet Wirsing?

  24. 24
    Maltefan

    LOL. Ein überraschender Schluss, hat was ;-)

    Ich würde trotzdem noch folgende Korrekturen empfehlen:
    … mit den Frauen Gemahlinnen …
    … das letzte Mal, dass …

  25. 25
    Daniel

    Warum hat man mich in diese Welt gekotzt :(

    Schöne Grüße aus dem festvernetzten Niederbayern

  26. 26
    Tim

    Wer netzwerkt des Netzwerkens wegen, wird keinen Erfolg haben. Possibilites sammeln ist kein Beruf und bezahlt nicht die Miete. Aber im Arm-aber-sexy Berlin mag dieses Possibilities Sammeln das einzige sein, was den Leuten bleibt.

  27. 27
    Malte

    @ Maltefan (das wollte ich schon immer mal schreiben)
    Frau Gemahlinnen lasse ich, wegen des „das“ entschuldige ich mich bei allen Freunden der deutschen Sprache.
    @ Lockengelöt
    Aber natürlich.

  28. 28
    markus

    Wahre Worte, gehaltvolle Kommentare und nur ein Hauch von Zynismus. Ich glaube an Euch!

  29. 29

    Malte, das ist das erste Mal, dass ich von einem deiner Texte begeistert bin! Denn genau das ist mir in den letzten Monaten meines Studiums auch aufgefallen: Alle raten mir dazu, dass ich doch lieber mehr „Geschäftsbeziehungen“ angehen soll. Ich geh aber lieber mit guten Freunden ins Kino und red über Gott und die Welt.

    Dankeschön, dass das nicht nur mir so geht!

  30. 30

    ich kenn die beiden. die haben doch accounts bei http://alleinr.de

  31. 31

    Netzwerke können hinderlich sein. Ich lebe auf dem Land und ich habe Freunde, die kennen immer einen, der einen kennt, der dies und jenes erledigen kann. Auto reparieren, oder am Häusle was montieren, usw. Meistens funktioniert auf die Tour aber gar nix und wenn was funktioniert, dann nicht lange und nicht zuverlässig. Ich schau lieber ins Branchenverzeichnis als dieses Netzwerk zu nutzen.

    Ein paar Kilometer weiter in der Uni sieht es schon anders aus. Da überlegt man es sich zwei mal, ob man einen Dozenten kritisiert – auch wenn bei dessen Verhalten bloße sachliche Kritik nur noch Ironie wäre und man ihm eigentlich in die Fresse scheißen müßte. Man begegnet sich immer zwei Mal im Leben und man weiß nie, wann man ihn noch braucht.

    Und vor allem, was er dann über einen rumerzählt. Schlecht für das Image des Produkts $ich.

    Und dann kommt wieder der Karrierefuzzi vorbei und redet was von Aufstiegsschancen, Consulting, Trainee-Programmen, Human Resources, ubiquitous Schlagmichtoting und mir ist nur noch nach Abkotzing und Rapid Insulting.

  32. 32
    aber

    Gehört das „i“ in „ich“ eigentlich schon Apple?

  33. 33

    einfach mal bisschen unter menschen gehen und nicht den ganzen tag nur bloggen.
    fühlen sich deine freunde jetzt nicht ein bisschen verletzt? oder aber: können gravatare sich überhaupt verletzt fühlen?
    aber dann leben wir weiter in dem glauben, dass wir uns alle vernetzwerken MÜSSEN. viele scheinen gar nicht mehr anders zu können. die armen.

  34. 34
    Maltefan

    @Malte (#27)
    Das kannst Du gern öfter schreiben ;-)
    Wann schreibst Du mal ein Buch? Den ersten Käufer hast Du schon …

  35. 35

    jaja, erst rumwebzwonullen und jetzt schon auf dem retrotrip…

  36. 36
    Maltefan

    @r0ssi
    Ich weiss gar nicht, was das ist — Web2.0

  37. 37

    Was mich an dem Beitrag so richtig auf die Palme bringt, ist das ich wohl nie erfahren werde – was das wohl für eine launige Bemerkung über Holzzargen gewesen sein mag. Naja wer launige Bemerkungen über Holzzargen machen kann, braucht keine Netzwerke mehr – der kann sich Freunde leisten …

  38. 38

    Ich weiss nicht mal, was Holzzargen sind (kein Handwerker). Aber irgendwie nur (angehende) Akademiker unterwegs hier? Hier klingen immer nur WiWis durch, und ab und zu noch das Handwerk. Es gibt aber noch 10.000 Berufe, in denen Netzwerken nicht vorkommt. Die fallen hier voll unter den Tisch. An sich aber ein schöner Beitrag.

  39. 39
    Daniel

    @Sebastian: Afaik sind Holzzargen gezähnte Kanten mit denen zwei Bauteile leichter und stabiler verleimt werden können. Sieh das ganze nicht nur vom Berufsstand her. „Der Filz“ (wie er früher hieß) ist bspw. in Bayern absolute Tradition und bildet sich schon in den Schulen aus! Andererseits scheinen Vetternwirtschaft und traditionelle Korruption zur größten Wirtschaftskraft unter den 16 Bundesländern geführt zu haben.

  40. 40

    Fein!
    Wobei: Deinen openbcxing-Account hast Du noch, oder?

  41. 41
    heidrun

    wenn der tischlermeister den sohn seines nachbarn in die lehre nimmt, weil er ihn kennt, ist das dann der böse filz? selbst unter handwerkern? tsts…

  42. 42
    matti

    Schöner Beitrag. Der Punkt ist übrigens, wie Malte es richtig darstellt, dass netzwerkerweiternde Zweckbeziehungen freundschaftliche Beziehungen ohne einen bestimmten Zweck verdrängen, nicht, dass man sich unter Freunden auch mal gegenseitig hilft. Und eigentlich deprimierend ist ja das Networking, also die Kontakte erstmal aufzubauen – bayerische Tischlermeister brauchen das nicht, die werden in ihr Netzwerk hineingeboren.

  43. 43
    heidrun

    naja, es gibt solche und solche zweckbeziehungen. ich halte sicher auch sporadischen kontakt zu leuten, von denen ich glaube, dass mir der kontakt nützen könnte (ich böse, ich) – aber eben nur, wenn ich die leute auch mag. echte freundschaften werden das dann in der regel nicht, aber eben bekanntschaften. daran finde ich nichts schlimmes. ich habe gerne viele bekannte. ich weiss aber auch, wer meine freunde sind. ich hab nur was gegen dieses verteufeln von „netzwerken“, obwohl es jeder in irgendeiner form macht.
    furchtbar wirds zugegebenermaßen dann, wenn jemand bei jedem, den er kennenlernt, erst den nutzen der person abcheckt oder sich einen drauf runterholt, wen er nicht alles kennt. aber sowas merkt man doch.
    ich kenne übrigens jemanden, der michael jackson kennt. wer will meine telefonnummer? :)

  44. 44

    Hehe, wirklich klasse, auch wenn´s langsam wirklich zu denken gibt :P

  45. 45

    …und nun zu etwas völlig anderem…

  46. 46
    schomsko

    Alternativen zu Holzzargen sind wesentlich bemeckerungswürdiger als jene, die aus dem Originalzargenmaterial beschaffen sind.

  47. 47

    Ich meine, ich liebe Holzzargen. Wer einmal eine Schrankschublade mit Zargen hatte, der weiß was ich meine. Der Anblick, die Haptik..Holzzargen sind was herrliches. Wiedemann ist mir daher nicht so sympathisch.

  48. 48
    Manuel Kiessling

    „mir geht die zunehmende kommerzialisierung zwischenmenschlicher beziehungen auch schwer auf den geist.“

    Hallo? Ich kann dann schon noch zwischen meinen Freunden und meinen Xing Kontakten unterscheiden, und nehme mal an das geht den meisten so.

    („Hm, mit wem gehe ich denn heute abend um die Häuser ziehen…? Ah, mal schauen, wer bei Xing hat denn die besten Kontakte?“ – Ne sorry, klappt irgendwie nicht).

  49. 49
    Stefan Frank

    Tja,
    networking im einfachen Sinn ist halt schon immer gewessen, nicht so agressiv und halt nicht mit einem so chicken Begriff versehen.

    Aber richtig eklich wirds wenn langjährige Freunde auf einer Party auftauchen und alle Leute mit den gleichen Fragen bombardieren:
    Hallo wer bist Du? …Ah was machst Du den Beruflich? …

    Und das dann so plump ist das es alle merken! Das ist das was hier eigentlich mit Recht negativ dargesttellt wird!

    Ich glaube aber auch fast das es ein Anzeichen der „wirtschaftlich schlechteren Zeiten“ ist.

    Tschö mit Ö ;o)