Die zwei leeren Sitze in der fünften Reihe links, die waren eigentlich für uns reserviert, gestern beim ECHO 2007. Gerne hätten wir vor Ort den Glamour und Glanz eingeatmet, die Stars und Sternchen begutachtet, die optische Qualität des Silikons bewertet, doch es ging aus privaten Gründen nicht, wir mussten die freundlichen Einladungen leider zurückgeben.
Dabei lieben wir Glamour und das große Theater. Wir können für zwei, drei Stunden genießen, dass sich alles um den Moment dreht, nicht um den einzelnen Künstler, können die Inszenierung einer Branche genießen, bei der es eben nur um sie selbst geht. Camp und Kitsch, gut oder schlecht gespielte Emotionen und bombastische Selbstdarstellungen – das kann einen Riesenspaß machen, das sollte die Kritik am einzelnen Teilnehmer außen vor lassen, das müsste beeindrucken.
Kann, sollte, müsste.
Mit Chips vor dem Fernseher ist man natürlich nicht mittendrin und schon gar nicht live dabei, dafür bekommt man das versammelte Elend direkt nach Hause geliefert, das sich einem bietet, wenn in Deutschland versucht wird, ohne Ball zu feiern.
Schwer genug, sich den Abend nicht von einer Dumpfbacke wie Oliver Geissen versauen zu lassen, der mit Popkultur soviel zu tun hat wie Familie Wowereit mit Kontrazeption. Der Mann schafft es, selbst Halbsätze quälend lang erscheinen zu lassen, pöbelt vor laufenden Kameras den Lafee-Bassisten derart respektlos von der Bühne („Du stehst hier auf meinem Moderationsplatz, Freundchen!“), dass man sich wünscht, eben jener hätte ihm einfach sein Instrument über den Schädel gezogen und beendet den mit Ausnahme des Auftritts von Tokio Hotel beinahe Applaus-freien Abend mit den Worten „Nun drück mich mal hier nicht so runter!“, als ihm Mitmoderatorin Yvonne Catterfeld ihren Arm um die Schultern legt. Kein Zweifel: Oliver Geissen ist der würdige Nachfolger von Thomas Gottschalk, denn er ist mindestens genauso taktlos und stilbefreit.
Damit reiht er sich jedoch wunderbar ein mit der Bildregie, die bei Bonos Sätzen zum Thema Afrikahilfe ganz schnell auf alle auffindbaren Sternchen mit etwas dunklerer Hautfarbe schwenken lässt und einem Publikum, das die frisch manikürten Hände höchstens für Ralph Siegel aus dem Schoß erhebt (der sich in seiner Dankesrede für die Unterstützung bei allen drei Ex- und Noch-Gattinen bedankt, was man irgendwie okay finden muss) und sich, noch während die letzte Band auftritt, in den Gängen drängelt um rechtzeitig am Buffet zu sei.
Respekt und Stil sind Fremdworte in der Poplandschaft Deutschlands und wenn man als Musik-Konsument in den letzten Jahren den Eindruck bekommen haben sollte, dass die Bands und Künstler ganz, ganz hinten stehen, dann hat einen der gestrige Fernsehabend nicht gerade vom Gegenteil überzeugt.
Nachdem, was ich vom echo mit gekriegt und gehört habe, gab’s nicht viel zu verpassen. Tja, und der Geissen, da geb ich dir vollkommen recht.
„POWER BLOWERS“. Ein Schild sagt mehr als 1000 Worte.
Gruß nach Berlin,
m.
Dass Deutschland keinen Style hat, ist ja auch Jan Delay beim Bundesvision Song Contest schon aufgefallen …
Jan Delay ist da wirklich ein Lichtblick. Kein Wunder, dass er für HH startete ;)
…wo da das licht sein soll, möchte ich auch mal wissen. ein nudler und nöler vor dem herrn, und arrogant bis zum geistigen seitenscheitel. bah!
von mir aus können die gezeigten bands und künstler noch viel weiter hinten stehen. kein großer verlust. da hat sich an dem abend einfach mal der ganze rotz versammelt, von dem man sonst nix hören geschweige denn sehen will. da ist der geissen ja fast schon noch ausdruck von niveau…
@Hans v.
Mag ja alles sein, aber Style hatter jedenfalls. Und der Song, der beim BVST gewonnen hat, war eine irgendwie stillose, gesichtslose, austauschbare Rocknummer, die man schon tausendmal so ähnlich, aber besser, gehört hatte. Insofern konnte ich sein Statement vollumfänglich unterschreiben. Wenn Deutschland außer Style auch noch Geschmack hätte, hätte sowieso Mia gewinnen müssen :-)=).
Zumindest die Bildregie war preisverdächtig.
„Damit reiht er sich jedoch wunderbar ein mit der Bildregie, die bei Bonos Sätzen zum Thema Afrikahilfe ganz schnell auf alle auffindbaren Sternchen mit etwas dunklerer Hautfarbe schwenken lässt und einem Publikum,“
Tatsächlich? Wie unterirdisch ist bitteschön das denn? Gut, das solche Veranstaltungen einfach an mir vorbeirollen (es sei denn sie werden in Blogs rezensiert).
Oliver Geissen ist wirklich ein Lümmel. Unausstehlich. Wie auch Gottschalk, der immer nur von sich redet. Unerträglich. Und richtig wichtig für die Bildregie waren die DSDS-Superstars. Unfassbar. Mir ist noch der Satz vom verhärmten Friedensengel Nicole im Gedächtnis: „Ein Hocker und eine Gitarre, mehr hatte ich damals nicht.“ Armes Mädchen. Die Zutaten für diese Veranstaltung waren allesamt ranzig und der Glanz war nur Tand. Ungenießbar das Ganze. Und Katie Melua hat aus Lucy in the Sky ein Nine Million Bicycles gemacht. Sonntage gibts….
jan delay nervt und bono ein dummlaller, der in einer miesen band singt.
Komisch, LaFee ging immer an mir vorbei bisher. Selbst Bassist kann ich jedoch den Bassisten gut verstehen: Man beleidigt sein Instrument nicht durch so eine Aktion. Es ist natürlich die Frage, was man von Popkultur erwartet. Mir geht da doch leicht die Wertung »nichts besonderes«, was wohl auch eine treffliche Bemerkung über eine Massenbewegung sein dürfte.
just for the protokoll: der f4 auftritt war schon ziemlich cool. der rest unerträglich, unterschrieben. aber ging man auf solche veranstaltungen nicht eh immer nur wegen der after-show-party?
Schöner Text. Wenn du schreibst, begreife ich immer wieder, warum ich Spreeblick mag.
Boach…… wenn ich so die Rezensionen lese, dann bin ich echt froh, diesen Scheiss nicht geschaut zu haben.
Guckt das eigentlich jemand außer schwer Retardierten und Blogschreibern?
Whatever, ich bin froh, keinen Fernseher mehr zu haben.
also der Geißen, der war doch auf Koks, wenn ihr mich fragt.
Vielleicht reden die Falschen unser Land kaputt.
Auf der einen Seite pseudointellektuelle Hauptstromnachrichten und auf der anderen Seite infantile gequirlte Werbekotze.
Das Wechselspiel dieser Kräfte die „Böser und guter Bulle“ spielen ist das das sichtbare Ergebnis.
Die Kunden – also Wir – haben nur noch Das entgegen zu setzen was wir Web oder Weltnetz nennen – der Angriff darauf ist allerdings in vollen Gange und die Leichtschreiberlinge sind die fröhlichen Fische die im Suppentopf schwimmen und die Suppe besingen.
weiss auch nicht , warum ich mir das drei stunden gegeben hab. peinliche nabelschau einer vor laecherlichkeit und belanglosigkeit triefenden deutschen major-szene, in der vollhonks wie bushido fast als lichtblicke gewertet werden muessen. danke ralph siegel , danke universal!
unterwelt.
definitiv das falsche land , ja!
Gutmensch ist so ein Schimpfwort…
Ich meine Bonos Auftritt war noch eins der Highlights der Veranstaltung. Klar kann man Bono/Geldof/Gere und Co. vorwerfen, in erster Linie sich selbst zu vermarkten, aber ihre Berühmtheit ist nunmal ihr ganz eigenes Kapital. Wenn sie es für Zwecke einsetzen, die ansonsten im Medienalltag oft nicht vorkommen, ist das nur zu ubegrüßen. Sollte es auch nur wenige zum Nachdenken anregen, und im Vorfeld des G8-Gipfels im Sommer eine positive Erwartungshaltung gegenüber den Politikern aufbauen, ist schon was gewonnen.
Schau Euch den neuen Spot mit Bob Geldof und Katja Riemann an!
„Not the same procedure as every year!!“
http://youtube.com/watch?v=sOGuybe3lWo
Wieder ein wenig mehr froh, keinen Fernseher zu haben.
Geldof und Bono sind nicht berühmt. Bekannt sind sie, ja – bekannt dafür ihre Fresse regelmässig in jede Kamera zu halten, in dem angeblichen Bestreben, die Welt mit (schlechter) Rock Musik zu retten. Aber wer rettet eigentlich die Welt vor diesen Audiosamaritern?
Nachdem er schon den G8-Gipfel in Edinburgh ruiniert hat, jetzt also Heiligendamm. Na danke. Das diese Veranstaltung zur Bühne für eitele Selbstdarsteller und Besserwisser verkommen ist, sollte Grund genug sein, nie wieder einen G8-Gipfel abzuhalten.
Wenn ich bedenke, was der ganze Käse den Steuerzahler wieder kostet, nur damit ein paar Ideolisten gegen das Grosskapital demonstrieren können.
Aber zurück zum Echo: Hab den Mist zwar nicht gesehn, hab aber auf Spiegel Online die Liste der Preisträger nachgelesen. Billy Talent passte da nicht rein und selbst LaFee ist eigentlich zu anspruchsvoll für die dort ausgezeichnete Inkompetenz. Wenn diese beiden nicht dabei gewesen wären, man hätte meinen können, die Echo Jury hätte absichtlich die jeweils schlechteste Band eines Genres nominiert.