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Thuram, nicht Zidane

Später, in 50 Jahren, wird man sich, wenn man über den französischen Fussball der Jahrtausendwende sprechen wird, auf einen Namen geeinigt haben: Zinédine Zidane. Man braucht ihn als Helden, als tragische Figur eines großen Dramas, und sein Fussballerleben gibt das auch alles her.
Zidane ist der perfekte Einwanderer: Ruhig, bescheiden, leistungswillig. Neben dem Platz hält er meistens die Klappe, und auf dem Platz schießt er die entscheidenden Tore. Manchmal hat er zwar seine Ausraster, aber das passt ganz gut zum „Genie und Wahnsinn“-Topos, in dem er immer verhandelt wird. Zidane ist eben ein schwieriges Kind der Grande Nation. Und Frankreich ist gut zu seinen schwierigen Kindern. Frankreich ist eine gute Mutter. Vor allem, wenn die Kinder Frankreich zum WM-Titel führen.

Die équipe tricolore wurde nach dem WM-Sieg zum Erfolgsmodell französischer Einwanderungspolitik. Irgend so ein vollgekokster Sportjournalist hat damals den Satz vom Black Blanc Beurre geprägt: Der Fussball als Inbegriff der französischen Gesellschaft, gemeinsam werden wir siegen und Schwachsinn eben. Große Kompositionen auf der Klaviatur des Patriotismus.

Während Zidane, die Gallionsfigur des Black Blanc Beurre, sich neben dem Platz vornehm zurückhält, und auf seinem Briefpapier höchstens noch „UN-Botschafter des guten Willens“ stehen hat, ist Thuram einer von der unbequemen Sorte. Als Sarkozy mit dem Gedanken gespielt hat, die Banlieues mit dem Hochdruckreiniger zu säubern, hat Thuram einige interessante Interviews gegeben. Spätestens da war klar, dass Sarko und Thuram keine Freunde mehr werden würden.

Als dann 2006 in Cachan um die hundert Illegale aus einem besetzten Haus vertrieben und abgeschoben werden sollten, haben Thuram und Vierra sie zum Länderspiel gegen Italien eingeladen, und durch einige Interviews auf die Situation aufmerksam gemacht. Statt Feier-Artikeln für die geglückte Revanche gab’s auch ne Menge Artikel über Abschiebung and so on. Sogar in Sport-Zeitschriften.

Der französischen Rechten war das nicht ganz so recht. Philippe de Villiers fühlte sich bemüßigt, ein sagen wir launiges Urteil abzugeben:

Fussballer sollen Fussballspielen. Ich denke, Thuram und Vieira könnten noch ein bißchen weiter gehen und die Illegalen von Cachan bei sich aufnehmen, sie ernähren, ihnen Heim und Nahrung geben.

Na, wenn da mal kein Nerv getroffen wurde. Zidane mag der größere Fussballer (gewesen) sein: Ich hätte trotzdem lieber mehr von Thuram in den Zeitungen gelesen.

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