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Sehr geehrter Herr Hoeneß, lieber Dieter.

Ich weiß um Ihre Verdienste bei Hertha BSC. Nicht persönlich, mein Gedächtnis formatiert sich diesbezüglich alle fünf Jahre. Aber ich weiß von den Fans hier unten, in den Strassen Neuköllns, die Auswärts-Spieltag für Auswärtsspiel-Spieltag sich in den immergleichen Eckkneipen treffen, dass Sie sich sehr um diesen Verein verdient gemacht haben.

Ich weiß auch, Herr Hoeneß, dass Sie Ihren Blick gerne in die Ferne schweifen lassen, dass Sie, wenn Sie morgens in den Spiegel sehen, einen Visionär erblicken, einen Macher. Und dass Sie noch heute feuchte Träume haben von den Championsleague-Siegen, wissen Sie noch, 1999, als Sie Milan schlugen und Chelsea.

Dort, in der Ferne, können Sie aber nicht den Klaus sehen, den Alfred und die Erna, die in der Donauecke ihr Schultheiß trinken, wenn die Hertha in Bremen spielt oder in Bielefeld. Eigentlich wären der Klaus, der Alfred und die Erna auch ganz gerne im Stadion, Hertha gucken, nur: Zugfahrten und Tickets sind teuer. Eine Dauerkarte haben sie natürlich trotzdem, nur auswärts lässt sich mit Hartz 4 halt nicht machen. Deswegen sitzen sie hier in den Eckkneipen, jeden zweiten Samstag, und trinken Schultheiß für 1,40, und wenn Hertha gewinnt, gibts nen Feigling umsonst. Zur Feier. Und wenn Hertha verliert, dann auch. Zum Trost.

Wissen Sie, ich habe keine Ahnung, ob es eine gute Idee ist oder eine schlechte, Götz entlassen zu haben. Götz muss für meine Begriffe ein guter Trainer sein: Mit einer solchen Intellektuellenmatte hat man’s schwer bei den Neuköllner Eckkneipenbesuchern. Aber Götz hatte ihren Respekt, sie mochten ihn sogar auf eine gewisse Weise. Nicht alle, gut. Aber muss ja auch nicht.

Sie hingegen, Herr Hoeneß, Dieter, Sie sehen recht bodenständig aus. Während Götz junge Spieler ausgebildet hat, haben Sie, Herr Hoeneß, eine Werbekampagne gestartet, die mir ständig aufs Aufdringlichste entgegenradebrechte: Play Berlin. Sie wollten keinen Eckkneipenclub, Sie wollten einen Weltstadtclub. Sie sind gescheitert. Zurecht.

Wissen Sie, Herr Hoeneß, die Hertha wär mir durchaus sympathisch, wenn man ihre Weltläufigkeit nicht ständig übers Knie bräche. Hertha ist keine große alte Dame, Hertha ist nicht königlich. Hertha ist die Tante von nebenan, die ein bißchen stinkt, die immer alte Kekse im Schrank stehen hat, und Spitzendeckchen auf dem Tischchen.

Herr Hoeneß, man hört, Sie wären nicht schuldlos gewesen an dem Autoritätsverlust des Trainers. Sie hätten häufiger Spieler gegen den Trainer starkgemacht. Simunic soll sich diesbezüglich geäußert haben. Herr Hoeneß, das ist mir egal. Vielleicht haben Sie zu sehr geträumt, als die Hertha auf Platz eins stand, am 6. Spieltag. Sie wissen aber auch, dass die Hertha da nicht hingehört. Die Hertha gehört ins Wohnzimmer, irgendwo zwischen UI-Cup und Uefa-Cup. Nicht mehr. Aber auch nicht weniger.

Herr Hoeneß, ich hätte noch viel zu sagen. Ich will es bei einem Rat belassen: Wenn Sie, morgen früh, wieder einen Visionär im Spiegel erblicken, dann nehmen Sie doch bitte das Hans Meyer-Bildchen, das er Ihnen zum Abschied geschenkt hat, von der gegenüberliegenden Wand und legen es hübsch verpackt ins Nachtkästchen.

Gute Nacht.

Keine Kommentare

  1. 01

    Du sprichst mir aus der Seele.

  2. 02
  3. 03

    Wow!
    Wenn er das jetzt lesen würde…

  4. 04
    hans

    ja ja der Dieter. immer wieder erinnert man sich gern daran, wie er alves die hälfte seines gehaltes weiterzahlen musste, obwohl er ausgeliehen war… oder wie er marcelinho von porte alegre kaufte und in der gleichen saison ronaldhino für weniger ablöse nach paris ging. aber lieber dieter bestimmt warst du auch an ihm dran, sowie du in den letzten jahren ja immer an jedem großen (bundesliga-)spieler dran warst, ne??

  5. 05
    hans

    am besten find ich allerdings, dass der dieter sich nur selber entlassen kann. ach wir werden uns noch so lange an dir erfreuen dürfen…

  6. 06

    Uli H. finde ich dennoch lustiger. :D

    Grüße,

    René
    ProBloggerWorld

  7. 07

    Mir gefällt die Verortung der Hertha so gut! Das passt, die leicht stinkende Tante aus Berlin Neukölln…

    Wie schön.