Es muss wohl im späten 1990 oder im frühen 1991 gewesen sein. Ich stand im Metropol in Aachen, die letzten Takte von 1999, Sweet Dreams oder Losing my Religion versickerten und jetzt würde Ice Ice Baby oder etwas von Snap laufen.
Stattdessen fingen die Boxen an zu dröhnen, zwirbelnde Sequenzer setzten ein, eine elektronische Stimme brummelte Beschwörungsformeln. Ich fing nicht gleich an zu tanzen und auch meine Klamotten riss ich mir nicht vom Leib aber mir war, als sei ich nackt und bloß durch den verschneiten Wald geirrt und plötzlich regneten Sterntaler vom Himmel. Tekkno. Tekkno. Tekkno.
Bevor ich jetzt von Leuchtstäben erzähle, von Guarana, von meinem nackten Oberkörper im Strobogewitter, vom Omen, von niemals endenden Nächten, vom wohltuenden Hass der Grunge-Fraktion auf mich und meine Mittänzer, von Busfahrten im NASA-Anzug, bei denen der Satz von Walter Moers, dass nichts so viel Mitleid errege wie der Anblick eines einzelnen Teilnehmers einer Jugendbewegung, fernab von den anderen bewegten Jugendlichen, die seinen Modegeschmack teilen, sich in aller Deutlichkeit als richtig rausstellte, verweise ich einfach auf die Seite tekknozoid.de. Ein Schrein.
Mein Lieblingssatz dort:
Der Sven (gemeint ist Sven Väth) war sogar noch im März`91 mit Dr. Alban auf Tour.
Kill your Idols – auch noch aus dem Grab heraus.
Aus dem Grab? Ja, leider. Kaum irgendetwas wirkt heute staubiger und verranzter als die einst modernste Jugendbewegung aller Zeiten. Selbst der damals schon tote Punk hüpft vergleichsweise lebendig durch die Straßen. Der totale Modernisierer arbeitet an seiner eigenen Beseitigung.
Aber was haben wir getanzt.
Solltest Du tatsächlich …? Du meinst doch nicht etwa … oder doch?
Sven „Gude Laune“ Väth?
Je mehr ich von Synthesizern und Sequenzern und Musik an sich verstehe, desto mehr verstehe ich wie billig und schlecht die Musik war, deren Singles und Alben ich später bei Ebay nicht mehr losbekommen sollte. Ich habe sie in eine Kiste gepackt, mich schämend ob der Jugendsünden. Und im lauf der Jahre festgestellt, daß Leute wie Klaus Schulze und Tangerine Dream schon Jahre vorher mit viel mehr Verstand viel mehr Musik mit Synthesizern gemacht hatten.
Man muss aber auch zu der Scheiße stehen, die man sich reingetan hat :D
ach, was haben wir gefeiert. gut das es vorbei ist. schön das wir dabei waren. und: man konnte auch grunger sein und trotzdem auf raves feiern.
die love parade jetzt in essen. smells like abstellgleis.
vergleichsweise lebendig… hehe!
schön jesacht!
@2 – ich weiss ja nicht, was du dir da so für kirmestechno zugelegt hast, aber es gab da durchaus musik mit bestand. das gros meiner vinylsammlung aus dieser zeit kann ich heute noch auflegen, ohne das einer „aaaaalt“ schreit und auf ebay bekäme ich da auch noch einiges für.
@malte – aber recht haste. die sache ist meterdick verstaubt und feiert den eigenen untergang. peinlich.
aber, was haben wir gefeiert. :D
„Der totale Modernisierer“? Das ist nicht dein Ernst?
Väth konnte weder auflegen noch gut produzieren. Aber er war ne Partysau und hatte ein Händchenn für Plattenauswahl. Und die Sachen aus Detroit oder Chicago waren durchaus vielschichtig, mit dem Plastik-Trance auf EyeQ oder so nicht zu vergleichen…
@Bob
Man muss aber auch zu der Scheiße stehen, die man sich reingetan hat :D
Ja, aber ein bisschen schämen kann man sich schon auch ;-)
ich empfehle da auch sehr die 1x/jahr (immer am wochenende zwischen weihnachten und silvester) stattfindenden technohouse-parties im festsaal kreuzberg. unter anderem auch mit wolle xdp. und so.
damals (also n bisschen später) hab ich bodenlange röcke getragen, auf bob marley gestanden und es als hochverrat empfunden, dass mein bester freund sich plötzlich mit müllmann-westen bekleidet auf der mayday pillen schmiss. ich war schon immer etwas spät dran…
ist die clubszene in städten wie berlin und köln denn wirklich unter so einer hohen staubschicht vergraben? fusion, melt! und co? oder geht es hier ausschließlich um den rave und die loveparade? die elektronische musik hat viele seiten und viele sind heute noch lebendig genug. vielleicht ist die musik auch erwachsener und unaufgeregter geworden, aber das ist doch immer auch etwas sympathischer, in zeiten der alternativkultur.
und wo hüpft der punk durch die straßen? an mir vorbei sicher nicht.
dito! die bisherigen kommentare zeugen wohl in erster linie von der unkenntnis der momentanen situation. elektronische tanzmusik ist vielseitig wie selten zuvor: verspielt, experimentierfreudig, facettenreich und bunt. live mitzuerleben woche für woche in den lokalen kulturverdachtsanstalten: diesen samstag zum beispiel bei carl craig und cassy im ostgut.
Recht so @ zwei vorposter
Elektronische Musik ist mindestens die Musik des 21. Jahrhunderts, die Innovation in der Musikgeschichte schlechthin. Daran wird auch das Müllmann-Lovaparade-Image nichts ändern.
Wo ist denn das Metropol in Aachen? Hab ich hier irgendeinen Club verpasst? Oder gibt’s den schon garnicht mehr?
@ Axel
Nee, haste nix verpaßt. Heißt heute glaub ich B9.
Motto: Wenn es nix besseres gibt dann eben Metropol (B9).
Also ich finde auch die ganze elektronische Musikszene mit Abstand die lebhafteste und am wenigsten verranzte. Hat schliesslich endlich das Ende der Pop-Musik und dieser ganzen Qualitäts-Konzerts-Schwachsinns-ich-bin-heute-wieder-müde-Fraktion eingeleitet. Nein, ich nehme keine Drogen. Auf Rockpartys oder wie das ebenfalls verallgemeinernde Pendant zu Raves lauten könnte, läuft halt heute immer noch „Sweet Dreams“ und „Losing My Religion“ wie ich das sehe. Ich finde wenn man zuhause bleiben will, muss man nicht alles andere versuchen einzustampfen.
Ich meine ausdrücklich genau diese Ausprägung elektronischer Musik. Das Problem heute ist ein anderes: man weiß nicht, was drinsteckt, wenn man in einen Club geht. Seit der vollkommenen Diversifizierung Mitte der Neunziger weiß kein Mensch mehr, was was ist. Oder kennt jemand Modem Pop? Stand kürzlich auf einem Flyer. Nicht einmal google konnte helfen.
malte #19 „Das Problem heute ist ein anderes: man weiß nicht, was drinsteckt, wenn man in einen Club geht.“
Wasislos? Das genaue Gegenteil ist doch der Fall. Viel zu oft geh ich weg und weiß leider _haargenau_ was ich den ganzen Abend musiktechnisch erwarten kann. Wo bleiben die Überraschungen? Die vermiss ich schmerzlich. Man weiß doch sehr wohl was da läuft.
Denn viele leben ja in diesen Unter- und Unterunternischen und haben es sich dort eingerichtet und bequem gemacht. Bäh. Die am Hypetropf hängende englische Musikpresse ist da denke ich auch nicht ganz unschuldig dran. (every year a new genre)
modem pop ist bestimmt 8bit-musik. So Marke Mario Bros.Theme mit Gesang nehm ich mal an. Ohne Gesang auch bekannt als Casiocore. (Ernsthaft..)
ich finde die beschreibung modem-pop auch durchaus selbsterklärend. und google sollte doch doch auch kein kriterium sein für überhaupt irgendwas. modem-popper sind mit sicherheit auch keine suchmaschinenoptimierer wie so viele andere (hier). *hust*
oder um es mal so zu sagen:
wir tanzen noch immer!
(an dieser stelle fühle ich mich mal ein bisschen jung)
Ich fand ja Dr. Alban gut.
neulich war mark archer von altern8 hier in
stuttgart =)
oldskool techno/hardcore geht immer ;)
http://www.youtube.com/watch?v=0CCSQJtW_U8
Eine „And One“ Show ist auch heute sehens- und hörenswert, denn „Steine sind Steine“! :-)
wobei and one halt heutzutage eher/leider kitsch-schlager machen.
Und ich dachte, ich könnte dich mögen, Malte. ;-)
Wird man hier als Metal-Fan eigentlich gesteinigt?
Ich freue mich schon auf das 90er-Revival auf allen Kanälen: Ein Traum in punkto Fremdschämpotential.
Danke Malte!
Deinem Aufsatz kan ich nichts hinzufügen, genauso wars.
Bei mir war´s erst das „UFO“ am Kleistpark, dann der „Planet“, über dessen Öffnugszeiten einen Monika Dietl auf Radio4U informierte. Geheim, nur für Eingeweihte.
Und natürlich die Tekknozid Partys von Wolle XDP.Akkustischer und optischer Overkill, Delirium, Extase….Wer sowas nie erlebt hat, wird es nicht verstehen und Head Banging und Pogo für das höchste der Gefühle halten.
Einmal noch möcht ich so eine Party erleben…KitKat?
„29, bitte die 10.“
@Peter H …und was ist mit dem BeeHive Wrangel/Eisenbahnstr. und davor hieß der Laden anders, habe den Namen gerade nicht parat. Wurde da nicht auch Techno gespielt, bevor sich die Musikform in unseren Breiten labeln ließ?
Und vor allem im Dschungel ca. ´83-´84, da spielte eine von mir in der Rückschau extrem seltsam empfundene funkige Elektro-Musik. Ich erinnere mich noch daran, dass die DJs Afro-Amerikaner waren. Wir sind auf jeden Fall gut drauf abgegangen und eine Affinität für elektronische Musik hatten wir von der Radio-Sendung „Schwingungen“ mit Winfried Trenkler.
Hat irgendwer eine Ahnung was das damals im Dschungel für DJs waren?
Malte, bist Du etwa unrockbar?
[[…Kaum irgendetwas wirkt heute staubiger und verranzter als die einst modernste Jugendbewegung aller Zeiten. ]] – Zitat Malte.
… solche Kommentare lesen sich für mich ähnlich wie der ewige Abgesang der Konservativen auf die Ideen einer gerechteren Gesellschaftsordnung. Bloß weil das Althergebrachte den Fortschritt scheinbar besiegt hat, sind die Ideen des Fortschritts jedoch noch lange nicht reaktionär.
Welche „žmoderne“ Jugendbewegung soll den die Rolle von Techno übernommen haben? Die der konsumgeilen und mediengläubigen McDonaldsfresser mit Ihren Retortenstars? Oder die Hörer der seit 30 Jahren ewig gleich klingenden amerikanischen RMB-Gülle? Oder etwa der an sexistischer Stumpfheit kaum zu unterbietende Hiphop? Oder irgendeiner dieser vielen „žNeo-„, „žNew-„, „žPost-“ oder wie auch immer Retrohypes? Das ist sicher letztlich eine Frage des persönlichen Geschmacks oder aber doch nur die Frage, womit die Musikindustrie am meisten Kohle verdienen kann?
Technomusik ist im großen Stil auf Dauer schlecht vermarktbar und spielt deshalb für die Musikindustrie samt ihrer willigen medialen Erfüllungsgehilfen (Viva, MTV usw.) heute keine Rolle mehr. Darüber ist in der Technoszene jedoch niemand wirklich traurig. Denn so muss man sich als Fan dieser Musik wenigstens nicht mehr für die Blümchens und Scooters schämen.
Dennoch läuft auch heute an den Orten wo sich Leute treffen, die für die Bildung ihres eigenen Musikgeschmacks keine Medienhypes brauchen, fast immer „verranzte“ (Techno)musik. Um davon etwas mitzubekommen, reicht jedoch das Studieren der Massenmedien heute eben nicht mehr. Dafür muss man seinen Arsch an diese Orte bewegen oder sich zumindest dafür interessieren. Doch vielleicht bist Du dafür einfach nur zu alt und zu träge geworden? Vielleicht ist nicht Techno im „žGrab“, sondern Du und viele Deiner „žverstaubten“ Altersgenossen?
Wenn ich Technoverteidigungsversuche höre wie „Oder die Hörer der seit 30 Jahren ewig gleich klingenden amerikanischen RMB-Gülle?“ muss ich immer an die die letzten Jahre im Techno (fast) alles dominierenden Jeff-Mills-Klone denken und dann fällt mir immer nur noch das Glashaus ein.
Und
„Oder etwa der an sexistischer Stumpfheit kaum zu unterbietende Hiphop?“ I beg to differ. Du willst doch nicht die komplette Musikrichtung in einen Topf werfen. Das glaub ich Dir nicht, wolle. Dafür machst Du schon zu lang Musik.
ich kann nciht für Malte sprechen aber: Techno war für mich immer weniger eine spezielle Form von Musik und immer viel mehr ein gewisses Gefühl des Neuen in derMusik, des Unbekannten. Etwas Frisches, bei dem man beim ersten Hören denkt ‚was zum …?‘. Per se zur ständigen Veränderung gezwungen wenn man so will.
Um auf dein RnB und HipHop-Gebashe zurückzukommen: Timbaland liefert seit Jahren imho interessantere Beats als ich es im Techno in der selben Zeit gehört habe. (Und ich bin besonders im experimentelleren Bereich auch jetzt noch auf dem laufenden (Vogel, Begg, Landstrumm, Forshaw, Boogizm, Jerome Hill usw. usf.))
meine verallgemeinerungen auf hiphop und rmb waren rhetorisch. sie sind genausowenig gültig, wie maltes verallgemeinerungen über techno.
um sich über die entwicklungen einer musik wirklich ein urteil bilden zu können, reichen eben keine durch die medien wahrnehmbaren oberflächlichkeiten.
dass ich vielen entwicklungen im techno kritisch gegenüberstehe ist kein geheimnis. aber solche undifferenzierten „abgesänge“ polarisieren mich noch immer.
@ wolle
mag schon sein, dass ich staubig bin in den ohren. was ich aber meinte: die äußere anmutung, das grüne led-leuchten, die verzerrten stimmen, die videos mit der bildschirmschoner-attitüde – das alles wirkt heute älter als ein video von nirvana aus der zeit.
aber die großartigsten flashs habe ich immer noch bei elektrischem, das hat sich nicht geändert.
und trotz der schmähung läuft mir ein schauer über den rücken, dich hier zu haben.
@ malte
danke für die blumen! da die seite wie ein relikt aus dieser zeit wirken sollte, habe ich sie genaus so gestaltet. sie scheint in dieser frage also durchaus gelungen. jedoch muss ich mich selbstkritisch fragen, warum dich diese zeitreise jetzt negativ berührt hat?
hast du dich darüber erschrocken, dass dir die modernität von einst heute so gestrig vorkommt? so verstaubt die optik und der content heute rüber kommt, so sah damals die zukunft aus.
das design hat sich weiterentwickelt. das tekkno-konzept war jedoch so radikal, dass es sich im grunde nicht mehr weiterentwickeln konnte. die möglichkeiten waren bereits damals ausgereizt. alle späteren veränderungen haben meiner meinung nach in der summe keinen wirklichen fortschritt mehr gebracht. eher das gegenteil. aus diesem grund ist das gestern für immer ein stück zukunft. jeder der es miterlebt hat, kann sich darüber freuen.
es ist die vergangenheit und es war die zukunft. deshalb können die anderen diese zukunft heute nur noch in den resten aus dieser vergangenheit finden. in einer solchen suche sehe ich jedoch nichts reaktionäres und diese seite sollte eigentlich lust darauf machen.
nach deinen worten frage mich jedoch ernsthaft, ob mir das wirklich gelungen ist?
da sich hier nen menge „verstaubter raver“ zu wort gemeldet haben, muss ich das topic noch einmal herauskramen, um auf unseren jährlichen oldskool-tekkno-rave hinzuweisen. das ist auch sone art „klassentreffen“, doch nicht nur das alte, sondern auch das jüngere partyvolk geht dort ab, wie in in alten zeiten.
die „back to basics XII- technohouseclassics 89-92“ ist am 29.12.2007 in der kranhalle_17 in der pettenkoferstraße 17 in friedrichshain.
mehr info auf http://www.technohouse.org
nen alter originalmix von rolandbpm aus dem jahre 1990 findet sich unter
http://www.technohouse.org/mix
listen and rave on!
ich wollte unsere fans hier auf spreeblick darauf hinweisen, dass es auch in diesem jahr wieder eine „back to basics – technohouseclassics 89-92“ gibt. sie ist am 31.12.2010 im horst krzbrg
siehe auch http://www.technohouse.org/
wir sehen uns dann wie immer auf der tanzfläche :)