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Amtlich

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Foto: Dr. Hemmert

Ich musste die Frage klären, ob und wieviel Mehrwertsteuer ich auf meine Rechnungen schreiben darf. Eine Frage, der schon Kinder bei ihren Sandkastenspielen nachgehen. „Ich bin Kleinunternehmer!“ – „Ich bin Journalist!“ – „Das ist unfäääär! Dann musst du gar keine Mehrwertsteuer zahlen!“ – „Haa!Haaa!“ An dieser Stelle schalten sich dann meist die Mütter ein und erklären dem weinenden Kleinunternehmer, dass er erst Mehrwertsteuer zahlen müsse, wenn er siebzehntausend Sandburgen gebaut habe, dafür aber die Mehrwertsteuer für die Schaufeln ersetzt bekomme von einer höheren Autorität. Jetzt bekommt der kleine Journalist feuchte Augen: „Aber wer ist diese höhere Autorität?“

Hier senken sich die Stimmen der Mütter und werden zu einem kaum hörbaren Raunen: „Das Finanzamt.“

Ich hatte also zu tun, was ein Mann tun muss. Ich musste das Finanzamt aufsuchen.

Wie bei jedem Menschen verursachen Amtsbesuche bei mir Bindehautentzündung, Hörsturz, Schwitzehändchen und ein Ziehen im Nacken. Und das schon am Abend zuvor. Söhne und Töchter von Henkersknechten schicken einen durch einen schlecht gelüfteten Alptraum von Franz Kafka. Man wird von Zeit zu Zeit mit Zetteln versorgt, die man an anderer Stelle zu hinterlegen hat. Dabei darf niemals das Geheimnis verraten werden, wo sich diese andere Stelle befindet. Wenn man dann irgendwann zwischen Hae-Hue und Je-Ji verdurstet ist, bekommt man einen Stempel auf die ausgebleichten Knochen gedrückt und der Hausmeister trägt deine sterblichen Überreste zu den anderen Karteileichen in das Archiv.

Das Finanzamt in Kreuzberg ist anders. Sonnendurchflutete Flure führen einen zu Zimmerpalmenoasen, in denen lachende Menschen in freudiger Erregung ihrer Begegnung mit den Menschen vom Bürgerservice harren. Nach einer Wartezeit von wenigen Sekunden wird man von einer rosigen Dame strahlend begrüßt.

„Ich muss wissen, ob ich auf meinen Rechnungen einen Mehrwertsteuersatz angeben muss.“
Die rosige Dame bricht in schallendes Gelächter aus. Ich lache mit, erst noch verunsichert, dann auch aus voller Kehle. Es ist aber auch ein lauschiges Plätzchen hier. Bilder von mit Aletebrei aufgezogenen Katzen hängen an den Wänden und öffnen das Herz eines jeden, der eins hat, Kaffeeduft wärmt die Nase und sogar Zettelchen, die man bekritzeln kann, sind von gewieften Interieurdesignern appliziert worden.

Die rosige Dame greift nun zum Telefonhörer, um den Witz einer Kollegin, ach was: Freundin weiter zu erzählen. Da ist ein Frohlocken und Sich-den-Bauch-halten, dass selbst der Himmel neidisch wird. Mit Tränen in den Augen wendet sich die rosige Dame nach zehn Minuten, die sich in dieser Atmosphäre anfühlen wie allerhöchstens neun, wieder mir zu, sichtbar hoffend, dass ich noch so einen Knüller auf Lager hätte.

Ha, einen habe ich noch: „In welchem Gesetz könnte ich das denn gegebenenfalls nachschauen?“ Der war gut. Sogleich greift die Rose vom Amt wieder zum Hörer, hält sich diesmal gar nicht mit langen Vorreden auf und trompetet hinein: „In welchem Gesetz? Muhahhha. Gesetz!“ Sie röchelt nun, ihr Gesicht ist von rosig zu purpur gewechselt, die Tränen fließen in Sturzbächen hinunter. Auch ich kann mich längst nicht mehr halten, rolle auf dem Boden hin und her, versuche die Katzen zu fixieren, um nicht völlig haltlos zu werden.

Die rosige Dame beruhigt sich langsam und wird nun in ein Gespräch über die Abendplanung, den Sommerurlaub und das übernächste Osterfest verstrickt, so dass ich in aller Ruhe die Babyfotos aller anderen Angestellten studieren, meinen Abschluss in Gehirnchirurgie an der Fernuni Hagen absolvieren kann und Olympiasieger im Bodybuilding und Einhandsegeln werde, was in dieser Kombination noch niemandem zuvor gelungen ist.

Reuig schaut die rosige Dame auf die Uhr, nachdem sie den Hörer niedergelegt hat. „Leider müssen wir jetzt schließen. Aber schauen Sie doch morgen früh mal wieder hinein. Vielleicht“ – an dieser Stelle gerät sie wieder ins Prusten – „finden wir ja dann eine Lösung.“

Beseelt machte ich mich auf den Heimweg. Das hier war das Paradies der Werktätigen, der Hort der sozialen Ruhe, der Triumph von Marx, Engels und Karl Moik. Hier war alles gut und alles Freude. Hier würde ich die nächsten Wochen verbringen. Und auf meine Rechnungen? Ach, da würde ich einfach gemalte Witze draufkritzeln. Zettel gab es dort ja genug.

28 Kommentare

  1. 01

    Der ist aber auch wirklich gut, habe volles Verständnis für die purpurne Dame.

  2. 02
  3. 03
    sunny

    dr. hemmert hat einen interessanten humor. auf einem photo sieht man ein kleines mädchen, wie es beinah im schlamm versinkt und dazu schreibt er, dass man sich jetzt vorstellen könnte, dass das mädchen seit stunden gefangen in der pampe hängt, während seine eltern besoffen über ein festival – gelände torkeln. aber die lösung ist eine andere…

  4. 04
    Maltefan

    Sehr hypsch :-). Bin ich eigentlich die einzige, die bei „Rose vom Amt“ an Wolfgang Ambros denken muss?
    http://www.mp3lyrics.org/w/wolfgang-ambros/die-blume-aus-dem-gemeindebau/

    Übrigens fällt mir gerade ein, dass ich meinen Steuerberater anrufen muss …

  5. 05
  6. 06

    Auch für nicht Umsatzsteuerpflichtige kann es durchaus sinnvoll sein, freiwillig MwSt auszuweisen (dann aber überall, nicht von Fall zu Fall!). Es geht also nicht nur darum, ob du musst, sondern, falls du nicht musst, ob es dir trotzdem was bringt. Mir bringts was :-).

    Am besten wäre, du würdest dich an einen Steuerberater deines Vertrauens wenden. Macht bei Gewerbe oder Freiberufler-Tätigkeit sowieso vieles viel einfacher. Und wenn du unter bestimmten Umsatzgrenzen liegst, verrät er dir sogar, wie du vermeiden kannst, allzu oft Umsatzsteuervoranmeldungen abgeben zu müssen.

  7. 07

    @5: *gröhl*

    So, Feierabend!

  8. 08

    „Hae-Hue und Je-Ji“ Cool, dachte ich, bis nach China… ach so, jetzt hab ich’s :-) Und Karteileichen! Sehr gut.

  9. 09
    Hans

    OT:
    http://taz.de

    Ist das ein schlechter scherz?
    Oder steht da nur bei mir das die domain verkauft wurde?

  10. 10

    Steuerberater sind dazu da, das zu verdienen, was sie einem einsparen. Interessante Übung: Beim Finanzamt anrufen und fragen, wie man als deutscher Freiberufler für eine englische Firma arbeiten kann und was man dabei beachten muss.
    Übrigens finde ich, dass Malte die richtige Strategie beschreibt. Schließlich will der Kunde eeerm Bürger nicht Steuern zahlen sondern der Staat will sie haben, also soll das Finanzamt gefälligst auch erklären, wie und in welchem Fall das funktionieren soll. Bei der hier beschriebenen Geschichte müsste ich aber sagen: Setzen, 6!

  11. 11

    ein paar Häuser weiter, Bürgeramt Kreuzberg, gibt es auch schöne Zimmerpflanzen, viele Katzenfotos, Postkarten. Muß an der Gegend liegen.

  12. 12
    sunny

    hans, steht bei mir auch.

  13. 13
    bongokarl

    bei mir nich.

  14. 14
  15. 15

    Bei mir nich. So. Und bevor das jetzt ewig weitergeht könnte spreeblick ja investigativ tätig werden. Ich hab Feierabend :)

  16. 16
  17. 17
    sunny

    laaaaaaangweilig.

  18. 18

    jetzt versteh ich auch, warum mein alter chef immer mit einem leicht grenzdebilen seligen lächeln vom finanzamt wiederkam…

  19. 19
    boo

    Leider trifft die Beschreibung auch auf die Dame im „Info Center“ im Finanzamt Mitte zu. Mir wurde grundsätzlich die Antwort auf meine Fragen verwehrt, weil ich das Formular noch nicht vollständig ausgefüllt hatte (ich hatte Fragen bezüglich des Ausfüllens des Formulars). Wenn man nicht drauf angewiesen wäre, könnte man sich da sicher prächtig amüsieren.

  20. 20

    Ich schreibe seit vielen Jahren an meiner Dramentrilogie „Kreiswehrersatzamt“ / „Finanzamt“ / „Arbeitsamt“. Mit einer Fertigstellung ist so bald nicht zu rechnen, da der Schreibprozess immer wieder an schweren Traumata rührt.

    So wurde ich zum Beispiel bei meinem Besuch im Kreiswehrersatzamt (es war gerade Anfang Dezember) mit folgendem Satz konfrontiert: „Haben Sie schon einmal einen Tannenbaum geschmückt? Wir haben hier heute einen Baum bekommen und jetzt sind alle ganz selig und die Soldaten haben ihn geschmückt.“ Es wird also vermutlich ein Singspiel werden.

  21. 21

    Also ich hätte nicht mitgelacht. Ich hätte angeschaut als hätte sie ihren Verstand beim Fenster raus geworfen. Und wenn ich wieder zu Wort gekommen wäre, hätte ich sie gefragt, aus welchen Fenster. Eventuell hätte ich einen Beschwerdebrief verfasst, wegen der arroganten und überheblichen Art.

  22. 22
    sunny

    @lukas, wie wäre es mit einer quatrologie. ich würde auch den teil wohnungsamt übernehmen.

  23. 23

    eure finanzämter sind aber lustig…ich habe da noch so ne lustige behörde…die KSK ( Künstlersozialkasse )
    warum kommt mann eigentlich in solchen behörden immer an frauen, die gerade nicht am platz oder in der pause sind….ist das ein naturgesetzt.
    gruß horst

  24. 24

    @Horst: Die Damen sind „zu Tisch“. Womit allerdings nicht der Schreibtisch gemeint ist.

  25. 25

    also, das sind aber auch fragen, malte, die stellt man besser nich im FA, damit lullt man nachts um vier stratzevoll seinen elfbesten kumpel an, umsatzsteuer, is dat vorsteuer oder mehrwertsteuer oder wat soll dat, hömma?!

  26. 26
    Ninolino

    Ich hab den Artikel nur wegen der Katze angeklickt. höhöhö

  27. 27

    …is dis jetzt eigentlich der Katzencontent? ;-)