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Cyber War

justice
Foto © picadillywilson

Aus der Erkenntnis, dass die individuellen Auffassungen von Gerechtigkeit mitunter weiter auseinander liegen können als die Mundwinkel von Dieter Bohlen, entstanden Rechtssysteme. Sie dienen der Vereinfachung von Entscheidungen: „Es mag ja sein, dass Sie sich durch die Kleidung ihres Tischnachbarn wirklich, wirklich provoziert fühlten und wir mögen lila Jackets mit orangenen Blümchen auch nicht, aber das ist laut §0815 kein Grund, ihn zu erschießen. Ab in den Bau.“

Fatalerweise sind nun Rechtssysteme für diejenigen, die sie durchblicken, an einigen Stellen Auslegungssache. Sie erwecken zudem hin und wieder den Eindruck einer gewissen Flexibilität in ihrer Gültigkeit – speziell für jene, die sie beeinflussen oder gar ändern können.

Wie der Einzelne mit diesen Mankos umgeht, welche Schlüsse er daraus zieht, bleibt ihm selbst überlassen, und da sind wir wieder bei der Individualität. Man kann jedoch durchaus die generelle Vermutung äußern, dass die Bereitschaft, sich selbst an Rechtssysteme zu halten, mit dem Gefühl, dass man damit eine Ausnahme in der Gesellschaft darstellen würde, abnimmt.

Wer von steuerfreien Millionenzuschlägen offenbar unfähiger Manager und gleichzeitigem Stellenabbau liest, fühlt sich beim eigenen kleinen Steuerbetrug im Recht. Wenn der Nettobetrag auf der Gehaltsabrechnung mit der eigenen Körpergröße in Zentimetern übereinstimmt, fällt die Entscheidung zur Schwarzarbeit etwas leichter. Und wenn private Daten demnächst nur noch mit dem Passwort „Wolfgang“ geschützt werden können und die Wahrnehmung demokratischer Rechte bald unter dem Duden-Eintrag „Terror“ zu finden sein könnte …

… dann passiert es schonmal, dass Polizisten-Foren gehackt werden und deren Datenbank-Inhalte inklusive privater Personendaten zur freien Verfügung aller im Internet landen.

Verständlich ist das allemal. Und bleibt dennoch genauso ekelhaft wie die Inhalte des entsprechenden Forums.

Ich weiß nicht, wie viele Personen sich in diesem Forum beteiligten, ich weiß nicht einmal, ob die Leute tatsächlich Polizisten sind und ich bezweifle, dass die zitierten, geradezu faschistoiden Plaudereien, die dort offenbar stattfanden, repräsentativ für Polizisten im Allgemeinen sind.

Ich weiß aber, dass mich das öffentliche Denunzieren einzelner Personen, das Anlegen von Namenslisten und das erregte Bejubeln solcher „Funde“ an Methoden und Reaktionen erinnert, die jenseits meines Rechtsempfindens, und zwar da drüben, ganz weit rechts, stattfinden.

Das Zuspielen von Auszügen des Forums an die Presse, Anzeigen gegen die Mitglieder, auch die Veröffentlichung einzelner Passsagen, das alles hätte etwas bewegen können.

So jedoch ist die Aktion nichts anderes als Wasser auf die Mühlen unseres Innenministers.

[via]

26 Kommentare

  1. 01

    Ich habe mich vorgestern nicht getraut die ZIP runterzuladen, weil ich dachte, genau das wäre dann justiziabel und die gehörnte gehackte Berufsgruppe würde alles daran setzen, so etwas, gerade in diesem Fall, zu verfolgen. Vielleicht paranoid, aber auch ein schlimmer Zustand, dass man auf solche Gedanken kommt.

  2. 02

    herrje, und wenn man jetzt eine
    „klammheimliche freude nicht verhehlen könnte“ und dies öffentlich täte?
    geht das jetzt alles wieder los?

    http://www.google.de/search?q=%22klammheimliche+freude+nicht+verhehlen%22

  3. 03
    paraneu

    zur paranoia : „wir haben in den busch geschssen und sehen jetzt was sich bewegt“ – das ist übrigens klassische vorgehensweise der NSA im mil bereich – man fliegt scheinangriffe etc um zu sehen wo die radarstationen stehen und wie die komunikation des gegners abläuft – möglich dass es sich hier um eine eine solche aktion handelt und der wirkliche erkenntnissgewinn darin liegt, wo solche themen im anschluss welllen schlagen ( hier, zB )
    klingt paranoid und traut man deutschen behörden auch nicht zu aber sagt ja keiner dass die auswertung nicht anderswo vorgenommen wird
    wer sich mit der kryptobellizistik dervergangen jahrzehnte beschäftigt hat weiss dass der gedanke gar nicht so abwegig ist –
    man braucht kein zip von irgenwo runterzuladen – genwausowenig wie man n eine synagoge zu gehen muss um im kz zu landen

  4. 04
    Lupus

    Ja, genau DAS kommt dabei raus, wenn fehlgeleitete Kinder mit linker Gesinnung digital „Zuschlagen“ – wobei die Brutalität mit der dies geschieht durchaus mit der sonst nur in der rechten Ecke zu findenden politisch Verwirrten vergleichbar ist. Von daher ist es dasselbe PACK! Radikal bleibt radikal.

    Wie Johnny so schon schreibt – mit viel subtileren Maßnahmen, nämlich den selben, wie unsere Politik versucht an den Gesetzen zu drehen hätte man mit diesen Daten wirklich was bewegeb können. Wenn Wolfgang jetzt richtig sauer wird müssen wir bald Stasi XP oder Vista-Stasi Shirts tragen… oder heissen die dann Tiger-Stasi?

    Diese Aktion zeiht übrigens wie wichtig Gesetze sind denn der Mop scheint nur die Hexenjagd zu kennen frei nach dem Motto „Her mit dem [digitalen] Scheiterhaufen.“

  5. 05
    Patrick

    Aber eins muss man den Verfassern des „Bekennerschreibens“ ja nun lassen.
    Urkomisch die Leute. Ihren Brief allen Ernstes mit dem Pseudonym eines der berühmtesten Hacker zu schreiben. Und dann noch ausgerechnet einer der Hacker, dessen Geisteszustand zuletzt überaus angeschlagen war und dessen Tod bekannt und trotzdem ein ewig offenes Geheimnis sein wird.

  6. 06

    Nunja, also eigentlich war Hagbard ja der Protagonist in der grandiosen und hochgradig drogenverwirrten Illuminatus-Trilogie von Shea und Wilson, auch wenn sich ein ebenfalls hochgradig drogenverwirrter „Hacker“ irgendwann dann den Namen geborgt hat. Nichtsdestotrotz eine fabelhafte Aktion, die hoffentlich etwas mehr Oeffentlichkeit bekommt und so vielleicht auch den „Ueberwachung?-Mir-doch-wurst-Ich-hab-doch-nichts-zu-verbergen-Typen“ etwas die Augen oeffnet. Leider ist das Forum aber inzwischen down, haette mich doch wirklich brennend interessiert, was sich unter http://www.german-police.org so verbergen koennt. Schnurrbaertige Wuppertaler Kriminalbeamte, die von Don Johnsonesker Zerschlagung mafioeser Drogenkartelle tagtraeumen und sich am Ende nur ueber die letzte Strafzettelverteilungsaktion freuen koennen. Hm….

  7. 07
    Patrick

    „Nunja, also eigentlich war Hagbard ja der Protagonist in der grandiosen und hochgradig drogenverwirrten Illuminatus-Trilogie von Shea und Wilson, auch wenn sich ein ebenfalls hochgradig drogenverwirrter „Hacker“ irgendwann dann den Namen geborgt hat.“

    Das war mir schon bewusst. Aber in dem Zusammenhang ist der Aspekt, dass sich jener drogenverwirrte Hacker (wobei es nicht nur eine Verwirrung durch Drogen, sondern vorallem Wahnvorstellungen waren, die er vermutlich auch ohne die Drogen hatte) so nannte, einfach interessanter als der Protagonist aus der Illuminatus-Reihe.

  8. 08

    paco, das Forum ist leer, weil die Datenbank gelöscht und veröffentlicht wurde. Also quasi weil das passiert ist, was da oben im Artikel steht.

    Wenn es dich brennend interessiert, kannst du durch einen Klick oben Auszüge des Forums nachlesen.

  9. 09
    westernworld

    “ Sie erwecken zudem hin und wieder den Eindruck einer gewissen Flexibilität in ihrer Gültigkeit – speziell für jene, die sie beeinflussen oder gar ändern können.“

    da ist gar nix flexibel.

    wer das geld hat hat die macht, wer die macht hat hat das recht und wer das recht hat beugt es auch.

    abweichungen von diesem dem grundlegendsten aller axiome unseres staatswesens sind betriebsunfälle, oder zeigen optimierungspotentiale.

    wozu werden die herrschaften von der INSM den bezahlt.

  10. 10
    ber

    Es mag sicherlich intelligentere Möglichkeiten als Auge-um-Auge Vergeltungsaktionen geben. Aber die Situation einfach umzukehren find ich schon okay. Besonders wenn (wiedermal) deutlich wird, auf welcher Seite einige „Rechts-Schützer“ gedanklich stehen.

  11. 11
    Christoph

    Im Prinzip: joah. Leider unterstelle ich der Realität etwas anderes.

    Ein Teil der Presse würde sich vielleicht den Spaß gönnen und etwas abdrucken, vielleicht hätte sogar die Bild zwei Tage Vergnügen damit. Und dann wäre die Sache gegessen.

    Anklagen kannst du, wen immer du willst, aber die Prozesse werden dann irgendwann, ich vermute zeitnah zum über-über-nächsten Weihnachtsfest frühestens abgefeiert – ohne Verurteilung. Bis dahin gibt’s dann vielleicht ein Gesetz, dass die Erwähnung dieses Hacks unter Todesstrafe stellt.

    Wasser auf den Mühlen unseres Innenministers ist Angst. Die Angst der großen Masse vorm Terror, die Angst meiner Bekannten an Protestaktionen teilzunehmen, die Angst unseres Innenministers vor seiner Bevölkerung, in der der nächste Attentäter lauert. Und dann wohl auch die Angst vor den Urhebern mancher Beiträge des Forums, die sich über das Impressums des Blogs den Namen besorgen und bei der nächsten Verkehrskontrolle frech grinsen…

  12. 12
    alex

    Bitte mal gleiches Maß für alle anlegen. Gedanklich dürfen die Polizisten stehen wo sie wollen, genauso wie ihre Gegner auch.

  13. 13
    westernworld

    @alex , ich weiß ja nicht wie alt du bist, aber der begriff radikalenerlaß sagt dir etwas oder?

    if not google’s your friend.

  14. 14

    westernworld, ich vermute dass alex das etwas anders meinte (und das das in Ansaetzen auch Johnny’s Gedanke bei diesem Posting war):

    Naemlich dass die Polizisten (und auch andere Personen) die sich in diesem Forum trafen ihre politischen, gesellschaftlichen oder sonstigen Ansichten und Gedanken haben duerfen, egal was ihre Gegner davon halten. Also auch wenn sie „rechts“ sind.

    Genauso wie es die Gegner fuer sich selber fordern, dass sie ihre Ansichten, Meinungen und Gedanken ungestoert haben duerfen.

    Es geht darum dass man nicht selber etwas fuer sich fordern sollte was man anderen abspricht. Freiheit ist immer die Freiheit des Andersdenkenden und so…

  15. 15
    westernworld

    das war mir klar, eben diesem gedanken widerspricht ja der radikalenerlaß, ein gesetz des staates den diese polizei vertritt.

    radikale polizisten belangen radikale bürger wegen radikal sein .
    den staat ganz naiv an seinen vermeintlich eigenen maßstäben messen.

    kategorischer imperativ und so…);-)

    ps: kopftuchstreit wäre da ja auch relevantes terrain.

  16. 16

    Merke: Schlage die Polizei und sie wird Stärker und Grausamer sein als zuvor.

    Wem nutzt eine solche Polizei?

    Im „Sächsischen!“ Ist „link sein“ das Umgangssprachliche Wort für Verrat!

    Nutzt eine grausame Polizei Minderheiten oder Mehrheiten?

  17. 17

    Johnny, recht haste. Hatte doch glatt nur den Teil mit der Veroeffentlichung gelesen und die Loeschung verpasst. Unaufmerksames ich. Asche auf meinen Bauch den dicken…

  18. 18

    Ja, aber der Innenmenister muss sich jetzt erst mal mit seiner eigenen Online-Security beschäftigen, das ist eine herrliche Aufgabe für sein Web 1.0.8-Verständnis und hält ihn vielleicht erst mal von anderem Schwachsinn fern „¦

    „¦ man wird ja mal hoffen dürfen „¦

  19. 19
    Analyser

    Es gibt in der Summe Milliardenzuschläge für unfähige Arbeitnehmer. Darüber sollte man sich genau so aufregen, wenn man glaubwürdig bleiben will. Nur weil einzelne Menschen mit einer besonderen Verantwortung und Entscheidungstragweite besonders im Rampenlicht stehen, und davon auch nur ein kleiner Teil, heißt das nicht, dass deren Bezahlung gerechter oder ungerechter als die ein weniger auffälligen Gruppe ist. Und der Durchschnittslohn in Deutschland beträgt nicht die durchschnittliche Körpergröße in % – sondern ca. das 15fache – 2507 Euro.
    Rechnen wir jetzt mal 30 Millionen Vollzeitarbeitnehmer, dann kommen wir auf ca. 75 Milliarden Euro MONATLICH (75 000 000 000) bzw. 900 Milliarden Euro JÄHRLICH (900 000 000 000) an ausgezahlten Gehältern, da braucht nur 10% davon zuviel zu verdienen oder ineffektiv zu arbeiten, so dass wir ganz schnell auf 2stellige Milliardenbeträge kommen, die durch Arbeitnehmer jährlich durch Überbezahlung vernichtet werden (und dann sind noch nicht mal mögliche Folgeschäden der fehlerhaften Arbeit enthalten). Darüber lohne es sich auch nachzudenken, werte Manager-Basher.

  20. 20
    Patrick

    „Es gibt in der Summe Milliardenzuschläge für unfähige Arbeitnehmer. Darüber sollte man sich genau so aufregen, wenn man glaubwürdig bleiben will.“

    Ich glaub nicht, dass irgendwer der genannten Personengruppen den Anspruch erhebt glaubwürdig zu bleiben. Was Johnny da beschrieb ist das Rechtsempfinden verschiedener Gruppen in unserer Bevölkerung, dass natürlich aus der eigenen Sicht gesehen und somit rein subjektiv ausfällt. Das was diese Leute denken wird vereinzelt sehr zutreffend sein und kann im Zweifelsfall schlecht über Durchschnittsgehälter wieder wett gemacht werden.

    „Und der Durchschnittslohn in Deutschland beträgt nicht die durchschnittliche Körpergröße in % – sondern ca. das 15fache – 2507 Euro.“

    Und wen interessiert das? Wenn ich auf meinem Lohnstreifen statt 2507 Euro, eben 184 EUR stehen habe, dann hilft es mir relativ wenig, dass es ein paar Leute in Deutschland gibt, die mehr als 5000 EUR monatlich verdienen und somit den Durchschnitt gewaltig anheben. Durchschnittswerte sind ohnehin relativ unaussagekräftig. Ganz im Gegensatz zu Manager Gehältern von 1,5 Mio Euro im Jahr. Wenn dann noch Sonderzuwendungen in Milliardenhöhe am Fiskus vorbei hinzu kommen, dann kann man sich als „normaler“ Bürger darüber schon einmal aufregen. Denn – das hat rein garnix mit der Fähigkeit des Einzelnen zu tun – wenn man gerade genug verdient um ohne Hartz IV über die Runden zu kommen, dann tut es schon weh, wie solche Sesselpupser gut das 50fache von dem verdienen, was man selbst verdient. Oder wenn man bedenkt, dass vom eigenen Gehalt beinahe ein Drittel (!) in den Steuertopf fließt.

    „Rechnen wir jetzt mal …“

    Die Rechnung kann ich nicht ernstnehmen, weil sie schon auf falschen Annahmen beruht. Man kann problemlos von realen Gehältern auf Durchschnittsgehälter schließen, aber der Umkehrschluss, dass man aus Durchschnittsgehältern wieder auf reale Gehaltssummen kommen kann, ist der größte Unfug den ich zu diesem Thema bisher gelesen habe.

    „Darüber lohne es sich auch nachzudenken, werte Manager-Basher.“

    Ja, wenn man Volkswirtschafter oder Analyst ist und sich somit vielleicht für Zahlen interessiert, die eher theoretischer als praktischer Natur sind. Als jemand der zu wenig verdient, aber trotzdem mehr als 40 Stunden die Woche arbeitet, interessieren mich aber die Fakten, soweit ich sie beurteilen kann. Und es interessiert mich, WER sich das Gehirn zermatert über konkrete Lösungen, WER Überstunden schiebt um das Jahresumsatz-Plus zu erreichen, dass der tolle Manager mit seinem Millionen-Jahresgehalt gerne hätte. Während dieser SEINEN Job mit der Kündigung von Tausend Mitarbeitern erledigt, hier und da ein paar millionenschwere Entscheidungen trifft, dafür aber während er Manager ist gut lebt (besser als ganze Fußballfelder voll seiner Angestellten) und wenn er es mal nicht ist, auch keine Existenzängste haben muss. Letzteres sind Probleme, mit denen seine Angestellten sich oft auch rumplagen müssen.

  21. 21
    Analyser

    „Und wen interessiert das? Wenn ich auf meinem Lohnstreifen statt 2507 Euro, eben 184 EUR stehen habe, dann hilft es mir relativ wenig, dass es ein paar Leute in Deutschland gibt, die mehr als 5000 EUR monatlich verdienen und somit den Durchschnitt gewaltig anheben.“

    Und wen interessiert das, könnte ich jetzt zurückfragen? Wer als Deutscher 184 Euro verdient, sollte sich vielleicht mal fragen, ob er nicht die falschen Prioritäten gesetzt hat, „Party, Frauen und Saufen“ statt „Schule, Lernen und Büffeln“, „schwänzen, faulenzen, und krankfeiern“ statt „früh aufstehen, arbeiten und anstrengen“

    „Oder wenn man bedenkt, dass vom eigenen Gehalt beinahe ein Drittel (!) in den Steuertopf fließt.“

    Was allerdings nicht passiert, wenn man ~600 Euro oder weniger im Monat verdient, denn bis zu dieser Grenze ist Ihr persönliches Einkommen vollkommen steuerfrei.

    „Die Rechnung kann ich nicht ernstnehmen, weil sie schon auf falschen Annahmen beruht. Man kann problemlos von realen Gehältern auf Durchschnittsgehälter schließen, aber der Umkehrschluss, dass man aus Durchschnittsgehältern wieder auf reale Gehaltssummen kommen kann, ist der größte Unfug den ich zu diesem Thema bisher gelesen habe.“

    Ihre Logik kann ich nicht ernstnehmen. Der Durchschnittslohn wird aus der Gesamtsumme der Löhne durch Anzahl der Lohnempfänger ermittelt. Ein einfacher Bruch mit einem Ergebnis, bei dem man jederzeit auch wieder den Zähler errechnen kann.

    Ja, ich weiß, es ist erschreckend – die Summe aller Löhne ist erheblich eine schwindelerregend hohe Zahl, die zugleich zeigt, welches Potenzial an Verschwendung für eine Volkswirtschaft darin steckt.

    „Und es interessiert mich, WER sich das Gehirn zermatert über konkrete Lösungen, WER Überstunden schiebt um das Jahresumsatz-Plus zu erreichen, dass der tolle Manager mit seinem Millionen-Jahresgehalt gerne hätte. Während dieser SEINEN Job mit der Kündigung von Tausend Mitarbeitern erledigt, hier und da ein paar millionenschwere Entscheidungen trifft, dafür aber während er Manager ist gut lebt (besser als ganze Fußballfelder voll seiner Angestellten) und wenn er es mal nicht ist, auch keine Existenzängste haben muss.“

    Ihre Vorstellungen triefen vor Klischees und strotzen vor Stereotypen.- Als ob Manager nur Mitarbeiter entlassen würden, zuallererst stellen sie welche ein. Natürlich weiß ich, dass man durch das täglich Lesen von BILD oder SpOn-Schlagzeilen den Eindruck erhalten könnte, in Deutschland würden Arbeitsplätze nur noch abgebaut, statt aufgebaut. Dann aber ist man mindestens ein sekundärer Medienanalphabet. Ein wichtiges Merkmal von Unternehmensverläufen, auch an der Börse ist, dass im Allgemeinen der wirtschaftliche Aufstieg oft sukzessive, Korrekturen und Umbrüche stets rapide verlaufen. Daher lassen sich Schlagzeilen wie „Siemens stellt 10000 Mitarbeiter ein“ nie produzieren, auch wenn große Unternehmen über die Jahre eine solche oder größere Zahl von Arbeitsplätzen geschaffen haben.

    Überhaupt haben Unternehmen in Deutschland (ich weiß, Manager und Unternehmer sind zwei paar Schuhe, aber ein Gesamtbild tut mal not) ca. 30 Millionen (30 000 000) Vollzeitarbeitspläze in Deutschland bisher geschaffen und alleine in den letzten Jahren sind über 500 000 hinzugekommen.

    Da sollte sich jeder selbstkritisch fragen: Wieviele Arbeitsplätze habe ich eigentlich in meinem Leben bisher geschaffen, und so der Allgemeinheit einen Dienst getan?

  22. 22
    Patrick

    „Und wen interessiert das, könnte ich jetzt zurückfragen?“

    Die, die es betrifft.

    „Wer als Deutscher 184 Euro verdient, sollte sich vielleicht mal fragen, ob er nicht die falschen Prioritäten gesetzt hat […]“

    Eins muss ich klarstellen, damit es in der Hitze des Gefechts nicht unter geht:
    Wenn ich 184 EUR als Extrembeispiel anführe, dann meine ich damit auch Leute, die gerade genug verdienen um nicht von Hartz IV leben zu müssen.

    Wenn ich dir bei denen die WIRKLICH 184 Euro verdienen, zwar in den allermeisten Fällen Recht geben würde, halte ich deine Aussage im Großen und Ganzen trotzdem für eine anmaßende und unsinnige Pauschalisierung. Nicht jeder, der heute Jobs mit viel zu geringer Bezahlung annehmen MUSS (weil der Arbeitsmarkt den Firmen entsprechendenen Freiraum bei der Auswahlt einräumt), muss dies weil er sich in der Schule mit Saufen beschäftigt hast. Das hast jetzt Du aus der Bild-Zeitung.

    „Was allerdings nicht passiert, wenn man ~600 Euro oder weniger im Monat verdient, denn bis zu dieser Grenze ist Ihr persönliches Einkommen vollkommen steuerfrei.“

    Stimmt. Ich persönlich zähle aber zu der Personengruppe, die genug verdienen um auf Hartz IV verzichten können, aber lange nicht genug um gut leben zu können. Und ich für meinen Teil kann sagen, dass beinahe 1/3 meines Gehalts an den Fiskus geht. Beinahe deshalb, weil natürlich auch Sozialleistungen von meinem Gehalt abgehen, die ja letztlich mir selbst zu Gute kommen.

    „Ihre Logik kann ich nicht ernstnehmen. […]“
    Ich brauch keine Belehrung in Sachen Mathematik. Denn Mathematik löst kein Problem, wenn die zu Grunde gelegten Variablen falsch sind, egal wie richtig der Rechenweg sein mag. In der Schule waren die Aufgaben immer trotzdem falsch, wenn man zwar den Rechenweg kannte, aber die falschen Zahlen eingesetzt hat. Dieses Problem trifft auch hier zu.

    „Ihre Vorstellungen triefen vor Klischees und strotzen vor Stereotypen.“

    In gewissem Umfang, das räume ich ein, ja. Aber die Berechtigung meiner Ansicht nur dadurch abzusprechen, halte ich für vermessen und realitätsfremd.

    „Als ob Manager nur Mitarbeiter entlassen würden, zuallererst stellen sie welche ein.“

    Stimmt. Aber die Einstellung von Mitarbeiterin erfolgt auch nicht aufgrund einer sozialen Ader, sondern weil die Arbeitgeber dafür eine Gegenleistung, nämlich Arbeitskraft, erhalten.

    „Natürlich weiß ich, dass man durch das täglich Lesen von BILD oder SpOn-Schlagzeilen den Eindruck erhalten könnte, in Deutschland würden Arbeitsplätze nur noch abgebaut, statt aufgebaut.“

    Ich beschränke meine Informationsgewinnung weder auf Bild, noch auf Spon.
    Mir ist durchaus klar, dass auch eingestellt wird. Auch ist mir klar, dass die Arbeitslosenquote – und das ist erfreulich – momentan rückläufig ist. Sie ist aber trotzdem noch sehr hoch. Zudem ist es auch nicht sehr viel besser, wenn Firma XY so und so viel Leute entlässt, dafür dann aber so und so viel Leute mit deutlich schlechteren Vertragsbedingungen einstellt.

    „Überhaupt haben Unternehmen in Deutschland (ich weiß, Manager und Unternehmer sind zwei paar Schuhe, aber ein Gesamtbild tut mal not) ca. 30 Millionen (30 000 000) Vollzeitarbeitspläze in Deutschland bisher geschaffen und alleine in den letzten Jahren sind über 500 000 hinzugekommen.“

    Das Problem an deiner Rechnung ist, dass Unternehmen nicht aus purer Menschlichkeit und so völlig ohne Gegenleistung Arbeitsplätze schaffen. Wenn sie viele Menschen einstellen, ist das zu nächst einmal der Tatsache geschuldet, dass sie für eine große Unternehmung auch viel Personal brauchen.
    Sie bekommen dafür sehr solide Arbeitsleistung, ohne die Ihre Unternehmung nicht möglich wäre. Dieses müssen sie natürlich bezahlen, aber diese Entlohnung fällt heutzutage längst nicht mehr so oft so hoch aus, wie du es hier behauptest. Im Gegenteil dazu wird es sogar vermehrt die Regel, dass man für seine Tätigkeit minderwertig entlohnt wird. So zum Beispiel, wenn du von Leuten redest, die in der Schule keine großen Leitungen vollbracht haben. Wenn diese Menschen dann ein paar Stunden lang am Fließband stehen, für einen Stundenlohn von 5 EUR, dann bringen sie doch trotzdem mehr Arbeitskraft, mehr Leistung, mehr Fleiß in eine Unternehmung ein, als 5 mickrige Euro. Und der Profit, den Unternehmen aus dieser Arbeit schlagen, liegt auch um ein vielfaches höher.

    Und du findest es wirklich fair und gut und richtig, wenn ein Manager die Entscheidung fällt Leute so zu bezahlen, gleichzeitig Überstunden anordnet und „überflüssiges“ Personal kündigt, weil er gerne mehr Profit mit weniger Mitarbeitern (= weniger Ausgaben) machen möchte? Das siehst du als Dienst für die Allgemeinheit an? Frag mal die Leute die für weniger als 500 EUR im Mont oder sogar ehrenamtlich Dienst für die Allgemeinheit tun, wie die das sehen.

    Es ist richtig, dass die Leute einen Job machen, der gemacht werden muss. Das dafür unpopulistische Vorgehensweise erforderlich ist: Na klar. Aber bitte tu nicht so, als ob sie dafür über Ihre unverschämt hohe Entlohnung hinaus, noch irgend etwas verdient haben. Schon garnicht, dass man Ihnen etwas zuspricht, was ihnen nicht gerecht wird.

  23. 23
    Patrick

    Habe mich verschrieben. Ich meinte natürlich „unpopulistische Vorgehensweise“.