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Shooting Dogs

shooting dogs

Wut. Trauer. Betroffenheit.

Ich hätte nie gedacht, dass mir diese abgedroschenen Worte noch einmal über die Lippen kommen.

Aber das, was ich gestern bei der Sonderaufführung zum Kinostart von Shooting Dogs gesehen habe, ging mir so nah wie schon lange nichts mehr.

Der Film, der auf wahren Begebenheiten beruht, behandelt den Völkermord in Ruanda im April 1994, bei dem die gesamte Weltöffentlichkeit weggeschaut und ein Massensterben möglich gemacht hat. Einige der Schauspieler und Crewmitglieder sind Überlebende des Massakers, gedreht wurde an Originalschauplätzen.

Ein Auschnitt:

Als die UN-Friedenstruppen ein Flüchtlingslager verlassen, bittet einer der Flüchtlinge den Kommandeur der Truppe darum, vor der Abreise noch alle Flüchtlinge im Lager zu erschießen, da diese einen solchen „geplanten“ Tod dem Sterben durch die Macheten der Gegner vorziehen würden.

Der Kommandeur lehnt die Bitte des Mannes ab. Woraufhin dieser ihn anfleht, dann doch wenigstens die Kinder zu erschießen…

Shooting Dogs braucht keinen erhobenen Zeigefinger, hält sich mit Pathos sehr zurück und bringt uns dadurch den Protagonisten des Films so nahe, wie es in einem Film eben geht. Die notwendige Darstellung von Gewalt dient zu keinem Zeitpunkt der Effekthascherei, ich war den gesamten Film über im Geschehen und wurde nicht von opulenten Kameraeinstellungen, brachialem Sound oder übertriebenen Gefühlsduseleien abgelenkt. Respekt und Danke für die Arbeit vor und hinter der Kamera.

Vor der gestrigen Aufführung des Films hat übrigens Bob Geldof die anwesenden Gäste, gelinde gesagt, für das Thema sensiblisiert. Er beschimpfte mich und das gesamte Publikum und fragte, wo wir damals waren, 1994, und wo wir jetzt sind, beim Völkermord in Darfur.

Der Kloß im Hals war in diesem Moment bei jedem Einzelnen zu spüren, und das nicht wegen der Frechheit des Sirs, das Publikum anzupöbeln, sondern wegen der Nachdenklichkeit, die sich im weiten Rund breitmachte.

Geldof forderte uns auf, unsere Verantwortung beim Heimspiel wahrzunehmen und den Mächtigen dieser Welt zeigen, dass ihre Politik falsch ist.

Mich hat er auf jeden Fall dazu gebracht, endlich meinen Allerwertesten wieder hochzukriegen und zumindest an der Demonstration gegen den G8-Gipfel teilzunehmen.

Ich weiß, wie schwierig es ist, jemanden dazu zu animieren, in einen Film über den Völkermord in Ruanda zu gehen, aber bitte:

Seht euch diesen Film an!

68 Kommentare

  1. 01

    Zur Erläuterung: Talky arbeitet mit uns im Spreeblick-Büro. Da er heute morgen eindrucksvoll von dem Film berichtete, baten wir ihn um einen, seinen ersten, Spreeblick-Artikel darüber. Und bedanken uns dafür.

  2. 02

    sehr lebendiger und aufrüttelnder beitrag! danke für den arschtritt…

  3. 03

    Ich nehme Dein Posting als Gelegenheit, um auf diese Doku hinzuweisen:
    http://www.dokugaa.de/ruanda.html

    Grüße,
    Riemer

  4. 04

    Wenn du einmal ein wirklcih deprimierendes Buch lesen willst: Handschlag mit dem Teufel von Romeo Dallaire, dem damals kommandierenden UNO-Offizier der in allen Einzelheiten seine Machtlosigkeit darlegt. Ein Mann der seitdem jedes Jahr nach Ruanda geht um sich zu entschuldigen, der die Weltöffentlichkeit und ins Besondere die UNO anklagt und der zu dem Schluss kommt: „Ein Mensch ist ein Mensch ist ein Mensch“.

  5. 05
    Flo

    Hey Talky,

    ich durfte bei der Sondervorstellung gestern auch anwesend sein und mir gings genauso wie wahrscheinlich allen anderen im Kino. Und auch heute noch bin ich zu tiefst bewegt von diesem Film sowie von Bob Geldorfs Worte. Ich kann mich Talky also nur anschliessen.
    !!! Film unbedingt ansehen !!!

    Für mich speziell war vor dem gestrigen Abend schon klar das ich ab Anfang Juli für erst mal 6 Monate nach Kampala (Uganda) gehen werde. Ich werde dort einer ugandischen Filmproduktion bei ihrer täglichen arbeit helfen und spiele schon länger mit dem Gedanken ein paar Eindrücke per Video festzuhalten zu veröffentlichen.

    Seit dem großartigen Event gestern bin ich mir bei diesem Vorhaben wieder ein bisschen sicherer.

    flo

  6. 06

    Wusst ich’s doch, dass es noch christliche, solidarische, nächstenliebende Menschen gibt!

  7. 07
    Sebastian

    @ maddin

    auch nichtchristliche menschen gehen gerade in sich.

    like me

  8. 08

    Wie steht denn die Globalisierung im Zusammenhang mit den Voelkermorden? Und koennte die Globalisierung nicht gar hilfreich sein gegen weitere Voelkermorde?

  9. 09
    00schmidt.com

    Mir kommt auch ein seltsames Gefühl ob der Bezeichnung „Demonstration gegen den G8-Gipfel“ – es sollte eher heißen „Demonstration für die richtigen Themen und Entscheidungen auf dem G8-Gipfel“. Ja. Etwas utopisch.

  10. 10
    Thomas

    OMG. LOL! Gut: das ist echt Herzzerreißend. Ich bin auch dafür, dass etwas dagegen getan wird. Aber wo war denn Bob Geldorf 1994????

  11. 11

    @ Matou: Etwas zu Frankreichs Verantwortung beim Völkermord in Ruanda. Diese Konflikte sind schon längst global.

    Dabei ist „Globalisierung“ nur ein Wort, um das relativ neue Phänomen delokalisierter kultureller, politischer und wirtschaftlicher Prozesse zu bezeichnen, und dabei ist es kein wirklich eigener „Prozess“. Die Globalisierung in der Dritten Welt sieht ungefähr so aus, das einige Machthaber mit einigen großen Firmen Geschäfte machen. Normalerweise ist Krieg nicht sehr gut fürs Geschäft, manchmal aber auch schon – dann muss er nicht verhindert werden.

  12. 12
    Ingo

    Waren Kriege schon mal nicht gut fürs Geschäft?

  13. 13

    @ Matou und 00schmidt.com (10,11):
    Nicht nur das koloniale Erbe und die wirtschaftlichen Interessen der G8-Staaten (wer hat sich denn die willkürlichen Terrotorialgrenzen in Afrika ausgedacht, die jetzt unter anderem dauernde Streitpunkte sind? Wer beutet denn die afrikanischen Bodenschätze aus, ohne die Menschen vor Ort an den Gewinnen ernsthaft teilhaben zu lassen?) oder deren direkte Verstrickungen in jüngere afrikanische Konflikte verbinden Heilgendamm mit Darfur.
    Merkel hat Afrika ja extra auf die Agenda gesetzt und am 8.6. auch einige afrikanische Regierungschefs eingeladen.
    Aber auch ohne diesen internen Link gibt es da eine Verbindung. Wenn acht Regierungen beschließen, sie könnten aufgrund der Wirtschaftsmacht ihrer Staaten nun die Weltpolitik bestimmen und sich aussuchen, wer sie mal besuchen kommt, dann ähnelt das doch sehr dem Verhalten der alten Kolonialherren. wirtschaftsschwache Nationen werden ausgegrenzt und marginalisert. Partizipationsbestrebungen der Bevölkerungen aller Länder wird mit dieser Gutsherrenpolitik ins Gesicht geschlagen. Kurz: Die G8 nehmen keinen Staat in Afrika als gleichberechtigte Partner, bleiben aber Vorbild für volksferne Politik.
    Ich finde, Talky hat das genau richtig geschrieben. Gegen den G8-Gipfel. Und damit (Achtung Parole!) gegen volksferne Machteliten und willkürliche Politik einiger weniger. Letztlich für eine Gleichberechtigung aller Menschen auf diesem Planeten.

  14. 14
    longtemps

    Ein „zu“ fehlt trotzdem noch.

  15. 15
    Talky

    #5 Julian, danke für den Tipp, der Film reicht für’s erste.
    #6 Flo, viel Spaß in Uganda, werden bestimmt mehr als nur ein paar Eindrücke, bin gespannt.
    #7 Maddin, solidarisch reicht mir voll und ganz.

  16. 16

    Ich hab den Film etwa vor einem Monat gesehen und mir ging es auch so. Er war extrem erschütternd, aber es war eine ganz andere Art der Erschütterung. Er war nicht zum Weinen. Er war zu hart zum weinen.

    Die Frage die am Ende für mich übrig blieb war: Wie kommen Menschen darauf so etwas zu tun? Wie ist es möglich bestimmten Menschen einzureden sie seien so viel besser als bestimmte andere Menschen, dass sie diese umbringen dürfen wie Tiere?

    Und natürlich: Wenn das 1994 in Rwanda geklappt hat, kann es heute nochmal klappen?

    Und könnte uns so etwas passieren?

  17. 17
    Ralph

    „Vor der gestrigen Aufführung des Films hat übrigens Bob Geldof die anwesenden Gäste, gelinde gesagt, für das Thema sensiblisiert. Er beschimpfte mich und das gesamte Publikum und fragte, wo wir damals waren, 1994….“

    Und wo war Bob Geldof ’94?

  18. 18
    Talky

    Bob Geldof spielte am 7.12.94 in Karlsruhe, in der Festhalle Durlach, ein umjubeltes Konzert!

  19. 19

    Geldof ist ein Möchtegern-Weltverbesserer und ein Idiot. Das musste ja mal gesagt werden! Anstatt zu Sammeln sollte er mal etwas von seinem Vermögen abgeben. Sich hinzustellen und andere um Geld zu bitten ist einfach, aber selbst unter minimalistischen Gegebenheiten zu leben unendlich schwer für den „Ritter“.

  20. 20

    Und was ist mit Hotel Ruanda? Ist der Film schon vergessen? Vielleicht nicht mit solch einer krass- beschriebenen Szene, aber absolut nah ans Herz gehend!
    Und, Ja, weiss einer wob Sir Bob war???

  21. 21
    Uwe

    Typischer Reflex von Menschen in der westlichen Welt: „Ok, ich habe nicht geholfen…aber hey, der andere da auch nicht.“ Zweiter typischer Reflex von diesen Menschen: „Ich soll spenden? Mach ich gerne, aber erstmal soll der andere Spenden, der hat doch viel mehr Geld.“

    Auch in diesen Kommentaren hier gut zu erkennen.

  22. 22

    Daniel: Er gibt viel von seinem Vermögen ab.

  23. 23
    StefanJ

    Wer sich mit der Situation in Ruanda beschäftigen will, dem sei ein großartiger, aber auch sehr bedrückender Artikel in der Zeitschrift LETTRE Nr. 69 aus dem Sommer 2005 empfohlen, im Web leider nur in Auszügen zu lesen: http://www.lettre.de/archiv/69_Polman.html
    Besorgt Euch den ganzen Text (viele Büchereien haben LETTRE), er gehört zum Informativsten, was man zum Thema lesen kann!
    Darin schildert die Journalistin Linda Polman, wie die Kriegsparteien die internationale Hilfe für ihre Interessen instrumentalisierten. Die Organisationen wussten das, die Medienvertreter vor Ort wussten das auch, aber neben der Hilfe für die Flüchtlinge spielten da eben auch die kommerziellen Interessen der NGOs eine entscheidende Rolle für ihr Handeln.

    Seitdem ich den LETTRE-Text kenne, betrachte ich alle Aufrufe von Gutmenschen a la Geldorf und Co mit Skepsis. Mag sein, dass die unbegründet ist. Man darf sich bei so schweren Krisen, wie sie Völkermorde nun einmal sind, aber nicht den eigenen Emotionen hingeben, sondern muss immer fragen: Wer ist wie beteiligt? Welche Interessen verfolgt er? Wie vertrauenswürdig ist die Information, die er mir gibt?

  24. 24
    Acid

    Auf morbide Art zu „Himmelfahrt“ passend:
    kirchenopfer.de/dieopfer/ruanda/index.php

    In Ruanda wurden binnen 100 Tagen 800 000 Menschen umgebracht. Die katholische Kirche, der 70% der Ruander angehören, hätte als einzige die Autorität gehabt, das Blutbad zu stoppen. Doch »die meisten ihrer Priester und Nonnen hatten 1994 bei dem Blutbad teilnahmslos zugesehen oder gar den Mördern geholfen.«
    (…)

  25. 25
    Daniel

    Kleiner Tipp: den Film gibts bei der Filmgalerie 451 in der Torstr. schon seit Wochen (Monaten?) auf DVD.

  26. 26

    Ich würde sagen um mein leben zu retten, riskiere ich mein Leben?

  27. 27
    Flo

    @Uwe und alle anderen.

    ganz leicht und ganz WEB 2.0ig kann man hier spenden.

    http://www.kiva.org

  28. 28
    Paul

    Ich muss erst noch den Pocher-Film sehen, sorry.

  29. 29

    Matou: Diese Frage habe ich mir beim Lesen des Textes auch gestellt. Und hübsch wie Acid auf die katholische Kirche schielt.

    Vieles an der Politik der Staaten aus der „Ersten Welt“ gegenüber Afrika ist nicht in Ordnung, aber dem Westen die Hauptschuld am Völkermord in Ruanda in die Schuhe zu schieben ist albern.

    Natürlich spielt die Geschichte Ruandas und damit auch der Kolonialismus mit hinein als eine der Ursachen für den Konflikt zwischen Hutu und Tutsi, aber in erster Linie macht sich des Mordes schuldig, wer mit seiner Machete einen anderen umbringt und wer die Machetenträger befehligt, anstiftet und organisiert.

    Wer bei allen Schwierigkeiten Afrikas die Hauptverantwortung außerhalb des Kontinents sucht, macht sich etwas vor und wird so auch m. E. nicht nachhaltig zur Lösung der Probleme beitragen können.

  30. 30

    Ein kleiner Lesetipp: „Kollaps“ von Jared Diamond, einem Geographen, der Gesellschaften ob ihres Scheiterns oder Erfolgs untersucht – in vielen Kriterien und einem Kapitel über Ruanda. Dass es niemals nur einen oder wenige Gründe für Greultaten gibt, sollte eigentlichen jedem klar sein. Dass aber Clubs wie G8 Einfluss auf wirtschatliche, ideologische, ökologische und soziale Bereiche auf der Welt ausüben dürfte jedem ebenfalls einleuchten. Menschen kämpfen gegen Menschen aus vielen Gründen, und Hass ist meist nicht der Start, sondern das Ende eines gesellschaftlichen Zusammenbruchs.

  31. 31

    Scheiß Trackback Funktion hier ;-)

  32. 32

    @ niels: Soweit richtig. Aber kein Grund, die Hände in den Schoss zu legen und auf einen globalisierten Segen zu hoffen. Die Frage, inwieweit die EU beispielsweise wirtschaftlich und politisch von einem schwachen, zerrissenen und immer wieder von Bürgerkriegen heimgesuchten Afrika profitiert, enthebt nicht die Kriegstreiber ihrer Schuld, zeigt aber die Möglichkeiten auf, die wir ganz konkret haben, um zu handeln. Und die gibt es.

    Wer bei allen Schwierigkeiten Afrikas die Hauptverantwortung außerhalb des Kontinents sucht, macht sich etwas vor und wird so auch m. E. nicht nachhaltig zur Lösung der Probleme beitragen können.

    Wer die Mitverantwortung außerhalb sucht, wird erstens ziemlich schnell fündig und macht sich zweitens selbst handlungsfähig.

  33. 33

    apfelbaum:„Soweit richtig. Aber kein Grund, die Hände in den Schoss zu legen“

    Wohl wahr!

    „und auf einen globalisierten Segen zu hoffen. „

    Nun, ein bißchen mehr (und vor allem faire) Globalisierung könnte vermutlich afrikanischen und anderen „Drittwelt“-Ländern helfen, zum Beispiel der Abbau von Handelsschranken.

  34. 34

    Ich denke, was die Globalisierung demnächst bringen wird, ist schon ein Abbau von Handelsschranken, aber einseitig und nicht zum Vorteil der Drittweltländer. Ich hab’s schon vor ein paar Tagen verlinkt: der nächste größere relevante Schritt in der Frage wird die stufenweise Umsetzung von GATS sein, und wohl nicht zum Vorteil der Entwicklungs- und Schwellenländer.
    So sind die überregionalen Verträge seit 1900 gestrickt, und es gibt wenig Hoffnung, dass sich das ändern wird. Die Interventionen der westlichen Staaten (sei es die USA in Mittelamerika, sei es Frankreich in Myanmar, sei es die Weltbank in Mosambik, usw) lassen das Wort „fair“ im Zusammenhang mit Globalisierung etwas blass aussehen.

  35. 35
    ick

    so ein quatsch, in ein kino zu gehen um zu sehen, wie leute umgebracht und misshandelt werden. dabei noch den kapitalisten die kohle in die taschen schaufeln. und was hast du dann getan, ausser nen schreck zu bekommen? is das alles scheinheilig…wenn der völkermord in ruanda anno 1994 (!) doch nur der einzige wäre…

  36. 36
    .50AE

    „In Ruanda wurden binnen 100 Tagen 800 000 Menschen umgebracht. Die katholische Kirche, der 70% der Ruander angehören, hätte als einzige die Autorität gehabt, das Blutbad zu stoppen. Doch »die meisten ihrer Priester und Nonnen hatten 1994 bei dem Blutbad teilnahmslos zugesehen oder gar den Mördern geholfen.“

    Das ist die Frage… hätten die Prister wirklich die Changse gehabt das zu verhindern? Hätten sie mehr Einfluss auf die Leute gehabt, als die staatliche Propaganda, die die Bürger auffordert Tutsi zu töten? Ich glaube es fast nicht. In ‚Shooting Dogs‘ zumindest haben die Hutu keinen Halt vor Pristern gemacht. Die wurden vergewaltigt und ermordet wie alle andern auch. Und auch ein Prister wird es sich evtl zweimal überlegen ob er sich ner Macheten schwingenden Menge entgegenstellt.

    P.S. @ Bob G.: ‚Er beschimpfte mich und das gesamte Publikum und fragte, wo wir damals waren, 1994, und wo wir jetzt sind, beim Völkermord in Darfur.‘
    Also Bob… 1994 war ich 14 Jahre alt… tut mir leid, daß ich nichts getan habe.

  37. 37

    Boah, sorry, aber jetzt muss ich doch mal antworten. Also von welchem „Afrika“ sprecht ihr hier eigentlich?

    Und was will diese Geldof eigentlich von uns?

    Für mich ist der immer noch in diesem LiveAid Dingens drin, und das fand ich total beknackt.

    Sorry Leute, aber wir wollen doch bitte mal festhalten dass der Völkermord in Ruanda ganz unabhängig von uns geschehen ist, und er (Geldolf) seine Kritik nicht an die eh schon kritischen Zuhörer richten sollte, sondern an die Organisationen, welche die Macht haben, in Konflikten einzugreifen.

    Fuck, wir können noch nicht mal so nen G8 happening verhindern. In unserem eigenen Land!

  38. 38
    Flo

    Ich glaube es geht doch darum wie wichtig einem das ist.

    Stell dir vor alle Charlottenburger würden plötzlich mit Springmessern und Steinschleudern auf Kreuzberger losgehen und diese kaltblütig niedermetzeln. Nach ein paar Tagen wildem Massaker ist schon halb Kreuzberg mit stinkenden Leichen übersät und eigentlich weiss keiner so recht warum das ganze. Aber es geht weiter. Der Hass der Charlottenburger kennt keine Grenzen. Nun werden sogar Kinder vergewaltigt und aufgehängt. Jeden Tag sterben so hunderte Kreuzberger. Nach 2 Wochen tatenlosem zusehen werden nun alle Polizisten die in dem Gebiet arbeiten nach Heiligendamm versetzt. Nach weitern 2 Wochen ist die halbe Bevölkerung von Kreuzberg ausgelöscht…

    In Friedrichshain und Mitte hingegen geht alles seinen normalen Lauf. Die Simon Dach Strasse und der Hackesche Markt werden weiterhin von tausenden Touristen bevölkert und am Boxhagener Platz sonnen sich ein paar Punks.

    Und nun stell dir vor das passiert in Hamburg, oder in Paris, oder Moskau…
    oder eben in Darfur.

  39. 39

    Was bitte hat Ruanda mit G8 zu tun? Mit Veraub, aber das ist nichts als dummer, unreflektierter Aktionismus: Mir hat ein Film über Ruanda die Tränen in die Augen getrieben und deshalb muss ich mir jetzt mal Luft machen und den „Mächtigen dieser Welt“ (die sind ja immer und an allem schuld) mal zeigen, dass ich mir nicht alles gefallen lassen und wie scheiße ich das alles finde, und sowieso!
    Geht es hilfloser?

  40. 40

    dass die Welt eben doch etwas komplizierter ist, als viele das wahrhaben wollen, dass man mit gut gemeitem Aktionismus auch ein Haufen scheiss bauen kann und dass gerade bob geldofs einfache Wahrheiten mit Vorsicht zu geniessen sind, kann, wer will, hier nachlesen: http://archiv.tagesspiegel.de/archiv/26.06.2005/1900674.asp

  41. 41

    Wie findet jemand der sich schon Jahre in humanitären Hilfsorganisationen engagiert einen solchen Spielfilm? Pathetisch? Werden die Menschen in Ruanda sich den Film ansehen?

  42. 42

    Ich finde, dass sich Dein Posting sehr gut liest und werde daher auch den Film ansehen. Gerade, wenn es um soziale Verantwortung geht sind wir alle gefragt!

  43. 43

    Alibifunktion? Hey, ich hab mir den Film angesehen und bin zu ’ner Anti-G8-Demo gegangen. Jetzt hab ich meinen Ablassbrief. Also bitte.

  44. 44

    „Hotel Ruanda „ und jetzt „Shooting Dogs“ sind zwei kinotaugliche Version des Völkermordes, die beide auf dem o.g. (Kommentar 5) autobiographischen Buch des kanadischen Generals der UN-Truppen in Ruanda, Roméo Dallaire, beruhen.

    Ich habe Albträume bekommen, nachdem ich nachts im Fernsehen den preisgekrönten und zu unrecht unbekannten, kanadische Dokumentarfilm, „Shake Hands with the Devil“ sah. Der Film nahm auch das Buch als Anlass um 2004 mit Dallaire nach Ruanda zu reisen und seine Sicht berichten zu lassen.

    Jemandem zuzuhören, der Macht vor Ort hatte, nicht rechtzeitig eingreifen durfte, dessen Hilferufe bei der UNO mit bürokratischen Belangen der Staaten abgelehnt wurden und der sich widersetzt hat ist schmerzhaft und macht wütend. Die Bilder und die Geschichten (Menschen die darum betteln, daß sie von den „Friedenstruppen“ erschossen werden, damit sie nicht von den anrückenden „Menschen“ mit Macheten ermordet werden, wie 800.000 Andere) haben mich in vielen nachfolgenden Nächten heimgesucht.

    Es ist für mich einer der bewegensten Filme und ich hoffe, daß ihn viele sehen resp. niemand sehen muß.

    Danke Talky, daß Du das gerne verdrängte Thema dieses Genozides wieder angesprochen hast.

  45. 45

    Uff, das habe ich seit 2 Tagen versucht zu posten und nix passierte.

  46. 46

    Interessanter Film!

    Aber Schuldfragen haben damit nichts zu tun – wir sind nicht Afrika.

    Dennoch gefragt: Wo hätte man billig und effektiv eingreifen können?

    Ein Flugzeug am Himmel hätte unter Bruch des Völkerrechtes die Radiostationen ausschalten können. Elektronisch oder per Bomben – der Konflikt wäre dann später ausgebrochen – Afrika kann nicht in künstlichen Staaten organisiert werden – das ist das Problem – Multikulturelle Unmöglichkeiten das Andere. Also man organisiere Afrika ohne Staaten zu bilden: Wer hat die Lösung – außer ich?

    Im Problem steckt die Paradoxie und es wird noch schlimmer werden!

  47. 47

    Zum Bild: Welches Leben – von Wem? Kontext? Situation? Beziehungsgrad?

  48. 48
    beggar

    @apfelbaum, dein Posting 13, zum Begriff „Globalisierung“.
    Ich finde deinen Kommentar sehr interessant, ich habe zunehmend Probleme mit dem Begriff. Immer deutlicher stellt sich für mich heraus, dass es ein Kunstwort der Lobbyarbeit ist, egal welcher Art. „Globalisierung“ beschreibt eine ungenaue Menge miteinander verzahnter Prozesse, jeweils in der eingeschränkten Darstellungsweise des/ der Lobbyisten. In diesem Sinn ist „Globalisierung“ kein Begriff, denn es beschreibt nicht greifbar eine Problem oder Themenkomplex. Es ist eine hohle Phrase, die sich jeder zu Nutze macht, der ein schlaues Wort über die Bedingungen – hier oder anders wo auf der Welt – sagen möchte. Vielleicht entspricht „Globalisierung“ deshalb dem Zeitgeist, da es ein schönes Wort ist, das alles Bedeuten kann und trotzdem die Möglichkeit bietet, im selben Satz das Gegenteil zu behaupten. Die Welt war schon immer „Globalisiert“, schon zu Zeiten in der sie eine Scheibe war. „Globalisierung“ ist PC – und ich wünsche mir, das jeder bei diesem Wort sofort den Satz unterbricht und fragt: „Was verstehen sie darunter?“.

  49. 49
    Gregor

    Ich glaube was viele Leute in den Kommentaren verwechseln ist die Verpflichtung und das Bedürfnis „etwas zu tun“…

    Der durchschnittliche Mitteleuropäer ist meiner Meiung nach zwar in keinem Fall dazu verpflichtet was dagegen zu tun, wie Mr. Geldorf meint, denn wenn man mal religiöse Dogmen beiseite legt, haben Du und ich wirklich nichts mit der Bevölkerung von Ruanda zu tun.

    Trotzdem heißt das nicht, dass man gleich in das andere Extrem umschlagen muss und jeglichen „Akioniusmus“ verurteilt…

  50. 50
  51. 51

    Sometimes in April ist auch so nen Film, den man sich zu dem Thema mal anschauen kann.

    Es geht ja eigentlich nicht nur um den Völkermord, und wieweit andere Nationen mit einem uneffizienten Gremium wie den VN dort eingreifen, sondern um die schizophrene Situation, dass Nachbarn zu Mördern werden können und dann Jahre später einander vergeben müssen um weiterzukommen.

    Wer sich für das heutige Ruanda interessiert, sollte sich unbedingt diesen Artikel anschauen.

    Ich empfinde es aber als verkehrt, zwischen einem Völkermord und dem Aktivismus gegen G8 eine Verbindung herzustellen, so wie es Herr Geldof wohl anstrebt. Das eine ist ein innenpolitisches Drama, das andere eine Folge der Globalisierung.

  52. 52

    @ beggar: Es gibt tatsächlich etwas wie Globalisierung, wenn sie auch nicht gesteuert verläuft und deswegen auch eigentlich nicht begriffsfähig ist. Die spanische Grippe ist so ein „globales“ Phänomen. Oder SARS. Ansonsten: völlig d’accord.
    @ JKE: Wenn Du Dir den Link in Kommentar 13 anschaust, wirst Du merken, dass es sich mitnichten „nur“ um eine simple nationale Tragödie handelt.
    Und: Der G8-Gipfel ist für viele kleine Organisationen nur die Möglichkeit, auf ihre Aktivitäten hinzuweisen. Sie reiten, wenn Du so willst, auf der G8-Welle. Weil man sie ansonsten vergessen würde.
    Das gilt selbstverständlich nicht für Geldof.

  53. 53

    „Shooting Dogs braucht keinen erhobenen Zeigefinger …“
    Das sieht man ja sehr deutlich an dem „was würdest Du tun …“ Geschwurbel.

  54. 54

    @Apfelbaum: Von einer „simplen nationalen Tragödie“ habe ich auch nix erwähnt, aber I am getting your point. Thx für den AI Artikel!

  55. 55
    Peter H aus B

    Hm,
    wo waren wir 1994?
    Lese ich mir die Wiki durch – und glaube was da steht – komme ich zu dem Schluss, das wir gar nicht die Informationen hatten, etwas zu tun.
    Kofi und Boutros haben das anscheinend zu verhindern gewusst.
    1994 war ich Nachrichtensprecher – es war zu dieser Zeit wirklich „nur“ von Bürgerkrieg die Rede.
    Das ganze Ausmaß des Gemetzels wurde erst wesentlich später in der Öffentlichkeit bekannt. Als es schon zu spät war.

    Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ein Zitat Clintons:
    „žWas habe ich falsch gemacht? Dass wir nicht in Ruanda einmarschiert sind. Das ist damals innerhalb von 90 Tagen geschehen, dieser Völkermord. Ich weiß, dass ich nur ganz schwer die Zustimmung des Kongresses erhalten hätte. Aber ich hätte es versuchen sollen. Ich hätte Leben retten können. Das war ganz sicher das schwerste Versäumnis meines Lebens. Ich muss damit leben.“

    Anderes Thema:
    Bob G. und Bono öden mich an. One Hit Wonder und alternde Popstars brauchen nun mal die Show.

    Bill Gates und andere helfen dagegen wirklich, ohne nur darüber zu reden.

  56. 56
    Peter H aus B

    Nachtrag:
    Am 5. April 1994 hat sich Kurt Cobain das Leben genommen, am 6. April begann der Völkermord.
    Was hat hier wohl die Medien mehr bewegt?
    Südafrika stand vor den ersten freien Wahlen, Nelson Mandela kurz vor der Präsidentschaft. Senna verunglückt. Der Focus lag auf anderen Dingen….

    Und Bob? Hat musiziert….

  57. 57
    Lemmy

    Statt sich auf irgendwelchen Bühnen selbst zu produzieren, sollten
    die Herren Künstler beispielsweise mit Sammeldosen auf den Weg
    durch die Strassen Berlins machen.
    3,4 Millionen Einwohner = Spende 1 Euro = 3,4 Millionen Euro.
    Tropfen auf den heissen Stein, aber Effektiver als den Musikkasper
    zu machen.
    „A hundred different countries
    Telling me I can´t look away
    But I, I sit here and contemplate
    I could send money or I can send aid

    But I hear music, like you hear music too…“

    Kirk Brandon/Spear of Destiny 1985

  58. 58

    Interessantes Review! Macht Lust auf mehr. Werde mir den Film demnächst mal im Kino anschauen.

  59. 59
    Altra

    Also ich hätte diesen Beitrag ja für durchaus rührig und sinnvoll gehalten, trotz Geldorf, wenn am Ende nicht stünde, der Autor wolle an Demonstrationen „gegen den G8-Gipfel“ teilnehmen. Aha. Gegen den G8-Gipfel. Am besten noch: Gegen die Globalisierung. Dass die Zusammenhänge erstens so einfach nicht sind, aber vor allem: man doch eher für mehr Gerechtigkeit und andere Themensetzungen demonstrieren kann, aber es keinen Sinn macht, grundsätzlich gegen dieses Treffen zu sein, das wurde oben schon gesagt, und das sollte doch jedem Demonstranten klar sein, dachte ich…

  60. 60
    Katharina

    @ Daniel Bräutigam – 21
    Bob Geldof geht es schon lange nicht mehr ums Geldsammeln (das verkennt auch der Autor des in 42 verlinkten Tagesspiegel-Artikels). Schon seit lange vor Live 8 versuchen Geldof und andere, Afrika überhaupt als politisches Thema zu etablieren. Das geht natürlich unter anderem indirekt auch wieder übers Geld – aber eben genau nicht über Spenden, sondern um einkalkulierbare Entwicklungshilfe der reichen Staaten. In Gleneagles 2005 hatten die G8-Staaten zugesagt, die Afrika-Hilfe bis 2010 zu verdoppeln. Deutschland hat konkret zugesagt, bis 2010 auf 0,51 Prozent zu erhöhen und bis 2015 auf 0,7 Prozent – im Moment sind es 0,36 Prozent (!) des BIP. Beschämend wenig, wie ich finde.

    Geldof und Bono wollen einerseits die reiche Bevölkerung des Westens/Nordens auf das Thema aufmerksam machen (Medienpräsenz, Konzerte etc.), andererseits die Regierenden hier in die Pflicht nehmen, ihre Zusagen einzuhalten.

    Nun ist es den G8-Staaten durchaus zuzutrauen, den ohnehin schon geringen Anteil stillschweigend nicht wie zugesagt zu erhöhen. Wenn sie es doch tun, ihre Versprechen also einhalten, dann ist das ein gutes Ergebnis. Geldof und Bono sind unermüdlich dabei, das anzumahnen, ebenso wie andere nicht so prominente Aktivisten. Obs ihnen Spaß macht und sie das nur zur Show machen – ich glaube das nicht. Geldof hatte genügend Show um seine Person und Plattenverkäufe bringt es ihm offenbar auch nicht. Selbst „good cop“ Bono spricht von „licking Germany’s ass“.

    @ JKE – 39
    „… und er (Geldolf) seine Kritik nicht an die eh schon kritischen Zuhörer richten sollte, sondern an die Organisationen, welche die Macht haben, in Konflikten einzugreifen.“

    Genau das tut er doch, siehe oben. Seine Art kann man finden, wie man will. Neulich hat er Medienberichten zufolge mit Merkel gesprochen, Bono macht bei Beck den Kasper. Wenn Merkel diesmal beim Gipfel keinen Einfluss auf die Dinge hat, wer dann?

    Auch Geldof und Bono geht es übrigens nicht nur um „herkömmliche“ Entwicklungshilfe in Form von Geld oder Hilfsgütern. Sie fordern auch Entschuldung, drastisch geänderte Handelsbedingungen, entschiedenen Kampf gegen HIV/Aids, Malaria und andere Krankheiten sowie Bildung und Hilfe zur Selbsthilfe.

    Zum Schluss noch @ Altra – 62
    Wenn jemand durch einen Film in seiner Kritik an Ungerechtigkeit bestärkt wird, ist das doch ok. Klar, es ist nie „so einfach“. Aber irgendwo muss man ja anfangen, und wenn es ein Film ist und Geldofs Beschimpfungen, dann halt das. Dass man „gegen den G8-Gipfel“ ist, ist zwar nur bedingt präzise, aber der Sinn ist ja wohl auch so klar.

  61. 61
  62. 62
    Talky

    Pergan,
    auch wenn manches was Bob Geldof sagt und macht diskussionswürdig ist, bleibt für mich die Tatsache, dass er seit langer Zeit versucht mit seiner Popularität einerseits Menschenleben zu retten und andererseits
    die Politik im Sinne der hungernden Menschen zu beeinflussen.
    Das nützt, meiner Ansicht nach, mehr, als ’nur‘ zu kritisieren was er macht und sonst nicht den Arsch hochzukriegen.
    Nützt Deine Aussage, dass er schäbig ist irgendjemanden auf der Welt?
    Meinen Respekt dafür wird er, jedenfalls durch solche Artikel, nicht verlieren.

  63. 63
    Pergan

    Talky,
    Du kannst denken und machen, was Du möchtest. Leute wie Geldof werden werden immer andere um sich scharen, denn zu jeder Wurst gehört eine Pelle (Verzeiht mir, liebe Thüringer, die Eure originale Rostbratwurst ist natürlich ohne).
    Dennoch muss man konstatieren, dass Geldof in den Jahren seines „Engagements“ mehr Schaden als Nutzen gebracht hat, indem er das Problem für sich privatisierte. Bob Geldof ist nichts als ein aufgeblähter Vollspacken, der, wo es auch geht, sich gern zum Feigenblatt der Kapitalisten machen lässt. Und Popularität besitzt er doch schon seit Langem nicht mehr, es sei denn, aber da beißt sich der Hund in den Schwanz…
    Chefredakteur der Schweinezeitung für einen Tag, aber immer den Zeigefinger oben…

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    Talky

    jaja,
    was macht denn jetzt mehr Sinn, in das System reingehen und versuchen es zu beeinflussen?
    Oder schön von außen, mit Plakate, Parolen oder auch Steinen?
    Und Pergan, wo hast Du das denn her, dass er mehr Schaden denn Nutzen gemacht hat? Problem privatisieren???