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Eine bessere Welt, Tag 1

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Entnervt vom Scheitern des Gipfels und überzeugt von den Argumenten der Globalisierungskritiker, beauftragen die Regierungschefs der acht führenden Industrienationen Attac damit, im Juni 2008 einen Gipfel abzuhalten, der die Welt neu ordnen soll. Bis dahin lautet die Vorgabe, auf Nationalkonferenzen für die beteiligten Staaten einen sogenannten Länderfahrplan zu entwickeln. China macht nicht mit, weil es nach eigener Aussage „schon kommunistisch ist“.

3. August 2007
Deutsche Nationalkonferenz in Berlin

Vor dem Tagungsort kam es schon am Vorabend zu ersten Ausschreitungen. Während Hedge-Fonds-Manager zu öffentlichen Piloten-Spielen einluden, um spielerisch die Kultur des Kapitalismus zu vermitteln, BWL-Studenten symbolisch Yucca-Palmen verbrannten, um für die Abholzung des Regenwaldes einzutreten und die mittlere Führungsebene der Deutschen Bank in Pelzen auftrat und demonstrativ Wurstbrote schmierte, griffen Autonome provozierend am Rand des Geschehens stehende Rastafaris an. Ein Fahrrad brannte aus, neun Joints fanden ihren Weg in die Lungen der Opfer nicht und verkohlten ungeraucht. Erschütternde Bilder der so unnütz verbrannten Haschischzigaretten sollten in den folgenden Tagen die Titelblätter der Zeitungen schmücken.

Claudia Roth, Angela Merkel, Kurt Beck, Oskar Lafontaine und Guido Westerwelle als Vertreter der Parteien, die im aktuellen Bundestag sitzen, nehmen eine beratende Funktion ein. Ob sie trotz ihres offenkundigen Versagens auch ein Stimmrecht erhalten, soll während der Konferenz beschlossen werden. Mit Stimmrecht nehmen teil: Sabine Leidig für Attac, Bischof Huber für die Evangelische Kirche Deutschlands, Kardinal Lehmann für die deutschen Katholiken, Harald Ullmann für PETA, Michael Sommer für den Deutschen Gewerkschaftsbund, Brigitte Behrens für Greenpeace Deutschland und Alice Schwarzer für Alice Schwarzer

Tagungsspunkte sind
1. Wirtschaft und Soziales
2. Entwicklungspolitik
3. Weltfriede
4. Gleichberechtigung
5. Umwelt

Zuvor wird über das Stimmrecht der Vertreter des Ancien Régime abgestimmt. Es stellt sich heraus, dass man sich nicht einig ist über das Abstimmungsverfahren. Harald Ullmann verlangt ein Vetorecht, Michael Sommer und Bischof Huber sind für ein einfaches Mehrheitswahlrecht, Alice Schwarzer und Kardinal Lehmann wollen zwei Stimmen haben, da sie für Milliarden Menschen sprechen. Bischof Huber wirft ein, Kardinal Lehmann spreche „höchstens für die deutschen Katholiken“, woraufhin Kardinal Lehmann wegen des „höchstens“ erst einen roten Kopf bekommt, dann auf die Toilette stürmt, um sich dort fluchend zu übergeben.

Ein Polizist betritt den Tagungsraum und berichtet, vor dem Gebäude habe sich Hans-Olaf Henkel selbst entzündet, nicht mit Benzin, sondern aus Wut. Dies lässt den von der Toilette zurück gekehrten Kardinal Lehmann aufhorchen. Er ruft im Vatikan an, damit ein Verfahren eingeleitet werden kann, in dem festgestellt werden soll, ob es sich bei Henkels Selbstentzündung um ein Wunder handelt.

Claudia Roth gibt zu Bedenken, dass und man solle auch nicht und die Grünen hätten ja schon immer. Guido Westerwelle schaut schildkrötenartig.

Kurt Beck benutzt erstmals das Wort Farce, meint aber die Speisekarte.

„Eine Farce ist lediglich, dass Sie denken, Mitgeschöpfe gehörten auf eine Speisekarte, Herr Beck“, raunzt Harald Ullmann. „Ich glaube zwar, dass wir mit solchen Fundamentalpositionen nichts erreichen, aber es ist schon bezeichnend, dass die Umwelt, die Grundlage von Allem, erst der letzte Tagungspunkt ist“, wirft Brigitte Behrens ein. Sabine Leidig beeilt sich zu betonen, dass die Reihenfolge nicht den Bedeutungsgrad impliziere. Kardinal Lehmann schlägt vor, die Tagungspunkte umzubenennen in 1.Christ und Wirtschaft, 2. Christ und Entwicklung, 3. Der Friede auf Erden und das innere Himmelreich, den vierten Punkt zu streichen und als neuen 4. Punkt Christ und Umwelt zu setzen. Claudia Roth sagt, der Buddhismus sei auch sehr weise.

Sabine Leidig beharrt darauf, dass die Sitzungspunkte verbindlich seien und sie schließlich die Verantwortung trage und Guido Westerwelle möchte wissen, was den nun sei mit den Parteien und der Mitsprache.

Trotz Vetos von Alice Schwarzer, die noch kann, wird die Sitzung daraufhin vertagt.

22 Kommentare

  1. 01
    Stefan

    Malte mal wieder. Und ich liebe seine Geschichten. So schön hat mir noch nie jemand den Pluralismus erklärt :)

  2. 02
    flynn

    2009: Attac gesteht das Scheitern der Weltrevolution und beauftragt Spreeblick mit der Organisation der nächsten Gipfel. Dort wird dann jeweils eine Woche lang gejammert wie scheisse alles ist, unter strikter Auflage aber auch ja nichts daran verändern zu wollen.

  3. 03

    zynisch hoch drei, klingt schon fast hoffnungslos…
    ist aber gleichzeitig auch eine möglichkeit, dem aktuellsten der aktuellen themen den rücken zu zukehren. denn das mit den neun joints hört sich noch am schlimmsten an. nettes drehbuch für einen comic

  4. 04

    Hm… Einer Initiative gegen die Eröffnung immer weiterer Bioläden in Berlin würde ich mir sofort anschließen.

  5. 05
    jan

    ….nicht nur berlin….

  6. 06

    Die Tagungspunkte sind nicht:

    1. Wirtschaft und Soziales
    2. Entwicklungspolitik
    3. Weltfriede
    4. Gleichberechtigung
    5. Umwelt

    … sondern nur Einer!

    1. Die Einführung eines Leistungsgedeckten Tauschmittels in allen Ländern der Erde. Es sollte eine direkte Umlaufsteuerbarkeit besitzen und einen Historischen Wertbezug.

    Dann würden nicht mehr 10 – 20 % der Bevölkerung 75 – 66% der Geldwerte besitzen. Die Armut und der Reichtum wäre in einer Gaußchen Glockenkurvenverteilung zu messen.

    Die Umwelt als auch die Sozialfragen
    lösen sich in allen Fällen von selbst wenn denkbare Alternativen gibt!

    Leider gibt es noch zu viele Verbildete Menschen die systemische Auffassungen – jenseits ihres gemessenen Intelligenzgrades nicht erfassen können.

    Das Geld nicht gleichermaßen Dynamisch umlaufen kann und Statisch in Wartestellung beharren soll – oder die einfache Tatsache das Geld nicht Arbeiten kann und weder Glücklich noch Dumm ist – ! –

    Die Materialisten predigen eben ihre materialistische Religion und formen so ihre Welt. Die Maßanzüge des Dialektismus spielen da keine besondere Rolle.

    Das es die Leute gibt ist auch kein großes Wunder – solange das geistige Vergewaltigen von Kindern belohnt und gehätschelt wird!

  7. 07
    sven

    Gute Idee! So könnte es klappen…

  8. 08

    Warum um alles auf der Welt wird der Name Ströbele nicht erwähnt Malte ? Radelt der etwa im August immer noch in Rostock rum und de(e)skaliert.

  9. 09

    Meine Güte, edv (#3), bitte bei aller Ernsthaftigkeit auch mal ab und zu die Mundwinkel nach oben bewegen, der Artikel steht in der Rubrik „That’s entertainment“.

    Und es ist doch erst der erste Tag! Vielleicht gibt es ja weitere! An denen dann vielleicht auch Ströbele ins Spiel kommt! ;)

  10. 10
    Acid

    Vielleicht hat Ströbele ja auch was geworfen. Müssen ja keine Steine gewesen sein.

  11. 11
    Hinrich aus Gremlin

    Die Talgungspumpe ist nicht:

    1. Windschatten und Sodiumkarbid
    2. Einwicklungspolemik
    3. Elfriede
    4. Gleichberichtigung
    5. Umwälzpumpe

    „¦ sondern nur Eimer!

    1. Die Entführung eines Reisgericht gedeckten Tischmittelteils in allen Bändern des Endes. Es sollte eine direkte Umtauschfeuerbarkeit besitzen und einen Hysterischen Bettbezug.

    Dann würden nicht mehr 10 – 20 % der Bewölkung 75 – 66% der Melkfette besitzen. Die Anmut und das Siechtum wäre in einer Mäuschen Glockengurkenverteilung zu messen.

    Die Urwelt als auch die Jovialwagen
    dösen sich in allen Fällen von selbst wenn schwenkbare Agaven gibt!

    Leider gibt es noch zu viele verpimpelte Menschen die ekzemische Abgasungen – jenseits ihres vermessenen Konvergenzrades nicht belassen können.

    Das Held nicht weichermaßen Dyskopisch rumlaufen kann und Statistisch in Wagenprellung beharren soll – oder die einfache Ratmasche das Zelt nicht Ableiten kann und weder fruchtig noch rund ist – ! –

    Die Patrialisten beerdigen eben ihre fatalistische Region und hornen so ihre Geld. Die Auflaßzüge des Akzentismus spielen da keine besondere Rolle.

    Das es die Leute gibt ist auch kein großes Wunder – solange das einstige Verwalten von Indern verhohnt und belächelt wird!

    (Winfried aus Chemnitz: Du solltest Dir mal die Wumpe gnurzen oder vielleicht auch mal Deine Astimethik verkalputieren, es sei denn, Du hast bereits die Gidulektik entponkifiziert…)

  12. 12
    leo

    @Malte und Hinrich: Lange nicht so gelacht. :)

    „BWL-Studenten symbolisch Yucca-Palmen verbrannten, um für die Abholzung des Regenwaldes einzutreten und die mittlere Führungsebene der Deutschen Bank in Pelzen auftrat und demonstrativ Wurstbrote schmierte, griffen Autonome provozierend am Rand des Geschehens stehende Rastafaris an.“

    Gröhl.

  13. 13
    Niels

    „Claudia Roth gibt zu Bedenken, dass und man solle auch nicht und die Grünen hätten ja schon immer.“

    So geil!

    @Hinrich aus Gremlin: auch sehr schön!

  14. 14

    @12 Hinrich von den Gremelins

    Nettigkeiten in Lustig und selten soooo gelacht. Was Wichtigkeit edelt ist ne‘ Blödchen Einerlei.

    Zu Deutsch – lenke ab von dem Ernst des Inhaltes und mach den Affen – denn Lachen lenkt ab!

    Wenn das Forum solchen Scheiß lesen will – O.K – aber ein politisches Forum sollte besser auf Nebelkerzen reagieren.

    Jedenfalls gibt es eine prompte Reaktion wenn man sehr Konkret auf die Oligarchenschicht verweist. Die können sich eben eine gute Dienstleistung immer leisten!

    Aber die Zahlen stimmen: http://tinyurl.com/2qpfzs

  15. 15
    leo

    Sehe ich etwas anders… für mich war Humor schon immer eine starke Waffe, wenn er entlarvend daherkommt. Man muss schon zwischen Satire und reiner Blödelei unterscheiden.

  16. 16
    hirsch

    das socken-bild ist perfekt:

    +++ Protest +++ Protest +++ Protest +++ Protest +++ Protest +++ Protest +++

    Hey Freunde und freiheitsliebende Bürger,

    In der Bundesrepublik werden im Zuge des G8 Gipfels massiv Bürgerrechte eingeschränkt, dabei werden mit der Entnahme von Geruchsproben unter anderem alte Stasi-Methoden angewandt.

    Wir möchten dem Innenministerium die Arbeit erleichtern und schicken unsere getragenen Socken schon mal präventiv nach Berlin. Socke in einen Briefumschlag stecken, mit Absender versehen und an die unten angegebene Adresse schicken. Wer will kann auch einen Brief dazu schreiben, ist aber unseres Erachtens nicht zwingend. Wir werden am 8. Juni einen erklärenden Brief ans Innenministerium schicken.

    Wir hoffen, dass bergeweise Socken in Berlin eingehen. Diese Aktion soll den in Deutschland überhand nehmenden Sicherheitswahnsinn anprangern. Sicherheit ist zwar gut, aber nicht um den Preis unserer Bürgerrechte!

    Beteiligt Euch zahlreich und ladet alle Freunde und Bekannte zum Mitmachen ein.

    Bundesministerium des Innern
    Dienstsitz Berlin
    z. Hd. Dr. Wolfgang Schäuble
    Alt-Moabit 101 D
    10559 Berlin

    Protestierende Grüße
    Eure die mühsam erkämpften bürgerlichen Freiheiten liebenden
    Valentina Dobrosavljevic und Anna Rau

    +++bitte weiterleiten+++bitte weiter leiten+++bitte weiter leiten+++bitte weiter leiten+++bitte weiterleiten+++

  17. 17
    bEN

    Malte – du hasst äh, den äh, Stoiber vergessen. Äh

  18. 18
    hendrik

    @ hinrich aus gremlin:

    *schmeisstsichwegvorlachen* … wunderbar!

    *gehtjetztkicherndarbeiten*

  19. 19

    Mit Kardinal Lehmann’s Agenda wäre uns bestimmt allen geholfen (sic)

  20. 20

    @ 17
    das habe ich doch gleich übernommen.

    Dank an Malte, für diese excellente Satire.

    Soll ich das Sockenbild bei mir hosten, oder ist das mit der Verlinkung o.k.?

  21. 21

    @16 Realitäten die auch bei Dir noch ankommen werden!