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Informer im Fernsehen

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Unser Primacall-Informant war am Dienstag in der RBB-Sendung „Klipp & Klar“. Ebenfalls zu Gast, allerdings nicht hinter einer Wand, war Günter Wallraff. Der Informer erzählt, wie es war.

Wallraff ist hinter den Kulissen noch aufgetaut („Guten Abend, ich habe Ihre Silhouette gesehen.“), war – nachdem er das Buffett geplündert hat – aber auch schnell weg. Er hat mir ne Ausgabe von „Der Aufmacher“ mit „solidarischen Grüßen“ signiert. ;)
Und er hat angedeutet, dass sein Next Big Thing [edit Malte: Das bleibt geheim. Hehe.].

Interessant fand ich, dass er nach der Sendung mit diesem Patrick Tapp über die möglichen Lösungen des Problems gesprochen hat. Wallraff scheint sich in seine Ansicht, dass man Verträge via Telefon ganz verbieten müsse, nicht zu verbeißen, sondern hat Tapps Ausführungen über eine Erhöhung der Ordnungsgelder gespannt zugehört. Und am Ende haben sie Telefonnummern getauscht.

Für die Seite der Verbraucher konnte ich aus der Sache eigentlich nur Ernüchterndes ziehen: die Robinsonliste ist von ihrem Prinzip her schon paradox (man trägt sich ein, wenn man nicht mehr angerufen werden will, die Liste erhalten nur Mitglieder im Deutschen Direktmarketing Verband, diese Mitglieder verpflichten sich von vornherein aber ohnehin verbindlich, nur nach ausdrücklichem Einverständnis Telefonmarketing zu betreiben) und birgt eher noch die Gefahr, dass die eigenen Kontaktdaten irgendwem in die Hände fallen; um gegen ein ColdCall-Unternehmen was zu tun (via Anwalt, via DDV oder via Verbraucherschutz), braucht man dessen Namen, die Uhrzeit des Anrufs und günstigenfalls noch Details zum Gesprächsinhalt – und selbst wenn man die genannt kriegt, hat man immer noch für jedes einzelne Unternehmen einen Mordsaufwand am Arsch.

Tapp nannte den kommerziellen Telefonterror ein (vorübergehendes) Phänomen unserer Zeit. Und so sehr mich sein Betriebswirtschaftsjargon auch misstrauisch macht, könnte er Recht haben: Leuten via Telefon etwas aufschwatzen bringt derzeit zwar eine Menge Kohle, aber um als Unternehmen langfristig bestehen zu können, braucht man ein Vertrauensverhältnis zu zufriedenen Kunden. Auf lange Sicht werden solche Callcenter also wohl baden gehen. Zumal die derzeitige Thematisierung der Sache auch dazu führt, dass sich die ganze Vorgehensweise dauerhaft nicht mehr rechnen wird.

16 Kommentare

  1. 01

    Die Rückfragen würden mich interessieren…
    Ich habe die Sendung auch gesehn. Ein paar Menschen aus meinem Bekanntenkreis haben das Call Center Thema auch schon hinter sich. Ich kann auch nur sagen, entwieder rechtlich Zurückschiessen am Telefon, oder auflegen…

  2. 02

    Tapp irrt sich entweder absichtlich oder unabsichtlich. Auf jeden Fall aber irrt er sich gewaltig. Malte und Johnny, wart ihr in der letzten Zeit mal bei Edeka oder Reichelt einkaufen. Da gibt es jetzt Aktionsflächen. Gegen Geld versteht sich. Da steht dann der Tagesspiegel im Supermarkt und verkauft Abos mit Rücktrittsrecht.

    Die Flächenmiete ist nicht billig, die Leute kriegen das Blättchen ein paar Wochen umsonst. Wo liegt das Geschäft? Nicht darin das sie die Zeitung wirklich wollen. Aber sie sind vielfach zu faul zum Kündigen, verpassen die Termine und tschüss.

    Das gleiche gilt bei Telefongeschäften. Aufstoßen tun sie doch nur den schlauen. Der Rest merkt doch oft gar nicht das er betrogen wird. Die Sache funktioniert und ist lukrativ. Genau wie betteln. Deshalb wird sie nur beendet wenn sie bestraft wird. Massiv und hart. Mit Einzug der Firma, die ja eh nur zu diesem Zweck gegründet wurde.

  3. 03

    @ Jochen: Der Vergleich mit den Zeitungen hinkt, es fehtl ein zweiter Punkt: Tatsächlich muss die Auflage so hoch wie möglich sein, damit man den Werbeplatz in der Zeitung so teuer wie möglich verkaufen kann. Ein paar Gratis-Abos tun der Rechnungsabteilung nicht weh, dafür steht dann eine höhere Zahl hinter der Auflage, was die Werbepreise wieder in die Höhe treibt und mehr Einnahmen bringt, als ein Gratisabo Geld verbrennt.

  4. 04

    Es ist ja eine Sache, wenn mich jemand an einem Verkaufsstand auf der Straße oder auch im Supermarkt anspricht und mich fragt, ob ich Interesse an einer Zeitung hätte. Eine andere ist es, wenn der Vorsitzende des Call-Center-Verbands ohne Widerworte sagt, dass sein Verband das Telefon als Marketinginstrument betrachtet, schon da würde ich widersprechen wollen.

    Aber: Früher™ standen die Verkäufer vor der Haustür, und wer glaubt, die wären „ehrlicher“ gewesen, irrt. Das hat auch extrem genervt – Tür zuhauen ist noch schwerer als Hörer auflegen.

  5. 05

    An der Tür konnte man aber ein Schild anbringen „Betteln und Hausieren verboten“. An einer (zudem zufällig gewählten) Telefonnummer geht das nicht. Mit Ausnahme der Robinson-Liste. Was aber von der zu halten ist, siehe oben…

  6. 06

    Trotzdem stimmt, was Jochen sagt, dass diese Geschäftsmodelle ungeheure Massen an Dummköpfen ködern, und die entsprechenden Firmen (besser Auftraggeber) eine hohe Zahl Stornierungen, Rücklastschriften und Säumniszahler von vornherein so mitkalkuliert haben, dass sie noch lange fett davon werden.

    Hier an die Selbstheilungskräfte des Marktes zu glauben, ist naiv.

    „Zwei Dinge sind unendlich: Die Grenzen des Weltalls und die Dummheit der Menschen.“

    Bei einem potentiellen Marktanteil von ‚unendlich‘ kommst du mit ‚Glauben an das Gute‘ nicht weit.

    Da müssen die Klugen und Unbeugsamen sich mal wieder für die Dummen ins Zeug legen und ein Gesetz verabschieden.

  7. 07

    Es ist nichts anderes als SPAM, daran dürfte kein Zweifel bestehen.
    Und entsprechend sehen die Gegenmaßnahmen aus.

    Bei mir zu Hause kommt kein Anruf mehr durch, bei dem die Rufnummer nicht übertragen wird. Damit hat sich das Thema „Cold Calling“ ertsmal erledigt. Seit der Umstellung herrscht himmlische Ruhe. Zumal bei mir auch Computer angerufen haben. „Bonjour. Vous avez gagner!“. Ja, danke.

    Noch setzt danach die voice-analyse ein – da Französinnen (grin) die uns nicht kennen unseren Namen typischerweise falsch aussprechen und der Kreis der Unternehmen, die uns anrufen dürfen gering ist kann man nach wenigen Sekunden schon wieder auflegen.

    Eine Dame entgegnete auf mein „Ich will nicht, keine Zeit“ mit „das ist aber mein Job!“..schön..aber nicht auf meine Kosten, auch wenn mich diese menschliche Regung sehr rührte.

    Zurück zum Spam. Wenn also Cold-Caller die Rufnummern anstellen um die erste technische Sperre zu überwinden wird es nicht lange dauern bis es Blacklists gibt. Und angesichts der fortschreitenden Technologie werden die dann im Telefon gespeichert. Fertig.

    Das wird – im Gegensatz zu den e-Mails – deswegen funktionieren, weil die TK-Netzanbieter die Übermittlung falscher Anrufer-IDs unterbinden und der Generierung neuer Nummern Kosten entgegenstehen.

    In der Summe – ein Businessmodell ohne Zukunft. Man muß sich nur seinen VOIP-Provider sorgsam aussuchen ;-)

  8. 08

    Muß zustimmen, die Vorstellung, das sei ein von selbst Verschwindendes Phänomen halte ich für naiv.
    Langfristige Kundenbindung ist nur wichtig, wenn die Firma auch langfristig existieren soll. Telefonabzocke, dichtmachen, Variante der Abzocke aufmachen, repeat.
    Spammail funktioniert schliesslich auch ohne langfristige Kundenbindung.

  9. 09

    Ich empfehle wie immer in solchen Fällen das Telefon-Abwehrskript:
    http://www.xs4all.nl/~egbg/duits.pdf

    Da hat man wenigstens auch seinen Spass…..

  10. 10

    @johnny: „[…] von einem Mann, der schon hörbar undfreundlicher war […]“

    hab‘ mich einen moment lang gewundert, warum der dann einfach aufgelegt hat, wenn der doch so freundlich war. und hoerbar ist am telefon sicher immer praktisch ;-)

  11. 11

    Wo kann man eigentlich eine unzensierte Version von „Der Aufmacher“ bestellen? Zwar habe ich das Buch vor langer Zeit mal unzensiert gelesen, aber ich wollte es mir nochmal anschauen, nur ist leider die Amazon.de-Version komplett unbenutzbar — da sind ganze Seiten rausgenommen (ich glaube wg. erfolgreichen Verleumdungsklagen).

  12. 12

    ich würd’s hier versuchen:

    http://zvab.com

  13. 13

    Was ich nie verstehen werden ist, dass sich Menschen mit einer reichlich markanten Siluette Silhouette hinter so einer Wand meinen verstecken zu können. Oder sind Nase und Bart nur eine extra Tarnung?

  14. 14
    Informer

    Ich glaube, dass Herr Tapp mit „unserer Zeit“ nicht „diesen Sommer“ oder „2006/2007“ meint. Ich verstehe das eher wie „dieses Jahrzehnt“ (siehe Johnny: Wie oft wurdet ihr so von Haustürvertretern besucht? Ich kann mich spontan an drei Fälle in den letzten zehn Jahren erinnern).
    Insofern geht dieser ganze Quatsch natürlich auch nicht ganz „von selbst“ den Bach runter, sondern eben dadurch, dass wir alle ein Bewusstsein für die Problematik entwickeln (und auch in unsere Umgebungen tragen).

    @9 (Pyrolator)

    Bitte nicht immer das „Gegenskript“. Ja, das kann verdammt Spaß machen, aber der Eindruck, dass das irgendwo“gegen“ hilft, geht IMHO schon in Richtung Heuchelei.

  15. 15

    Mal abgesehen von der unfreundlichen Belästigung: besonders ärgerlich finde ich, daß die Callcenter in Mecklenburg-Vorpommern mit Staatsgeldern (Arbeitsamt) aufgebaut wurden. Und daß (wie Wallraff im Zeit-Magazin schreibt) Arbeitslose solche Jobs annehmen müssen.