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Would you please explain Europe?

Nous travaillons actuellement pour l“™Europe.
Voire pour le monde.
Noir Désir – Europe

Ich bin schon immer ein motivierter Europa-Schüler gewesen. Skeptisch zwar, aber motiviert. Auch wenn ich die tagespolitischen Albernheiten immer ignoriert habe und bei vielen Entscheidungen nur achselzuckend danebenstand.

Anlässlich des EU-Gipfels habe ich mich dann doch ein wenig gewundert: Ich verstehe schlichtweg nicht, was da jetzt genau passiert ist. Polen ist zickig, Deutschland bekommt extra Blumenstäuße und England hat die Zimmereinrichtung nicht gefallen, weswegen man da ein wenig hat umbauen müssen. War das ein EU-Gipfel, oder war das eine Vorab-Berichterstattung live vom Hollywoodset zu Fluch der Karibik (7)?

Aber ich bin ja motiviert. Deswegen habe ich mich hingesetzt und die Presse durchforstet, von links nach rechts und wieder zurück. Das war vor vier Stunden. Nun sitz ich hier, ich armer Tor, auf einem Berg von Fragen, der unangenehm piekst. Vielleicht ist es ein demokratisches Armutszeugnis meinerseits, aber ich habe noch immer keine Ahnung, was da jetzt genau beschlossen wurde auf diesem ominösen Gipfel und welche Bedeutung das jetzt hat. Ich will versuchen, das der Reihe nach aufzudröseln. Mal sehen:

1. Symbolik
Der europäische Außenminister ist ein Außenminister, darf aber nicht Außenminister heißen, sondern irgendwie anders. Die Verfassung ist vielleicht eine Verfassung, vielleicht aber auch nicht, darf aber keinesfalls Verfassung heißen, und Europa muss in Zukunft ohne Soundtrack auskommen. Letzteres freut mich, da ich Schiller nicht ausstehen kann.

2. Abstimmungsverfahren
Vor zwei Jahren versuchten mir überzeugte Verfassungsverfechter klarzumachen, dass Europa nur dann eine Chance hätte, wenn man es „reformiere“. Das hieß in erster Linie: Wenn man das Abstimmungsverfahren „reformiere“. Schnell. Auf der Stelle. Lieber gestern als heute. Dieses schöne Wort, das nichts mehr heißt, „reformiert“, hat Frau Merkel auch in den Mund genommen. Um uns zu sagen, dass wir jetzt zehn Jahre lang weiterhin so abstimmen werden, wie es in Nizza beschlossen wurde. Dass sich die nächsten zehn Jahre nichts ändert. Das also nennt man eine grundlegende, notwendige und dringende Reform.

3. Charta der Grundrechte
Grundrechte sind Grundrechte sind Grundrechte. Außer für Großbritannien, Irland und Polen. Wer sonst gerne weniger Grundrechte hätte, hebe bitte den Finger: Alles Verhandlungssache.

Die Franzosen und Niederländer haben zu genau diesen Maßnahmen „Nein“ gesagt, die Deutschen sind noch nicht einmal gefragt worden. Wenn bis 2009 der Vertrag überall ratifiziert worden ist, haben wir eine europäische Verfassung, die nicht Verfassung heißen darf, und die in einer Weise beschlossen wurde, die demokratisch zu nennen ich mich weigere.

Das ist nicht mein Europa, das da beschlossen wird. Dazu verstehe ich das ganze Kauderwelsch zu wenig, dazu müsste mir mal jemand erklären, warum die Grundrechte ausgelagert werden. Und warum ich eigentlich zu meiner Verfassung nicht befragt werde.

Answers anyone?

32 Kommentare

  1. 01

    Du wirst zu der Verfassung nicht gefragt, weil es in Deutschland aufgrund GG nicht geht. Stichwort: Volksentscheid.

    Der Streit um die GrundrechteCharta ist schon einige Jahre alt. Hauptknackpunkt: Die sozialen und gewerkschaftlichen Grundrechte. Gibts nicht in allen Ländern, würden dann für alle gelten. Darum würden einige Mitglieder die gerne auslagern.

    Verfassung darf nicht „Verfassung“ heissen, weil das Staatsgebilde dazu fehlt. Und eben der „Souverän“ das europäische Volk sein müsste. Was es nicht ist, siehe Abstimmungsmodus (u.a. erste Antwort) Mit sowas verbringen Staatsrechtler ihre Freizeit ;-) Lesetipp: EU Artikel – kann aber nur ein Anfang sein, es gibt sehr viele Aufsätze zu dem Thema…

    Reformation des Abstimmungsverfahrens: Auf den Punkt gebracht – das EU-Parlament möchte mehr Einfluss. Das will aber die EU-Kommission nicht. Parlament = gewählte Parteien (Europawahl) Kommission = Vertreter durch die Mitgliedsstaaten entsandt. Zweites Problem: Zwang zur Einstimmigkeit. Überholt? Jein – aber durch ein derart strenges Regularium reicht eben ein „Spielverderber“, um wichtige Entscheidungen zu blockieren.

    usw. uws.

  2. 02

    1.) namen sind schall und rauch (sag des mal nem physiklehrer, wenn du wieder bei den variablen kreativ warst). ob der aussenminister nun aussenminister heisst oder nicht…egal, viel wichtiger ist doch, was er zu sagen hat. und genau da hab ich gewisse zweifel. hab eher den eindruck, dass weiterhin jeder seins machen wird und es zudem noch eine „gesamteuropäische“ meinung geben wird.

    2.)das nennt man fortschritt und ausserdem muss man das ja auch immer in beziehung setzen zu… na sagen wir mal so, die erde gibt’s schon so lange, da machen die 10 jahre auch nix mehr aus…oder so.
    3.)du willst doch jetzt nicht ernsthaft ein „demokratischeres deutschland“, oder? dafür durfte sich schon lafontaine letzte woche im spiegel anhören, dass er die „staatsfrage“ stellt…ich werd mal gleich die freunde vom verfassungsschutz anrufen, vielleicht können die dir weiterhelfen ;)

    cya
    mwi

  3. 03
    Christian

    Nun, ob die Franzosen am 29. Mai tatsächlich ausgerechnet zur Grundrechtecharta « Nein » sagen wollten und nicht etwa zu der damals äußerst unbeliebten eigenen Regierung Raffarin, den vermeintlich wirtschaftsliberalen Artikeln der Verfassung oder vielleicht sogar zu den « plombiers polonais » (um auch einmal einen häßlichen Aspekt des französischen « Neins » anzusprechen!), darüber kann man mit Sicherheit streiten.

    Abgesehen davon habe ich den Eindruck, dass in der Blogosphäre ausgerechnet dann immer allen die Komplexität juristischer Texte auffällt, wenn es um Europa geht – sonst eher nicht. Allgemein gesagt (ohne, dass ich das Deinem Post vorwerfen möchte): Offenbar ist Euro-Bashing für Blogs ziemlich lohnend, man kann schön polemisieren, muss nicht allzu tief in die juristische Materie einsteigen (die anderen tun es ja auch nicht), und ist sich des schnellen Applauses trotzdem sicher …

    Deine drei Kritikpunkte sind berechtigt, allerdings weiß ich nicht, wie man sie derzeit besser regeln sollte: Das Ergebnis ist einfach ein Kompromiss, der zwischen 27 (!) Staaten zustande kommen muss. Das war in Europa in den letzten 50 Jahren schon so (abgesehen davon natürlich, dass sich in der EWG-6 Kompromisse natürlich leichter finden ließen).

    Deshalb meine Frage: Wenn, wie Du schreibst, das nicht Dein Europa ist, wie sieht denn dann Dein Europa aus?

  4. 04

    Wenn ich das richtig im Gedächtnis habe, ist ein weiteres Problem speziell für GB, dass diese keine Verfassung haben und das quasi einzige Gebot des Parlaments ist, dass keine Gesetze erlassen werden können, die das Parlament nicht auch wieder ändern kann. Und genau das wäre eine Verfassung und genau das wären Grundrechte.
    Wie gesagt, keine Gewähr. Hab mich vor Jahren mal damit beschäftigt.

  5. 05
    Jan(TM)

    Die EU ist ein Papiertiger der gegen die Mehrheit der Bevölkerung agiert. Alles was EU bringt ist Gleichmacherei, Bürokratie und Stillstand(„… da warten wir auf eine Gesamteuropäische Lösung …“).

  6. 06
    Frédéric

    @ Christian: Mein erträumtes Europa würde ich zumindest ansatzweise begreifen. Das wäre die Voraussetzung, um überhaupt über ein Europa mitdiskutieren zu können. Was allerdings nach so einem „Gipfel“ übrigbleibt, ist nichts weiter, als eine bleierne Leere im Kopf. Und jeder Versuch, sich ein bißchen Klarheit hinter den „Europa ist wichtig“-Ausrufen zu verschaffen, lässt mich an den juristischen Texten scheitern.
    Am Ende steht dann der Gedanke: Mit mir hat das nicht viel zu tun. Was mich ärgert: Erstens ich über mich, weil ich’s nicht versteh, und zweitens ich über die juristischen Texte, aus dem gleichen Grund.

  7. 07
    Christian

    Faustus, böse Zungen behaupten, dass es eher ein Gebot Rupert Murdochs ist, der mit « The Sun » und « News of the World » weite Teile des britischen Boulevardzeitungsmarkts beherrscht und seinen Zeitungen ganz offen seine anti-europäischen Überzeugungen diktiert.

  8. 08
    Christian

    Frédéric: Ich finde die Grundlagen eigentlich nicht so kompliziert. Du musst das Drei-Säulen-Modell (2 x EG + GASP + PJZS) verstanden haben und ein paar Grundkenntnisse im allgemeinen Völkerrecht haben, dann ergibt sich das meiste. Sicher, man muss sich damit beschäftigen, verstehen kann man es aber eigentlich schon.

    Es ist auch nichts, was nun spezifisch mit der Europäischen Union zusammenhängt, ähnliche Probleme hat man sicherlich auch, wenn man beginnt, sich mit dem Europarat (der mit der Europäischen Union nichts zu tun hat) auseinanderzusetzen. Oder mit jeder anderen internationalen Organisation.

  9. 09

    Faustus (#4),

    Jein ;-) Es gibt hier keine schriftliche Verfassung in der Form wie sie von den meisten als Verfassung verstanden wird. Die „Verfassung“ ist eine Ansammlung von allen moeglichen Gesetzen, Chartern und Vertraegen, die im Endeffekt das gleiche erzielen.

    Da gibt es endlose Debatten und Diskussionen drueber, braucht man eine, braucht man keine, geht es so besser wie es jetzt ist usw usf.

    Eines der grossen Probleme ist gerade hier die Angst vor dem „European Superstate“, in dem die Souveraenitaet des United Kingdom verschwinden wuerde. Gerade so Begriffe wie „Verfassung“, „Aussenminister“ und eine Hymne erzeugen diesen Eindruck, weswegen sie besser gemieden werden wenn das ganze hier akzeptiert werden soll.

    Warum das mit den Grundrechten ein Problem war/ist weiss ich jetzt nicht mehr genau, muss ich noch mal nachlesen.

  10. 10
    Christian

    @ Jan(TM): Gähn. Willst Du nicht noch ein paar weitere Allgemeinplätze über die Politiker, etc. loswerden?

  11. 11

    So nebenbei …

    Wenige Tage nachdem Großbritannien die Teilnahme an einer ‚Charta der Grundrechte‘ abgelehnt hat, dazu gehört auch ‚Das Recht auf persönliche Freiheit und Sicherheit‘ (Art. 9, Abs. 1, Allgemeine Erklärung der Menschenrechte), wird eben dieses Land von Ängsten vor Terrorangriffen geplagt.

    Ich mag diese Ironie irgendwie. *fg

  12. 12
    Christian

    Auch das lässt sich leicht beantworten: Das « Problem » mit der Grundrechtscharta war, dass sie für die Mitgliedstaaten bislang nicht rechtsverbindlich (d.h. bindend) war: Sie hatte nach ihrer Schaffung durch den Gipfel von Nizza im Dezember 2000 also eher den Charakter einer « Absichtserklärung », völkerrechtlich verpflichtet waren die Staaten zur Einhaltung aber strenggenommen nicht (um nicht gar von der Möglichkeit einer Individualbeschwerde zu reden …).

    Das sollte sich mit der Europäischen Verfassung in der Giscard-Fassung ändern, danach wäre die Grundrechtscharta für alle Mitgliedstaaten bindend geworden, natürliche und (soweit anwendbar) juristische Personen hätten sich vor dem EuGH und nationalen Gerichten auf sie berufen können. Das ist ja aber bekanntlich am « Nein » der Franzosen und Holländer gescheitert …

    Im jetzt erreichten Kompromiss ist nun vorgesehen, dass die Charta zwar nicht in den Vertrag inkorporiert wird, aber durch eine Fußnote Rechtsverbindlichkeit erlangt – außer in Großbritannien. Also, nochmal in Kürze: Charta bald bindend – außer in Großbritannien.

  13. 13
    Frédéric

    @ Christian: Erstmal danke für dein Kommentar-Engagement :).Polen soll allerdings eine – wenn auch juristisch nicht wasserdichte (was auch immer das heißen mag) – einseitige Absichtserklärung unterzeichnet haben, um den Einfluss der Charta zu unterminieren.

  14. 14

    Cosmo (#11),

    was haben Terrorangriffe mit der Charter zu tun? Ich vermute mal stark dass sich die wenigesten Terroristen an irgendwelche Rechte in einer Charter der Grundrechte orientieren. Ich kann da keine Ironie erkennen, eher eine Unwirksamkeit solcher schoenen Rechte.

    Mal davon abgesehen:

    So gross sind die Aengste vor Terrorangriffen auch wieder nicht, die wenigsten werden davon „geplagt“. Wir sind das eigentlich gewohnt hier, so lange her sind die IRA Anschlaege ja noch nicht. Die meisten Menschen hier „are just getting on with their lives“, auch (und teilweise gerade) wenn es die Moeglichkeit von Anschlaegen gibt. In verschiedenen Blogs wird schon ueber die Inkompetenz der Attentaeter gelaestert…

    Und schliesslich: Ich vermute mal das Thema persoenliche Freiheit und Sicherheit ist auch in der Charta of Human Rights auch zu finden, und jene hat auch Grossbritannien unterschrieben, im Gegensatz zur Charter der Grundrechte. Womit sich Deine Argumentation erledigt haette.

  15. 15
    Christian

    @ Frédéric: Davon hatte ich noch nicht gehört, hast Du da vielleicht eine Quelle? – Generell kann man aber sagen, dass sich für Polen die Rechtspflichten im Ergebnis dadurch wohl nicht sonderlich ändern werden: Wie jeder andere Mitgliedstaat auch ist das Land durch viele andere Rechtsquellen zur Einhaltung von Grundrechten verpflichtet, die mit dem Inhalt der Charta teilweise deckungsgleich sind:

    – Aus der EMRK (Europäische Menschenrechtskonvention) des Europarats (auf die übrigens schon jetzt in Art. 6 EUV verwiesen wird)

    – aus den nationalen polnischen Grundrechten

    – aus den durch ständige Rechtsprechung des EuGH entwickelten Gemeinschaftsgrundrechten.

    Vieles davon ist deckungsgleich, nur die Rechtsquelle für das betreffende Recht würde dann eine andere sein. Gleiches gilt natürlich für Großbritannien

  16. 16
    Frédéric

    Quelle taz.

  17. 17
    Christian

    Übrigens: Wenn ich mich nicht irre, hat der EuGH (bzw. zumindest das Gericht erster Instanz?) die Grundrechtscharta inzwischen schon als Rechtserkenntnisquelle zur Bestimmung der von ihm entwickelten Gemeinschaftsgrundrechte herangezogen (ebenso wie schon vorher die « gemeinsamen Verfassungstraditionen der einzelnen Mitgliedstaaten »). Nach der betreffenden Entscheidung müsste ich aber noch einmal googlen …

  18. 18
    Christian

    Frédéric: Danke für die Quelle – der taz-Artikel stellt Polens Verpflichtungen aus der EMRK ja auch dar.

  19. 19

    Vielleicht ja fuer einige interessant: Q&A: Charter of Fundamental Rights. Erklaert warum Grossbritannien damit Probleme hat, einige Unterschiede zur Convention of Human Rights usw.

  20. 20

    @Manuel
    Es ist eine Legende, dass das Grundgesetzes der Grund ist, warum es in Deutschland keine Volksabstimmungen geben kann. Artikel 20 spricht nur von „Wahlen und Abstimmungen“. Nicht wie diese konkret aussehen. Für Volksabstimmungen fehlt alleine ein Gesetz zur Durchführung. Ansonsten erlaubt das Grundgesetz sehr wohl Volksabstimmungen und schreibt diese auch zwingend vor, wenn Teile des Bundesgebietes neu geordnet werden sollen (Artikel 29).

  21. 21
    Christof

    „žWir beschließen etwas, stellen das dann in den Raum und warten einige Zeit ab, ob was passiert. Wenn es dann kein großes Geschrei gibt und keine Aufstände, weil die meisten gar nicht begreifen, was da beschlossen wurde, dann machen wir weiter – Schritt für Schritt, bis es kein Zurück mehr gibt.“
    (Jean-Claude Juncker – SPIEGEL 52/1999)

  22. 22
    dieMusterknaben

    Es ist leider kein Phänomen, daß der Durschnittsbürger wenig Kenntnis von der inneren Struktur der Europäischen Gemeinschaft hat. Vielmehr ist es hinzunehmende Gegebenheit.

    Denn die wirkliche Dimension dieser Strukturen erschließt sich erst Personenkreisen, die dem fortgeschrittenen Jurastudenten vergleichbar sind.
    Gehört man jedoch erst einmal zu dieser elitären Bildungsgruppe, stellt sich schnell die gebotene Sachlichkeit ein und die Fata Morgana eines viel zu niedrigen europäischen Grundrechtsschutzes löst sich schneller auf als der Morgentau in der Wüste.

    Die Interessen der Mitgliedsstaaten sind anders verteilt.
    Es gibt diejenigen die sich dem Plan eines zu verstaatlichten Europas geradezu anbiedernd anschließen und es gibt diejenigen welche zukunftssicher ihre nationale Identität absichern wollen – das und nichts anderes.

    So, genug gedacht für heute.

  23. 23

    @ #14

    Ach, Armin. Dass du diesen Humor nicht verstehst ist ja klar. Dazu braucht man noch Sarkasmus im Blut.

    Wenn ich die Begebenheit, dass Jesus Christus, Sohn eines Zimmermanns, am Ende seines Lebens an ein Kreuz genagelt wurde, für eine Ironie des Schicksals halte, heißt das nicht, dass ich von einer wissenschaftlichen Kausalkette spreche. Trotzdem kann ich das lustig finden.

    Analog dazu mein Text unter #11. Davon zu sprechen, dass sich damit meine ‚Argumentation erledigt haette‘ ist daher ziemlich unsinning.

    Und so zu tun, als wenn das ganze Terror-Tam-Tam die Briten nicht juckt, ist schlicht ignorant. Im Vergleich zu Frankfurt, Paris oder Barcelona ist allein Ankommen oder Abfliegen von einem Londoner Flughafen bereits bei ‚Erhöhter Sichheitsstufe‘ mit großem Ärger und Wartezeiten verbunden, um dann an der ‚Höchsten Sicherheitsstufe‘ keine Plage mehr erkennen zu können, muss man schon ziemlich stumpf gemacht worden sein. Aber das war ja auch das Ziel der Übung.

    Über Orientierungen von Terroristen habe ich übrigens gar nichts zu berichten.
    Ich persönlich halte eine tatsächliche Bedrohung durch das ‚Romulanische Imperium‘ nach wie vor für wahrscheinlicher als eine tatsächliche Bedrohung durch ein ‚Netzwerk Al-Kaida‘, das so sein soll, wie die ‚Major Media‘ es mir gern weismachen will.

  24. 24
    Christian

    @ „Musterknaben“: Magst Du nicht vielleicht noch sagen, wer Deiner Meinung nach „diejenigen“ sind, die sich dem Plan eines zu „verstaatlichten Europas“ (? – „zu verstaatlichenden“ ?) angeblich geradezu „anbiedernd“ anschließen bzw. „diejenigen“, die „zukunftssicher“ ihre „nationale Identität“ absichern wollen?

    Bei so vielen plakativen Schlagworten interessiert mich schon, was Du damit eigentlich meinst.

    @ Cosmo: Den Bezug zur Grundrechtscharta sehe ich wie Armin auch eher nicht, weder normal noch sarkastisch betrachtet.

  25. 25

    Cosmo,

    Du verwechselt da zwei Sachen: Den Aktionismus der Regierung bzw der Behoerden und die tatsaechlich gefuehlte Angst der Buerger.

    Du schreibst „dieses Land von Ängsten vor Terrorangriffen geplagt“.

    Und eben das bestreite ich. Klar, die Politiker stellen sich erst einmal hin und faseln etwas von „the safety of our people is our highest priority“ und „we all have to be extra vigilant now“ und aehnliche Phrasen. Weil sie etwas tun muessen wird dann einiges an Security Theatre gemacht, damit sind dann die etwas aengstlicheren der Buerger ruhig gestellt. Aber die grosse Mehrheit lebt einfach weiter und verkriecht sich nicht in Angst unter einer Decke. Die fliegen weiter in Urlaub, gehen in den night club usw usf. Die sind auch genervt von dem ganzen Theater, der Hauptgrund dass sie nicht meckern ist vor allem dass man dies halt generell nicht tut. Man grummelt halt ein bisschen und fuegt sich dann. Wie man es mit tausenden anderen Dingen auch tut, den unzuverlaessigen Zuegen, dem (angeblich) schlechten Wetter und dem allgegenwaertigen nutzlosen Call Centre.

    Mal davon abgesehen dass sich diese Sicherheitsstufen in den taeglichen Auswirkungen nicht viel tun. Die Kontrollen sind so ziemlich die gleichen (und meines Erachtens praktisch nicht anders als in irgendwelchen anderen Laendern. Ich fliege sehr selten, aber soweit ich mich entsinnen kann war es in Deutschland sehr viel strenger als hier in London und Bristol. Soweit ich mich erinnern kann habe ich meine Schuhe bisher nur in Deutschland ausziehen muessen…). Jetzt laufen ein paar mehr Polizisten Streife und die Polizei hat erst einmal Urlaubssperre. Das war’s dann aber auch. Sofern jetzt die naechsten Tage nichts weiter passiert geht man bald wieder zur Tagesordnung ueber.

  26. 26
    Christian

    Vor allem war, denke ich, die Sicherheitspolitik wohl nicht der Grund für die Ablehnung der Charta durch Großbritannien, sondern eher die darin enthaltenen erweiterten sozialen Rechte.

  27. 27
    kleineMeinungamNachmittag

    nächste Schritte USEA :
    Euro-Dollar Wechselkursbindung, Transatlantische Freihandelszone

    das legt jedenfalls zB dieses Merkel Porträt nahe :
    Angela Merkel relies on the advice of Jeffrey Gedmin, […] This lobbyist first worked at the American Enterprise Institute (AEI) under Richard Perle and Mrs. Dick Cheney. He enthusiastically encouraged the creation of a Euro with Dollar parity exchange rate. Within the AEI, he led the New Atlantic Initiative (NAI), which brought together all the America-friendly generals and politicians in Europe. He was then involved in the Project for a New American Century (PNAC) and wrote the chapter on Europe in the neocon programme. He argued that the European Union should remain under NATO authority and that this would only be possible by „discouraging European calls for emancipation.“ Finally he became the administrator of the Council of the Community of Democracies (CCD), which argues in favour of a two-speed UN, and became director of the Aspen Institute in Berlin.
    Subsequently he turned down the offer […]of the post of deputy US ambassador to the UN so as to be able to devote himself exclusively to Angela Merkel.[…]

    ( andere Links find ich grad nicht )

    Dinge wie Europäische Idee, Menschenrechte oder Deutsches Grundgesetz stören da nur, wenn man sich die zukünftige konsequente militarisierung im Innern durch den EU Vertrag anssieht – in dem Zusammenhang macht das Sinn, denn mit solchen Plänen werden sicher nicht alle einverstanden sein

  28. 28
  29. 29

    Es ist recht schwierig, herauszufinden, was, jenseits von institutionellen Änderungen, vom Verfassungsentwurf in den Vertrag übernommen wird.

    Einiges was ich herausbekommen konnte, ist m.E. positiv zu bewerten, wird doch im Gegensatz, etwa zum Maastrichtvertrag, der soziale Gehalt der Union gestärkt.

    Der sozialstaatliche Kerngehalt findet sich explizit im Verfassungsvertrag unter anderem in Artikel I-3, der die EU auf den Grundsatz einer „žsozialen Marktwirtschaft, die auf Vollbeschäftigung und sozialen Fortschritt abzielt“, festlegt.

    Mittelbar – auch wenn hier vorerst nur in Form einer Proklamation festgehalten, wird die Formulierung im Vertragstext :“žDie Union bekämpft soziale Ausgrenzung und Diskriminierungen und fördert soziale Gerechtigkeit und sozialen Schutz, die Gleichstellung von Frauen und Männern, die Solidarität zwischen den Generationen und den Schutz der Rechte des Kindes.“ auch Rechtswirkungen entfalten.

    Diese Formulierungen gehen im übrigen um einiges über die im Grundgesetz enthaltenen Bestimmungen hinaus – ich denke das wird auch das Bundesverfassungsgericht in Zukunft beschäftigen, ggf. zu einem „Solange III“ führen.

    Bemerkenswert auch, dass die im geltenden Vertrag (Nizza) aufgeführte Festlegung auf eine „offene Marktwirtschaft“ zur „sozialen Marktwirtschaft“ abgeändert wird.

    Erstmals wird der Wertekanon im Vertrag auch um das Prinzip „žGleichheit“ erweitert. Und ebenso zukunftsweisend ist die neue sozialpolitische Querschnittsklausel (Artikel III-117 des Verfassungsvertrags).

    Danach muss die Union künftig bei jeder einzelnen Maßnahme, zum Beispiel einer Verordnung oder Richtlinie, nachweisen, dass sie den „žErfordernissen im Zusammenhang mit der Förderung eines hohen Beschäftigungsniveaus, der Gewährleistung eines angemessenen sozialen Schutzes, der Bekämpfung der sozialen Ausgrenzung sowie mit einem hohen Niveau der allgemeinen und beruflichen Bildung und des Gesundheitsschutzes“ Rechnung trägt – das bedeutet auch eine Neukalibrierung des Prinzips der Subsidarität, da implizit hier dem EU Kanon Vorrecht über nationalem Recht eingeräumt wird.

    Geradzu revolutionär wirkt das Mandat für die Regierungskonferenz, den „freien und unverfälschten Wettbewerb“ aus den Zielen der Union zu streichen – ein weiterer Indikator, dass sich die EU von neoliberalen Politikansätzen distanziert und die soziale Dimension der Union in den Vordergrund rückt.

    Ausblick

    Soviel zu den mir bekannten Ansätzen des neuen Vertrags. Die Verhandlungen darüber sollen bereits am 23. Juli im Rahmen einer EU-Aussenministerkonferenz beginnen.

    Worüber ich nichts finden konnte, war das Moment der Bürgerbeteiligung, wie es im Verfassungstext vorgesehen war. Hoffentlich hat man die Möglichkeit den Bürgern über einen europaweiten Volksentscheid Mitsprachemöglichkeiten zu geben, nicht gekippt.

    Ob dies so kommt, ist auch eher unwahrscheinlich – melden doch bereits einige Regierungen erneut Änderungswünsche an. Aber in Kernbereichen könnte der Vertrag – auch wenn er widerum ein Zeichen des Mißtrauens der Eliten gegenüber den Bürgern darstellt – zu einer sozialen Vertiefung der europäischen Union beitragen.

  30. 30

    Shit, meine Pathos Tags wurden gekillt :0(

  31. 31
    Frédéric

    @ Limited: Jetzt bin ich endgültig heillos verwirrt. Den sozialen Gehalt der EU im Vergleich zu Maastricht zu stärken, scheint mir tatsächlich keine große Herausforderung. Was mich jetzt aber verwundert, ist die Annahme, dass der jetzige Vertrag in seinen sozialen Schutzmaßnahmen noch über das GG hinausgeht: Soviel ich gelesen habe, war immer die Rede davon, dass wir hier bald so einigen sozialen Rechten hinterherwinkewinken dürfen.

    Zur Bürgerbeteiligung habe ich einen Text gelesen (weiß aber nicht mehr wo), dass eine Millionen Stimmen reichen, damit sich die Kommission (korrigiert mich, wenn es nicht die Kommission ist) mit einem Anliegen beschäftigen muss.

  32. 32
    BEN

    Wow. Also über den Artikel braucht man ja kar nicht lang zu reden – EU-Bashing ist zimelich gähn…

    Aber einige von den Kommentaren sind doch recht interessant und fundiert, sollten vielleicht diese Leute mal was über die EU schreiben…