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Gespräch mit einer Hure, 2. Teil

Spreeblick: Ist das ein Element, das du selber häufig bei Freiern bemerkst? Die Suche nach dem Überlegenheitsgefühl? Das klassische Bild vom Freier ist ja: Der bekommt zuhause nicht das, was er im Bordell sucht, der hat überhaupt keinen Zugang zu Frauen.
Nora (lacht): Intern sagen wir ja: „100% aller Männer waren schon einmal im Puff.“ Mein Papa aber nicht.

Spreeblick: Meine Privatempirie besagt: Viele waren ein Mal und fanden es nicht gut.
Nora: Jedenfalls bekomme ich dieses Klischee vom armen Schwein so nicht mit. Ich erlebe ein, zwei Menschen, die wirklich nur in Beziehungspausen zu mir kommen, die dann auch immer wieder durchblicken lassen, dass sie eigentlich darunter leiden, jetzt dafür bezahlen zu müssen. Die dann sagen: „Scheiße, ich will wieder eine Freundin haben, ich bin zu oft hier.“ Ansonsten bekomme ich ganz bestimmt nicht den Typ des Durchschnittsfreiers mit. Ich bin sogar berühmt dafür in meinem Laden, mir eine Kuriositätensammlung an Land gezogen zu haben. Vermutlich, weil ich sehr auf einer persönlichen Ebene funktioniere. Bei mir landen grundsätzlich nicht die, die eine Machtfantasie ausleben, die einfach nur einen Körper wollen.

Spreeblick: Wie kommt denn überhaupt der Kontakt zum Freier zustande?
Nora: Wenn der Freier keinen Termin hat, wird er von der Hausdame in ein freies Zimmer geführt, die Hausdame sagt uns daraufhin im Aufenthaltsraum Bescheid, wir stehen auf, gehen nacheinander rein, geben dem Mann die Hand, sagen unseren Namen und sind nach vier Sekunden wieder draußen. Die Männer sagen dann regelmäßig: „Ich bin reizüberflutet, ich habe die Namen vergessen, bringen Sie mir die große Blonde.“ Aber Kommunikationsforschern zufolge sind die ersten vier Sekunden der Moment, wo es funkt oder nicht funkt.

Spreeblick: Und du hast also meistens das Glück, innerhalb dieser vier Sekunden die richtigen Signale zu empfangen und abzugeben?
Nora: Genau. Von Kolleginnen höre ich jedoch sehr wohl Geschichten über Freier, die sagen „Ich habe aber im Internet gelesen, dass du das machst, mach´das bitte so und so, ich will aber auch Zungenküsse“. Aus meinem persönlichen Freierdurchschnitt habe ich den Eindruck, dass es um sehr viel mehr als um Sex geht. Es geht um sehr viel Sensibilität. Verträgt der Freier es jetzt zum Beispiel, wenn ich auf die Tube drücke, weil die halbe Stunde gleich vorbei ist? Manchmal ist es runder, wenn wir die halbe Stunde nur nebeneinander liegen, weil alles andere ihn völlig konfus und neurotisch machen würde. Für mich hat das Ganze durchaus therapeutische Aspekte. Daher habe ich auch regelmäßig Leute, die seelisch sehr auf mich anspringen, sich also entweder verlieben oder überhaupt seelische Extremfälle sind. Manche sind mir von Nina de Vries vermittelt worden.

Spreeblick: Die kenne ich nicht.
Nora: Nina de Vries arbeitet mit Menschen, die sexuelle Probleme haben. Sie bietet selber auch Handentspannung an. Männer, die aber sagen: „Ich bin jetzt vierzig, ich will endlich mal Sex gehabt haben“, die vermittelt sie dann unter anderem an mich weiter. Was vielleicht dafür spricht, was ich für einen Menschentypus anziehe.

Spreeblick: Hat die Prostitution deinen privaten Umgang mit Sex verändert?
Nora: Ich bin wählerischer geworden. Mittelguten Sex bekomme ich auch im Job.
Spreeblick: Befriedigend Minus.
Nora: Ich genieße es, keine Zeitbegrenzung zu haben. Ich muss aber darauf achten, mich nicht damit zufrieden zu geben, wenn ich meinen Partner zufrieden gestellt habe. Etwas, aus dem ich beim Job Genugtuung ziehe, was beim privaten Sex aber verheerend wäre.

Spreeblick: Wissen deine Eltern von deiner Tätigkeit?
Nora: Ja. Denen habe ich nach einem dreiviertel Jahr einzeln am Telefon davon erzählt. Mein Vater hat gesagt: „Pass auf, dass du dir nichts einfängst“. Meine Mutter meinte, sie müsse sich da erst einmal dran gewöhnen. Viele Affekte haben sie mit Sicherheit unterdrückt. Sie haben sich gefragt, ob sie Schuld seien. Das konnte ich ihnen aber ausreden.

Spreeblick: Bist du innerhalb von Freundschaften und Beziehungen genauso offen?
Nora: Ich habe keine Freunde mehr, die es nicht wissen. Zwei Freundschaften mit Männern sind allerdings daran zerbrochen, weil sie immer wieder nachgebohrt haben, ob ich nicht vielleicht doch missbraucht wurde. Was Beziehungen angeht: Immer, wenn ich jemanden kennen lerne, mit dem es auf eine Beziehung hinauslaufen könnte, erzähle ich, dass ich als Hure jobbe. „Ich arbeite im Puff?“ – „Als was?“.

Spreeblick: Die Frage ist verständlich. Du entsprichst nicht gerade dem Bild, das man im Kopf hat. Schreckt das denn die Männer ab?
Nora: Manchmal ist dann nur Affäre geblieben, was sonst hätte Beziehung werden können. Eine Frau, die mit Hunderten von Männern geschlafen hat, kann natürlich verunsichernd wirken. Ich finde aber, dass das etwas ist, das mich interessant macht. Ich verlange diese geistige Flexibilität. Wenn der Mann die nicht hat, gibt er mir nicht viel. Es ist ganz spannend, wie sich die Geprächshaltung mir gegenüber verändert, wenn ich das erzählt habe. Die tollsten Anzugtypen denken dann auf einmal, sie könnten mir von allem erzählen, ihrem Mamakomplex, ihrer Frauenverachtung, außerdem hat auf einmal jeder Erfahrungen aus erster Hand. In eine Hure kann man eben alles hinein kippen.

Spreeblick: Du sagtest zu Beginn des Gesprächs, dass du den Begriff Hure umwertest. Aber ganz kannst du dich doch nicht davon frei machen, dass der Begriff so eindeutig negativ besetzt ist.
Nora: Wenn ich mir Geschichten von Freundinnen anhöre, dann weiß ich, dass ich mich als Hure nicht so behandeln lasse, wie sie es manchmal geschehen lassen. Eine wurde von einer Discobekanntschaft vor dem Sex noch zum Döner eingeladen. Nachher meinte er dann: „So, jetzt hatte ich einen guten Fick für 2,50 Euro“. So etwas würde mir nicht passieren.

Spreeblick: Das ist aber auch eine normale Altersentwicklung, dass man sich weniger gefallen lässt.
Nora: Insofern ist Prostitution für mich nur ein Beschleuniger für etwas, das sowieso passieren würde.

Spreeblick: In Schweden ist Prostitution verboten, weil sie die Würde der Frau verletzt, Alice Schwarzer sagt, dass nicht Prostitution das älteste Gewerbe der Welt sei, sondern Sklaverei. Und Prostitution somit nur eine Unterform der Sklaverei ist.
Nora: Alice Schwarzer sieht das zu schwarz-weiß. Männer sind die Bösen, Frauen die Guten. Aber Prostitution ist natürlich nicht der Königsweg. Fast wahllos mit Männern schlafen zu können, setzt mit Sicherheit eine ungesunde Fähigkeit voraus, Körper und Seele zu trennen. Das ist aber nur Symptom unserer sexuell verdrehten Gesellschaft. Wir haben alle unsere Panzerungen, unsere Neurosen entwickelt, weil wir aus einer den Sex unterdrückenden Erziehung kommen. In einer vollkommen seligen Welt, in der alle den ganzen Tag vor Ganzkörperorgasmen erbeben, würde es das nicht geben.

Spreeblick: Im Paradies wäre kein Platz für Prostitution. Das denke ich bei vielen anderen Berufen aber auch.
Nora: Es ist eben auch ungesund, wenn eine Stewardess angehalten ist, weiter zu lächeln, wenn sie angeschnauzt wird. Genauso, wenn die Prostituierte mit geöffneten Beinen daliegt, obwohl sie sich innerlich verschließt. Das ist eine ungesunde Schizophrenie. Wenn aber die Zwangsprostituierte sagt: „Mein Zuhälter ist netter zu mir als mein Mann“ – soll man dann sagen: „Nein, der Zuhälter ist schlecht, das haben wir im Gesetz festgelegt?“ Nein, man kann nur sagen: „Ok, es geht ihr so besser, nicht gut, aber besser.“ Subjektiv ist Prostitution eventuell das, was dich am Besten da abholt, wo du stehst, theoretisch-objektiv aber passiert es in einem Rahmen, von dem man sagen kann, dass es nicht das Paradies ist und auch nicht ins Paradies führt. Insofern bin ich mit Schwarzer einer Meinung.

Erster Teil hier.

49 Kommentare

  1. 01

    und was machst Du, wenn Du einen Freier nicht magst? Kannst Du Dich dann soweit innerlich davon entfernen, dass es nicht mehr schlimm ist, mit ihm zu schlafen?

    Und ist das nicht eine komische Situation: Er will Sex, ihr redet kurz drüber, was er will, was Du machst und was nicht und dann fängt er an sich oder Du ihn auszuziehen? Ich könnte mir vorstellen, dass so gar keine entspannte Stimmung entstehen kann. Und vielleicht dass einige Männer sogar so nervös sind, dass „nichts klappt“?

    Arbeiten bei euch eigentlich auch Männer als „Hure“?

  2. 02
    nero

    Gibt es denn die Möglichkeit für StudentInnen ein bezahltes Praktikum im Bordell zu absolvieren? Oder nur unbezahlte Praktika, oder gar keine?
    Sind Teilzeit- oder Gleitzeitarbeit überhaupt erwünscht?
    Das wär jedenfalls ne tolle Möglichkeit die 500 Euro Studiengebühren zusammen zubekommen, ohne durch schlechtbezahlte Nebenjobs das Studium unnötig zu verlängern … Außerdem käme man so sicherlich auch mal in Kontakt mit den Politikern, die für die Studiengebühren verantwortlich sind, und könnte nochmal mit ihnen drüber reden. Natürlich nur wenn es die Zeit erlaubt. Vielleicht lernt man ja auch den ein oder anderen Bankier kennen, und kann ein paar Sonderkonditionen für einen Studenten-Kredit aushandeln …

  3. 03

    Ich finde es spannend zu sehen, dass es immer normaler wird sich zu prostituieren.
    die frauen, die sich einem goldkettchen, fitness, solarium, gel, macho unterwerfen, weil der mit geld um sich schmeißt – egal wo es her kommt (Börse, Straße), die rangieren am untersten Ende meiner toleranz/akzeptanz. wer sich aber hinstellt und sagt „ich besorge es dir für’n fuffie“, handelt doch viel ehrlicher.

  4. 04

    starker tobak :x

  5. 05
    matze

    @nora, machst Du Dir Gedanken übers Älter werden.
    Wenn ja, welche, in Bezug auf Job und Privates?

    Hast Du ein Ritual nach dem Verkehr (Masseure waschen z.B. ausgiebig die Hände, weil sie ja die ganzen (Ver-)Spannungen eines Menschen abbekommen.
    Und Du ja auch.

    @malte, was hast Du gelernt und was bestätigt bekommen?

  6. 06
    arne

    @Dough: Dein letzter Satz erinnert mich Stark an diesen Freak…

    http://nl.youtube.com/watch?v=Ztcxd59d_CQ

    …nicht Böse sein ;-)

    @nero: Kreativ, gefällt mir. Wenn das Geld kanpp wird…mmh…mal gucken was so geht, vielleicht ein Praktikum…

  7. 07
    martin

    ein Praktikum am Bahnhof Zoo ? nunja da geh ich lieber doch lieber Pizzas ausliefern
    Glaube als Mann kann man nur in der homosexuellen Branche Kasse machen.
    Mir bietet auch einer dauernd 50€ an, da muss ich aber ablehnen.

    oder hat jemand schonmal von einem „Laufhaus“ für Frauen gehört mit männlichen Prostituierten? Nein? Ich auch nicht ;)

  8. 08

    @arne
    hehe, wieso böse? habe mal einen von den jungs kennen gelernt und ich muss sagen, dass es menschen gibt die weniger recht haben. der spricht aus, was viele denken aber nicht sagen dürfen :)
    Mich würde interessieren, was NORA von vollassitoni hält…

  9. 09

    martin,

    nie American Gigolo gesehen?

    ;-)

  10. 10
    nero

    Ich warte ja immer noch auf den Youtube Remix Battle mit Vollassi Toni vs. Alice Schwarzer (a.k.a. the voice of Porno-Rapper Orgasmus One) …
    Die beiden würden zusammen ein prima Pop-duo abgeben. In Alice Schwarzer steckt nämlich mehr als man denkt :)

  11. 11
    nero

    @martin
    Natürlich gibt es auch männliche Prostituierte. Zum Beispiel in Japan. Da heißen die Laufhäuser allerdings „Host Bars“. Die Kundinnnen sind größtenteils selbst Prostituierte, die sich nach Liebe sehenen. Und die ist natürlich nur echt wenn sie auch ihren Preis hat.
    The Great Happiness Space von Jake Clennel.
    Prädikat sehr sehenswert, finde ich.

  12. 12
    PegaMixel

    „Sind Teilzeit- oder Gleitzeitarbeit überhaupt erwünscht?“ from Nero.
    Ich find den Begriff Gleitzeit, im Zusammenhang mit dem Thema, unheimlich lustig :-)

    Naja, der Joke ist flach, aber lustig!

  13. 13
    martin

    @arnim .. nein bisher noch nicht ich schau selten Filme aber werd den mal im Hinterkopf behalten wenn ich mal wieder ein Filabend mache *g*

    @nero wusst ich noch nicht … was es nicht alles gibt =:) aber kann mir nicht wirklich vorstellen das die Liebe da echt ist

  14. 14
    G

    Irgendwie diskutiert Nora doch nicht mit. Schade…

  15. 15
    Andreas

    Gibt wahrscheinlich zu wenig Euros hier…

  16. 16
    Nora

    Natürlich, wenn sich eine Hure nicht an der Diskussion beteiligt, liegt es daran, dass sie keine Kohle dafür kriegt… Wahnsinn, wie ihr mir das Etikett auf die Stirn klebt! Tatsache ist, dass ich mich an das irrsinnige Tempo der Blogger erst noch gewöhnen muss. Ja, ich bin Karo vom Küchenradio. Häme unverstanden. Es reden halt nicht viele Frauen über diesen Job. – Ob mir Sex privat noch Spaß mache? Nun ja, wirke ich vielleicht wie eine Person, der es egal wäre, wenn sie sich „die schönste Nebensache der Welt“ für ein paar Euros versauen würde? usw. – das heißt, viele Fragen beantworten sich wohl von selbst. Andere Fragen sind mir schlicht zu intim. Hättet ihr euch bei einer Kellnerin nach ihrer vaginalen Erregbarkeit erkundigt? Eine Privatsphäre der Hure scheint es nicht zu geben… ein in jeder Hinsicht und Beziehung öffentlich zugänglicher Körper, so wird er gehandelt, auch von denen, die seinen konkreten Gebrauch weit von sich weisen… Also: keinen Kommentar. Jedenfalls verschweige ich keine sexuellen Traumata, habe keinen Zuhälter, kann nicht mit anderen Katastrophen aufwarten. Viele Fragen wiederholen nur die ewige Problematisierung der Prostitution – und gehen damit an dem Zugang zur Realität, oder besser: zu den z.T. gegensätzlichen Realitäten, vorbei.

  17. 17
    Gregor

    @Nora:
    Eine Frage von eben hab ich jetzt zurück genommen. Aber die hier interessiert mich wirklich:

    Was machst du neben diesem Job? Sind die meisten deiner Kolleginnen nur „Teilzeit“?

  18. 18

    Nora: Ich denke mal, die Fragen sind einfach intim, weil das ganze Thema schon sehr mit der Intimität bricht, die sonst so an den Tag gelegt wird. Und Sexualität ist – obwohl so sehr in Werbung und weißwasich verbreitet – dennoch ein Thema, über das niemand so wirklich gern offen und ehrlich spricht….das mein Eindruck..
    Und daher kommen Dir vielleicht viele Fragen einfach zu intim vor oder sind es vielleicht auch. Weil sonst niemand darüber redet und alle wissbegierig sind und Dir wie kleine Kinder aufmerksam zuhören wollen…

  19. 19
    nicnac

    Hi Nora,
    schön, daß Du mit uns über dieses Medium kommunizieren willst.
    Zuerst aber möchte ich Dir widersprechen: Es sind nicht „wir“, die Dir ein Etikett verpassen wollen. Es ist bloß eine Einzelmeinung.
    Mal eine kurze Exkursion ins Niederländische: „Te huren“ bedeutet dort im ganz normalen Sprachgebrauch, daß etwas zu mieten ist. Es findet sich an leerstehenden Häusern oder auch an Mietautos. Darf ich voraussetzen, daß auch Du in Deinem Selbstverständnis davon ausgehst, Dich mit Deinen Fähigkeiten quasi zu vermieten?
    Wenn das aus Deinem freien Willen entsprungen ist, nicht aus finanzieller Not oder aus einer anderen Abhängigkeit heraus, dann wüßte ich beileibe nicht, was daran tadelnswert sein sollte. In einer Gesellschaft, die auch zwischenmenschliche Beziehungen am Warenwert mißt, ist es nur konsequent.
    Vielleicht wandelst Du ja auch auf den Spuren der griechischen Hetären, die im Gegensatz zu den Dirnen eine sozial hochgeachtete Stellung innehatten. Doch ist das jetzt reine Spekulation von mir, so viel weiß ich nicht von Dir, um das zweifelsfrei rückfolgern zu können.
    Trotzdem: Danke für die Zeit, die Du diesem Blog widmest.

  20. 20
  21. 21
    ben

    sehr interessantes interview! ich finde ja generell menschen faszinierend, die mich zwingen meine vorurteile zu überdenken. Es gibt tatsächlich huren, die weder aus einer gesellschaftlichen unterschicht kommen, noch dazu gezwungen werden, und sich zudem noch artikulieren können. sehr schön. Das einzige was mich an der geschichte stört ist der geringe stundensatz von 96€; das ist gerade einmal das doppelte von selbständigen im it bereich.

  22. 22
    doktorhasenfuss

    „NORA“ ist wirklich der perfekte Künstlername für eine Hure. Gratulation.

  23. 23

    Nora, ich finde, da tust du den Fragestellern etwas unrecht. Du hast selbst deine Intimsphäre an die Öffentlichkeit getragen. Welche Grenzen du dabei für dich definiert hast, kann der Leser nicht ahnen – die „herkömmlichen“ sind es schon mal nicht, so viel ist klar.

    Meine Frage wäre dann auch genau die: Wo ziehst du die Grenze? Wo hört dein Beruf auf, wo fängt dein privates Gefühlsleben an? Gibt es Grauzonen?

    Sonst: Sehr interessantes Interview, dankeschön!

  24. 24
    Nora

    Ja, nicht wahr, Nora ist ein passendes, literarisches Pseudonym… hätte ich schon damals der Karo vom Küchenradio vorziehen sollen. Zu der Frage, was ich sonst noch mache: Ich fröne meiner Begabung zur Verzettelung… Als intensives Hobby tanze ich, an Ausbildungen mache ich nach einem Universuch über zwei Semester nun ein Fernstudium zur Journalistin und eine Ausbildung in einer Form der Körpersychotherapie. Es werden also mehrere Standbeine, Kopf und Körper – in der Hoffnung, dass sich diese traditionell getrennten Bereiche irgendwann fruchtbar vereinigen werden… Da bin ich keine Ausnahme. Die meisten meiner Kolleginnen basteln auf diese Weise an einer anderen als der Puffzukunft. Sitzen z.B. mit ihrer Architekturmappe da und fauchen uns an, ja nicht an den Tisch zu stoßen… – Zu der Frage, wo ich denn die Grenze meiner Mitteilung ziehe: Das habe ich theoretisch noch nicht abgesteckt. Ich fühlte mich von dem Wust der so unterschiedlichen Kommentare unreflektiert mit den erstbesten Impulsen beschossen und wollte zurückgeben, was diese Geste an sich schon über Klischees aussagt. Ich habe die Frage nach meiner privaten Sexualität aber auch deshalb nicht beantwortet, weil ich es kaum kann. Sie ist weder abnorm noch krank oder besonders spannend. Kein Problemfall, nichts, dass auf meinen Job schließen ließe (abgesehen von einigen Kondomkniffen…). Nur – auch wenn ich behaupte, dass sich da nichts vermische, kann ich da gut einem Selbstbetrug aufsitzen. Anfällig für die rosarote Brille, wie wir alle in allen Bereichen. Aus der körpertherapeutischen Erfahrung denke ich, dass der Körper immer viel mehr speichert und weiß, als dem Bewusstsein zugänglich ist. Also was hättet ihr von meiner Einschätzung, das sei alles normal? Wenn das Normale schon neurotisch ist, die Hure nur die verkörperlichte Diagnose einer neurotischen Gesellschaft? Wenn ihr mir danach auf der nächsten Ebene misstrauen könnt, wie gut ich über mich Bescheid wüsste… Dank an dieser Stelle an Malte, der sich tapfer an die Aufgabe gesetzt hat, unser Gespräch so weit zu kürzen. Dieser Antwortversuch illustriert wohl, wie sehr ich selbst unfähig bin, das Riesenthema Prostitution einzugrenzen…

  25. 25
    Andreas

    Wirklich schade.
    Scheint bei „Nora“ nur um Ego-Polierung zu gehen. Die Suche nach irgend gearteter Akzeptanz. Ist verständlich, bekommt man sie vom Freier wohl per se nicht. Der will ja nur ficken. Die Person dahinter interessiert dabei nicht. Meist.
    Weblogs bieten sich da gut an, Akzeptanz zu erfahren, nehme ich als Intention mal an? Wie auch immer. Du brauchst Dich letztendlich nicht schuldig fühlen. Auch da ganz tief drinnen nicht…

  26. 26

    liebe nora,

    danke für das interview.

    diesen einen satz fand ich traurig:

    „In eine Hure kann man eben alles hinein kippen.“

    er erinnert mich daran, dass irgendeine berühmte psychoanalytikerin in einer sendung mal in etwa gesagt hat, sich ständig die probleme anderer anzuhören sei manchmal, wie sich zu vergiften.

    also … pass vielleicht auf dich auf, wenn du gesund bleiben willst, möchte ich dir vorsichtig wünschen.

    ansonsten: toll, wie genau du reflektierst. bestimmt ne gute voraussetzung für therapeutisches und journalistisches arbeiten.

    hast du das buch „die hure“ gelesen (ich glaub, so hieß es). da hat eine französische prostituierte mit einer ähnlichen offenheit von sich erzählt.

    liebe grüße,

  27. 27

    lieber andreas,

    deinen kommentar finde ich sexistisch und arrogant. das hat glaube ich nur nötig, wer komplexe hat.

  28. 28
    Andreas

    liebe poetin,

    dann begibst du dich gerade aufs selbe gleis :-)

  29. 29
    nero

    Die Hure nur die verkörperlichte Diagnose einer neurotischen Gesellschaft?
    Mißtrauen auf der nächsten Ebene? Das ist doch Metaphysik der Hurologie.
    Nora mäandert sich durch fraktale (selbst-)Erkenntnisprozesse im Versuch sich dem Rechtfertigungsanspruch des Publikums zu entziehen. Prostitution ist nun mal ein sehr spezieller Beruf, da erwarten die meisten eben ein außergewöhnliches Schicksalsmoment das die Widersprüche auflöst, auf daß man die Hure getrost ad Acta legen kann. Mißbrauch, oder zumindest ein psychisches Problem. Religiöse Berufung, oder ein brennender Dornbusch wäre in meinen Augen auch noch eine Legitimation.
    Ein harmloser Landeikomplex vermag da niemand so recht zufrieden zu stellen. Jesus hat die Menschheit ja auch nicht erlöst, weil in Betlehem nix los war.

    Wenn ich dann lese wie Andreas @25 in seiner Hilflosigkeit versucht, die Ordnung wiederherzustellen und die Hure auf ihren Platz zu verweisen, habe ich das Bedürfnis ihm liebevoll in den Arm zu nehemen. Viellicht wäre ihm das unangenehm, denn schließlich bin ich keine Frau bei der man sich für Geld freikaufen kann, von jedem Anspruch auf Mitgefühl…

  30. 30
    Nora

    Offensichtlich kann man nicht nur in die Hure alles hineinkippen, sondern auch ins Internet… Ja, ich stehe gern im Mittelpunkt, auch hier. Wer das als Ego-Polierung bezeichnen möchte, möge es tun. Wer sich dadurch verunsichert fühlt, möge sich melden. Ich werde ihm tröstend zuzwinkern. Bis dahin setze ich mich weiterhin in meiner Art mit mir und den Feedbacks auseinander. Man wird zugeben, dass ich nicht eben viele Vorbilder finden kann, wie man die eigene Prostitution und ihr teilweises Coming-Out geistig „verwursten“ kann. Bin also notwendig auf meinen Stil angewiesen. Wer ihn bekrittelt, möge dieselbe Situation besser meistern. – Und natürlich „mäandere“ ich mich durch „fraktale“ Selbsterkenntnisprozesse und natürlich katalysiert die Prostitution einen solchen Weg. Was soll ich machen? Vollständig und gradlinig zur Erleuchtung marschieren zu können, wäre mir auch lieber. Leider funktioniert Selbsterkenntnis so nicht. Und bis dahin: mäandernd, fraktal und mit herzlichen Grüßen – Nora

  31. 31
    Maltefan

    @nero (29)

    „Wenn ich dann lese wie Andreas @25 in seiner Hilflosigkeit versucht, die Ordnung wiederherzustellen und die Hure auf ihren Platz zu verweisen, habe ich das Bedürfnis ihm liebevoll in den Arm zu nehemen. Viellicht wäre ihm das unangenehm, denn schließlich bin ich keine Frau bei der man sich für Geld freikaufen kann, von jedem Anspruch auf Mitgefühl“¦“

    Das war jetzt aber ein bisschen gemein … :->

  32. 32
    daniel

    Jesus hat die Menschheit ja auch nicht erlöst, weil in Betlehem nix los war.

    Schöner Satz! Aber das Kaff, in dem Jesus sein Messias-Comming-Out vorbereitete, war natürlich Nazareth.

  33. 33
    Herr Schroeder

    So, jetzt aber noch ein Interview mit Gülcan-ihr-Innenleben nach der Traumhochzeit. Danke!

  34. 34

    @Nero: Ganz großer Knaller dein Kommentar! Ich weiß jetzt nur nicht, ob ich lachen oder weinen soll ;).

  35. 35
    Malte

    Offensichtlich kann man nicht nur in die Hure alles hineinkippen, sondern auch ins Internet

    den satz rahme ich mir ein, danke.

  36. 36

    Die Frage nach „Missbrauch“, „sexuellem Trauma“, „schwere innerliche Konflikte in der Kindheit“ oder „Beziehungsunfähigkeit“ und wie das immer heisst, taucht immer auf, wenn der Mainstream mit sexuellen Praktiken konfrontiert wird, die aus der Reihe tanzen, ganz gleich ob es sich um SM, Homosexualität, Bisexualität, Prostitution, Polyamorie, Swingen, Exhibitionismus und vieles mehr handelt. Gleichzeitig ist man/frau stolz, wenn er/sie jemanden aus diesem Umfeld kennt: es bricht was auf, es regt die Phantasie an, es gibt ein Kribbeln, man fängt an nachzudenken, was noch möglich ist. Gerade auch bei denen, die aus der Distanz mit rotzigen, unreifen Sprüchen daherkommen.

    Ich weiß nicht, ob es eine „sexuell verdrehte Welt“ wirklich gibt, denn erotische Praktiken haben tausend Formen und Gesichter in allen Teilen der Welt, eine „natürliche Sexualität“ für den Menschen gibt es nicht. Die Erwähnung von Nina de Vries macht aber auch das Dilemma deutlich, in dem all diejenigen stecken, die in kommerzielen Bereich der Erotik arbeiten und sich einen kritischen Geist bewahrt haben:

    Einerseits ist es gutes Geld, was man verdient und ist es auch ein Lernfeld, aus dem man viel mitnimmt. Und das Geld schafft die notwendige Distanz, Professionalität und auch ein Arrangement des Ausgleichs. Andererseits bleibt das Gefühl, daß man einen Mechanismus unterstüzt, dem man eigentlich vom Herzen nicht zustimmen kann. Kommerzialisierung ist an sich schon eine „verdrehte“ Sache, irgendwie blöd und mit einem schlechten Gefühl behaftet. So wie Leihmutterschaft mit einem schlechten Gefühl behaftet ist. Und eigentlich soll ja nicht mehr, sondern möglichst immer weniger, verkaufbar sein und eben nicht durch die Macht des Geldes geregelt werden. Gerade beim Sex, wo es etwas Heiliges auftaucht, wenn es um Erfüllung geht, um richtige Erfüllung, um das Strahlen eines Gesichts währenddessen und danach. Von sexueller Caritas kann nur keiner leben.

  37. 37

    @35

    was gibts daran denn einzurahmen. ist doch eine dieser wahrheiten, die nur im ersten augenschein was hermachen. mich erinnert das an die beweisführung bei der anstehenden hexenverbrennung in ritter der kokosnuss

    Was, äh, schwimmt ausserdem noch im Wasser ?
    Brot!
    Äpfel!
    Kleine flache Steine!
    Bahnsteigkarten!
    Ich weiss, ein Ersoffener!
    Charlies Grossmutter!
    Scheisse! Die schwimmt immer oben!
    Kalte Ente!
    Sehr genau beobachtet!
    Also schlussfolgern wir logisch, wenn ihr Gewicht das gleiche ist, wie das einer kalten Ente, dann muss sie aus Holz sein.

    In diesem Sinne – ich hatte ja schon immer den Verdacht, dass das Internet eine Hure ist.

  38. 38

    Es ist scheiße und es führt in die Scheiße.

  39. 39

    Anyway: ein interessantes Interview. Die Offenheit der Beteiligten, und auch der offene Umgang mit Brüchigkeiten verdienen Respekt.

  40. 40
    lana

    nora: die einzige nutte hier, die dazu steht.

  41. 41
    maxe

    wieso sprecht ihr eigentlich von „huren“, einem allgemein als beleidigend, abwertend bekannten begriff für prostituierte? weil „nora“ das so will? achso. und wenn ihr mal mit’m fascho redet, der aber lieber „menschenfreund“ genannt wird, weil er sich das in seiner eigenen kruden art und pseudophilosophie so hinredet, dann nennt ihr es „interview mit einem menschenfreund“?

  42. 42

    @maxe:
    Dein Vergleich ist wirklich unglaublich blöde.

  43. 43

    Yepp, Christoph, ich stimme Dir zu … so ein dummer und UNPASSENDER Vergleich.

  44. 44
    portif

    Die Weiber und der Suff, das reibt den Menschen uff.

  45. 45
    soists

    @J-Lambing – tausend Dank für Deinen Beitrag. Endlich hat mal einer den Nagel auf den Kopf getroffen.

  46. 46
    Viperish

    Hallo Nora,

    ich wolte nur anmerken, dass ich begeistert von deiner Offenheit bin und mit großem Interesse dein Interview gelesen habe. Ich finde es toll, dass du zeigst, dass (allein durch deine Schreibweise, die Art wie du dich ausdrückst) du zeigst, dass hinter deiner womöglich beruflichen Fassade weitmehr steckt.

    Ich selbst habe schon oft das Verlangen danach gehabt meinen Körper zu „verkaufen“, woher dieser Gedanke kommt, weiß ich nicht recht zu sagen. Bisher habe ich das noch nicht getan, kann aber nicht sagen, dass es nie dazu kommen wird.

    Nun meine Frage: Wie hast du dein erstes Mal erlebt? Dabei meine ich, das erste mal überhaupt, aber auch das erste mal für diese Dienstleistung bezahlt zu werden? Hattest du je ein schlechtes Gewissen und Unsicherheit?

    Ich danke dir schon mal für eine Antwort und wünsche dir in Zukunft alles gute;I

  47. 47

    Lieber Malte, liebe Nora,

    vielen Dank für das großartige Interview.

    Zum einen finde ich das Thema sehr interessant. Zum anderen habe ich komischerweise noch nie detailliert darüber nachgedacht – bis jetzt. Man ‚mäandert‘ sich durch seine Queerness und denkt, dass man allein aufgrund dessen einen erweiterten Horizont bezüglich Sexualität, Normen und „sozialer (Rand-)Gruppen“ hat. Das geht sogar soweit, dass man sogar einen Großteil seiner Zeit in der „Szene“ verbringt und z.B. regelmäßig den Huren- und Schwulenball besucht.

    Gleichzeitig aber weiß man nichts und hat eigentlich gar nichts begriffen.

    Danke nochmals!

    PS: Another lesson learned from this posting: Bloggen und fremdschämen – geht gar nicht. Entweder macht man das eine oder das andere.

  48. 48

    @#506278: es ist bestimmt nicht gut wenn man ein praktikum im puff gemacht hat da viele arbeitsgeber dann vorurteile haben…

  49. 49
    wildemilde

    Nora, einen großen Dank an dich. weiß diese sehr seltene Gelegenheit, mich in jemandem -in Gedanke und Gefühl- wiederzufinden, sehr zu schätzen. eine Kollegin