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9/11 Lesetipps

Sechs Jahre nach dem Anschlag auf das WTC in New York kann noch immer nicht abschließend beurteilt werden, in welchem Maß der 11.9.2001 unser Leben beeinflusst und verändert hat, dies wird eine Aufgabe für Historiker der kommenden Genrationen bleiben. Fest steht, dass sie eine Menge zu tun haben werden.

Zwei Bücher, die ich derzeit lese, beschäftigen sich direkt oder indirekt mit dem Thema, beide kann ich aus unterschiedlichen Gründen empfehlen.

Daniel Kullas „Entschwörungstheorie- Niemand regiert die Welt“ (mehr hier und hier) knöpft sich sowohl die bekannten Verschwörungstheorien als auch den Konspirationismus als Staatsideologie vor, beschäftigt sich mit der weit verbreiteten Fehlrezeption von Robert Anton Wilsons Illuminatus!, räumt mit dem Mythos „Wir sind die Guten“ auf und stellt fest, dass am Ende einfach nur alle ihre eigenen Ziele verfolgen.

Wenn es etwas gibt, das ich mir für Kullas interessantes und (ganz besonders für Internet-Junkies) wichtiges Buch gewünscht hätte, dann wäre es ein gnadenloseres Lektorat, denn das Buch liest sich streckenweise leider ziemlich furchtbar. Nicht allein die Sprache ist es dabei, die den Leser immer wieder zum Neustart der Kapitel zwingt, sondern vor allem die fehlende Dramaturgie der Erzählung. Zudem hat man den Eindruck, Entschwörungstheorie könne sich oft nicht zwischen wissenschaftlichem Text und Sachbuch entscheiden, und während einige Stellen durch Fußnoten bzw. Randnotizen unterstrichen werden, fehlen diese Ergänzungen und Quellenangaben bei anderen, für das Buch äußerst wichtigen Aussagen.

Abschrecken soll diese Kritik jedoch nicht, denn Entschwörungstheorie lohnt die Mühe und liefert viele Gegenargumente für die nächste Kneipendiskussion, bei der mal wieder alles klar ist und wir nur die Puppen in einem großen, abgekarteten Spiel sind.

Keinerlei Probleme mit dem Erzählstil hat Louise Richardson. Die die in Harvard lehrende Terrorismusforscherin hat mit „Was Terroristen wollen“ ein derart spannend zu lesendes Buch vorgelegt, dass man sich hin und wieder fragt, ob man nicht gerade einen Roman liest. Tut man aber nicht, denn was Richardson vorzutragen hat basiert auf Forschung, Analyse und nicht zuletzt gesundem Menschenverstand.

Dass dieser zu der Erkenntnis führt, dass der „Krieg gegen den Terror“ nur verloren werden kann, überrascht vielleicht nicht, doch Richardsons Erfahrungen (speziell jene, die sie in direktem Kontakt mit denen gesammelt hat, die je nach Sichtweise, Zeitpunkt und Regierung als Terroristen, Rebellen oder Freiheitskämpfer bezeichnet werden) machen komplexe Zusammenhänge verständlich. Gepaart mit den immer wieder in das Werk einfließenden, äußerst faszinierenden und erhellenden Lektionen zur Geschichte des Terrorismus bis zurück ins Mittelalter bietet das Buch erstaunliche Ein- und Ansichten.

Louise Richardson entmystifiziert den Terrorismus und trägt dadurch mehr Sinnvolles zur Diskussion bei als viele andere, nicht nur dieser Tage erscheinenden Texte. Dass letztendlich trotz aller klaren Analysen noch viele Fragen offen bleiben, liegt nicht an der Autorin, denn diese Fagen kann wohl niemand beantworten.

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Daniel Kulla: Entschwörungstheorie. Niemand regiert die Welt
Louise Richardson: Was Terroristen wollen

15 Kommentare

  1. 01

    Danke für die Literaturtipps – werde mir die Bücher wohl für den nächsten Amazon Gutschein bestellen. Gerade auf die Passagen über die Ursprünge des Terrorismus im Mittelalter bin ich sehr gespannt.

    Das das Erzeugen von Angst – als Hauptzweck des Terrors – gerade in der heutigen Mediengesellschaft besonders gut funktioniert, geht mir bislang als These immer ein wenig unter. Genauso traut sich niemand daran, wer an dem System „Unterdrückung -> Terror -> Krieg = Geld“ besonders verdient. Das ist politisch natürlich hoch brisant, aber ist es falsch?

    Einer unserer Satire Autoren hat sich hier ebenso seine Gedanken gemacht: Die absolute Wahrheit über den 11. September (Achtung: Satire – auf den ersten Blick eher platt und banal kehrt spielt es im Kern doch auf weitere kleine Facetten der weltpolitischen Zusammenhänge an)

    Gruß und nochmals Danke!

    Gero

  2. 02

    Danke für die Tipps. Hab mir mal Louises Buch bestellt.

  3. 03
    lana

    frauen wissen, was terroristen wollen.

  4. 04
    nonono

    @Gero

    „…wer an dem System „Unterdrückung -> Terror -> Krieg = Geld“ besonders verdient.“

    Wer ist das denn?

  5. 05
  6. 06

    @nonono
    schau mal hier: http://www.warprofiteers.com/ dazu sicher Medienkonzerne, am Wiederaufbau und der Versorgung beteiligte Firmen, Energielieferanten durch größeren Einfluss in der Region etc.

  7. 07
    nonono

    @Gero

    Und was genau sagt das aus, dass sie daran verdienen, außer, dass sie daran verdienen? Was ist daran hochbrisant, dass Unternehmen von Krisen profitieren?

  8. 08
    heinz

    lana! Du bist genial. Finde ich.

  9. 09
    andreas

    hi,
    hoffentlich habt ihr gerade die pseudodoku auf zdf gesehen. weitgehend an die offizielle version angepasst und der zensirte chat war der hit

  10. 10
    Jan(TM)

    Kullas Fehlrezeptions Geschwurbel kann man auch hier online lesen.
    Hab mich mal durchgequält, naja vielleicht bin ich ja voreingenommen weil ich das dumpfe Schmierenblatt jungle-world nicht mag – aber auf solche Lichtbringer die mir die Welt(oder hier einen Autor) erklären wollen, kann ich gut verzichten.

  11. 11
    nonono

    @Jan(TM)

    An welcher Stelle des Textes will er dir denn die Welt erklären? Es geht doch bloß darum, diese peinlichen und penetranten Vereinnahmungen mal beiseite zu bekommen und Wilson damit außerhalb des üblichen False-fan-Kreises vorzustellen.

  12. 12
    Jan(TM)

    Die Verschwörungstheorie von den „falschen Fans“ reicht wohl nicht? Im Gegensatz zum Autor haben die natürlich Wilson falsch verstanden. Ähm der Witz an den Illuminatus! Büchern ist doch gerade der, das man sie gar nicht „richtig“ verstehen kann und soll – die sollen zum selber denken einladen und es ist klar das ein Karl Koch anders denkt, andere Dinge aus dem Buch entnimmt als ein Kullas. Der meint die Deutungshoheit über Wilson zu besitzen und macht genau das was er anderen vorwirft – er nimmt die Bücher zu ernst.

  13. 13
    nonono

    Das kannst du ihm alles gern vorwerfen, aber das scheint mir weder Intention noch Resultat des Textes gewesen zu sein.

  14. 14
    nonono

    Und was ist denn das für Blödsinn, dass es eine Verschwörungstheorie wäre, wenn man sagt, das Publikum hätte einen Autor zu oberflächlich und eng rezipiert?

    Der Vorwurf ist doch gerade, dass es eine scheinbar richtige Lesart gab und man es sich damit zu einfach gemacht hat.

    Und zu der Sache mit dem Ernstnehmen fällt mir ein, was Wilson im Vorwort zu Camden Benares‘ „Zen without Zen Masters“ schrieb: „If you don’t laugh at all, you’ve missed the point. If you only laugh, you’ve missd the chance for illumination.“