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Schwesterherz: Interview mit Johanna Adorján

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Die Journalistin Johanna Adorján hat zusammen mit Heike Makatsch das Drehbuch zu dem Film Schwesterherz geschrieben. Beide haben das zuvor noch nie gemacht und da ja hinter jedem Computer ein potentieller Drehbuchautor sitzt, habe ich Johanna Adorján gefragt, wie man das überhaupt macht – ein Drehbuch schreiben. Außerdem geht es um Artikel-Haufen, einen offensiv gelangweilten Steve Martin, ein ultrareligiöses Ex-Calvin-Klein-Model und die Anfänge von „jetzt“.

Spreeblick: Was war zuerst da – die Idee, ein Drehbuch zu schreiben oder der Kern einer Geschichte, von der du dachtest, sie ergäbe einen schönen Film?

Johanna Adorján: Es war so, dass Heike mal wieder am Telefon erzählte, sie würde keine guten Drehbücher angeboten bekommen. Und ich erzählte ihr, ich würde auch mal gerne was anderes schreiben als nur Artikel. Und dann fiel uns auf, dass man das ja sehr schön zusammenlegen könnte. Die Idee zur Geschichte kam dann als zweites.

Spreeblick: Habt ihr in das Drehbuch Regieanweisungen geschrieben? Ich habe mal gelesen, man solle möglichst den Produzenten mit technischen Details blenden, die der Regisseur dann sowieso ignoriert. Habt ihr das so gemacht?

Johanna Adorján: Heike wusste ja, wie Drehbücher aussehen. Technische Details haben wir außen vorgelassen, außer wenn es um eine bestimmte Kameraeinstellung geht, wenn die kleine Schwester etwas durch ihre Digital-Kamera filmt, das haben wir immer extra markiert.

Spreeblick: Ich hätte keine Vorstellung davon, wie viele Filmminuten eine Drehbuchseite ergibt. Woher wusstet ihr, wie lang ein Drehbuch zu sein hat? Wie habt ihr überhaupt das Timing eingeschätzt? Habt ihr gestoppt, wieviel Zeit ein zehnzeiliger Dialog mindestens beansprucht?

Johanna Adorján: Eine Drehbuchseite ergibt ungefähr eine Minute, so kann man das rechnen.

Spreeblick: Habt ihr eine Charakterisierung der Hauptfiguren vorangestellt oder habt ihr sie durch die Dialoge erklärt?

Johanna Adorján: Nee, nichts vorangestellt. Im Drehbuch steht nur, was im Film auch zu sehen ist. Nur manchmal steht die Haltung, in der etwas gesagt wird, in Klammern dabei. (eingeschnappt) (triumphierend) oder so.

Spreeblick: Gab es Szenen, bei denen ihr euch nicht einig wart? Wie habt ihr das dann geklärt? Streit? SchnickSchnackSchnuck? Sachlich?

Johanna Adorján: Klar gab es die. Gestritten haben wir nie. Diskutiert ja. Manchmal hat eine die andere überzeugt. Mal hat eine einfach nachgegeben. Waren aber ohnehin eher Kleinigkeiten. Ob ein Satz jetzt mit „Und “ anfängt, über so was haben wir manchmal ewig debattiert.

Spreeblick: Wenn ihr sachlich argumentiert habt – waren es künstlerische Argumente oder kommerzielle?

Johanna Adorján: Künstlerisch klingt jetzt so anspruchsvoll — es waren Argumente, die sich aus der Logik der Geschichte ergaben. Auf keinen Fall kommerzielle. Wir haben ja keinen kommerziellen Film geschrieben, das war uns schon klar, sondern einen, der unter dem Label „Indie Arthouse“ läuft. So heißt das doch, oder? Um ehrlich zu sein, wir haben das Ganze einfach so geschrieben wie wir es für richtig hielten. Andere Möglichkeiten ein Drehbuch zu schreiben, kennen wir ja gar nicht. Wie schreibt man einen Blockbuster?

Spreeblick: Wenn ihr die Szenen vor eurem geistigen Auge durchgespielt habt, dann war vermutlich eine Rolle belegt mit Heike Makatsch. Wen habt ihr euch für die anderen Rollen vorgestellt? Ich stelle mir imaginäre Filmsequenzen immer mit Woody Allen vor.

Johanna Adorján: Marc Hosemann hatten wir uns von Anfang an für den Phillip vorgestellt, so als Typ. Und nachdem ich „Was nützt die Liebe in Gedanken“ mit Anna Maria Mühe gesehen hatte, dachte ich auch, die wäre gut für die Rolle der Marie. Aber ich wusste nicht, ob man nicht vielleicht noch jemand jüngeren, unbekannteren braucht. Die anderen hatten wir nicht mit Schauspielern besetzt, die haben wir uns einfach so ausgedacht. Ich hätte mir auch Senta Berger gut als Mutter vorstellen können.

Spreeblick: Du hast ja in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung bereits geschrieben, dass dich das Ergebnis sehr glücklich gemacht hat. Gibt es trotzdem Sequenzen, die du anders inszeniert hättest?

Johanna Adorján: Klar. Aber das ist ja das Spannende am Filmemachen, nehme ich an. Dass das Endergebnis nicht von einer Person kontrolliert wird. Sogar der Ort war ja ein ganz anderer als wir uns das ausgedacht hatten. Der fertige Film ist komplett anders als ich ihn mir beim Schreiben vorgestellt hatte, ja.

Spreeblick: Donnerstag ist der Film gestartet. Hast du am nächsten Tag versucht, die Besucherzahlen zu erfahren? Ist es dir wichtig, dass der Film ein Publikumserfolg ist?

Johanna Adorján: Ehrlich gesagt, ist das Ganze für mich ohnehin sehr abstrakt. Ich war noch nicht mal bei der Premiere, weil ich da im Urlaub war. Wir haben das Buch vor vier Jahren geschrieben. Seither hatte ich ja auch nicht mehr so viel damit zu tun. Ich war auch keinmal bei den Dreharbeiten, deshalb… Ich freue mich, dass der Film überhaupt ins Kino gekommen ist. Das erscheint mir schon wie ein Wunder. Nach all den Jahren.

Spreeblick: Du hast geschrieben, dass du in der langen Wartezeit, während der das Drehbuch vom ersten zum zweiten Produzenten ging, plötzlich genau wusstest, was du am Journalismus so schätzt. Im Nachhinein betrachtet: Was ist für dich befriedigender? Möchtest du noch einmal ein Drehbuch verfassen?

Johanna Adorján: Wenn es sich ergibt? Mir macht halt Schreiben einfach Spaß. Der kreative Prozess, Worte für das zu finden, was man sagen will. Manchmal sogar, von Worten dazu gebracht zu werden, zu wissen, was man sagen wollte. Ob sich das nun in Dialogen ausdrückt oder in anderen Textformen, finde ich dabei eigentlich eher egal.

Spreeblick: Hast du zwischendurch mit dem Gedanken gespielt, dir zumindest einen Kurzauftritt in dem Film zu sichern?

Johanna Adorján: Nee. Keine einzige Sekunde lang.

Spreeblick „Man könnte meinen, Eva Herman habe am Drehbuch mitgeschrieben.“ Das steht so in der taz. Ärgert dich so eine Kritik?

Johanna Adorján: Ich hab nicht alle Kritiken gelesen, die zum Beispiel nicht. Aber ich habe gemerkt, dass ich mich über gute Kritiken aus Versehen kurz sehr freue. Und dass ich über schlechte nur so drüberfliege, ganz vorsichtig, und mich hier und da ärgere, dass ich nicht zum Beispiel entgegnen kann: stimmt, ja, fanden wir auch schlecht im Drehbuch, wir hatten immer gehofft, da arbeitet nochmal jemand, der was davon versteht, mit uns dran, aber das blieb dann einfach so.

Spreeblick: Welches Bild hattest du vom Journalismus, bevor du angefangen hast und inwieweit hat sich dieses Bild bestätigt?

Johanna Adorján: Ich dachte früher, Journalisten haben’s gut: sehen alle Filme weit vor allen anderen, interviewen interessante Leute und reisen um die Welt. Das denke ich eigentlich immer noch.

Spreeblick: Wann hast du aufgehört, deine Artikel zu sammeln? Oder hast du mittlerweile ein riesiges Archiv?

Johanna Adorján: Ich hab eine Art Haufen. Der sich mittlerweile über mehrere Schuhkartons erstreckt.

Spreeblick: Warum war „jetzt“ gedruckt so gut und funktioniert online nicht?

Johanna Adorján: Während ich bei „jetzt“ war, wurde online erst erfunden – ich erinnere mich an nette, stille Jungs, die uns versuchten, das mit dem Internet zu erklären. Damals, kurz nach dem Kriech, tippten wir Texte von freien Autoren, die diese uns per Brief (!) oder Fax schickten, noch mit der Hand ein. Warum das aber später online nicht mehr funktionierte, weiß ich nicht. Gibt es das noch? Ich bin echt lange aus dem „jetzt“-Alter raus.

Spreeblick: A propos online: Du hast mal erwähnt, dass dir Blogs recht fremd sind. Liest du denn irgendwelche Blogs?

Johanna Adorján: Ich lese Malorama. Und Stefan Niggemeier natürlich. Und Rainald Goetz. Lottmann nicht.

Spreeblick: Wie bereitest du dich auf Interviews vor, die du selber führst?

Johanna Adorján: Ich lese alles, was ich kriegen kann. Auch andere Interviews, die die Person gegeben hat, damit ich weiß, was schon alles weg-gesagt ist. Man will die ja auch nicht zu sehr langweilen…

Spreeblick: Bei deinem Interview mit Marky Mark hatte ich das Gefühl, dass du nicht
besonders viel mit ihm anfangen konntest. Täuscht mich mein Gefühl?

Johanna Adorján: Weiß ich gar nicht. Ich fand ihn schon ziemlich unsympathisch, so eine komische Mischung aus cool und ultrareligiös, aber für ein Interview ist zu viel Sympathie ja auch nicht unbedingt das beste.

Spreeblick: Hast du Mitspracherecht bei der Auswahl deiner Interviewpartner?

Johanna Adorján: Das fragen mich meine Eltern auch immer. Ja, habe ich. Bzw ist es kein Mitspracherecht, sondern meine jeweilige freie Entscheidung. Wahnsinn, ich weiß.

Spreeblick: Hast du mal jemanden interviewt, bei dem du das Gefühl hattest: Den muss ich umhauen mit meinem Esprit? Wenn ja: Ist es gelungen?

Johanna Adorján: Ich hab mal Steve Martin interviewt und der war so unendlich desinteressiert an jeder einzelnen Frage und ich war aber doch so ein Fan, da hab ich mich schon sehr ins Zeug gelegt. Es ist überhaupt nicht gelungen. Ich kann seither keinen Steve-Martin-Film mehr sehen, ohne deprimiert zu sein.

Spreeblick: Ich bin bei Interviews besessen von dem Gedanken, das Diktiergerät würde
nicht aufnehmen. Hast du auch so eine Marotte?

Johanna Adorján: Ist mir einmal passiert, bei Nina Hoss. Sie war so nett, im Café sitzenzubleiben und zu warten, bis ich mir ein neues besorgt hatte. Sie war überhaupt wahnsinnig nett. Filme mit Nina Hoss sehe ich nach wie vor sehr gerne.

Trailer

12 Kommentare

  1. 01

    Guter Rhythmus im Interview und man erfährt ein paar Dinge, die noch nicht weg-gesagt (der Ausdruck gefällt mir sehr!) wurden oder ich zumindest vorher noch nicht wahrgenommen hatte. Mir ist auch noch danach zu sagen, dass ich beim Lesen gar nicht gespürt habe, ob ich nun gerade ein Blog lese oder mich auf der Online Ausgabe einer Zeitung befand. Es war nicht wichtig, weil das Gespräch gut lief und schlicht interessant war. Vielleicht ist das – in Zeiten, in denen zwischen Bloggern und Journalisten doch meist ziemlich gegiftet wird – auch mal erwähnenswert. Mehr wollte ich gar nicht sagen.

  2. 02

    Jetzt habe ich Lust bekommen, mir den Film einmal anzusehen, nur um zu wissen, was nun dabei herausgekommen ist.

  3. 03

    Interviews sind schon was schönes. Man kann viel längere Texte lesen, ohne dass man ungeduldig werden würde, weil man auf die Pointe wartet. Danke.

  4. 04
    Fuzzi

    Bei tagesspiegel und spiegel online gab es sehr gute und treffende verrisse dieses unnötigen filmes. es ist bitter, dass einer schön schreibenden journalistin, von der man ein bisschen tiefgang erwartet, nur marc hosemann einfällt, wenn es um die besetzung der männlichen hauptrolle geht. (marc hosemann war ende der 90er jahre der frauenzeitschrift „allegra“ mal drei seiten wert) das sagt dann doch alles über fr. adorjan..

  5. 05

    Das Interview habe ich nicht gelesen, aber das Bild von Johanna gefällt mir sehr gut!

  6. 06

    „Ich bin bei Interviews besessen von dem Gedanken, das Diktiergerät würde
    nicht aufnehmen.“

    Ich empfehle einen MP3-Player mit Mikroeingang (oder eingebautem Mikro, noch besser) und Pegelanzeige im Display. isjaauchnichteuer

  7. 07
    Malte

    @ marcel
    wir haben ein ganz fortschrittliches teil mit allem drum und dran, meine bessenheit ist durch technik allein nicht zu kurieren:)
    @ fuzzi
    was ist denn mit marc hosemann?

  8. 08

    …süßes mädi. und so eine putzige geschichte. nur blöd, wenn man ein paar drehbuchautoren und autorinnen kennt, die jetzt nicht zufällig über soviel „zufällige“ beziehungen verfügen, und dann ganz schön zu nagen haben, am tuch und an der welt.

    aber hey, was solls, jeder so wie er´s verdient, nä, malte?

  9. 09
    nero

    Die Johanna! Auf dem Foto sieht sie ja noch genau so aus wie vor 10 Jahren …
    Sie war ja damals schon ne ganz Hübsche (und auch sehr schwester-herzlich im Umgang)
    Ich war ihr Praktikant, und sie hat mir ein Parfumfläschen geschenkt – ich war ein sehr glücklicher Praktikant!

  10. 10

    Hach ja, endlich mal wieder ein deutscher Film, der hoffen lässt!:-)

  11. 11