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Mike Hanke

Es gibt sie, diese historischen Momente, wenn sich ein Spieler weit in der eigenen Hälfte den Ball erkämpft, um dann, mit eleganten, fließenden Bewegungen, beinah durch die gegnerischen Spieler hindurchschwebt, kurzzeitig schneller wird, in den Straraum eindringt, mit einer feinen Körpertäuschung den Innenverteidiger ins Leere laufen lässt, vor dem Torwart einhält und dann, statt selbst abzuschließen, den perfekten Querpass spielt. In der Bundesliga sind das Spieler wie Ribéry, Diego, Van der Vaart, denen man ähnlich maradoneskes zutraut.

Nicht aber Mike Hanke. Mike Hanke wird insgesamt wenig zugetraut, oder sogar gar nichts. Wenn überhaupt, gilt er als ehrlicher Arbeiter, als Malocher, als der Sechser unter den Stürmern. Okay, was er mit dem Ball kann, kriegen andere mit einer Orange hin, er ist gelenkig wie eine Kaffeekanne und graziös wie eine Seehündin auf Landgang. Früher nannte man ihn auch gerne „Krzynoweks Bande“, und wenn er doch mal ein Tor mit mehreren vorausgehenden Ballkontakten erzielte, war das die Schuld des Abwehrspielers. So sind Mike Hanke-Tore: Mehr Fremdversagen als Eigenverdienst.

Und doch gebührt Hanke die Ehre des „Maradonna-Gedächtnis-Preises“ für Spieltag vierzehn. Nach sechzehn Minuten kommt er knapp vor dem eigenen Strafraum an den Ball, schaut ein wenig verblüfft (wie Murmeltiere nach dem Winterschlaf nach draußen linsen, um das Wetter abzuchecken), legt sich den Ball zu weit vor, wodurch zwei Schalker ins Leere laufen, und startet. Knapp hinter der Mittellinie kommt ein weiterer Schalker hinzu, doch statt – wie man das zum Beispiel gegen Diego gemacht hätte – Hanke umzusensen, sich eine gelbe Karte abzuholen und die dann im Defensivverbund genüsslich zu verspeisen, will er (ich glaube, es war Ernst) ihn locker ablaufen.

Sowas kann man machen, aber nicht mit Hanke. Der gibt dem Ball einen kleinen Nasenstüber, der daraufhin empört von (ziemlich sicher) Ernsts Knie abpprallt, und bewegt sich mehr von selbst als von Hanke geführt, aufs Schalker Tor zu, bis er knapp an der Strafraumgrenze auf Bajramovic trifft, der den beinah perfekten Querpass auf Huszti spielt. Hanke stoppt. Während seines Solos haben wahrscheinlich mehr Schalker den Ball berührt als er. Ein Kollektivsolo für den Kollektivspieler Hanke. Passt doch.

Was uns zum Kern der Hanke-Problematik führt: Würde man ihn nicht so sehr unterschätzen, wär er nicht mal ansatzweise so stark. Hanke wird nur deswegen überschätzt, weil er unterschätzt wird, und nur deswegen unterschätzt, weil… tja. Fußball is schon was seltsames, ehrlich gesagt.

Keine Kommentare

  1. 01

    Also eigentlich bin ich jetzt recht verwirrt, allerdings konnte ich Dir wohl auch gleichzeitig recht gut folgen. Wie gesagt, ich bin verwirrt, stimme aber voll zu.

  2. 02

    „Hanke-Solo“ – das perfekte Oxymoron. Außerdem kann es kein Zufall sein, dass man nur einen Buchstaben auswechseln muss, um aus Hanke eine Harke zu machen.

  3. 03
    florian

    ohne jemanden nahe treten wollen – irgendwie passt mike hanke nach hannover… und zum karriereende dann noch bielefeld oder kaiserslautern.

  4. 04

    Wirklich gut getroffen. Wann folgt das Portrait über Lauth?

  5. 05

    Endlich werden mir die Augen über Hankes wahre Stärken geöffnet. Ich hatte zu Schalker Zeiten immer gerätselt, warum der Profi geworden ist. Es gabe sogar einige bei uns, die dem seinerzeit nicht zu leise nachgeweint haben. Wahrscheinlich war es Andi Müllers bisher größte Managerleistung, für Hanke über 3 Mio € abgegriffen zu haben. Wenn uns jemand ähnliches für den nahezu adäquaten Zweithanke Sören Larsen gibt, wäre ich glücklich.

  6. 06

    @ Kreuzberger: Han Solo?
    @ Easyfunk: Das müsste dann ein Nachruf werden…
    @ O-Jay: Frag mal in Wolfsburg, da könnt was drin sein.

  7. 07
    Quetschi

    Hanke wird in Hannover nicht ohne Grund Mr.Hanky genannt.

  8. 08
    Felix

    Mike Hanke : wie kann man so früh und auch noch dumm so eine rote karte bekommen