0

„L’Equipe“, Epik und Ethik: eine Zusammenfassung

Der Artikel ist eine gekürzte, restrukturierte und neu formulierte Zusammenfassung des Artikels: „L’Equipe“, l’épique et l’éthique von Johan Harscoët. Die verwendeten Zitate sind ebenfalls häufig gekürzt; alle Übersetzungen stammen von mir. Untenstehender Text kann, soll und will die Lektüre des Original-Artikels nicht ersetzen: Er ist als Hilfestellung für all diejenigen gedacht, die des Französischen nicht mächtig sind.

L’Equipe wurde 1946 gegründet und beschäftigt heute 280 Journalisten. Sie zählt zu den meistgelesenen Tageszeitungen in Frankreich und zu den bedeutendsten Sportzeitungen weltweit. Die Auflage beläuft sich auf um die 365.000 Exemplare. Harscoët bechreibt den redaktionellen Werdegang der Equipe seit 1995:

Harscoët nimmt an, dass es so um 1995 zum Bruch mit alten Redaktionsprinzipien kam: Er zitiert den damaligen technischen Chefredakteur Jean-Yves Viollier, der von einer von der Marketingabteilung initiierten Neuausrichtung spricht. Von da an mündete das Selbstverständnis der Zeitung darin, die Verbindung zwischen Anzeigenkunden und Lesern herzustellen. In der Zeit begannen die verschiedenen Chefredaktionen Panels, Leserstudien und Statistiken ausgehändigt zu bekommen, deren Auswertungen bestimmten, worüber geschrieben werden sollte, wie es zu formulieren sei und warum. Louis Gillet, Verantwortlicher Werber, erklärte, man habe den kritischen Ton zurückgefahren. Konsequenterweise ließen die Fédération française de football und die olympische Bewegung verlauten, L’Equipe habe sich „im positiven Sinne“ verändert.

Wichtigster Bestandteil einer solchen Strategie ist die Lesertreue. Und Lesertreue, meint Harscoët, erreicht man, indem man Instinkte anspricht: Dramen beschreibt, Pathos auffährt, aus dem Sport eine Sprache von Leben und Tod destilliert, nur noch von Verlierern und Gewinnern erzählt und den Sport zum ritualisierten Krieg macht.

Sein Beispiel ist das Spiel des PSG gegen Hapoel Tel Aviv am 23. November 2006: Im Anschluss an das Spiel kommt es zu antisemitischen Ausschreitungen, ein Fan stirbt. Der Equipe-Titel am nächsten Tag lautet: Paris, la honte (Paris, die Schande). Allerdings war zu Redaktionsschluss der Tod des Fans noch nicht bekannt: Die Artikel handelten ausschließlich von den vier Gegentreffern, die sich der PSG eingefahren hatte.

Diese Dramatisierung der Berichterstattung hat noch einen zweiten Effekt: der Druck auf die Sportler wird erhöht. Harscoët weist auf die Doppelmoral hin, allezeit Athleten an neuen Rekorden und Leistungssteigerungen zu messen, andererseits aber jeden (erwischten) Doper zu verurteilen.

Gleichzeitig konstatiert er eine seltsame Zurückhaltung bei Equipe, was die Aufdeckung von Dopingfällen anbelangt. Als Pierre Ballester im Anschluss an die Festina-Affäre investigativ über Doping schrieb und öffentlich die Integrität Armstrongs in Zweifel zog, wurde er schnell marginalisiert und verliess 2001 die Zeitung. Das gleiche gilt angesichts der Leistungen der französischen Nationalmannschaft 1998, zu der Harscoët einen France Football-Journalisten zitiert:

Alle Welt weiß, was passiert, aber niemand wird es zugeben oder darüber sprechen. Und ich glaube, das ist Teil der Fassade. Das ist es doch, was die Öffentlichkeit verlangt: Leistung, immer noch mehr Leistung!

Das also ist die Identitätskrise der Sportpresse im allgemeinen, speziell aber bei L’Equipe: Einerseits ein Sportmagazin zu sein, dessen Gründungswerte und Prinzipien von der momentanen Sportswelt systematisch ausgehöhlt und untergraben werden; andererseits ein Presseunternehmen zu sein, das in weiten Teilen auf journalistische Grundsätze in der Berichterstattung verzichtet.

Denn es wäre die Aufgabe der Presse, den Sport kritisch zu begleiten, und nicht zu bejubeln, das Wichtige vom Unwichtigen zu trennen. Ansonsten werden die Journalisten, wie es Marc Panighi, von „L’Equipe Magazine“, befürchtet, „Techniker der Information, oder sogar Presseattachés.“

Oder, noch schlimmer, Vermarkter. Die SNC L’Equipe ist eine hundertprozentige Tochter der Amaury, und somit eine Schwestergesellschaft der Amaury Sport Organisation (ASO). Die ASO wiederum organisiert und managt große Sportveranstaltungen wie die Tour de France oder die Rallye Paris-Dakar. Was eine mögliche Erklärung für die Zurückhaltung der Equipe-Berichterstattung über Doping und Todesopfer bereithält.

Unter diesen Vorzeichen verursacht die Kooperation zwischen Renault und L’Equipe einigen Journalisten Magenschmerzen: Anfang des Jahres brachte Renault eine Mégane „Equipe“ auf den Markt, inklusive Dreimonatsabo und einer Jubiläumsausgabe von 60 Jahren Equipe auf dem Rücksitz. Es handelt sich nicht nur um einen Marketingcoup, sondern um eine dauerhafte Verbindung zwischen dem Autmobilkonzern und Manchette Sports, der Marketingabteilung von Equipe (und des gesamten Amaury-Konzerns).

Das allerdings sind nicht die drängenden Probleme, die die Equipe-Chefetagen umtreiben im Moment. Christophe Chenut, seit 2003 geschäftsführender Direktor (président-directeur général), hat das Ziel ausgegeben, aus L’Equipe „die Agence France Presse des Sports zu machen“:

Bereits jetzt liefert L’Equipe Inhalte an verschiedene asiatische Medien und hat vor 18 Monaten ein Büro in Peking eröffnet. Ein „directeur du développement mondial“ (Leiter der weltweiten Entwicklung) wurde ernannt. Und die Ziele des wichtigsten Blattes im französischen Sportjournalismus formuliert Chenut so:

In zehn Jahren wird L’Equipe gefährdet sein, wenn es sich nicht aus dem franko-französischen Kontext wegentwickelt. Wenn wir mit den Stars Tuchfühlung halten wollen, ist unsere weltweite Entwicklung zwingend.

Keine Kommentare

  1. 01

    Ja, keine Pointe am Ende, sorry. Für die war ich zu faul.

  2. 02

    zuallererst: danke für die arbeit, und danke für die zeit, die dabei drauf gegangen ist!

    hmmmmm … ich kann mir grad bei sport kritisches begleiten ohne jubeln extrem schlecht vorstellen. sport lebt ja doch sehr von euphorie und unverstand. oder nett formuliert: von emotionen.

    und kritisch begleiten – hieße das, dass man wie die taz in dem gestern zitierten artikel oder die 11freunde (http://www.11freunde.de/bundesligen/106822) -die ich beide urst lieb hab, dass wir uns da nicht mißverstehen- arenen per se blöd finden muss?

  3. 03
    Hagen

    Solltest nochmal Korrektur lesen. Es geht schon im ersten Satz mit nem Fehler los: „L’Equipe wurde 1946 gegründet UM beschäftigt heute 280 Journalisten. „

  4. 04

    @ Hagen: Korrekturlesen auch noch! ;)
    Hab ein paar Sachen korrigiert. Jetzt finde ich keine Fehler mehr. Ich bin betriebsblind. Geht mir immer so nach Übersetzungen.
    @ Steffi: Klar heißt das alles Scheiße finden! Is ja auch so!

    Nee, im Ernst, dazu fällt mir nur eine Sache ein:

    Erstens: Ein Sportjournalist sollte mehr sein als ein privilegierter Fan. Das heißt nicht, dass unemotional geschrieben werden soll. Aber das kritische Hinterfragen, das kann und soll der Sportjournalismus leisten. Was er häufig nicht tut, wie in Frankreich bei L’Equipe, oder in Deutschland bei der Sportbild, der Bild oder dem Kicker. Das bißchen redaktioneller Inhalt, das da kommt, erschöpft sich häufig in Be- und Umschreibungen: Das reicht nicht. Nicht nur.

    Ich meditier darüber nochmal, bin grad bloß ein bißchen in Eile.