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Spiel des Jahres 2007

llama

(Foto: Jef Poskanzer)

Die Times Online hat gerade ihr Spiel des Jahres gekürt: Crysis.

Das TIME Magazine entschied sich für Halo 3.

Bevor nun auch die wirklich relevanten Awards (Ihr wisst schon… von Spielemagazinen oder so) komplett und ohne Ausnahme an die Hauptverdächtigen gehen (Bioshock, Call of Duty 4, Super Mario Galaxy, Orange Box, Rock Band usw.), küre ich hier und heute mein ganz persönlich-privates Spiel des Jahres 2007.

Vielleicht verratet Ihr mir hinterher Eures.

Mein Spiel des Jahres bekam von IGN gerade mal 4,7 Punkte. Das Offizielle Xbox Magazin vergab sogar nur mickrige 2 von 10 möglichen. Das Spiel verkaufte sich außerdem so wahnsinnig schlecht, dass sich der Chefentwickler zu einem öffentlichen Wutausbruch gegen unbekannt hinreißen lies:

OK, we get the message. All you want … is remakes of old, shite arcade games and crap you vaguely remember playing on your Amiga.

We’ll shut up trying to do anything new then.

Sorry for even trying.

Keine sonderlich guten Voraussetzungen, und doch ist es das für mich faszinierendeste Spielerlebnis der letzten 12 Monate. Die Rede ist logischerweise nicht von Portal. Meine sehr verehrten Damen und Herren…

Space Giraffe

Space Giraffe ist eine Art psychedelischer 3D-Shooter, doch das Spielprinzip lässt sich nur schwer in Worte fassen. Vergleiche müssen her, und sowas wie »Tempest trifft Rez trifft iTunes Visualizer und Drogendealer bei 480 BPM und 3.500 Umdrehungen pro Minute« trifft’s ganz gut.

Wenn auch nicht richtig.

Wer Space Giraffe zum ersten Mal spielt, glaubt jedenfalls an einen schlechten Witz, und wer versucht, das Spiel nach traditionellen Regeln (für Tempest, Rez, iTunes oder Drogendealer, ganz egal) anzugehen, wird nach kürzester Zeit hoffnungslos verzweifeln. Oder vom Arzt geholt.

YouTubeDirektastic

Das Spiel bombardiert einen vom ersten Moment an mit allem, was es hat. Wahnwitzige Leuchteffekte, wabernde Hintergünde, wahrhaft treibende Technobeats und für Anfänger nicht einzuordnende Sound-Schnipsel. Überall blinkt, blitzt und rummst es, und während man versucht, Gegner zu erkennen, Prinzipien zu begreifen, Abhängigkeiten auszumachen und (nicht zu vergessen) die… Giraffe zu steuern, rutscht man unverhofft ins nächste Level oder bekommt das Game Over vor den Latz geknallt und weiß nicht mal genau, wie, warum, wer oder was.

Und genau das ist der Punkt: Space Giraffe ist die perfekte Parabel auf den allgegenwärtigen Informations-Overkill. Eine klingeltonschwangere Busfahrt zur Rush-Hour durch die von Neonreklame durchflutete Innenstadt Tokios. RSS-Feeds und News-Ticker, Spam-Mails und Flash-Banner, Werbespots und Kurznachrichten zwischen Wettervorhersagen und Vermisstenmeldungen. Gleichzeitig. Auf dem Display eines iPhones.

Asymmetrisches Multimediatasking 24/7.

Space Giraffe verlangt vom Spieler das, was wir alle den ganzen Tag wie selbstverständlich tun. Filtern. Gewichten. Das Wesentliche vom Unwesentlichen trennen, die oftmals winzigen relevanten Häppchen aus der sprichwörtlichen Info-Suppe schöpfen und so verarbeiten, dass sie für UNS einen Nutzen darstellen.

Wenn es im Spiel rülpst und wiehert, rattert und wimmert, hat nur der eine Chance, der sich voll und ganz auf das Geschehen einlässt. »Roll with the flow«, sozusagen — »don’t try to fight it«.

Mein Spiel des Jahres.

But our giraffe is in another castle.

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